Expeditionsveranstalter – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Mingma Gyalje Sherpa: „Niedriger Preis, wenig Sicherheit“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mingma-gyalje-sherpa-niedriger-preis-wenig-sicherheit/ Thu, 27 Apr 2017 13:16:55 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35985

Mingma Gyalje Sherpa

„Nepalesische Bergsteiger sind bis heute der Schatten ausländischer Bergsteiger“, sagt Mingma Gyalje Sherpa. „Klar, die Ausländer bezahlen sie gut für diese Arbeit, und das erkenne ich auch an. Aber ich habe das Gefühl, dass die nepalesischen Bergsteiger nicht so wertgeschätzt werden, wie sie es eigentlich verdienen.“ Der 31-Jährige leitet den Expeditionsveranstalter Dreamers Destination und gehört zur neuen Generation von Sherpa-Unternehmern: jung, gut ausgebildet, seriös und erfolgreich. Mingma ist auch ein ausgezeichneter Bergsteiger. Er hat bereits acht Achttausender bestiegen, im Herbst 2015 sorgte er mit seiner Solo-Erstbegehung der Westwand des 6685 Meter hohen Chobutse international für Schlagzeilen. Mingma träumt davon, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, nachdem er bereits fünfmal mit Atemmaske oben war. In diesen Tagen leitet er eine kommerzielle Expedition am Dhaugaliri. Für ein Porträt Mingmas, das gerade in der Zeitschrift “Allmountain” veröffentlicht wurde, machte ich ein kleines Interview mit ihm, das ich euch nicht vorenthalten will.

Mingma, in den vergangenen Jahren haben sich einige westliche Expeditionsveranstalter vom Everest zurückgezogen und als Begründung den Preiskrieg mit lokalen Veranstaltern in Nepal genannt. Geht diese Schlacht weiter?

Mingma bei seiner Solo-Erstbegehung am Chobutse

Ich glaube, dass es derzeit nur sehr wenige Veranstalter in Nepal gibt, deren Angebote sich mit denen westlicher Anbieter messen können. Die Mehrheit bietet immer noch die gleichen Dienste an wie zuvor. Westliche Anbieter punkten vor allem damit, dass sie eher praktisch orientiert sind und den Sicherheitsaspekt betonen. Daran mangelt es den nepalesischen Unternehmen noch. Nur einige wenige von ihnen beschäftigen Bergführer mit einem Patent der UIAGM (Internationale Vereinigung der Bergführerverbände) und nutzen einen wirklich guten Wetterbericht. Fast alle heuern lokale Bergführer an und verfügen über keinen angemessenen Wetterbericht. Eigentlich ist kein Preiskrieg, aber natürlich spielt der Preis eine Rolle. Am Ende entscheidet der Kunde. Westliche Unternehmen veröffentlichen auf ihren Internetseiten ihre Preise im Detail. Nepalesische Veranstalter machen das nicht. Damit können sie jede mögliche Expedition zu jedem Preis anbieten.

Dein Unternehmen Dreamers Destination hat den Preis für seine Everest-Expedition in diesem Jahr deutlich angehoben – auf 50.000 US-Dollar für eine „Luxusvariante“? Willst du dich damit von den nepalesischen „Discount-Anbietern“ abgrenzen?

Definitiv, ich möchte nicht zu den nepalesischen Discount-Anbietern gezählt werden. Schließlich geht es bei Expeditionen auch um das Leben der Bergsteiger, und dabei will ich kein Risiko eingehen. Warum fordern wir mehr Geld von unseren Kunden? Weil wir in der Lage sein sollten, alle Dienste bereitzustellen, die das Leben der Bergsteiger und Sherpas sichern. Wir wollen hinterher nicht mit Argumentationen daherkommen wie: „Oh, unser Kunde hat nicht genug gezahlt! Deshalb konnten wir keine gute Ausrüstung und keinen vernünftigen Wetterbericht kaufen. Und so gab es leider einen Unfall am Berg.


Ich bin ein Bergführer mit UIAGM-Zertifikat. Während der Ausbildung wurde uns beigebracht, unser besonderes Augenmerk auf die Sicherheit zu legen. Und für die kannst du nur sorgen, wenn du über eine Ausrüstung verfügst, die getestet wurde und sich bewährt hat, außerdem brauchst du gut ausgebildetes Personal und einen sehr genauen Wetterbericht. Es ist nicht nötig, dass jeder Kunde auch einen eigenen Guide mit UIAGM-Zertifikat hat, aber wenigstens einer sollte im Team sein. Ich versuche, das auf meinen Expeditionen umzusetzen, deswegen musste ich den Preis anheben. So machen es auch einige wenige andere nepalesische Anbieter, etwa Ascent Himalayas und Tag Nepal.  

Es gab Berichte, dass nepalesische Billiganbieter Personal mit wenig Höhenerfahrung beschäftigen, auf Kosten der Sicherheit. Kannst du das bestätigen?

Ja, das kann ich bestätigen. Wenn sie weniger Geld verlangen, als eigentlich fällig wäre, können sie sich auch nur entsprechendes Personal leisten. Und das ist der am ehesten greifbare Grund für Unfälle im Himalaya.

Hältst du es für nötig, Regeln und Standards im Bergtourismus einzuführen, um die Schwarzen Schafe auszusortieren?

Ich halte es für unmöglich, von oben Regeln und Standards im Berggeschäft zu setzen. Ich denke, die Veranstalter und die Bergsteiger müssen selbst dafür sorgen, dass sie umgesetzt werden.

Welche Vorteile haben lokale Anbieter vergleichen mit jenen aus dem Ausland?

Eigentlich sind es nur die geringeren Kosten. Obwohl ausländische Anbieter lokale Agenturen benötigen, um Expeditionen in Nepal zu veranstalten, ist ihr Management nach wie vor wesentlich besser. Ich sollte das eigentlich nicht sagen, aber so ist es nun einmal.

Mingma 2014 auf dem Gipfel des K 2

Hältst du es für denkbar, dass es eines Tages nur noch nepalesische Anbieter gibt, die Expeditionen zum Everest und anderen Achttausendern veranstalten?

Ich schätze die Chance auf 50/50. Es gibt Bergsteiger, die sich westlichen Veranstaltern anvertrauen, und andere, die zu den nepalesischen Anbietern gehen. Es hängt davon ab, ob die Kunden zufrieden sind. 

Jedes Unternehmen möchte Profit machen. Ist es schwierig, die Balance zwischen den kommerziellen Interessen auf der einen Seite und der Sorge um die Sicherheit der Kunden auf der anderen Seite zu finden? Wie viel Profit darf sein?

Jeder, der Geschäfte macht, will auch Profite einfahren. Der Tourismus ist einer jener Bereiche, in denen man mit relativ niedrigen Investitionen gute Gewinne einstreichen kann. Aber ich finde, bei Expeditionen sieht das ein bisschen anders aus. Solange alles gut läuft, hast du keine Probleme, und es ist profitabel. Aber wenn ein Unfall am Berg geschieht und jemand stirbt, geht es ans Eingemachte. Du verlierst einen Freund, dein Eigentum. Die Familie des Opfers schneidet dich, bedroht dich sogar manchmal. Du musst den Nachkommen viel Geld zahlen, dein Ruf in der Branche ist ruiniert. Das ist alles andere als gut. Ich denke also, die Gewinnmarge hängt von der Schwierigkeit des Bergs ab.

Einige Kritiker sagen, das kommerzielle Bergsteigen sei der Tod des Abenteuers. Wie siehst du das?

Früher war das Abenteuer beim Bergsteigen natürlich größer. Aber obwohl das Ganze nun kommerzialisiert ist, gibt es immer noch Abenteuer.

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Dawa Steven Sherpa: „Es gibt eine Menge Druck“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dawa-steven-sherpa-es-gibt-eine-menge-druck/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dawa-steven-sherpa-es-gibt-eine-menge-druck/#comments Wed, 30 Mar 2016 08:38:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32225 Dawa Steven Sherpa

Dawa Steven Sherpa

Eine 15 Meter hohe Kletterwand mitten im wuseligen Touristenviertel Thamel in Kathmandu, wer hätte das gedacht? „Die Wand ist der Kindergarten des Klettersports in Nepal“, erzählt mir Dawa Steven Sherpa. „Alle jungen ambitionierten Sherpa-Kletterer haben hier trainiert.“ Ich treffe den 32-Jährigen im Büro von „Asian Trekking“. Zusammen mit seinem Vater Ang Tshering Sherpa leitet Dawa Steven den führenden Expeditionsveranstalter Nepals. Ich spreche mit ihm über die anstehende Frühjahrssaison am Mount Everest – nach dem Lawinenunglück 2014 im Khumbu-Eisbruch mit 16 Toten und dem Erdbeben 2015, das eine Lawine am Siebentausender Pumori auslöste, die das Everest-Basislager traf und 19 Menschen in den Tod riss.

Dawa Steven, Asian Trekking bietet auch in diesem Frühjahr eine Öko-Everest-Expedition an. Wird sie stattfinden?

Ja, wir werden am 6. April von Kathmandu aus starten. Bisher haben wir 14 ausländische Mitglieder und 21 Sherpas, aber diese Zahl wird sich bis Ende des Monats noch ändern.

Stellst du eine niedrigere Nachfrage in diesem Jahr fest?

Es gibt keine niedrigere Nachfrage nach dem Everest, aber es sind diesmal dieselben Leute wie 2015 und 2014, die jetzt zurückkehren. Die große Frage stellt sich nicht in diesem, sondern im nächsten Jahr: Wird es dann immer noch eine so große Expedition geben?

Die Everest.-Südwestwand

Die Everest-Südwestwand

Wir hatten zwei Jahre mit Lawinenunglücken und ohne Gipfelerfolge von der Südseite des Everest aus. Was erwartest du von dieser Frühjahrssaison?

Naturkatastrophen lassen sich nicht voraussagen. Aber was die Stimmung angeht, spüren alle, die Bergsteiger, die Sherpas und auch die Expeditionsveranstalter, dass es einfach ein gutes Jahr werden muss, egal wie wir es anstellen. Drei Jahre in Serie würden der Tourismusbranche und dem Ruf des Everest dauerhaft schaden und damit auch der lokalen und nationalen Wirtschaft. Deshalb spürt man eine große Entschlossenheit. Die Expeditionen müssen erfolgreich sein, egal wie. Alle stehen in diesem Jahr unter großem Druck.

Dawa Steven Sherpa: Viel Druck in diesem Jahr

In dem Sinne, dass diese Saison über die Zukunft des Everest-Bergsteigens auf der nepalesischen Seite entscheidet?

Ich denke, dass schon jetzt viele Kunden, die in den letzten beiden Jahren in Nepal waren, für sich entschieden haben, dass China für sie sicherer ist. Viele Leute denken, dass die Nordseite weniger Gefahren birgt als die Südseite. Aber das ist nur eine Meinung. Die chinesische Seite hat ihre eigenen Herausforderungen, beispielsweise dass die Bergsteiger länger der großen Höhe ausgesetzt sind.

Die nepalesische Regierung hat die Gültigkeit der Permits, also der Besteigungsgenehmigungen von 2015 um zwei Jahre verlängert. Die Entscheidung fiel ziemlich spät – wie gewohnt?

Wie gewohnt. Das hat uns nicht überrascht. 2014 waren wir noch wirklich besorgt und auch gestresst, weil sich die Regierung so viel Zeit für ihre Entscheidung zu den Everest-Permits nahm. In diesem Jahr hatten wir schon diese Erfahrung von 2014 gemacht. Ich sagte zu meinen Kunden: „Macht euch keine Sorgen, die nepalesische Regierung macht ihre Arbeit immer erst auf die letzte Minute.“ Das ist nicht wie in Europa oder Amerika. Dinge werden nicht zeitig geregelt, sondern erst, wenn sie unbedingt erledigt werden müssen.

Dawa-Steven-Sherpa-IIWie steht es mit den angekündigten neuen Regeln für das Everest-Bergsteigen wie Alterslimits, keine Permits mehr für schwerbehinderte Bergsteiger und so weiter? Werden diese Regeln kommen?

Sie werden nicht kommen, zumindest nicht jetzt. Ich denke, es ist wichtig, Kriterien zu haben, Auswahlprozesse, wer am Berg unterwegs sein soll, nicht nur für Bergsteiger, sondern auch für Veranstalter, Bergführer und Sherpas. Aber die Regeln, die du erwähnst, das war nur eine Äußerung des Tourismusministers bei einer öffentlichen Veranstaltung, ohne gesetzlichen Hintergrund. Es gab keinen Schriftsatz, es folgte auch nichts darauf. Aber die Medien griffen die Äußerung auf, und sie schadete dem Ruf Nepals als Ziel für Bergsteiger sehr.

Dawa Steven Sherpa zu den neuen Everest-Regeln

Meiner Ansicht nach ist es ein falsches Kriterium zu sagen, dass eine behinderte Person nicht klettern darf. Ich finde, das ist Diskriminierung. Ich kenne viele Behinderte, die bessere Kletterer sind, als ich es bin. Und dann gibt es auch noch die Diskriminierung bezüglich des Alters. Alter ist doch kein Faktor. Ich verstehe, dass man Minderjährige nicht zum Klettern anhalten sollte. Kinder sollten nicht einer gefährlichen Umgebung ausgesetzt werden. Aber es ist falsch zu sagen, dass ein 60-, 70- oder 80-Jähriger generell nicht leistungsfähig sei. Es gibt Leute in ihren Sechzigern, die sind fitter als ich. Solange ein Arzt ihnen bescheinigt, dass sie fit genug sind, um auf den Berg zu steigen, wäre das doch eine gute Grundlage, ihnen das Klettern zu erlauben.

Aber auch der nepalesische Bergsteigerverband NMA fordert strengere Regeln für den Everest. Denkst du, dass es wichtig ist einzugreifen, damit nicht die falschen Leute am Berg unterwegs sind?

Es gibt definitiv die Notwendigkeit zu regulieren, wer auf den Berg geht. Aber gleichzeitig müssen wir es sehr vorsichtig angehen, weil es eine wirtschaftliche Angelegenheit ist und so viele Jobs dranhängen. Um es sicherer zu machen, muss man sich vor allem auf die Bergsteiger fokussieren. Es sollten bessere Kletterer sein. Aber nach meiner eigenen Erfahrung sind es in der Regel nicht einmal die Amateure, sondern vielmehr die erfahrenen Bergsteiger, die in Schwierigkeiten geraten. Sie kennen den Berg nicht, viele kommen aus den Alpen und den Anden und kennen sich nicht wirklich mit großer Höhe aus. Sie wählen preisgünstige Anbieter und suchen nicht nach leistungsfähigen Sherpas, die sie unterstützen könnten. Im Gegensatz zu einer Felskletterei oder einem niedrigen Gipfel ist der Everest jedoch eine richtige Expedition. Er erfordert ganz unterschiedliche Fertigkeiten, logistischer Art, beim Bergführen, natürlich auch beim Klettern. Die Mischung dieser Fähigkeiten muss stimmen.

Viel Verkehr auf der Normalroute

Viel Verkehr auf der Normalroute

Aber Amateurbergsteiger sind häufig sehr langsam und verantwortlich für die Staus an den Schlüsselstellen der Route.

Amateurbergsteiger können langsam sein, aber das kann genauso für die Erfahrenen gelten, denn es nicht die technische Schwierigkeit des Everest, die die Leute langsam macht, sondern die Höhe. Du kannst ein fantastischer Felskletterer oder ein fantastischer Bergsteiger aus den Schweizer Alpen sein. In dem Augenblick, in dem du die 8000 Meter knackst, arbeitet dein Körper nicht mehr wie gewohnt. Deshalb ist es nicht notwendigerweise richtig zu sagen, dass die Amateurbergsteiger diejenigen sind, die die anderen ausbremsen. Aber natürlich stimmt es, dass du die Leute ausbremst, wenn dir die technischen Fertigkeiten fehlen und du dazu noch Schwierigkeiten mit der Höhe hast.

Die zweite Sache ist das Management am Berg. Staus passieren, wenn zu viele Leute zur selben Zeit an derselben Stelle unterwegs sind. Gründe sind schlechtes Management von der Regierungsseite und schlechte Koordination zwischen den Teams. Zunächst einmal müssen wir uns die Wettervorhersagen anschauen. Wie viele Wetterfenster werden wir im Mai haben, vielleicht fünf, vier oder auch nur zwei? Entsprechend können sich die Leute aufteilen. Wetterfenster dauern zwischen zwei und manchmal sogar fünf Tagen. Es müssen also nicht alle Leute am gleichen Tag starten, sie können es zeitversetzt tun. So kann das Ganze gemanagt werden. An einem schönen Sommertag stehen mehr Menschen auf dem Mont Blanc als auf dem Everest im ganzen Jahr. Es wird einen Punkt geben, an dem wir sagen müssen, es sind zu viele Leute. Aber diesen Punkt haben wir meiner Meinung nach noch nicht erreicht. Lass uns erst einmal diese Leute und ihre Gipfelaufstiege managen und erst dann über Quoten oder ähnliches reden!

Basislager zu Füßen des Mount Everest

Basislager zu Füßen des Mount Everest

Einige westliche Veranstalter haben angekündigt, dass sie keine Everest-Expeditionen mehr anbieten wollen, weil sich der Konkurrenzkampf mit den nepalesischen Anbietern zu einem regelrechten Preiskrieg entwickelt hat. Kannst du sie verstehen?

Absolut. Aber dieser Wettbewerb kommt ja nicht nur von den nepalesischen, sondern auch von den internationalen Veranstaltern selbst. Es gibt viele nepalesische Unternehmen, die billigere Angebote machen. In der Vergangenheit hatten sie gar nicht die Möglichkeit, Expeditionen zu organisieren und zu leiten. Inzwischen haben wir sie. Jetzt haben wir nepalesische Bergsteiger, die Bergführer mit internationalen Zertifikaten sind. Es gibt Unternehmen, sie sehr leistungsfähig sind, die dieselbe Infrastruktur, dasselbe Kapital und Personal haben wie die westlichen Veranstalter. Dazu sind sie auch noch vor Ort, ihre Fixkosten sind niedriger, und deshalb können sie günstigere Preise anbieten.

Die westlichen Veranstalter verlieren also die Kunden, die auf den Preis gucken, an diese Unternehmen. Gleichzeitig gibt es immer noch viele ausländische Bergsteiger, die ihren Seelenfrieden finden und zufriedener sind, wenn sie mit einem Anbieter aus dem eigenen Land unterwegs sind. Diese Leute kümmern sich nicht so um den Preis und suchen eher nach internationalen Veranstaltern, die teurer sind, aber einen besseren Ruf haben. Es wird also so kommen, dass die internationalen Anbieter aus dem preislichen Mittelfeld ihre preisbewussten Kunden an die nepalesischen Unternehmen verlieren und die eher teuer orientierten an die hochpreisigen internationalen Veranstalter. Das ist der Grund, warum sie nicht mehr mithalten können.

Würdest du sagen, dass eine neue Ära bevorsteht, in der nur noch nepalesische Veranstalter Everest-Expeditionen abwickeln?

Ja, diese Ära wird kommen, aber es gibt immer noch eine Nische für internationale Wettbewerber. Nur die Besten werden überleben. Letztendlich werden die nepalesischen Veranstalter die westlichen überholen, weil sie von Jahr zu Jahr besser werden. Das kann in fünf Jahren geschehen oder in zehn. Das bedeutet aber nicht, dass die internationalen Veranstalter bedeutungslos werden. Wir sehen schon jetzt, dass westliche Unternehmen, die ihre Expeditionen in Nepal bisher gewöhnlich selbst organisierten, jetzt ihre Kunden zu nepalesischen Anbietern schicken. Sie übernehmen nur noch das Marketing, die nepalesischen Unternehmen wickeln die Expeditionen ab. Das Geschäft ändert sich ständig. Wenn du dich nicht anpasst, wirst du nicht überleben.

Dawa Steven Sherpa: Vor einer neuen Ära

Einige Experten erwarten, dass es bald nur noch High-End-Expeditionen auf der einen und Discount-Expeditionen auf der anderen Seite geben wird und nichts mehr dazwischen. Teilst du diese Einschätzung?

Nein, das glaube ich nicht. Es kommt auf das ganze Spektrum an. Wenn ein Profibergsteiger zu uns kommt und sagt, er brauche nur einen Koch und ein Zelt im Basislager, alles andere werde er selbst machen, dann organisiere ich seine Expedition dementsprechend. Wenn ein reicher Anwalt aus Hongkong aufschlägt, der drei Sherpas haben will, keinen Rucksack tragen möchte und will, dass alles für ihn getan wird, kann ich ihm auch weiterhelfen. Aber die meisten Leute bewegen sich irgendwo dazwischen. Ich denke, es wird immer die ganze Bandbreite geben. In der Vergangenheit haben die Nepalesen den Niedrigpreis-Bereich abgedeckt. In der Mitte und an der Spitze der Preisskala standen die westlichen Veranstalter. Jetzt haben die Nepalesen das untere und das Mittelfeld übernommen, und nur noch die teureren Expeditionen werden von westlichen Unternehmen angeboten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Nepalesen auch diesen Bereich übernehmen werden.

Was hältst du von diesen Luxus-Expeditionen: Akklimatisierung in Sauerstoffzelten in niedrigeren Bereichen, Flug mit dem Helikopter ins Basislager, nur Lebensmittel aus westlichen Ländern, ein Kunde, ein Sherpa und so weiter? Kannst du mit dieser Art Expedition leben?

Absolut. Ich denke, es ist für alles Platz. Wenn wir über die Philosophie des Bergsteigens reden, ist das große Problem, dass wir es meistens aus einer westlichen Perspektive tun, in der Bergsteigen eine Freizeitbeschäftigung ist, eine philosophische Übung. Die Leute reden über die richtige oder falsche Art zu klettern. In Nepal aber ist Bergsteigen eine wirtschaftliche Angelegenheit. Jeder Bergsteiger sorgt für Jobs, für Sherpas, Köche, Träger, Bauern. Es ist also ein komplett anderer Ansatz. Warum sollte Nepal das Bergsteigen an Ausländer verkaufen, wenn das Land nicht davon profitiert? Da muss man ganz vorsichtig sein. Sherpas sind schnell dabei zu sagen: Wenn wir keine Jobs mehr am Berg bekommen, warum kommen die Ausländer dann überhaupt hierher und besteigen einfach unsere heiligen Berge? Wenn jemand aus dem Westen sagt, das ist gegen die Philosophie des Bergsteigens, dann ist es vielleicht gegen die westliche Philosophie, aber ist es auch gegen die nepalesische? Das fragt sich niemand.

Dawa Steven Sherpa über die Philosophie des Bergsteigens

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Mingma Sherpa: „Am Ende entscheidet der Preis“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mingma-sherpa-am-ende-entscheidet-der-preis/ Tue, 01 Mar 2016 18:41:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32019 Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Die bevorstehende Frühjahrssaison am Mount Everest wirft ihre Schatten voraus. Zehn „Icefall Doctors“ wurden zum Basislager auf der nepalesischen Seite des höchsten Bergs der Erde geschickt, um die Route für die kommerziellen Expeditionen vorzubereiten. In den vergangenen beiden Jahren hatte es keine Gipfelerfolge von Süden aus gegeben (Ich ignoriere hierbei ganz bewusst den „Erfolg“ der Chinesin Wang Jing und ihrer Sherpas, die sich 2014 mit dem Hubschrauber nach Lager 2 hatten fliegen lassen). 2014 war die Frühjahrssaison vorzeitig zu Ende gegangen, nachdem bei einer Eislawine im Khumbu-Eisbruch 16 nepalesische Bergsteiger ums Leben gekommen waren. 2015 hatte das verheerende Erdbeben am 25 April eine mächtige Lawine am Pumori ausgelöst, die das Everest-Basislager getroffen und 19 Menschen getötet hatte.

Am Montag hat das nepalesische Kabinett – endlich! – grünes Licht dafür gegeben, dass die Besteigungsgenehmigungen (Permits) von 2015 zwei weitere Jahre gültig bleiben. „Das ist ein begrüßenswerter Schritt der Regierung“, sagte Ang Tshering Sherpa, Präsident des nepalesischen Bergsteiger-Verbands NMA. „Wir hoffen, dass er dabei hilft, die Bergsteiger wieder auf die Berge zu bringen.“ Für viele der rund 800 Bergsteiger mit 2015er Permits, darunter 357 Everest-Asprianten, dürfte die Entscheidung jedoch zu spät kommen, um schon in diesem Frühjahr nach Nepal zurückzukehren.

Ich habe Mingma Gyalje Sherpa zur bevorstehenden Saison befragt. Der 29-Jährige, der schon sieben Achttausender bestiegen hat und kürzlich mit seinem Solo in der Westwand des 6685 Meter hohen Chobutse für Schlagzeilen gesorgt hatte, ist Chef von Dreamers Destination, eines in Kathmandu ansässigen Veranstalters von Expeditionen und Trekkingreisen.

Mingma, die Frühlingssaison steht vor der Tür. Was erwartest du, speziell am Mount Everest?

Ich denke, es werden wieder etwa so viele Teams am Berg sein wie zuvor, sie werden jedoch kleiner sein. Ich bin froh, dass der Everest in diesem Jahr weniger überlaufen sein wird. Es wird sicherer sein, und die Bergsteiger werden in diesem Jahr mehr Spaß haben. Es ist gut, dass es weniger Staus am Hillary Step, an der Lhotse-Flanke und im Khumbu-Eisfall geben wird.

Mingma Gyalje Sherpa

Mingma Gyalje Sherpa

Dein Unternehmen Dreamers Destination bietet eine von dir geleitete Expedition auf der nepalesischen Seite des Everest an. Hast du als Folge der Ereignisse von 2014 und 2015 eine niedrigere Nachfrage festgestellt?

Klar haben sich die Zwischenfälle 2014 und 2015 auf den Everest ausgewirkt, das liegt in der Natur der Sache. Aber ich glaube nicht, dass sie einen so großen Einfluss hatten. Wir hatten schon im vergangenen Herbst eine gute Zahl an Kunden und haben einen ordentlichen Umsatz gemacht. Und wir haben auch in diesem Frühjahr ausreichend Bergsteiger für den Everest und den Lhotse.

Die Blockade (im Grenzgebiet zu Nepal) hat die Nachfrage nach Nepalreisen viel mehr gedrückt. Die meisten meiner ausländischen Freunde machen sich Sorgen wegen der Blockade, die fünf Monate lang andauerte. Sie wollen weder Geld noch Zeit verschwenden, indem sie in einer solchen Situation Nepal besuchen. Doch jetzt ist die Blockade vorbei, die Lage bessert sich. Deshalb dürfen wir auf eine zufriedenstellende Zahl an Touristen in der Herbstsaison hoffen, aber noch nicht in diesem Frühjahr.

Wie ist die Stimmung unter den Sherpas? Depressiv, optimistisch oder irgendwo dazwischen?

Wegen der Unglücke 2014 und 2015 haben einige Sherpa-Bergsteiger ihren Job erst einmal an den Nagel gehängt, weil sie Druck von ihren Familien bekamen. Aber die Mehrheit hofft auf eine ausreichende Zahl an Touristen und darauf, für sie zu arbeiten.

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Wie so oft, sorgte das zögerliche Verhalten der nepalesischen Regierung wieder einmal für Verunsicherung. Die Entscheidung über die Verlängerung der Permits von 2015 kam spät, die vorgeschlagenen neuen Bergsteiger-Regeln für den Everest stehen weiterhin aus. Bereitet euch Expeditionsveranstaltern dieses schläfrige Verhalten der Regierung Probleme?

Ja, definitiv. Wir stehen nur noch ein paar Wochen vor Beginn der Frühjahrssaison, und bis gestern gab es noch keine endgültige Entscheidung über die Verlängerung der Permits. Jetzt liegt sie vor. Es ist eine gute Entscheidung für die Bergsteiger und auch für das Überleben der Tourismusbranche in Nepal. Die neuen Bergsteiger-Regeln erwarten wir nicht in näherer Zukunft.

Einige westliche Veranstalter haben entschieden, sich vom Everest zurückzuziehen.  Sie begründen ihren Schritt damit, dass sie nicht mit den Dumpingpreisen nepalesischer Veranstalter mithalten könnten. Wie siehst du das?

Es ist wahr, dass der Preiskampf mit den nepalesischen Veranstaltern die Sache nicht leicht macht. Es gibt nur einige wenige nepalesische Unternehmen, die einen besseren Service bieten als westliche Veranstalter. Aber es gibt deutlich mehr nepalesische Unternehmen, die nur darauf aus sind, den Preis zu drücken, um immer mehr Kunden anzulocken. Und diese Veranstalter sind auch dafür verantwortlich, dass es mehr Unfälle gibt. Aber diese Veranstalter werden nicht lange überleben.

Ich glaube, dass westliche Unternehmen in der Regel verlässlicher und verantwortungsbewusster sind, was die angebotenen Dienste und die Zusagen an die Kunden betrifft.

Everest-Basislager

Everest-Basislager

Den Wettbewerb gibt es übrigens nicht nur mit westlichen Unternehmen, sondern auch zwischen den verschiedenen nepalesischen Veranstaltern. Ich denke, wir gehören zu denen, die einen guten Service bieten. Wir versuchen, die Erwartungen der Kunden nicht zu enttäuschen. Auch für uns ist sehr schwer, gegen die Billiganbieter zu bestehen. Aber es gibt das alte Sprichwort „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Und so finden sowohl die Billiganbieter als auch wir und die westlichen Veranstalter Kunden, die jeweils zu ihnen passen. Ich habe das Gefühl, dass die Bergsteiger eher den westlichen als den nepalesischen Veranstaltern vertrauen, aber am Ende entscheidet der Preis. Doch es gibt auch immer mehr Touristen, für die ihre Sicherheit wichtiger ist als der Preis. 

Die erwähnten westlichen Veranstalter beschuldigen die nepalesischen Konkurrenten auch, einheimisches Personal aus ärmeren Regionen Nepals anzuheuern und sie schlecht zu bezahlen. Ist das wahr?

50/50. Ja, es gibt viele Unternehmen, die schlechte Löhne zahlen, doch es hängt auch von der Qualifikation des Personals ab. Ich habe Freunde mit einem Bergführer-Zertifikaten der UIAGM (Internationale Vereinigung der Berführerverbände). Sie berechnen 15.000 US Dollar für Everest-Expeditionen, das ist mehr, als westliche Führer verlangen. Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile lokale Bergführer, die nur 85.000 nepalesische Rupien (etwa 800 Dollar) fordern.

Es liegt also in den Händen der Kunden. Je mehr sie an nepalesische oder westliche Veranstalter bezahlen, desto wahrscheinlicher erhalten sie gute und erfahrene Sherpas. Je weniger sie zahlen, desto wahrscheinlicher bekommen sie unprofessionelles Personal, das sie in Schwierigkeiten bringen wird.

Vor zwei Monaten hast du mir gesagt, dass 2016 über die Zukunft des Bergtourismus in Nepal entscheiden würde. Wie ist dein Gefühl jetzt?

2016 wird ein sehr schwieriges Jahr für Nepal. Ganz sicher werden in dieser Frühjahrssaison weniger Touristen ins Land kommen. Für die Herbstsaison bin ich zuversichtlicher. Wenn die Zahl der Touristen im Herbst jedoch ebenfalls zurückgehen sollte, sehe ich auf Jahre hinaus schwarz für die Tourismusbranche in Nepal.

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