Viele neue Ideen, viel „Gedankenfutter“…
Nach drei Tagen Global Media Forum erinnern mich meine Gefühle ein bisschen an die nach einer Klassenfahrt oder einem großen Fest: Ich bin sehr müde, aber gleichzeitig ziemlich aufgekratzt.
Emmy, María und ich haben ja schon ein bisschen erzählt, bei welchen Workshops wir waren. Manche Themen waren zu komplex, um sie in 90 Minuten wirklich tiefgehend zu beleuchten. Gleichzeitig habe ich aber aus allen Veranstaltungen „Gedankenfutter“ mitgenommen, habe neue Organisationen, Lösungsansätze und Menschen entdeckt. Wie zum Beispiel die beiden Schüler Isabelle van der Valk und Hendrik Rösler von der Christophorusschule in Bonn, einer Schule für Kinder mit körperlichen und motorischen Schwierigkeiten.
Diese Schule organisiert ein ganz tolles Austauschprogramm mit einer tunesischen Schule für Kinder mit Behinderungen. Es ermöglicht den deutschen Schülern, zumindest ein mal im Leben die salzige Mittelmeerluft zu schnuppern – und den Tunesiern, Deutschland zu sehen. Zum Global Media Forum waren der Bonner stellvertretende Schuldirektor, der Leiter der Organisation UTAIM el May, die die Partnerschule betreibt, und eine tunesische Lehrerin nach Bonn gekommen. Sie waren extra von der Insel Djerba angereist.
Den gleichen Weg sind übrigens auch Isabelle und Hendrik schon geflogen – nur in umgekehrter Richtung, nach Tunesien und zurück. Isabelle gefiel besonders die Medina, die arabischen Altstadt. Hendrik hatte viel Spaß auf den gemeinsamen Busfahrten: „Es war zwar eng, aber in dem kleinen Bus waren wir uns alle ganz nah.“
Lehrer Jürgen Hammerschlag-Mäsgen hat vom gegenseitigen Lernen geschwärmt: In Tunesien hätte er entdeckt, dass dort Baulösungen aus Deutschland umgesetzt werden. Ihm haben die tunesischen Kollegen gezeigt, wie man Schüler im regulären Arbeitsmarkt unterbringen kann. Ohne Behindertenwerkstätte sind die Tunesier darauf angewiesen, andere Arbeit für ihre Schulabgänger zu finden. „Wir haben weniger finanzielle Mittel, deshalb müssen wir uns neue Wege überlegen, kreativ zu sein“, sagte Rabiaa Ouerimi, Lehrerin in El May. Es gibt einen wichtigen Unterschied zur deutschen Partnerschule: Die tunesische Einrichtung bekommt – außer dem Lehrergehalt – keine staatliche Förderung.
Die deutschen Kinder nehmen viel aus dem Programm mit: Sie lernen eine neue Kultur kennen, üben Englisch und können ganz besondere Dinge machen – zum Beispiel Oliven im Rollstuhl ernten. Und natürlich kommen auch Medien wieder ins Spiel. Denn über Skype lernen sich die tunesischen und deutschen Kinder kennen, halten Kontakt. Per Mails werden Nachrichten und Bilder verschickt. Klar, dass die Teenager sich auch über Facebook verbinden.
Das Projekt hat mir wieder gezeigt, wie wichtig das Engagement einzelner Personen ist. Hätten die Lehrer nicht so viel Energie in ihren Traum eines deutsch-tunesischen Austauschprogramms gesteckt, wäre er wohl nie wahr geworden. Dazu gehört auch Spendensammeln und Förderanträge stellen, um das nötige Geld zusammenzubekommen. Und natürlich Überzeugungsarbeit. Denn viele Eltern waren zu Anfang skeptisch. Doch nach zehn Jahren Partnerschaft hat sich herumgesprochen, was für eine Chance der Austausch ist — und jetzt fragen die Eltern nach, ob auch ihre Kinder teilnehmen können. Auf deutscher Seite gibt es nun Unterstützung von ENSA, dem Schulaustauschprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Ouerimi meint, dass geistig behinderte Kinder an Regelschulen diskriminiert würden. Darüber und über das Programm insgesamt möchte ich unbedingt mit meiner Freundin Katharina sprechen, die Sonderschullehrerin wird. Ich bin gespannt, was sie sagt.