Eiger-Nordwand – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Dani Arnold: „Ein bisschen Risiko darf sein“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dani-arnold-ein-bisschen-risiko-darf-sein/ Mon, 08 Oct 2018 13:07:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42205

Dani Arnold in Köln

Wieder einmal ist er eine Wand geradezu hinaufgesprintet. Im August durchkletterte der Schweizer Dani Arnold die Grandes-Jorasses-Nordwand solo und ohne Seilsicherung in der neuen Rekordzeit von 2:04 Stunden. Die Erstbegeher der Route über den Walker-Pfeiler um den Italiener Riccardo Cassin hatten dafür 1938 drei Tage benötigt. Auch in der Matterhorn-Nordwand hält der 34-Jährige seit drei Jahren die Bestzeit: 1:46 Stunden. Für seinen ersten Paukenschlag hatte Dani 2011 gesorgt, als er Ueli Stecks Rekord in der Eiger-Nordwand um 20 Minuten unterboten und den Gipfel nach 2:28 Stunden erreicht hatte. Steck hatte sich die Bestzeit 2015 zurückgeholt (2:22 Stunden).

Dani Arnold ist Bergführer und lebt mit seiner Frau Denise im Kanton Uri  im 4000-Seelen-Dorf Bürglen, in dem mehr als 200 Einwohner (kein Witz, er hat es mir gegenüber bestätigt) den Namen Arnold tragen. Ich habe Dani in meiner Heimatstadt Köln getroffen – vor seinem Auftritt als Hauptredner des Kölner-Alpintags.

Dani, wie gefällt dir die Bezeichnung „Usain Bolt der Alpen-Nordwände“?

Ich finde sie ein bisschen übertrieben. Ich bin sicher sehr schnell unterwegs, aber es gibt noch viele andere sehr, sehr gute Bergsteiger. Ich glaube, es stimmt einfach nicht, dass ich der beste bin.

Grandes-Jorasses-Nordwand

Aber vielleicht der schnellste. Du hältst schließlich an zwei der drei klassischen Nordwände in den Alpen den Geschwindigkeitsrekord. Kommst du, wenn du so schnell kletterst, auch manchmal in einen Rauschzustand, wie etwa beim Laufen, wenn irgendwann ein „Flow“ einsetzt und alles wie von selbst zu gehen scheint? 

Ja, so ein Gefühl gibt es schon. Ich fühle mich dann frei und leicht. Wenn zum Beispiel in der Eiger-Nordwand der Wasserfall-Kamin, das brüchige Band und der brüchige Riss kommen, dauert es normalerweise ewig, bis man dort durchgeklettert ist. Wenn man aber solo und auf Geschwindigkeit unterwegs ist, dann folgt einfach eine Stelle nach der anderen. Und man hat dann wirklich auch das Gefühl, es sei schnell.

Du bist im Sommer den Walker-Pfeiler an den Grandes Jorasses in zwei Stunden vier Minuten geklettert, 17 Minuten schneller als der vorherige Rekordinhaber Ueli Steck. Du bist komplett ohne Seil und Sicherung geklettert. Wieviel Risiko darf aus deiner Sicht sein?

Es geht nicht ohne Risiko, das ist ganz klar. Auf der anderen Seite war es mein Ziel, am Walker-Pfeiler auf jedes Sicherungsmaterial zu verzichten. Es sollten einfach nur der Berg und ich sein. Ich musste erst einmal herausfinden: Traue ich mich überhaupt? Ist es noch sicher? Ich habe mich dann für den Weg entschieden. Und ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich ein Riesen-Risiko eingegangen bin. Ich glaube, man kann nicht pauschal sagen, dass weniger Material gleich ein höheres Risiko bedeutet.

Dani Arnold: Weniger Material nicht gleich mehr Risiko

Wie hast du dich vorbereitet? Kanntest du jeden Kletterzug auf dieser Route?

Die Route ist 1200 Meter lang. Ich habe das Talent, dass ich mir sehr gut Stellen und Kletterbewegungen merken kann. Ich weiß zum Beispiel, wie im Rebuffat-Riss, einer der schwierigen Stellen dort, die Griffe aussehen, mit welcher Hand ich welchen Griff klettern muss. Dazu braucht man auch noch eine, ich sage mal, „rollende Planung“ und außerdem sehr viel Selbstvertrauen.

In der Wand

Du hast einmal gesagt, es gebe ein Recht auf Risiko. Wie hast du das gemeint?

Wenn man für etwas lebt, sich seriös darauf vorbereitet und sich dann in einen Gefahrenbereich begibt, wird das von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Das finde ich nicht richtig. Schließlich geht man diese Dinge doch nicht einfach fahrlässig an, aus Unwissenheit oder Dummheit. Wenn man sich wirklich auf etwas vorbereitet und es seriös durchzieht, darf man auch ein bisschen Risiko eingehen, denn es lohnt sich zu hundert Prozent.

Dani Arnold: Das Recht auf Risiko

Wenn man sich deine Speedrekorde ansieht, stößt man immer wieder auf den Namen Ueli Steck, weil es seine Rekorde waren, die du gebrochen hast. Er ist im vergangenen Jahr am Nuptse mit 40 Jahren in den Tod gestürzt. War das für dich Warnung oder Mahnung?

Er hat genau das Gleiche gemacht wie ich jetzt. Und da denkt man natürlich sofort: Hej, das kann mir auch passieren. Ich glaube jeder Unfall – nicht nur von Ueli, sondern auch von anderen Bergsteigern – bleibt im Gehirn drin. Das bedeutet nicht, dass man nun einen komplett anderen Weg geht. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass ich jetzt nicht mehr so viel Risiko eingehe wie noch vor fünf oder zehn Jahren.

Dani kurz vor dem Ausstieg aus der Wand

Beim Klettern und Bergsteigen auf höchstem Niveau besteht immer die Gefahr, die Schraube eines Tages zu überdrehen. Hast du Schutzmechanismen dagegen?

Die Gefahr, dass man irgendwann einen Schritt zu weit geht, liegt auf der Hand. Das macht mir auch ein bisschen Angst, weil ich natürlich immer versuche, das Optimum zu erreichen und noch ein bisschen mehr. Um gegenzusteuern, gehe ich z.B. fischen oder ich verbringe einfach mal Zeit mit Freunden und Familie, wo wir das Thema Bergsteigen gar nicht ansprechen. Das hilft mir, aktiv ein bisschen davon wegzukommen. Es dreht sich sonst alles ums Bergsteigen und auch um dieses mehr, mehr, mehr. Ich muss dann andere Gedanken haben und es auch mal gut sein lassen.

Dani Arnold: Es auch mal gut sein lassen

In der breiten Öffentlichkeit bist du vor allem wegen deiner Speedaufstiege bekannt. Dabei bist du ja ein kompletter Kletterer. Du gehörst z.B. zu den Wintererstbesteigern des Cerro Egger in Patagonien, du warst mit den Huber-Brüdern auf Expedition im Karakorum. Stört es dich, dass man dich öffentlich häufig auf das Geschwindigkeitsklettern reduziert?

Es stört mich schon ein bisschen. Auf der anderen Seite kann ich durch das Speedklettern jetzt vom Bergsteigen leben, weil es ausreichend Vorträge und Sponsoren gibt. Von daher ist es schon wichtig. Wenn ich an einem Abend einen 90-Minuten-Vortrag halte, nutze ich die Bekanntheit über das Speedklettern, um auch meine Herzensgeschichten zu erzählen, wie zum Beispiel über das Mixed-Klettern in Schottland, diese ganz, ganz schweren Klettereien.

Dani Arnold (3.v.r.) 2015 mit Thomas und Alexander Huber, ihrem pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder und Seppi Dabringer (v.r.)

Wirst du in den nächsten Jahren wieder auf große Expeditionen gehen?

Ganz bestimmt. Schwierigkeitstechnisch und auch in Sachen Geschwindigkeit wird es nicht unendlich lange so weitergehen. Da werden dann diese Geschichten an neuen Bergen in unbekannten Regionen aufkommen. Mit den Huber-Brüdern habe ich wirklich zwei Super-Leute gefunden, mit denen ich super gerne unterwegs bin. Das ist mir fast wichtiger, als wenn jemand extrem stark ist. Man muss eine gute Zeit zusammen haben. Und das haben wir.

Wäre auch mal ein Achttausender für dich interessant?

Bestimmt. Bis jetzt hatte ich noch nie ein Bedürfnis, dort hochzusteigen, aber so langsam kommt es. Ich möchte gerne mal erleben, wie es sich anfühlt.

Hast du ein Traumziel, einen Berg, zu dem du unbedingt noch hin willst?

Eigentlich nicht. Die Eiger-Nordwand z.B. war für mich nicht dieses eine große Ziel. Ich habe viele, viele Ideen. Wenn es dann in der Vorbereitung konkreter wird, fokussiert man sich auf einen Berg. Und dann wird dieser plötzlich mein Berg, und es gibt keinen anderen mehr.

Beim Eisklettern in den Helmcken Falls in Kanada

Du hast die drei großen Alpen-Nordwände solo und in großer Geschwindigkeit bestiegen, damit hat sich ein Kreis geschlossen – es sei denn, du willst dir den Eiger-Rekord wieder zurückholen. Machst du jetzt einen Haken hinter das Speedklettern?

Mit dem Rekord in der Grandes-Jorasses-Nordwand hat sich das schon ein bisschen erledigt. Mit größter Wahrscheinlichkeit werde ich nicht mehr an den Eiger zurückgehen. Ich möchte mir das Ganze aber offen lassen. Im Moment habe ich tatsächlich kein konkretes Speedprojekt, aber das kann sich bei mir schlagartig ändern. Ich glaube, ich habe damit noch nicht ganz abgeschlossen.

Wann werden wir dich wieder auf großer Expedition erleben?

Im Winter möchte ich Richtung Russland oder China zum Eisklettern aufbrechen. Ich war noch nie im Hochwinter dort. Ich möchte auch die Menschen in diesen extrem kalten Regionen treffen. Das fasziniert mich auch. Es gibt sicher kalte Finger dort! (lacht)

Kannst du auch ganz normal bergsteigen, ohne Hintergedanken an eine krasse Route?

Ja. Es gibt diese Tage, an denen ich keine Ambitionen habe und es einfach nur genießen kann. Ich liebe halt immer noch dieses Draußen-sein.

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Kletterlegende Jeff Lowe ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/kletterlegende-jeff-lowe-ist-tot/ Sat, 25 Aug 2018 15:27:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41835

Jeff Lowe (1950-2018)

“Die Kletterei wird schon gutgehen. Mach dich vom Seil frei. Es lenkt dich nur ab“, sagte Jeff Lowe einmal. Er war ein kompromissloser Kletterer. Lowe liebte es, alleine oder in kleinen Teams auf extremen Routen unterwegs zu sein. Mehr als 1000 Erstbegehungen gelangen dem US-Amerikaner in seiner Karriere. Jeff erblickte das Licht der (Berg-)Welt 1950 in Ogden im US-Bundesstaat Utah, als viertes von acht Kindern. Als er vier Jahre alt war, nahm ihn sein Vater zum Skifahren mit, zwei Jahre später auch zum Klettern. Die Familie war bergsportbegeistert.  Mit 14 kletterte Jeff seine erste Neuroute am Mount Ogden – solo. Häufig war er mit seinen Brüdern Greg und Mike sowie seinem Cousin George Henry Lowe unterwegs.

Legendärer Versuch am Latok I-Nordgrat

Vor allem zwei Unternehmungen Jeff Lowes sind legendär. 1978 versuchten Jeff und George Henry Lowe gemeinsam mit ihren Landsleuten Jim Donini und Thomas R. Engelbach am 7145 Meter hohen Latok I im Karakorum in Pakistan, über den extrem schwierigen Nordgrat den Gipfel zu erreichen. 150 Meter unterhalb des höchsten Punkts hatten sie im Sturm umkehren müssen. Nach mehr als drei Wochen in der Wand waren sie entkräftet, aber wohlbehalten vom Berg zurückgekehrt. Mehr als 30 Versuche, exakte diese Route bis zum Gipfel zu vollenden, sind seitdem gescheitert. Immerhin war es – wie berichtet – am 9. August den Slowenen Ales Cesen und Luka Strazar sowie dem Briten Tom Livingstone gelungen, den Latok I erstmals über die Nordseite zu besteigen. Den Nordgrat hatte das Trio im oberen Bereich des Bergs jedoch verlassen.

Spektakuläre Route durch die Eiger-Nordwand

Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“

Nicht weniger spektakulär war Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“ (Buße) durch die Eiger-Nordwand. In einer Lebenskrise war Jeff im Winter 1991 in die Schweiz gekommen und hatte in neun Tagen solo und ohne Einsatz von Bohrhaken die extreme Eiger-Route eröffnet. Erst Ende 2016 war dem Deutschen Thomas Huber und den beiden Schweizern Stephan Siegrist und Roger Schaeli die erste Wiederholung der Route gelungen. „Wir waren zu dritt, Jeff war damals alleine. Ich habe mir bei jeder Seillänge, die ich als Seilerster geführt habe, vorgestellt, wie es sein muss, hier alleine unterwegs zu sein. Mental ist man da total beansprucht. Dass er das durchgezogen hat!“, wunderte sich Thomas hinterher. „Ich bin mit wahnsinnig viel Ehrfurcht aus der Route ausgestiegen.“

Unheilbare Krankheit

R.I.P.

In den letzten Jahren war Jeff Lowe an den Rollstuhl gefesselt und musste gepflegt werden. Er litt an einer seltenen, noch unheilbaren Krankheit, die in ihren Symptomen an Multiple Sklerose oder ALS erinnert. Als Lowe 2017 für sein Kletter-Lebenswerk mit dem Piolet d’Or geehrt wurde, dem „Oscar der Bergsteiger“, konnte er den Preis nicht mehr persönlich gegennehmen. „Ich bin froh, dass er jetzt von seinem physischen Körper und all seinen Schmerzen und dem Leiden, das er viele Jahre lang ausgehalten hat, erlöst wurde“, schreibt Jeffs Partnerin Connie Self, die ihn in den letzten acht Jahren gepflegt hatte, auf Facebook. Jeff Lowe wurde 67 Jahre alt.

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Roter Teppich für Jeff Lowe https://blogs.dw.com/abenteuersport/roter-teppich-fuer-jeff-lowe/ Thu, 09 Feb 2017 14:12:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35037 Thomas Huber auf der ISPO

Thomas Huber auf der ISPO

Thomas Huber strahlt pure Lebensfreude aus. „Es geht mir so gut wie lange nicht mehr“, erzählt mir der 50 Jahre alte deutsche Topkletterer, als wir uns auf der Sportartikelmesse ISPO in München über den Weg laufen. Am 30. Dezember hatte der ältere der beiden Huberbuam für ein weiteres Glanzlicht seiner Karriere gesorgt: Mit den Schweizern Stephan Siegrist und Roger Schaeli gelang Thomas die erste Wiederholung der legendären Route „Metanoia“ mitten durch die Eiger-Nordwand: „Wie kann ein Jahr besser aufhören? Ich habe genau diesen Flow jetzt mitgenommen“, schwärmt Huber.

„Wow, es geht ja doch!“

Jeff Lowes legendäre Route "Metanoia"

Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“

2016 war ein extremes Jahr für ihn. Erst der 16-Meter-Sturz aus einer Felswand im Berchtesgadener Land, den er mit Riesenglück überlebte, bei dem er sich jedoch einen Schädelbruch zuzog. Dann die fast schon wundersame Turbo-Genesung. Die Reise nach Pakistan, um sich an der Nordwand des Siebentausenders Latok I zu versuchen, die erfolglose Rettungsaktion für die US-Kletterer Kyle Dempster und Scott Adamson am nahe gelegenen Ogre II, anschließend das Veto seiner Teampartner gegen einen Versuch am Latok. „Das waren alles schwierige Momente, die ich auch erst mal mental verarbeiten musste“, räumt Thomas ein. „Ich habe meinen Sturz akzeptiert und respektiert, dass ich dort einen Fehler gemacht habe. Ich habe mich auch reflektiert, dass ich einfach bewusster an die Sache herangehen muss. Vielleicht bin auch ich – wie Jeff Lowe – nach der Metanoia ein neuer Mensch geworden, weil ich sagen kann: Wow, es geht ja doch. Ich bin stark. Wir haben so viel Spaß gehabt, obwohl wir ganz schön an der Grenze waren.“

Seltene Krankheit

25 Jahre lang hatten sich Kletterer an der extremen Route, die Jeff Lowe im Winter 1991 solo und ohne Bohrhaken eröffnet hatte, die Zähne ausgebissen. Der US-Amerikaner war in einer Lebenskrise zur Eiger-Nordwand gekommen. „Ich bin mir nicht sicher, ob er noch nach Hause wollte“, sagt Roger Schaeli im Video zur Zweitbegehung.

Nicht umsonst taufte Lowe seine Route „Metanoia“, übersetzt „Buße“. Heute sitzt der Kletterpionier, dem in seiner Karriere mehr als 1000 Erstbegehungen gelangen, im Rollstuhl. Der 66-Jährige leidet an einer seltenen, noch unheilbaren Krankheit, die in ihren Symptomen an Multiple Sklerose oder ALS erinnert. Thomas Huber hatte vor seiner Expedition zum Latok I Jeff Lowe besucht. Lowe hatte 1978 zu einer Viererseilschaft gehört, die über den Nordgrat des Latok I bis knapp unter den 7145 Meter hohen Gipfel gestiegen war, ehe ein Sturm sie zurückgeschlagen hatte. 22 Tage nach dem Aufbruch war das Quartett völlig erschöpft ins Basislager zurückgekehrt.

Ehrfurcht und Dankbarkeit

Huber, Schaeli und Siegrist (v.l.)

Huber, Schaeli und Siegrist (v.l.)

„Ich habe Jeff kennengelernt und gesehen, wie er an seinen Rollstuhl gefesselt ist“, erzählt Thomas. „Da habe ich ganz genau gewusst, ich möchte seine Route Metanoia wiederholen. Ich möchte ihm einen roten Teppich hinlegen können, um ihm sagen zu können: Hej, Junge, was du damals geleistet hast, war der Hammer!“ Lowes Route sei nach den vielen über die Jahre gescheiterten Versuchen, sie zu wiederholen, ein „Mysterium“ geworden, sagt Thomas. „Irgendwann hieß es: Metanoia, verrückt, schräg.“ Neun Tage hatte der US-Amerikaner in der Wand gebracht. Huber, Siegrist und Schaeli benötigten im zweiten Anlauf zwei Tage, um die Route zu wiederholen. „Wir waren zu dritt, Jeff war damals alleine. Ich habe mir bei jeder Seillänge, die ich als Seilerster geführt habe, vorgestellt, wie es sein muss, hier alleine unterwegs zu sein. Mental ist man da total beansprucht. Dass er das durchgezogen hat!“, wundert sich Thomas. „Ich bin mit wahnsinnig viel Ehrfurcht aus der Route ausgestiegen – und auch mit Dankbarkeit: Dass ich nach wie vor leben darf.“

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Heidi Sand: „Du hast nur ein Leben. Nutze es!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/heidi-sand-du-hast-nur-ein-leben-nutze-es/ Tue, 13 Dec 2016 09:56:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34439 Heidi Sand (im November in Patagonien)

Heidi Sand (im November in Patagonien)

Dass der Denali ihr Leben auf diese Weise verändern würde, konnte Heidi Sand nicht ahnen. Als die deutsche Bergsteigerin und Bildhauerin 2010 vom Gipfel des höchsten Bergs Nordamerikas (6190 Meter) abstieg, hatte die damals 43-Jährige plötzlich starke Magenschwerzen. Wenig später die niederschmetternde Diagnose: Darmkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Nach der Notoperation folgte die Chemotherapie. „Wenn ich das überlebe, will ich mich mit einem Achttausender belohnen“, versprach sich Heidi damals – und erfüllte sich diesen (Über-) Lebenswunsch: Am 26. Mai 2012 stand die Mutter dreier Kinder auf dem Gipfel des Mount Everest.

Heidi Sand hat die kritische Fünfjahresmarke nach der Krebsdiagnose längst hinter sich. Sie gilt als geheilt – und hat nach dem Everest weitere Bergprojekte realisiert. So bestieg Heidi im Herbst 2013 ohne Flaschensauerstoff den Cho Oyu und im Frühjahr 2014 (mit Atemmaske) den Makalu. Mit Billi Bierling teilt sich Heidi die Ehre, als erste deutsche Bergsteigerinnen den Gipfel des Makalu erreicht zu haben. Ihre drei Achttausender-Erfolge widmete sie ihren Kindern, für ihren Mann blieb die Eiger-Nordwand, die Sand vor einem Jahr durchstieg. In diesem November versuchte sie sich mit dem Schweizer Bergführer Lorenz Frutiger vergeblich am legendären Granitriesen Fitz Roy in Patagonien, das Wetter machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ich habe der 50-Jährigen vier Fragen zu ihrem Bergsteigen gestellt.

Heidi, was verdankst du den Bergen, speziell dem Mount Everest?

Heidi Sand (© AthletenWerk/Bob Berger)

Am Mount Everest (© AthletenWerk/Bob Berger)

Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl, auf dem höchsten Punkt der Erde stehen zu dürfen. In dem Bewusstsein, dass dich deine mentale Stärke und deine körperliche Fitness dort hoch gebracht haben. Jeder neue Gipfel gibt mir eine neue Perspektive – nicht nur das Umland, sondern insbesondere auch auf mich selbst, auf mein Leben. Es gibt mir Kraft und Zuversicht.
Das Ziel, den Everest zu besteigen, habe ich während der Chemotherapie gefasst, und mich hat dieses Ziel vor Augen aus meinem Tal gezogen. Nicht hinsetzen und in Selbstmitleid verfallen, sondern aufstehen. Sich bewegen und wieder das Licht am Ende des Tunnels finden.

Du bist als Krebskranke dem Tod von der Schippe gesprungen. Hat dich diese Erfahrung in den Bergen mutiger oder zumindest risikofreudiger gemacht?

Ich konzentriere mich stärker als früher auf die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, die mir am Herzen liegen. Wir schulden es uns selbst und den anderen, jeden Tag auszuschöpfen. Du hast nur ein Leben. Nutze es!
Risikofreudiger – in dem Sinne, dass ich jetzt mehr Risiken eingehe als früher – bin ich nicht geworden. Da ich jetzt aber öfter in den Bergen bin und meine Ziele konsequenter verfolge, gehe ich in der Summe natürlich schon höhere Risiken ein, die es mir aber wert sind.

Am Fitz Roy

Am Fitz Roy

Nach dem Everest hast du auch den Cho Oyu und den Makalu bestiegen. War es das für dich mit den Achttausendern?

Ich hatte mit dem Cho Oyu noch eine Rechnung offen und wollte außerdem einen 8000er ohne zusätzlichen Sauerstoff besteigen. Der Makalu wird weit seltener bestiegen als der Everest und stellt auch technisch sehr viel höhere bergsteigerische Anforderungen. Jedes Projekt war detailliert geplant, aber es gibt natürlich immer Ereignisse, die man nicht voraussehen kann. Ich hatte also auch großes Glück, alle drei besteigen zu dürfen. Gegenwärtig möchte ich nicht sagen, dass es das mit den Achttausendern nun war. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Aber es gibt noch viele weitere bergsteigerische Herausforderungen für mich, die nicht nur durch ihre Höhe definiert sind, wie z. B. die Eigernordwand (durchstiegen am 20.12.2015), den Fitz Roy in Patagonien, den Mount Foraker in Alaska und viele weitere Berge in den Alpen und weltweit.

Nach welchem Muster suchst du deine Bergziele aus?

Ich habe keine ausgefeilte Strategie. Das jeweilige Bergziel muss mich vielmehr einfach ansprechen. Emotional, optisch, wegen seiner Geschichte oder aufgrund seiner bergsteigerischen Herausforderung für mich. Meistens sind es mehrere dieser Faktoren.
Beim Abstieg vom Everest habe ich mich in den Makalu „verguckt“. Diese überwältigende Felspyramide hat mir damals schon quasi zugewunken. Zudem gilt er als schwieriger 8000er, wegen seiner Höhe und seinen technischen Herausforderungen. Bei der Eiger-Nordwand – an deren Fuß ich schon oft Skifahren war und das Buch „Die weiße Spinne“
(von Heinrich Harrer über die Erstdurchsteigung der Wand im Jahr 1938) verschlungen habe – hat mich natürlich seine tragische Geschichte in ihren Bann gezogen. Erst wenn ich dann solch einen Berg gefunden habe, geht es an die Planung und Vorbereitung.

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Fowler: „Noch kein Gedanke ans Aufhören!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mick-fowler-interview-gave-ding/ Wed, 02 Dec 2015 08:23:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31345 Mick Fowler (l.) und Paul Ramsden

Mick Fowler (l.) und Paul Ramsden

Echte Abenteurer sollten jung sein? Quatsch mit Soße. Der Brite Mick Fowler und sein langjähriger Kletterpartner und Landsmann Paul Ramsden beweisen regelmäßig, dass man auch jenseits der 50 noch extrem anspruchsvolle Kletterrouten im Himalaya eröffnen kann. Mick feiert im nächsten Jahr seinen 60. (!) Geburtstag. Unglaublich! Viele junge Bergsteiger würden vor Neid erblassen, wenn sie ihre Erfolge mit den Pioniertaten vergleichen, die Mick und Paul in den vergangenen Jahren hingelegt haben. Immer wieder kletterten sie als Erste auf schwierigsten Routen auf Sechstausender in Nepal, Indien, China oder sonstwo. Zweimal wurden sie bereits mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“: 2003 für ihre neue Route durch die Nordwand des 6250 Meter hohen Siguniang im Westen Chinas, 2013 für ihre Erstbegehung des Nordostgrats der 6142 Meter hohen Shiva im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh. Fowler und Ramsden dürften nach ihrer jüngsten Expedition eine gute Chance haben, im nächsten Jahr zum dritten Mal den Goldenen Eispickel zu gewinnen. Im Oktober gelang ihnen die Erstbesteigung des Gave Ding, eines formschönen Sechstausenders in einem abgelegenen Tal weit im Westen Nepals.

Mick, Jahr für Jahr entdeckst du mit deinem Kletterpartner Paul Ramsden anspruchsvolle Gipfel oder Routen, ihr versucht euch an ihnen und schafft es. Wie lautet euer Erfolgsgeheimnis?

Eine Menge ernsthafte Nachforschungen, eine gute Partnerschaft und der gemeinsame Willen, nicht aufzugeben, es sei denn, es gibt einen wirklich sehr guten Grund dafür.

Micks und Pauls Route am Gave Ding

Micks und Pauls Route am Gave Ding

In diesem Herbst habt ihr den 6571 Meter hohen Gave Ding im Westen Nepals über die steile Nordwand bestiegen. Wie seid ihr auf dieses Ziel gekommen?

Wir hatten ein gutes Bauchgefühl, nachdem wir Bilder gesehen hatten, die Freunde von uns aus der Ferne von der Westseite aus gemacht hatten. Dieses Gefühl verstärkte sich, als wir auf Google Earth den langen Schatten sehen konnten, den die Nordwand warf.

Wie habt ihr die Erstbesteigung erlebt?

Es war eine wunderbare Erfahrung. Eine großartige Kletterei, ein tolles Team, ein schönes Tal, das vorher noch niemals von Leuten aus dem Westen betreten worden war. Niemand sonst dort, ein unbestiegener Gipfel, eine andere Abstiegs- als Aufstiegsroute, eine herausfordernde Mixed-Kletterei – all das, wonach wir suchen.

Nichts für Angsthasen

Nichts für Angsthasen

Der Berg liegt in einer sehr abgelegenen Gegend. Fühltet ihr euch auch ein bisschen wie Entdecker?

Ja, in dem Sinne, dass wir nicht wussten, welche Wand uns erwarten würde, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir sie wirklich sahen. Es hätte auch kompletter Unsinn sein können.

Vor einiger Zeit habe ich Bergsteiger wie dich und Paul in meinem Blog als „Antidepressivum“ für alle Ü50er bezeichnet. Wie lange, glaubst du, kannst du noch auf diesem hohen Niveau klettern?

Solange ich Spaß daran habe und mein Körper mitspielt. Ich verschwende noch keinen Gedanken ans Aufhören.

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Ueli Steck holt sich Eiger-Rekord zurück https://blogs.dw.com/abenteuersport/ueli-steck-holt-sich-eiger-rekord-zurueck/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ueli-steck-holt-sich-eiger-rekord-zurueck/#comments Sat, 21 Nov 2015 19:06:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31289 Ueli auf dem Gipfel (die Zeit steht oben)

Ueli auf dem Gipfel (die Zeit steht oben)

Während ich mir die Fußsohlen beim „Power-Pilgern für Nepal“ wundgelaufen habe, ist Ueli Steck leichten Fußes durch die Eiger-Nordwand förmlich gerannt (s. Video unten). „Speedy Ueli“ kletterte im Alleingang die Heckmair-Route, also den Weg der Erstbegeher 1938, in nur zwei Stunden und 22 Minuten. Damit holte sich der 39 Jahre alte Topkletterer aus der Schweiz den Geschwindigkeitsrekord in der legendären 1800 Meter hohen Wand zurück, den ihm 2011 sein Landsmann Dani Arnold mit einer Zeit von 2:28 Stunden entrissen hatte. 2008 hatte Steck die Wand in 2:47 Stunden durchklettert. „Die Bedingungen waren gut, ich fühlte mich wohl, ich hatte einfach einen richtig guten Tag“, sagte Ueli nach seinem Parforceritt durch die Wand.

Bald unter zwei Stunden?

Hinterher blieb der Rekordhalter bescheiden. „Klettern ist kein Wettbewerb. Es gibt so viele Faktoren, die eine Rolle spielen: die Verhältnisse am Berg, die Temperatur, das Wetter“, sagte Ueli. „Da sind die sechs Minuten, die ich schneller als Dani war, nichts. Das war kein großer Schritt.“ Steck rechnet damit, dass die Eiger-Nordwand sehr bald in unter zwei Stunden geklettert wird: „Ich denke, das ist bei guten Bedingungen möglich. Aber der Sportler muss dafür eine Menge Risiko eingehen.“ Das klingt fast, als wäre er selbst nicht bereit, so viel zu riskieren. Doch bei Ueli weiß man nie.

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