Blockade – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Blockade in Nepal für beendet erklärt https://blogs.dw.com/abenteuersport/blockade-in-nepal-fuer-beendet-erklaert/ Tue, 09 Feb 2016 11:49:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31861 Blockade_GaskanisterDoppelter Grund zum Feiern in Nepal. Pünktlich zum Losar, dem tibetischen Neujahrsfest, zeichnet sich ein Ende der Versorgungskrise in dem Himalayastaat ab. Nach mehr als viermonatiger Dauer erklärten Anführer der Volksgruppe der Madhesi ihre Blockade im Grenzgebiet zu Indien für beendet. Die Madhesi, die im Süden Nepals leben, fühlten sich durch die neue Verfassung des Landes benachteiligt. Inzwischen wurde sie in einigen Punkten geändert. Die Blockade hatte Nepal gelähmt. Der Wiederaufbau nach dem Erdbeben im Frühjahr 2015 war praktisch zum Erliegen gekommen. Brenn- und Treibstoff, Baumaterialien, aber auch Lebensmittel und Medikamente waren knapp geworden, weil der Nachschub aus Indien fehlte. Seit dem Wochenende rollen die Tanklaster wieder Richtung Kathmandu.

Viele Absagen

Happy Losar!

Happy Losar!

Das wird auch die Veranstalter von Trekkingreisen und Expeditionen freuen. Sie waren wegen der Blockade teilweise sogar gezwungen gewesen, über den Schwarzmarkt Treibstoff, Flüge und Essen für ihre Kunden zu organisieren. Die Frühjahrssaison steht vor der Tür. Allerhöchste Zeit, dass auch die Regierung Nepals aufs Gaspedal drückt. Nach wie vor steht der offizielle Beschluss aus, die Permits von 2015 zu verlängern. Wegen der Folgen des Bebens hatten Bergsteiger aus aller Welt ihre Expeditionen abgebrochen. „Ich hatte im vergangenen Jahr sieben Expeditionen mit etwa 100 Bergsteigern“, sagte Tashi Lakpa Sherpa vom nepalesischen Veranstalter Seven Summits Treks gegenüber der Internetseite Republica. „Rund 50 Prozent von ihren haben ihren Nepal-Besuch bereits abgesagt, weil sie nicht genügend Zeit zur Vorbereitung hätten, selbst im Falle, dass ihre Permits verlängert werden.“

Auch im vergangenen Jahr hatte die Regierung Nepals in dieser Angelegenheit die Ruhe weg. Erst als die meisten Bergsteiger schon im Lande waren, hatte sie verkündet, dass die Permits von 2014 ihre Gültigkeit behielten. Auch vor zwei Jahren war die Saison am Mount Everest beendet worden, bevor sie richtig begonnen hatte, nachdem bei einem Lawinenunglück im Khumbu-Eisbruch 16 nepalesische Bergsteiger ums Leben gekommen waren.

 

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Brice: “Es ist einfach, etwas zu verkünden und dann nichts zu tun” https://blogs.dw.com/abenteuersport/brice-es-ist-einfach-etwas-zu-verkuenden-und-dann-nichts-zu-tun/ Mon, 18 Jan 2016 15:52:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31673 Russell Brice

Russell Brice

Er ist der Doyen der westlichen Expeditionsveranstalter. Der Neuseeländer Russell Brice leitet seit 1974 Expeditionen im Himalaya. Kaum einer seiner Kollegen kann so viel Erfahrung vorweisen wie der 63 Jahre alte Chef der Agentur Himalayan Experience – nicht nur wenn es darum geht, Aufstiege auf Achttausender zu organisieren, sondern auch im Umgang mit den Behörden. Fast in Vergessenheit ist geraten, dass Russell in seinen jüngeren Jahren ein exzellenter Höhenbergsteiger war – und auch ein Pionier am Everest: 1988 gelang ihm zusammen mit dem Briten Harry Taylor die erstmalige Überschreitung der „Three Pinnacles“ am Nordostgrat. Ich wollte von Brice wissen, wie er über die aktuelle Lage in Nepal denkt.

Russ, in diesem Frühjahr bietet Himalayan Experience Expeditionen zum Mount Everest und Lhotse an. Wie groß ist die Nachfrage?

Verglichen mit den letzten Jahren sehr gering.

Hat sich die Einstellung deiner Kunden wegen der Ereignisse 2014 (Lawine im Khumbu-Eisfall) und 2015 (Erdbeben und Lawine, die das Everest-Basislager traf) verändert?

Ja, sehr stark. Viele Leute wollen erst einmal abwarten, ob es eine sichere und erfolgreiche Saison wird, bevor sie buchen. Deshalb wird die Saison 2016 sehr wichtig, als Zeichen, dass wir den Everest immer noch relativ sicher besteigen können.

Everest-Südseite

Everest-Südseite

2015 haben die nepalesischen Behörden strengere Regeln für Everest-Aspiranten angekündigt – Altersbeschränkungen (keine Permits für Bergsteiger, die jünger als 18 und älter als 75 Jahre sind), ein Mindestmaß an alpinistischer Erfahrung (mindestens ein Gipfelerfolg an einem Berg, der höher als 6500 Meter ist) und an körperlichen Voraussetzungen. Was hältst du davon?

Die Behörden in Nepal kündigen immer irgendetwas an, und dann dauert es ewig, bis sie es auch umsetzen. Ich halte ein Alterslimit für junge und alte Bergsteiger für eine gute Idee, um dem absurden Streben einiger Leute einen Riegel vorzuschieben.

6500 Meter zu erreichen, bedeutet noch gar nicht. Du kannst einen relativ leichten Berg wie den Aconcagua  [mit 6962 Metern der höchste Berg Südamerikas] besteigen und es würde reichen, nicht dagegen, wenn du den Gipfel eines schwierigeren Bergs wie des Denali [mit 6190 Metern der höchste Berg Nordamerikas] erreichst. Glaubst du etwa, dass die nepalesischen Behörden wirklich nachprüfen würden, ob die Leute diese Berge bestiegen haben oder nicht? Natürlich nicht. Sie haben überhaupt kein Interesse daran, und die meisten Leute werden einfach lügen. Es wäre viel besser zu fragen, ob die Bergsteiger, die zum Everest wollen, bereits einen anderen Achttausender bestiegen haben. Das könnten die Behörden in Nepal dann wirklich nachprüfen.

Zweieinhalb Monate vor dem Beginn der Frühlingssaison sind diese neuen Regeln ebenso wenig in Kraft wie die versprochene Verlängerung der Permits (Besteigungsgenehmigungen) von 2015.  Ärgerst du dich über die Tatenlosigkeit der Regierung? Vielleicht bist du ja auch schon daran gewöhnt.

Absolut. Ich bin extrem enttäuscht darüber, dass die Regierung sich nicht dafür einsetzt, die Erdbeben-Hilfsgelder an die Menschen zu verteilen, die dringend Hilfe brauchen, und dass sie kein Interesse daran zeigt, den Tourismussektor wieder aufzubauen. Es ist so einfach, etwas zu verkünden und dann nichts zu tun.

Ich habe zwar gehört, dass die Permits für die Bergsteiger, die im vergangenen Jahr auf Expedition in Nepal waren, um zwei Jahre verlängert werden sollen. Aber wieder einmal hat diese Initiative noch nicht das Parlament erreicht, und wir kennen auch noch nicht die Details, wie sie umgesetzt werden soll. Wie sollen wir das unseren Kunden vermitteln?

Im vergangenen Jahr erhielten wir die Bestätigung, dass die alten Permits weiter gültig blieben, erst um acht Uhr abends am Tag, bevor wir morgens um 6 Uhr ins Basislager aufbrechen wollten. Wir als Veranstalter haben das große Risiko getragen, diese Kunden nach Nepal zu bringen, ohne jede Unterstützung der Behörden.

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Obwohl es in den vergangenen beiden Jahren keine Gipfelerfolge von der nepalesischen Seite aus gab, bist du nicht auf die Nordseite gewechselt. Warum nicht?

Ich bin derzeit nicht dafür gerüstet, in Tibet zu arbeiten, aber ich traue auch den chinesischen Behörden nicht, nachdem sie in der vergangenen Herbstsaison wieder einmal Tibet geschlossen haben. Als sie genau das auch 2008 drei Tage vor unserer Anreise machten, habe ich eine Viertelmillion Dollar verloren. Das kann ich mir nicht noch einmal leisten.

Aber ich versuche auch, den Menschen in Nepal, so gut ich kann, zu helfen, weil es die Regierung ganz gewiss nicht tut.

Die Situation in Nepal ist immer noch schwierig, auch wegen der andauernden Blockade der Grenze zu Indien. Siehst du der bevorstehenden Frühlingssaison optimistisch oder mit gemischten Gefühlen entgegen?

Ich bin beschämt und bestürzt, dass die neue nepalesische Regierung es in so vielen Monaten nicht geschafft hat, das Problem der Blockade zu lösen. Ich bin ausgesprochen beunruhigt, dass es auch zu Beginn der Bergsteiger-Saison noch so sein könnte. Das würde uns Veranstalter heftig treffen, wegen der Kosten für Lebensmittel, Treibstoff, Transport und so weiter.

Ich freue mich nicht gerade auf die nächste Saison, aber wir müssen einfach dort sein, mit einer positiven Einstellung. Wenn die einheimischen Behörden das nicht leisten können, müssen dafür eben wir einspringen und unser Bestes geben. Zu viele Menschen verlassen sich darauf, dass wir Touristen nach Nepal bringen. Deshalb müssen wir alles versuchen, um dieses Geschäft wiederzubeleben.

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Keine Aussicht auf Frühlingsgefühle in Nepal https://blogs.dw.com/abenteuersport/keine-aussicht-auf-fruehlingsgefuehle-in-nepal/ Wed, 13 Jan 2016 16:43:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31645 Brennholz statt Gas oder Kerosin

Gefragt: Brennholz zum Heizen und Kochen

Wenn es eine Jahreszeit gibt, die für Optimismus steht, dann ist es der Frühling: Der Winter verzieht sich, es wird wärmer, heller, farbenfreudiger. Das verleitet dazu, sich die Welt möglicherweise schöner zu malen, als sie – nüchtern betrachtet – wirklich ist. Auch die Menschen in Nepal sehnen den Frühling herbei, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. 2015 wurden sie gebeutelt. Erst das verheerenden Erdbeben, das nach offiziellen Angaben mehr als 8800 Menschen das Leben kostete. Und als wäre das allein noch nicht schlimm genug, seit nun schon vier Monaten die Blockade der Grenze zu Indien. Von Frühlingsgefühlen ist in Nepal derzeit noch nichts zu spüren.  

Zwiespältig

Nach wie vor sind Brennstoff, Lebensmittel und Medikamente knapp, weil der Nachschub aus Indien fehlt. Der Wiederaufbau in den Regionen, die vom Erdbeben getroffen wurden, stockt wegen der Blockade. Und auch der Tourismus leidet. Die Bedingungen für die Veranstalter von Trekkingreisen und Expeditionen sind alles andere als ideal. Bisher sei es seiner Agentur immer noch gelungen, Benzin aufzutreiben, Flüge zu gewährleisten und Essen zu organisieren, schreibt mir Manfred Häupl, Chef des deutschen Veranstalters Hauser Exkursionen, „sicher oft über den Schwarzmarkt.“ Er habe ein „ambivalentes Gefühl“ dabei, räumt Häupl ein, „weil wir Touristen schicken wollen und sollen, andererseits die Bevölkerung leidet.“

Mit zweierlei Maß

Rationierter Verkauf von Gasflaschen

Rationierter Verkauf von Gasflaschen

„Die Buchungslage hat sich längst noch nicht erholt“, sagt der Hauser-Chef. „Wir liegen noch ca. 30 Prozent unter dem Wert des Vorjahrs. Das NTB [Nepal Tourism Board – die Tourismusbehörde des Landes] unternimmt nichts, um den Tourismus anzukurbeln, vielmehr wurden nun auch noch die Eintrittsgebühren erhöht.“ Im Gegensatz dazu erhebt die nepalesische Regierung seit Jahresbeginn keine Visagebühren mehr für Besucher aus China. Vielleicht sollten die Verantwortlichen in Kathmandu auch einmal über eine solche Geste gegenüber westlichen Touristen nachdenken.

Weniger Buchungen, aber Aufwärtstrend

Auch andere große deutsche Anbieter wie der DAV Summit Club und Amical alpin verzeichnen für die anstehende Saison einen Rückgang der Buchungen für Nepalreisen in ähnlicher Größenordnung wie Hauser. „Die Buchungseingänge für das Frühjahr 2016 liegen derzeit 26 Prozent unter denen des Vorjahres“, schreibt mir Markus Herrmann, Produkt-Manager beim DAV Summit Club. Allerdings stelle sein Unternehmen eine anziehende Nachfrage für Nepalreisen fest. „Es geht deutlich aufwärts“, sagt Herrmann.

Über Kathmandu oder Lhasa?

Dominik Müller, Chef von Amical alpin, äußert sich ebenfalls vorsichtig optimistisch. So sei die für das Frühjahr angebotene Expedition zum Achttausender Makalu in Nepal „bereits gut gebucht und damit gesichert“. Der Amical-Chef verweist jedoch auf Unwägbarkeiten vor der anstehenden Saison: „Für uns als Expeditionsanbieter ist die Frage offen, ob China die Grenze zu Tibet für Expeditionen öffnet, damit wir unser Material und auch die Anreise über Nepal organisieren können. Sicherlich ist eine Anreise auch über Lhasa möglich, bedeutet aber deutlich höhere Kosten.“

Das große Schweigen

Während im Frühjahr 2015 das Erdbeben in Nepal weltweit über Wochen Schlagzeilen machte, scheint sich für den Konflikt im nepalesisch-indischen Grenzgebiet kaum jemand zu interessieren. Die Volksgruppe der Madhesi, die in der Grenzregion lebt, protestiert mit der Blockade gegen die neue Verfassung Nepals, durch die sie sich benachteiligt fühlt. Die Regierung in Kathmandu beschuldigt Indien, die Blockade aktiv zu unterstützen, die Verantwortlichen in Neu Delhi bestreiten dies.
Ende November äußerte sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon besorgt über die Auswirkungen der Blockade auf die Hilfsaktionen in Nepal und unterstrich das Recht des Landes auf freien Transit. Er rief alle beteiligten Parteien auf, ihre Differenzen beizulegen.
Von den westlichen Regierungen ist zu dem Konflikt bisher so gut wie nichts zu hören. Meine Anfrage an das Auswärtige Amt in Berlin, wie die Bundesregierung zu dem Problem stehe, ob sie schon auf Indien eingewirkt habe oder beabsichtige, dies zu tun, blieb bisher unbeantwortet.

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Dawa Steven Sherpa: „Chancen gehen zur Neige“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-dawa-steven-sherpa-cop21/ Thu, 03 Dec 2015 10:30:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31357 Der Imja Tsho, ein Gletschersee im Everest-Gebiet

Der Imja Tsho, ein Gletschersee im Everest-Gebiet

Es ist fünf vor zwölf, vielleicht sogar später. Die Zeit wird knapp, um den von Menschen verursachten Klimawandel zu bekämpfen. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung lassen sich auch im Himalaya nicht mehr verleugen, etwa in Nepal. US- und einheimische Wissenschaftler schlagen Alarm: „Vor allem wegen des Klimawandels sowie der jüngsten Auswirkungen des Erdbebens und der Nachbeben ist Nepal in eine Phase häufig auftretender katastrophaler Ereignisse eingetreten, die sich in den kommenden Jahren auf die Bevölkerung des Landes, ihre Lebensumstände und ihre Lebensgrundlage auswirken wird.“ Die Wissenschaftler hatten die Folgen des verheerenden Erdbebens am 25. April auf die größten und gefährlichsten Gletscherseen in Nepal untersucht.
In diesen Tagen diskutieren Delegierte aus aller Welt in Paris über ein neues Klimaschutzabkommen. Aus diesem Anlass habe ich Dawa Steven Sherpa in Kathmandu angerufen. Zusammen mit seinem Vater Ang Tshering Sherpa, dem Präsidenten des Nepalesischen Bergsteigerverbands (NMA)  führt der 31-Jährige den Expeditionsveranstalter„Asian Trekking“. Dawa Steven bestieg zweimal den Everest (2007 und 2008) und auch die Achttausender Cho Oyu (2006) und Lhotse (2009). Seit Jahren engagiert er sich für Umwelt- und Klimaschutz, unter anderem ist er Botschafter des WWF für den Klimawandel.

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Dawa Steven, welche Veränderungen durch die globale Erwärmung stellst du in Nepal fest, besonders in der Everest-Region?

Alle Bergregionen Nepals wandeln sich, selbstverständlich auch die Everest-Region. Als Bergsteiger siehst du die Veränderungen. Neue Routen müssen gesucht werden, so wie es in diesem Jahr die „Icefall Doctors“ im Khumbu-Eisbruch gemacht haben. Auch die Gefahrenlage ändert sich. Wir registrieren mehr Steinschlag, weil Schnee und Eis fehlen, die früher dafür gesorgt haben, dass sich Steine und Felsbrocken nicht von den Hängen lösten. Wir notieren ebenfalls mehr Lawinen und Zusammenbrüche von Seracs. Natürlich sind das natürliche Prozesse, die an hohen Bergen einfach vorkommen. Aber sie sind noch nie so häufig aufgetreten und in diesem Umfang.

Worin siehst du die größten Gefahren der Zukunft für die Menschen im Himalaya?

Über die Gefahren für Bergsteiger habe ich ja gerade gesprochen, aber es gibt noch viele, viele andere Probleme. Die Gletscher schmelzen und verwandeln sich in riesige Seen, deren natürliche Dämme zu brechen drohen. Die Wassermassen würden tiefer liegende bewohnte Täler treffen. Das ist eine unmittelbare Auswirkung, aber es gibt auch noch andere. Zum Beispiel ändert sich das Wettergeschehen. Es ist kaum noch möglich vorherzusagen, wann es regnet, wann die Niederschläge aufhören, wie trocken oder kalt es wird. Früher konnte man sich auf gewisse historische Wettermuster verlassen, heute funktioniert das nicht mehr. Deshalb wird es für Menschen, die auf Landwirtschaft angewiesen sind, immer schwerer, nicht nur in den Bergen, auch in den Tälern.
Außerdem können wegen der steigenden Temperaturen immer mehr Insekten in großen Höhen überleben. Es tauchen Schädlinge an Orten auf, an denen man sie früher gar nicht kannte. Auch Mücken und Parasiten werden in immer höheren Lagen angetroffen. Sie zerstören die Ernten und gefährden die Gesundheit.

Dawa Steven Sherpa

Dawa Steven Sherpa

Der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf den für Nepals Wirtschaft so wichtigen Tourismus. Im Jahr 2013 etwa blieb der Flughafen Lukla [das Eingangstor für Bergsteiger und Trekking-Touristen ins Khumbu-Gebiet] im Oktober 12 Tage lang geschlossen. Eigentlich ist der Oktober für den Tourismus in Nepal der stärkste Monat. Aber wenn mehr als ein Drittel der Tage wegen des schlechten Wetters für Reisen ausfallen, hat das gravierende Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort, auf die Situation der lokalen Wirtschaft – und auch der ganzen Nation. Denn so etwas schadet dem Ruf Nepals als verlässliches und seriöses Urlaubsziel.

Nepal kämpft derzeit mit anderen großen Problemen: den Folgen des verheerenden Erdbebens, Engpässen wegen der Blockade der Grenze zu Indien, dazu gibt es noch eine neue Regierung. Bleibt da im öffentlichen Bewusstsein überhaupt noch Platz für die Problematik des Klimawandels?

Wir müssen zwischen dringenden und wichtigen Bedürfnissen unterscheiden. Im Augenblick gibt es dringendere Bedürfnisse in Nepal, etwa dass die Blockade endlich aufgehoben wird. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich die Menschen selbstverständlich weniger mit den langfristigen Folgen des Klimawandels. Aber ob Klimawandel, Blockade oder Erdbeben, sie alle haben einen direkten Einfluss auf den Lebensunterhalt der Menschen. Nach dem Erdbeben konnten Hunderttausende Menschen nicht in ihre Häuser zurückkehren, weil aufgrund der Blockade keine Hilfe mehr eintrifft und die Bauarbeiten zum Stillstand gekommen sind. Diese Menschen wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Sie können nicht auf ihre Felder gehen, weil ihre Ernte zerstört wurde. Es ist nicht einfach schwarz-weiß, hier der Klimawandel, dort das Erdbeben. Am Ende des Tages hängt alles irgendwie zusammen und schränkt die Fähigkeit der Menschen vor Ort ein, für sich selbst zu sorgen.

KlimakonferenzWas erwartest du vom Klimagipfel in Paris?

Ich hoffe, dass nicht nur die mächtigen, sondern alle Nationen eine Vereinbarung treffen, um den Kohlendioxid-Ausstoß so weit zu reduzieren, dass die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius gehalten werden kann. Außerdem muss das Abkommen rechtsverbindlich sein. Sollte man einem Land nachweisen, dass es sich nicht an die Regeln hält, muss es dafür haften. Es geht hier schließlich nicht nur um unsere, sondern jedermanns Zukunft. Ich hoffe, dass diejenigen, die am Verhandlungstisch sitzen und dann die Papiere unterzeichnen, nicht nur durch die ökonomische Brille blicken. Ich denke, am Ende des Tages, wenn die Erde wirklich beginnen sollte zu kollabieren, sind ökonomische Gründe nur noch ein Witz. Niemand wird dann noch auf diese Entscheidung zurückblicken. Die Delegationen in Paris sollten an künftige Generationen denken und nicht nur an ihre Wirtschaft.

Denkst du, es ist eine der letzten Chancen, weil die Zeit knapp wird?

Die Chancen gehen zur Neige, es wird immer schlimmer. Vielleicht mag es ja in einigen entwickelten, hoch industrialisierten Gebieten der Welt auch Menschen geben, die vom Klimawandel profitieren würden. Aber für die Menschen in Nepal oder in anderen Entwicklungsländern schwinden die Chancen sehr schnell dahin. Sie spüren bereits jetzt die Auswirkungen des Klimawandels.

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UIAA unterstützt strengere Everest-Regeln https://blogs.dw.com/abenteuersport/uiaa-unterstuetzt-strengere-everest-regeln/ Sun, 15 Nov 2015 18:54:54 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31217 Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Rückendeckung für die nepalesischen Behörden: Der Weltverband der Kletterer und Bergsteiger (UIAA) „unterstützt in vollem Umfang die Entscheidung, strengere Zulassungsregeln für Bergsteiger festzulegen, die den höchsten Berg der Erde, den Mount Everest (8848 Meter) besteigen wollen“, heißt es in einer Mitteilung des Verbands. Geplant ist unter anderem, dass Everest-Anwärter künftig nachweisen müssen, dass sie vorher schon einmal einen mindestens 6500 Meter hohen Berg bestiegen haben. So soll verhindert werden, dass Anfänger sich am höchsten aller Berge versuchen. „Der Everest sollte wieder ein Berg der Bergsteiger werden“, sagte UIAA-Präsident Frits Vrijlandt.

„Würde und Ehre des Everest wiederherstellen“

„Wir unterstützen die Altersbeschränkungen (kein Zugang für Bergsteiger unter 18 und über 75) und die minimalen körperlichen und geistigen Anforderungen an die Bergsteiger, mit denen sichergestellt werden soll, dass man in der Lage ist, alleine oder mit einem Partner zu klettern. Wenn man sich den Berg hinauflassen ziehen muss, hat man einfach nichts am Everest zu suchen.“ Vrijlandt sagte, den nepalesischen Behörden liege der Everest wirklich am Herzen. Der UIAA-Präsident war im Jahr 2000 der erste Niederländer, der den Everest von der tibetischen Nordseite aus bestieg und 2003 der Zweite seines Heimatlandes auf den „Seven Summits“, den höchsten Bergen aller Kontinente.
Die UIAA teilte mit, man sei sich mit dem Nepalesischen Bergsteigerverband (NMA) darin einig, „dass die Einführung dieser Maßnahmen die Sicherheit auf dem zunehmend überlaufenen Berg drastisch erhöhen und den Druck auf die Bergführer vermindern wird, die häufig ihr Leben riskieren müssen, um schlecht vorbereiteten Kletterern zur Seite zu stehen. Außerdem können so Würde und Ehre des Everest wiederhergestellt werden.“

Mehr Eigenverantwortung

Die neuen Everest-Regeln müssen noch in das bestehende Gesetz, den so genannten „Tourism Act” eingearbeitet werden. Ich denke, die neue Regierung des Landes dürfte derzeit jedoch dringlichere Probleme haben, die es zu lösen gilt, etwa die nach wie vor andauernde Blockade der Grenze zu Indien. Selbst wenn die neuen Everest-Vorschriften pünktlich zum Beginn der Frühjahrssaison in Kraft treten sollten, stellt sich die Frage, wie man sicherstellen will, dass die Regeln auch eingehalten werden. Das Tourismusministerium wird wohl kaum Trainingsgelände eröffnen, auf denen Everest-Anwärter nachweisen müssen, dass sie die nötigen Bergsteiger-Fähigkeiten besitzen, bevor sie ein Permit, also eine Besteigungsgenehmigung, erhalten. Daher werden wohl die Expeditionsveranstalter sicherstellen müssen, dass ihre Kunden die Bedingungen erfüllen. Die Anbieter wären gut beraten, diese Verantwortung an ihre Kundschaft weiterzugeben. Letzten Endes sollte schließlich jeder Bergsteiger, der auf den Everest will, selbstverantwortlich am Berg Entscheidungen treffen können. Das wäre schon einmal ein großer Schritt vorwärts.

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Drei Fragen an Ueli Steck https://blogs.dw.com/abenteuersport/drei-fragen-an-ueli-steck/ Sat, 17 Oct 2015 11:22:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30881 Ueli in der Cholatse-Nordwand

Ueli in der Cholatse-Nordwand

Die Herbstsaison im Himalaya ist noch nicht ganz vorbei. Auch wenn kürzlich die Expeditionen am Mount Everest sowie den Achttausendern Makalu, Dhaulagiri und Annapurna wegen zu gefährlicher Verhältnisse am Berg abgebrochen wurden, sind immer noch einige wenige Bergsteiger an den höchsten Bergen unterwegs. So hatte sich das Team des Südkoreaners Sung Taek Hong, der sich erneut an der Lhotse-Südwand versucht, für einen späteren Expeditionsbeginn entschieden. Und auch der Schweizer Ueli Steck und der US-Amerikaner Colin Haley haben gerade erst ihre Akklimatisierung abgeschlossen. Steck und Haley gingen dabei getrennte Wege. Steck kletterte mit Tenji Sherpa durch die Nordwand des 6440 Meter hohen Cholatse. „Das war ziemlich cool. Er ist der erste Sherpa, der diese Wand kletterte“, schreibt mir Ueli. „Es ist schön zu sehen, wie eine ’neue‘ Generation Sherpas heranwächst, die sich wirklich fürs Bergsteigen interessieren und nicht nur fürs Business. Ich denke, das ist genial!“ Steck und Haley wollen die 2003 eröffnete, extrem schwierige Route über den Südostpfeiler auf den 7804 Meter hohen Nuptse East erstmals wiederholen – im Gegensatz zu den russischen Erstbegehern Valerij Babanov und Yuri Kosholenko jedoch im Alpinstil. Ich habe Ueli drei Fragen ins Basislager geschickt.

Akklimatisierung a'la Ueli

Akklimatisierung à la „Speedy“  Ueli

Ueli, einige Expeditionen – ob am Everest, Makalu oder Dhaulagiri – wurden in den letzten zwei Wochen wegen zu viel Schnees und damit einhergehender Lawinengefahr abgebrochen. Wie sind die Verhältnisse am Nuptse?

Die am Everest haben auch abgebrochen? Am Cholatse hatten wir vor einer Woche perfekte Bedingungen. Ich bin die Wand nun dreimal geklettert und hatte noch nie so gute Bedingungen. Es war ein Traum. Jetzt hier am Nuptse sieht es ein bisschen anders aus. Die Wand war extrem trocken, da es sehr warm war. Jetzt ist das Wetter sehr unstabil, und es hat jeden Tag etwas Niederschlag gegeben. Ich denke es ist nicht sehr gut, aber wir werfen die Flinte noch nicht ins Korn!

Ueli-Steck-Akklimati-IIDu wirkst auf den Bildern, die du aus dem Khumbu schickst, topfit und gut gelaunt. Dein Kletterpartner für das ambitionierte Nuptse-Projekt, Colin Haley, hatte dagegen gesundheitliche Probleme. Was geschieht, wenn er nicht so fit wird, wie du es offenkundig bist?

Colin ist „on track“ (auf der Spur). Ich fühle mich sehr wohl in der Höhe und gewöhne mich offenbar auch sehr schnell daran. Wir mussten jeder sein eigenes Programm absolvieren, um uns zu akklimatisieren. Daher bin ich auch mit Tenji zum Cholatse gegangen. Aber jetzt ist Colin auch bereit. Schauen wir mal, wie es läuft.

Das Erdbeben in Nepal liegt bald ein halbes Jahr zurück. Wie erlebst du die Menschen und die Situation im Khumbu?

Es ist beeindruckend, zu sehen, wie die Leute damit umgehen. Das Khumbu ist bereits wieder komplett aufgebaut. Wenn man nicht wüsste, dass es im Frühjahr ein Erdbeben gab, würde man nichts merken. Auffallend ist, wie wenig Touristen hier sind. Aber die Leute hier sind wie immer sehr positiv eingestellt. Das Land hat mehr Probleme als nur die Folgen des Erdbebens – aktuell, dass kein Benzin mehr ins Land kommt. Ich glaube, die ganze Politik sorgt für das größere Leid.

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Erst das Beben, jetzt die Blockade https://blogs.dw.com/abenteuersport/erst-das-beben-jetzt-die-blockade/ Sat, 10 Oct 2015 21:36:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30835 Run auf den knapp gewordenen Sprit

Run auf den knapp gewordenen Sprit

Na endlich! Viele westliche Regierungen haben jetzt ihre nach dem Erdbeben vom 25. April verhängten generellen Reisewarnungen für Nepal aufgehoben. Sie raten jetzt nur noch von Reisen in bestimmte Gebiete des Himalaya-Staates ab. So nennt das Auswärtige Amt in Berlin die Trekkingregionen Langtang und Manaslu als problematische Gebiete, zu denen der Zugang „gar nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich“ sei. Auch das britische Außenministerium rät von Reisen in diese Regionen ab und nennt zusätzlich noch die Bezirke Sindhupalchowk und Dolakha. Aus Sicht der deutschen Regierung ist bei Reisen in diese und andere von dem Beben hart getroffenen Bezirke „besondere Vorsicht geboten“. Das US-Außenministerium stellt fest, dass die Häufigkeit und Stärke der Nachbeben deutlich nachgelassen habe, rät aber Reisenden dazu, sich gründlich bei den lokalen Reise- und Trekkingagenturen über die konkreten Gefahren schlau zu machen. Alle genannten Regierungen verweisen auf ein neues Problem Nepals – ein politisches.

Alles wird knapp

Seit zwei Wochen sind die Grenzübergänge nach Indien als Folge von Protesten in den Distrikten des Terai quasi dicht. Benzin, Gas, Grundnahrungsmittel, Medikamente – alles wird knapp in Nepal. „Etliche Hotels servieren nur noch Sandwiches und Salat. Viele kleine Restaurants mussten schon schließen“, schreibt Michi Münzberg aus der Hauptstadt Kathmandu. „Zu den Essenszeiten wabern dicke Rauchfahnen durch die Gassen, da die Menschen sich offene Feuerstellen angelegt haben.“

In Kathmandu gestrandet

Michi Münzberg (r.) in Kathmandu

Michi Münzberg (r.) in Kathmandu

Vor drei Jahren reiste die Deutsche, die in der Kleinstadt Wilthen in Sachsen lebt, zum ersten Mal nach Nepal. Seitdem ist das Land für sie so etwas wie eine zweite Heimat geworden. Michi gründete ein privates Hilfsprojekt, „Hope for Nepal“. Sie vermittelt Schulpatenschaften für nepalesische Kinder und unterstützt ein Kinderhaus in Kathmandu. Jetzt reiste Michi erneut nach Nepal, um den Erdbebenopfern zu helfen. Doch seit zwei Wochen sitzt sie wegen der Grenzblockade im Terai in Kathmandu fest.

Keine Materialtransporte möglich

„Klar, wir könnten uns eines der wenigen noch fahrenden Taxis chartern, aber das würde eine dermaßen horrende Summe kosten, dass es einfach sinnlos wäre. Der Transport der Baumaterialien wäre letztendlich damit auch noch nicht bewerkstelligt“, schreibt Michi. „Mir tun die Menschen in diesen Gebieten unendlich leid. Hofften sie doch alle, dass es nach dem Monsun gut vorangehen wird. Es müssen noch dringend wintertaugliche Hütten und sanitäre Einrichtungen gebaut werden. Wie sollen wir das bloß schaffen?“

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