Permits – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Dominik Müller: „Es wird am Everest mehr los sein“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dominik-mueller-es-wird-am-everest-mehr-los-sein/ Sat, 18 Mar 2017 13:06:11 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35469

Everest-Nordseite im letzten Tageslicht

Es könnte eine Rekordsaison am Mount Everest werden. Experten rechnen nach der erfolgreichen Saison 2016 in diesem Frühjahr mit einem regelrechten Ansturm auf den höchsten Berg der Erde – zumal noch viele Bergsteiger ihre verlängerten Genehmigungen von 2014 (gelten noch bis 2019) und 2015 (laufen in diesem Jahr aus)  nutzen wollen. 2014 war die Saison in Nepal nach einem Lawinenunglück im Khumbu-Eisfall mit 16 Toten vorzeitig beendet worden. 2015 hatte es wegen des verheerenden Erdbebens in Nepal auf beiden Seiten des Bergs keine Besteigungen gegeben.

Dominik Müller, Chef des deutschen Expeditionsveranstalters Amical alpin, startet am 8. April mit einem nach seinen Worten „kleinen, aber feinen Team“ zum Everest. Drei Kunden, vier Climbing Sherpas und er selbst wollen versuchen, den 8850 Meter hohen Gipfel über die Normalroute auf der tibetischen Nordseite zu erreichen. „Ich werde dabei Flaschensauerstoff nutzen, weil ich der Meinung bin, dass ich nur dann andere Leute bestmöglich unterstützen kann“, sagt mir der 46-Jährige. „Wer ohne Sauerstoff an den Everest geht, ist schon so mit sich selbst beschäftigt, dass er wahrscheinlich keine Ressourcen mehr übrig hat, um noch andere zu betreuen.“ Ich habe mit ihm über die bevorstehende Saison gesprochen.

Dominik, mit welchen Erwartungen startest du bald Richtung Himalaya?

Dominik Müller

Es wird wahrscheinlich etwas mehr los sein, vor allem auf der Everest-Südseite. Aber auch auf der Nordseite wollen sich offenbar mehr Bergsteiger als sonst versuchen.

China hat wieder einmal die Preisschraube angezogen, um mehr als 30 Prozent. Ein Permit für den Everest kostet inzwischen knapp 10.000 Dollar. Was hat das für Auswirkungen?

Das wird nicht nur für den Everest, sondern ganz Tibet die Folge haben, dass die Kunden wegen der Preise wieder mehr auf die nepalesische Seite wechseln werden. Nichtsdestotrotz denke ich, dass sich am Everest nicht viel ändern wird. Ich sehe die Route auf der Nordseite mit Blick auf die objektiven Gefahren als die sicherere Route, auch wenn es von der Logistik her mehr Aufwand ist. Aber für die anderen Achttausender in Tibet wird es bedeuten, dass dort deutlich weniger los sein wird.

Viele Veranstalter bevorzugen noch immer die nepalesische Seite, weil sie die Politik Chinas in Tibet für unvorhersehbarer halten. Teilst du diese Einschätzung?

Es ist nicht unvorhersehbarer, als es vor acht oder zehn Jahren war. Für mich waren die Chinesen in Tibet bisher sehr verlässliche Partner. Wenn man etwas ausgemacht hatte, konnte man sich darauf berufen. Das hat immer gut funktioniert. So werden im kommenden Herbst für den Cho Oyu nur ein paar Permits verkauft. Das wurde vorher kommuniziert. Wir haben uns jedoch entschlossen, im Herbst an den Manaslu statt an den Cho Oyu zu gehen.

Nepalesische Seite des Cho Oyu

Nicht nur am Cho Oyu, auch an der Shishapangma soll es Einschränkungen bei den Permits für den Herbst geben. Wurde auch ein Grund genannt?

Anscheinend soll es im Herbst eine Veranstaltung in Tibet geben. Da haben die Chinesen wohl Angst, dass es zu Unruhen kommen könnte und wollen deshalb so wenig Ausländer wie möglich in Tibet haben. Ich hätte die Chance gehabt, Permits für den Cho Oyu zu erhalten, hätte sie aber schon jetzt bestätigen müssen. Nach meinen Informationen aus China werden in diesem Herbst nur 50 Permits verkauft. Der Vorteil ist, dass man dann recht einsam am Berg unterwegs ist. Es gibt aber auch Nachteile. So braucht man nach einem großen Neuschneefall auch Manpower. Wenn man dann nur mit kleinen Teams unterwegs ist, hat man Schwierigkeiten, die Route zu sichern.

Gipfel des Mount Everest (vom Nordostgrat aus gesehen)

Der Schweizer Expeditionsveranstalter Kari Kobler wies zuletzt auf die nach wie vor bestehende Korruption chinesischer Politiker in Tibet hin. Macht dir das auch Probleme?

Die Korruption gibt es natürlich – aber nicht nur in China, sondern in einigen Ländern weltweit, die wir als Bergsteiger bereisen. Ich glaube es ist vermessen, zu glauben, wir könnten die ganze Welt in diesem Punkt verändern. Wir müssen uns wohl damit arrangieren. Die einzige mögliche Konsequenz wäre, nicht mehr dorthin zu fahren. Aber dann können wir dem kleinen Mann – dem Sherpa, dem Koch, dem Küchenjungen – keine Arbeit mehr geben.

Inzwischen tauchen auch immer mehr chinesische Bergsteiger an den Achttausendern auf, nicht nur in Tibet, auch in Nepal. Ist China ist der Markt der Zukunft?

Für uns Europäer glaube ich das nicht. Die Chinesen werden wohl eher mit den einheimischen Agenturen unterwegs sein. Ich glaube, es wäre auch schwierig, Chinesen und Europäer als Kunden unter einen Hut zu bekommen. Allein schon wegen der Sprachbarriere.

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Dawa Steven Sherpa: „Es gibt eine Menge Druck“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dawa-steven-sherpa-es-gibt-eine-menge-druck/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dawa-steven-sherpa-es-gibt-eine-menge-druck/#comments Wed, 30 Mar 2016 08:38:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32225 Dawa Steven Sherpa

Dawa Steven Sherpa

Eine 15 Meter hohe Kletterwand mitten im wuseligen Touristenviertel Thamel in Kathmandu, wer hätte das gedacht? „Die Wand ist der Kindergarten des Klettersports in Nepal“, erzählt mir Dawa Steven Sherpa. „Alle jungen ambitionierten Sherpa-Kletterer haben hier trainiert.“ Ich treffe den 32-Jährigen im Büro von „Asian Trekking“. Zusammen mit seinem Vater Ang Tshering Sherpa leitet Dawa Steven den führenden Expeditionsveranstalter Nepals. Ich spreche mit ihm über die anstehende Frühjahrssaison am Mount Everest – nach dem Lawinenunglück 2014 im Khumbu-Eisbruch mit 16 Toten und dem Erdbeben 2015, das eine Lawine am Siebentausender Pumori auslöste, die das Everest-Basislager traf und 19 Menschen in den Tod riss.

Dawa Steven, Asian Trekking bietet auch in diesem Frühjahr eine Öko-Everest-Expedition an. Wird sie stattfinden?

Ja, wir werden am 6. April von Kathmandu aus starten. Bisher haben wir 14 ausländische Mitglieder und 21 Sherpas, aber diese Zahl wird sich bis Ende des Monats noch ändern.

Stellst du eine niedrigere Nachfrage in diesem Jahr fest?

Es gibt keine niedrigere Nachfrage nach dem Everest, aber es sind diesmal dieselben Leute wie 2015 und 2014, die jetzt zurückkehren. Die große Frage stellt sich nicht in diesem, sondern im nächsten Jahr: Wird es dann immer noch eine so große Expedition geben?

Die Everest.-Südwestwand

Die Everest-Südwestwand

Wir hatten zwei Jahre mit Lawinenunglücken und ohne Gipfelerfolge von der Südseite des Everest aus. Was erwartest du von dieser Frühjahrssaison?

Naturkatastrophen lassen sich nicht voraussagen. Aber was die Stimmung angeht, spüren alle, die Bergsteiger, die Sherpas und auch die Expeditionsveranstalter, dass es einfach ein gutes Jahr werden muss, egal wie wir es anstellen. Drei Jahre in Serie würden der Tourismusbranche und dem Ruf des Everest dauerhaft schaden und damit auch der lokalen und nationalen Wirtschaft. Deshalb spürt man eine große Entschlossenheit. Die Expeditionen müssen erfolgreich sein, egal wie. Alle stehen in diesem Jahr unter großem Druck.

Dawa Steven Sherpa: Viel Druck in diesem Jahr

In dem Sinne, dass diese Saison über die Zukunft des Everest-Bergsteigens auf der nepalesischen Seite entscheidet?

Ich denke, dass schon jetzt viele Kunden, die in den letzten beiden Jahren in Nepal waren, für sich entschieden haben, dass China für sie sicherer ist. Viele Leute denken, dass die Nordseite weniger Gefahren birgt als die Südseite. Aber das ist nur eine Meinung. Die chinesische Seite hat ihre eigenen Herausforderungen, beispielsweise dass die Bergsteiger länger der großen Höhe ausgesetzt sind.

Die nepalesische Regierung hat die Gültigkeit der Permits, also der Besteigungsgenehmigungen von 2015 um zwei Jahre verlängert. Die Entscheidung fiel ziemlich spät – wie gewohnt?

Wie gewohnt. Das hat uns nicht überrascht. 2014 waren wir noch wirklich besorgt und auch gestresst, weil sich die Regierung so viel Zeit für ihre Entscheidung zu den Everest-Permits nahm. In diesem Jahr hatten wir schon diese Erfahrung von 2014 gemacht. Ich sagte zu meinen Kunden: „Macht euch keine Sorgen, die nepalesische Regierung macht ihre Arbeit immer erst auf die letzte Minute.“ Das ist nicht wie in Europa oder Amerika. Dinge werden nicht zeitig geregelt, sondern erst, wenn sie unbedingt erledigt werden müssen.

Dawa-Steven-Sherpa-IIWie steht es mit den angekündigten neuen Regeln für das Everest-Bergsteigen wie Alterslimits, keine Permits mehr für schwerbehinderte Bergsteiger und so weiter? Werden diese Regeln kommen?

Sie werden nicht kommen, zumindest nicht jetzt. Ich denke, es ist wichtig, Kriterien zu haben, Auswahlprozesse, wer am Berg unterwegs sein soll, nicht nur für Bergsteiger, sondern auch für Veranstalter, Bergführer und Sherpas. Aber die Regeln, die du erwähnst, das war nur eine Äußerung des Tourismusministers bei einer öffentlichen Veranstaltung, ohne gesetzlichen Hintergrund. Es gab keinen Schriftsatz, es folgte auch nichts darauf. Aber die Medien griffen die Äußerung auf, und sie schadete dem Ruf Nepals als Ziel für Bergsteiger sehr.

Dawa Steven Sherpa zu den neuen Everest-Regeln

Meiner Ansicht nach ist es ein falsches Kriterium zu sagen, dass eine behinderte Person nicht klettern darf. Ich finde, das ist Diskriminierung. Ich kenne viele Behinderte, die bessere Kletterer sind, als ich es bin. Und dann gibt es auch noch die Diskriminierung bezüglich des Alters. Alter ist doch kein Faktor. Ich verstehe, dass man Minderjährige nicht zum Klettern anhalten sollte. Kinder sollten nicht einer gefährlichen Umgebung ausgesetzt werden. Aber es ist falsch zu sagen, dass ein 60-, 70- oder 80-Jähriger generell nicht leistungsfähig sei. Es gibt Leute in ihren Sechzigern, die sind fitter als ich. Solange ein Arzt ihnen bescheinigt, dass sie fit genug sind, um auf den Berg zu steigen, wäre das doch eine gute Grundlage, ihnen das Klettern zu erlauben.

Aber auch der nepalesische Bergsteigerverband NMA fordert strengere Regeln für den Everest. Denkst du, dass es wichtig ist einzugreifen, damit nicht die falschen Leute am Berg unterwegs sind?

Es gibt definitiv die Notwendigkeit zu regulieren, wer auf den Berg geht. Aber gleichzeitig müssen wir es sehr vorsichtig angehen, weil es eine wirtschaftliche Angelegenheit ist und so viele Jobs dranhängen. Um es sicherer zu machen, muss man sich vor allem auf die Bergsteiger fokussieren. Es sollten bessere Kletterer sein. Aber nach meiner eigenen Erfahrung sind es in der Regel nicht einmal die Amateure, sondern vielmehr die erfahrenen Bergsteiger, die in Schwierigkeiten geraten. Sie kennen den Berg nicht, viele kommen aus den Alpen und den Anden und kennen sich nicht wirklich mit großer Höhe aus. Sie wählen preisgünstige Anbieter und suchen nicht nach leistungsfähigen Sherpas, die sie unterstützen könnten. Im Gegensatz zu einer Felskletterei oder einem niedrigen Gipfel ist der Everest jedoch eine richtige Expedition. Er erfordert ganz unterschiedliche Fertigkeiten, logistischer Art, beim Bergführen, natürlich auch beim Klettern. Die Mischung dieser Fähigkeiten muss stimmen.

Viel Verkehr auf der Normalroute

Viel Verkehr auf der Normalroute

Aber Amateurbergsteiger sind häufig sehr langsam und verantwortlich für die Staus an den Schlüsselstellen der Route.

Amateurbergsteiger können langsam sein, aber das kann genauso für die Erfahrenen gelten, denn es nicht die technische Schwierigkeit des Everest, die die Leute langsam macht, sondern die Höhe. Du kannst ein fantastischer Felskletterer oder ein fantastischer Bergsteiger aus den Schweizer Alpen sein. In dem Augenblick, in dem du die 8000 Meter knackst, arbeitet dein Körper nicht mehr wie gewohnt. Deshalb ist es nicht notwendigerweise richtig zu sagen, dass die Amateurbergsteiger diejenigen sind, die die anderen ausbremsen. Aber natürlich stimmt es, dass du die Leute ausbremst, wenn dir die technischen Fertigkeiten fehlen und du dazu noch Schwierigkeiten mit der Höhe hast.

Die zweite Sache ist das Management am Berg. Staus passieren, wenn zu viele Leute zur selben Zeit an derselben Stelle unterwegs sind. Gründe sind schlechtes Management von der Regierungsseite und schlechte Koordination zwischen den Teams. Zunächst einmal müssen wir uns die Wettervorhersagen anschauen. Wie viele Wetterfenster werden wir im Mai haben, vielleicht fünf, vier oder auch nur zwei? Entsprechend können sich die Leute aufteilen. Wetterfenster dauern zwischen zwei und manchmal sogar fünf Tagen. Es müssen also nicht alle Leute am gleichen Tag starten, sie können es zeitversetzt tun. So kann das Ganze gemanagt werden. An einem schönen Sommertag stehen mehr Menschen auf dem Mont Blanc als auf dem Everest im ganzen Jahr. Es wird einen Punkt geben, an dem wir sagen müssen, es sind zu viele Leute. Aber diesen Punkt haben wir meiner Meinung nach noch nicht erreicht. Lass uns erst einmal diese Leute und ihre Gipfelaufstiege managen und erst dann über Quoten oder ähnliches reden!

Basislager zu Füßen des Mount Everest

Basislager zu Füßen des Mount Everest

Einige westliche Veranstalter haben angekündigt, dass sie keine Everest-Expeditionen mehr anbieten wollen, weil sich der Konkurrenzkampf mit den nepalesischen Anbietern zu einem regelrechten Preiskrieg entwickelt hat. Kannst du sie verstehen?

Absolut. Aber dieser Wettbewerb kommt ja nicht nur von den nepalesischen, sondern auch von den internationalen Veranstaltern selbst. Es gibt viele nepalesische Unternehmen, die billigere Angebote machen. In der Vergangenheit hatten sie gar nicht die Möglichkeit, Expeditionen zu organisieren und zu leiten. Inzwischen haben wir sie. Jetzt haben wir nepalesische Bergsteiger, die Bergführer mit internationalen Zertifikaten sind. Es gibt Unternehmen, sie sehr leistungsfähig sind, die dieselbe Infrastruktur, dasselbe Kapital und Personal haben wie die westlichen Veranstalter. Dazu sind sie auch noch vor Ort, ihre Fixkosten sind niedriger, und deshalb können sie günstigere Preise anbieten.

Die westlichen Veranstalter verlieren also die Kunden, die auf den Preis gucken, an diese Unternehmen. Gleichzeitig gibt es immer noch viele ausländische Bergsteiger, die ihren Seelenfrieden finden und zufriedener sind, wenn sie mit einem Anbieter aus dem eigenen Land unterwegs sind. Diese Leute kümmern sich nicht so um den Preis und suchen eher nach internationalen Veranstaltern, die teurer sind, aber einen besseren Ruf haben. Es wird also so kommen, dass die internationalen Anbieter aus dem preislichen Mittelfeld ihre preisbewussten Kunden an die nepalesischen Unternehmen verlieren und die eher teuer orientierten an die hochpreisigen internationalen Veranstalter. Das ist der Grund, warum sie nicht mehr mithalten können.

Würdest du sagen, dass eine neue Ära bevorsteht, in der nur noch nepalesische Veranstalter Everest-Expeditionen abwickeln?

Ja, diese Ära wird kommen, aber es gibt immer noch eine Nische für internationale Wettbewerber. Nur die Besten werden überleben. Letztendlich werden die nepalesischen Veranstalter die westlichen überholen, weil sie von Jahr zu Jahr besser werden. Das kann in fünf Jahren geschehen oder in zehn. Das bedeutet aber nicht, dass die internationalen Veranstalter bedeutungslos werden. Wir sehen schon jetzt, dass westliche Unternehmen, die ihre Expeditionen in Nepal bisher gewöhnlich selbst organisierten, jetzt ihre Kunden zu nepalesischen Anbietern schicken. Sie übernehmen nur noch das Marketing, die nepalesischen Unternehmen wickeln die Expeditionen ab. Das Geschäft ändert sich ständig. Wenn du dich nicht anpasst, wirst du nicht überleben.

Dawa Steven Sherpa: Vor einer neuen Ära

Einige Experten erwarten, dass es bald nur noch High-End-Expeditionen auf der einen und Discount-Expeditionen auf der anderen Seite geben wird und nichts mehr dazwischen. Teilst du diese Einschätzung?

Nein, das glaube ich nicht. Es kommt auf das ganze Spektrum an. Wenn ein Profibergsteiger zu uns kommt und sagt, er brauche nur einen Koch und ein Zelt im Basislager, alles andere werde er selbst machen, dann organisiere ich seine Expedition dementsprechend. Wenn ein reicher Anwalt aus Hongkong aufschlägt, der drei Sherpas haben will, keinen Rucksack tragen möchte und will, dass alles für ihn getan wird, kann ich ihm auch weiterhelfen. Aber die meisten Leute bewegen sich irgendwo dazwischen. Ich denke, es wird immer die ganze Bandbreite geben. In der Vergangenheit haben die Nepalesen den Niedrigpreis-Bereich abgedeckt. In der Mitte und an der Spitze der Preisskala standen die westlichen Veranstalter. Jetzt haben die Nepalesen das untere und das Mittelfeld übernommen, und nur noch die teureren Expeditionen werden von westlichen Unternehmen angeboten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Nepalesen auch diesen Bereich übernehmen werden.

Was hältst du von diesen Luxus-Expeditionen: Akklimatisierung in Sauerstoffzelten in niedrigeren Bereichen, Flug mit dem Helikopter ins Basislager, nur Lebensmittel aus westlichen Ländern, ein Kunde, ein Sherpa und so weiter? Kannst du mit dieser Art Expedition leben?

Absolut. Ich denke, es ist für alles Platz. Wenn wir über die Philosophie des Bergsteigens reden, ist das große Problem, dass wir es meistens aus einer westlichen Perspektive tun, in der Bergsteigen eine Freizeitbeschäftigung ist, eine philosophische Übung. Die Leute reden über die richtige oder falsche Art zu klettern. In Nepal aber ist Bergsteigen eine wirtschaftliche Angelegenheit. Jeder Bergsteiger sorgt für Jobs, für Sherpas, Köche, Träger, Bauern. Es ist also ein komplett anderer Ansatz. Warum sollte Nepal das Bergsteigen an Ausländer verkaufen, wenn das Land nicht davon profitiert? Da muss man ganz vorsichtig sein. Sherpas sind schnell dabei zu sagen: Wenn wir keine Jobs mehr am Berg bekommen, warum kommen die Ausländer dann überhaupt hierher und besteigen einfach unsere heiligen Berge? Wenn jemand aus dem Westen sagt, das ist gegen die Philosophie des Bergsteigens, dann ist es vielleicht gegen die westliche Philosophie, aber ist es auch gegen die nepalesische? Das fragt sich niemand.

Dawa Steven Sherpa über die Philosophie des Bergsteigens

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Mingma Sherpa: „Am Ende entscheidet der Preis“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mingma-sherpa-am-ende-entscheidet-der-preis/ Tue, 01 Mar 2016 18:41:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32019 Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Die bevorstehende Frühjahrssaison am Mount Everest wirft ihre Schatten voraus. Zehn „Icefall Doctors“ wurden zum Basislager auf der nepalesischen Seite des höchsten Bergs der Erde geschickt, um die Route für die kommerziellen Expeditionen vorzubereiten. In den vergangenen beiden Jahren hatte es keine Gipfelerfolge von Süden aus gegeben (Ich ignoriere hierbei ganz bewusst den „Erfolg“ der Chinesin Wang Jing und ihrer Sherpas, die sich 2014 mit dem Hubschrauber nach Lager 2 hatten fliegen lassen). 2014 war die Frühjahrssaison vorzeitig zu Ende gegangen, nachdem bei einer Eislawine im Khumbu-Eisbruch 16 nepalesische Bergsteiger ums Leben gekommen waren. 2015 hatte das verheerende Erdbeben am 25 April eine mächtige Lawine am Pumori ausgelöst, die das Everest-Basislager getroffen und 19 Menschen getötet hatte.

Am Montag hat das nepalesische Kabinett – endlich! – grünes Licht dafür gegeben, dass die Besteigungsgenehmigungen (Permits) von 2015 zwei weitere Jahre gültig bleiben. „Das ist ein begrüßenswerter Schritt der Regierung“, sagte Ang Tshering Sherpa, Präsident des nepalesischen Bergsteiger-Verbands NMA. „Wir hoffen, dass er dabei hilft, die Bergsteiger wieder auf die Berge zu bringen.“ Für viele der rund 800 Bergsteiger mit 2015er Permits, darunter 357 Everest-Asprianten, dürfte die Entscheidung jedoch zu spät kommen, um schon in diesem Frühjahr nach Nepal zurückzukehren.

Ich habe Mingma Gyalje Sherpa zur bevorstehenden Saison befragt. Der 29-Jährige, der schon sieben Achttausender bestiegen hat und kürzlich mit seinem Solo in der Westwand des 6685 Meter hohen Chobutse für Schlagzeilen gesorgt hatte, ist Chef von Dreamers Destination, eines in Kathmandu ansässigen Veranstalters von Expeditionen und Trekkingreisen.

Mingma, die Frühlingssaison steht vor der Tür. Was erwartest du, speziell am Mount Everest?

Ich denke, es werden wieder etwa so viele Teams am Berg sein wie zuvor, sie werden jedoch kleiner sein. Ich bin froh, dass der Everest in diesem Jahr weniger überlaufen sein wird. Es wird sicherer sein, und die Bergsteiger werden in diesem Jahr mehr Spaß haben. Es ist gut, dass es weniger Staus am Hillary Step, an der Lhotse-Flanke und im Khumbu-Eisfall geben wird.

Mingma Gyalje Sherpa

Mingma Gyalje Sherpa

Dein Unternehmen Dreamers Destination bietet eine von dir geleitete Expedition auf der nepalesischen Seite des Everest an. Hast du als Folge der Ereignisse von 2014 und 2015 eine niedrigere Nachfrage festgestellt?

Klar haben sich die Zwischenfälle 2014 und 2015 auf den Everest ausgewirkt, das liegt in der Natur der Sache. Aber ich glaube nicht, dass sie einen so großen Einfluss hatten. Wir hatten schon im vergangenen Herbst eine gute Zahl an Kunden und haben einen ordentlichen Umsatz gemacht. Und wir haben auch in diesem Frühjahr ausreichend Bergsteiger für den Everest und den Lhotse.

Die Blockade (im Grenzgebiet zu Nepal) hat die Nachfrage nach Nepalreisen viel mehr gedrückt. Die meisten meiner ausländischen Freunde machen sich Sorgen wegen der Blockade, die fünf Monate lang andauerte. Sie wollen weder Geld noch Zeit verschwenden, indem sie in einer solchen Situation Nepal besuchen. Doch jetzt ist die Blockade vorbei, die Lage bessert sich. Deshalb dürfen wir auf eine zufriedenstellende Zahl an Touristen in der Herbstsaison hoffen, aber noch nicht in diesem Frühjahr.

Wie ist die Stimmung unter den Sherpas? Depressiv, optimistisch oder irgendwo dazwischen?

Wegen der Unglücke 2014 und 2015 haben einige Sherpa-Bergsteiger ihren Job erst einmal an den Nagel gehängt, weil sie Druck von ihren Familien bekamen. Aber die Mehrheit hofft auf eine ausreichende Zahl an Touristen und darauf, für sie zu arbeiten.

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Wie so oft, sorgte das zögerliche Verhalten der nepalesischen Regierung wieder einmal für Verunsicherung. Die Entscheidung über die Verlängerung der Permits von 2015 kam spät, die vorgeschlagenen neuen Bergsteiger-Regeln für den Everest stehen weiterhin aus. Bereitet euch Expeditionsveranstaltern dieses schläfrige Verhalten der Regierung Probleme?

Ja, definitiv. Wir stehen nur noch ein paar Wochen vor Beginn der Frühjahrssaison, und bis gestern gab es noch keine endgültige Entscheidung über die Verlängerung der Permits. Jetzt liegt sie vor. Es ist eine gute Entscheidung für die Bergsteiger und auch für das Überleben der Tourismusbranche in Nepal. Die neuen Bergsteiger-Regeln erwarten wir nicht in näherer Zukunft.

Einige westliche Veranstalter haben entschieden, sich vom Everest zurückzuziehen.  Sie begründen ihren Schritt damit, dass sie nicht mit den Dumpingpreisen nepalesischer Veranstalter mithalten könnten. Wie siehst du das?

Es ist wahr, dass der Preiskampf mit den nepalesischen Veranstaltern die Sache nicht leicht macht. Es gibt nur einige wenige nepalesische Unternehmen, die einen besseren Service bieten als westliche Veranstalter. Aber es gibt deutlich mehr nepalesische Unternehmen, die nur darauf aus sind, den Preis zu drücken, um immer mehr Kunden anzulocken. Und diese Veranstalter sind auch dafür verantwortlich, dass es mehr Unfälle gibt. Aber diese Veranstalter werden nicht lange überleben.

Ich glaube, dass westliche Unternehmen in der Regel verlässlicher und verantwortungsbewusster sind, was die angebotenen Dienste und die Zusagen an die Kunden betrifft.

Everest-Basislager

Everest-Basislager

Den Wettbewerb gibt es übrigens nicht nur mit westlichen Unternehmen, sondern auch zwischen den verschiedenen nepalesischen Veranstaltern. Ich denke, wir gehören zu denen, die einen guten Service bieten. Wir versuchen, die Erwartungen der Kunden nicht zu enttäuschen. Auch für uns ist sehr schwer, gegen die Billiganbieter zu bestehen. Aber es gibt das alte Sprichwort „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Und so finden sowohl die Billiganbieter als auch wir und die westlichen Veranstalter Kunden, die jeweils zu ihnen passen. Ich habe das Gefühl, dass die Bergsteiger eher den westlichen als den nepalesischen Veranstaltern vertrauen, aber am Ende entscheidet der Preis. Doch es gibt auch immer mehr Touristen, für die ihre Sicherheit wichtiger ist als der Preis. 

Die erwähnten westlichen Veranstalter beschuldigen die nepalesischen Konkurrenten auch, einheimisches Personal aus ärmeren Regionen Nepals anzuheuern und sie schlecht zu bezahlen. Ist das wahr?

50/50. Ja, es gibt viele Unternehmen, die schlechte Löhne zahlen, doch es hängt auch von der Qualifikation des Personals ab. Ich habe Freunde mit einem Bergführer-Zertifikaten der UIAGM (Internationale Vereinigung der Berführerverbände). Sie berechnen 15.000 US Dollar für Everest-Expeditionen, das ist mehr, als westliche Führer verlangen. Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile lokale Bergführer, die nur 85.000 nepalesische Rupien (etwa 800 Dollar) fordern.

Es liegt also in den Händen der Kunden. Je mehr sie an nepalesische oder westliche Veranstalter bezahlen, desto wahrscheinlicher erhalten sie gute und erfahrene Sherpas. Je weniger sie zahlen, desto wahrscheinlicher bekommen sie unprofessionelles Personal, das sie in Schwierigkeiten bringen wird.

Vor zwei Monaten hast du mir gesagt, dass 2016 über die Zukunft des Bergtourismus in Nepal entscheiden würde. Wie ist dein Gefühl jetzt?

2016 wird ein sehr schwieriges Jahr für Nepal. Ganz sicher werden in dieser Frühjahrssaison weniger Touristen ins Land kommen. Für die Herbstsaison bin ich zuversichtlicher. Wenn die Zahl der Touristen im Herbst jedoch ebenfalls zurückgehen sollte, sehe ich auf Jahre hinaus schwarz für die Tourismusbranche in Nepal.

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Blockade in Nepal für beendet erklärt https://blogs.dw.com/abenteuersport/blockade-in-nepal-fuer-beendet-erklaert/ Tue, 09 Feb 2016 11:49:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31861 Blockade_GaskanisterDoppelter Grund zum Feiern in Nepal. Pünktlich zum Losar, dem tibetischen Neujahrsfest, zeichnet sich ein Ende der Versorgungskrise in dem Himalayastaat ab. Nach mehr als viermonatiger Dauer erklärten Anführer der Volksgruppe der Madhesi ihre Blockade im Grenzgebiet zu Indien für beendet. Die Madhesi, die im Süden Nepals leben, fühlten sich durch die neue Verfassung des Landes benachteiligt. Inzwischen wurde sie in einigen Punkten geändert. Die Blockade hatte Nepal gelähmt. Der Wiederaufbau nach dem Erdbeben im Frühjahr 2015 war praktisch zum Erliegen gekommen. Brenn- und Treibstoff, Baumaterialien, aber auch Lebensmittel und Medikamente waren knapp geworden, weil der Nachschub aus Indien fehlte. Seit dem Wochenende rollen die Tanklaster wieder Richtung Kathmandu.

Viele Absagen

Happy Losar!

Happy Losar!

Das wird auch die Veranstalter von Trekkingreisen und Expeditionen freuen. Sie waren wegen der Blockade teilweise sogar gezwungen gewesen, über den Schwarzmarkt Treibstoff, Flüge und Essen für ihre Kunden zu organisieren. Die Frühjahrssaison steht vor der Tür. Allerhöchste Zeit, dass auch die Regierung Nepals aufs Gaspedal drückt. Nach wie vor steht der offizielle Beschluss aus, die Permits von 2015 zu verlängern. Wegen der Folgen des Bebens hatten Bergsteiger aus aller Welt ihre Expeditionen abgebrochen. „Ich hatte im vergangenen Jahr sieben Expeditionen mit etwa 100 Bergsteigern“, sagte Tashi Lakpa Sherpa vom nepalesischen Veranstalter Seven Summits Treks gegenüber der Internetseite Republica. „Rund 50 Prozent von ihren haben ihren Nepal-Besuch bereits abgesagt, weil sie nicht genügend Zeit zur Vorbereitung hätten, selbst im Falle, dass ihre Permits verlängert werden.“

Auch im vergangenen Jahr hatte die Regierung Nepals in dieser Angelegenheit die Ruhe weg. Erst als die meisten Bergsteiger schon im Lande waren, hatte sie verkündet, dass die Permits von 2014 ihre Gültigkeit behielten. Auch vor zwei Jahren war die Saison am Mount Everest beendet worden, bevor sie richtig begonnen hatte, nachdem bei einem Lawinenunglück im Khumbu-Eisbruch 16 nepalesische Bergsteiger ums Leben gekommen waren.

 

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Brice: “Es ist einfach, etwas zu verkünden und dann nichts zu tun” https://blogs.dw.com/abenteuersport/brice-es-ist-einfach-etwas-zu-verkuenden-und-dann-nichts-zu-tun/ Mon, 18 Jan 2016 15:52:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31673 Russell Brice

Russell Brice

Er ist der Doyen der westlichen Expeditionsveranstalter. Der Neuseeländer Russell Brice leitet seit 1974 Expeditionen im Himalaya. Kaum einer seiner Kollegen kann so viel Erfahrung vorweisen wie der 63 Jahre alte Chef der Agentur Himalayan Experience – nicht nur wenn es darum geht, Aufstiege auf Achttausender zu organisieren, sondern auch im Umgang mit den Behörden. Fast in Vergessenheit ist geraten, dass Russell in seinen jüngeren Jahren ein exzellenter Höhenbergsteiger war – und auch ein Pionier am Everest: 1988 gelang ihm zusammen mit dem Briten Harry Taylor die erstmalige Überschreitung der „Three Pinnacles“ am Nordostgrat. Ich wollte von Brice wissen, wie er über die aktuelle Lage in Nepal denkt.

Russ, in diesem Frühjahr bietet Himalayan Experience Expeditionen zum Mount Everest und Lhotse an. Wie groß ist die Nachfrage?

Verglichen mit den letzten Jahren sehr gering.

Hat sich die Einstellung deiner Kunden wegen der Ereignisse 2014 (Lawine im Khumbu-Eisfall) und 2015 (Erdbeben und Lawine, die das Everest-Basislager traf) verändert?

Ja, sehr stark. Viele Leute wollen erst einmal abwarten, ob es eine sichere und erfolgreiche Saison wird, bevor sie buchen. Deshalb wird die Saison 2016 sehr wichtig, als Zeichen, dass wir den Everest immer noch relativ sicher besteigen können.

Everest-Südseite

Everest-Südseite

2015 haben die nepalesischen Behörden strengere Regeln für Everest-Aspiranten angekündigt – Altersbeschränkungen (keine Permits für Bergsteiger, die jünger als 18 und älter als 75 Jahre sind), ein Mindestmaß an alpinistischer Erfahrung (mindestens ein Gipfelerfolg an einem Berg, der höher als 6500 Meter ist) und an körperlichen Voraussetzungen. Was hältst du davon?

Die Behörden in Nepal kündigen immer irgendetwas an, und dann dauert es ewig, bis sie es auch umsetzen. Ich halte ein Alterslimit für junge und alte Bergsteiger für eine gute Idee, um dem absurden Streben einiger Leute einen Riegel vorzuschieben.

6500 Meter zu erreichen, bedeutet noch gar nicht. Du kannst einen relativ leichten Berg wie den Aconcagua  [mit 6962 Metern der höchste Berg Südamerikas] besteigen und es würde reichen, nicht dagegen, wenn du den Gipfel eines schwierigeren Bergs wie des Denali [mit 6190 Metern der höchste Berg Nordamerikas] erreichst. Glaubst du etwa, dass die nepalesischen Behörden wirklich nachprüfen würden, ob die Leute diese Berge bestiegen haben oder nicht? Natürlich nicht. Sie haben überhaupt kein Interesse daran, und die meisten Leute werden einfach lügen. Es wäre viel besser zu fragen, ob die Bergsteiger, die zum Everest wollen, bereits einen anderen Achttausender bestiegen haben. Das könnten die Behörden in Nepal dann wirklich nachprüfen.

Zweieinhalb Monate vor dem Beginn der Frühlingssaison sind diese neuen Regeln ebenso wenig in Kraft wie die versprochene Verlängerung der Permits (Besteigungsgenehmigungen) von 2015.  Ärgerst du dich über die Tatenlosigkeit der Regierung? Vielleicht bist du ja auch schon daran gewöhnt.

Absolut. Ich bin extrem enttäuscht darüber, dass die Regierung sich nicht dafür einsetzt, die Erdbeben-Hilfsgelder an die Menschen zu verteilen, die dringend Hilfe brauchen, und dass sie kein Interesse daran zeigt, den Tourismussektor wieder aufzubauen. Es ist so einfach, etwas zu verkünden und dann nichts zu tun.

Ich habe zwar gehört, dass die Permits für die Bergsteiger, die im vergangenen Jahr auf Expedition in Nepal waren, um zwei Jahre verlängert werden sollen. Aber wieder einmal hat diese Initiative noch nicht das Parlament erreicht, und wir kennen auch noch nicht die Details, wie sie umgesetzt werden soll. Wie sollen wir das unseren Kunden vermitteln?

Im vergangenen Jahr erhielten wir die Bestätigung, dass die alten Permits weiter gültig blieben, erst um acht Uhr abends am Tag, bevor wir morgens um 6 Uhr ins Basislager aufbrechen wollten. Wir als Veranstalter haben das große Risiko getragen, diese Kunden nach Nepal zu bringen, ohne jede Unterstützung der Behörden.

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Obwohl es in den vergangenen beiden Jahren keine Gipfelerfolge von der nepalesischen Seite aus gab, bist du nicht auf die Nordseite gewechselt. Warum nicht?

Ich bin derzeit nicht dafür gerüstet, in Tibet zu arbeiten, aber ich traue auch den chinesischen Behörden nicht, nachdem sie in der vergangenen Herbstsaison wieder einmal Tibet geschlossen haben. Als sie genau das auch 2008 drei Tage vor unserer Anreise machten, habe ich eine Viertelmillion Dollar verloren. Das kann ich mir nicht noch einmal leisten.

Aber ich versuche auch, den Menschen in Nepal, so gut ich kann, zu helfen, weil es die Regierung ganz gewiss nicht tut.

Die Situation in Nepal ist immer noch schwierig, auch wegen der andauernden Blockade der Grenze zu Indien. Siehst du der bevorstehenden Frühlingssaison optimistisch oder mit gemischten Gefühlen entgegen?

Ich bin beschämt und bestürzt, dass die neue nepalesische Regierung es in so vielen Monaten nicht geschafft hat, das Problem der Blockade zu lösen. Ich bin ausgesprochen beunruhigt, dass es auch zu Beginn der Bergsteiger-Saison noch so sein könnte. Das würde uns Veranstalter heftig treffen, wegen der Kosten für Lebensmittel, Treibstoff, Transport und so weiter.

Ich freue mich nicht gerade auf die nächste Saison, aber wir müssen einfach dort sein, mit einer positiven Einstellung. Wenn die einheimischen Behörden das nicht leisten können, müssen dafür eben wir einspringen und unser Bestes geben. Zu viele Menschen verlassen sich darauf, dass wir Touristen nach Nepal bringen. Deshalb müssen wir alles versuchen, um dieses Geschäft wiederzubeleben.

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Wenn am falschen Ende gespart wird https://blogs.dw.com/abenteuersport/wenn-am-falschen-ende-gespart-wird/ Sat, 19 Dec 2015 21:04:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31547 Piloten im Dauereinsatz

Teure Rettungseinsätze

„Ich bin nicht in der Regierung um abzuwarten“, sagte Ananda Prasad Pokharel Anfang November nach seiner Ernennung zum neuen Tourismusminister Nepals. „Ich bin hier, um Dinge zu verändern.“ Einer seiner ersten Vorstöße zum Bergtourismus zeugt jedoch nicht gerade von Weitblick, sondern wirkt eher wie eine Schnapsidee. Pokharels Ministerium plant, die Versicherungssummen für die nepalesischen Beschäftigten bei Expeditionen zu senken – um bis zu 60 Prozent an Bergen, die niedriger als 6500 Meter sind. Damit solle der Bergtourismus wieder angekurbelt werden, hieß es. Die Besucherzahlen waren nach dem verheerenden Erdbeben im April und zusätzlich wegen der immer noch bestehenden Blockade an der Grenze zu Indien drastisch eingebrochen.
Auch bei vielen Nepalesen löst der Plan der Regierung jedoch eher Kopfschütteln aus. „Als Inhaber des Expeditionsanbieters Dreamers Destination Trek würde ich natürlich jede Kostenreduzierung für Versicherungen begrüßen. Sie wären gut für mein Unternehmen und meine Kunden“, schreibt mir Mingma Gyalje Sherpa. „Aber als Bergsteiger und auch als jemand, der aus einer Bergsteiger-Familie stammt, wünsche ich mir, dass die Versicherungssummen nicht gesenkt, sondern sogar erhöht werden.“

Kaum über die Runden gekommen

Mingma Gyalje Sherpa

Mingma Gyalje Sherpa

Der 29-Jährige, der bereits sieben Achttausender bestiegen hat und zuletzt mit einer schwierigen Erstbegehung am 6685 Meter hohen Chobutse für Furore gesorgt hatte, beschreibt das Schicksal seines Vaters: Der sei als junger Mann auch ein Spitzenbergsteiger gewesen, ehe er 1983 am Mount Everest acht Finger wegen Erfrierung verloren habe. Danach habe sein Vater nie mehr die Chance erhalten, an großen Expeditionen teilzunehmen und gutes Geld zu verdienen. Er sei kaum noch über die Runden gekommen. „Solche Umstände sollten jene Leute berücksichtigen, die Vorschriften erlassen.“

„Das ist doch nichts in der heutigen Zeit“

Mingma am Chobutse

Mingma am Chobutse

Für viel zu niedrig hält Mingma die Versicherungsummen, die im Todesfall an die Familien der Verunglückten gezahlt werden: bei Expeditionen an Bergen, die höher als 6500 Meter sind, 15.000 US-Dollar für Hochträger und Bergführer sowie 8.000 Dollar für Basislager-Personal. „Das ist doch nichts in der heutigen Zeit“, sagt Mingma. Er plädiert dafür, nicht nur diese Versicherungssummen, sondern auch jene für Hubschrauber-Rettungsaktionen anzuheben, statt sie zu senken. 10.000 Dollar an hohen Bergen reichten bei weitem nicht aus, um im Falle eines Unglücks die Kosten zu decken. So würden bei einem Rettungsflug über 7000 Metern deutlich mehr als 15.000 Dollar fällig. Am Chobutse war Mingma beim Abstieg im schlechten Wetter in Not geraten und hatte sich per Hubschrauber in Sicherheit bringen lassen. „Die Rechnung belief sich auf 15.400 Dollar. Ich werde wohl kaum 10.000 Dollar von der Versicherung kriegen. Und den Rest darf ich dann aus der eigenen Tasche bezahlen.“

2016 entscheidet über die Zukunft

Es gebe deutlich wirksamere Mittel, um den Tourismus in Nepal wieder anzukurbeln, als die Versicherungssummen zu beschneiden, findet der Sherpa. So sollte sich die Regierung lieber darum kümmern, „für eine stabile politische Lage“ zu sorgen, sagt Mingma. Außerdem sei es sinnvoll, die Gültigkeit der Permits (Besteigungsgenehmigungen) von 2015 um zwei bis drei Jahre zu verlängern. „Es gibt Bergsteiger, die 2014 und 2015 nach Nepal gekommen sind, um Everest oder Lhotse zu besteigen. Sie habe in diesen beiden Jahren viel Geld ausgegeben und sind sicher sehr frustriert.“
Das Tourismusministerium solle sich darauf konzentrieren, zu vermitteln, dass Nepal ein in jeder Hinsicht sicheres Reiseland sei, meint Mingma. „Nur wenn es 2016 gut läuft, wird es auch in den folgenden Jahren so sein.“

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Strengere Regeln für Everest-Permits? https://blogs.dw.com/abenteuersport/strengere-regeln-fuer-everest-permits/ Mon, 28 Sep 2015 15:59:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30693 Tourismusminister Kripasur Sherpa bei seiner Rede am Sonntag

Tourismusminister Kripasur Sherpa

Die nepalesische Regierung will dafür sorgen, dass der Mount Everest wieder ernst genommen wird. Bei einer Veranstaltung in Kathmandu anlässlich des Welt-Tourismustages sagte Tourismusminister Kripasur Sherpa am Sonntag, neue Altersgrenzen und andere strengere Vorschriften für die Vergabe von Everest-Besteigungsgenehmigungen (Permits) seien in Arbeit. Es werde daran gedacht, nur noch Bergsteiger im Alter zwischen 18 und 75 Jahren auf den höchsten Berg der Erde zu lassen.

Everest-Besteiger zwischen 13 und 80

Die bisher gültige Regelung besagt, „dass keine Permits für Personen jünger als 16 Jahre erteilt werden“. Eine obere Altersgrenze gibt es bisher nicht. Der jüngste Everest-Besteiger aller Zeiten war der US-Amerikaner Jordan Romero, der den Gipfel 2010 im Alter von 13 Jahren und zehn Monaten erreichte, der älteste im Jahr 2013 der Japaner Yuichiro Miura mit 80 Jahren und sieben Monaten. Vor kurzem hatte die Familie des noch elfjährigen Amerikaners Tyler Armstrong angekündigt, dass er im nächsten Frühjahr versuchen werde, den Everest zu besteigen.

Keine Permits für alle, „die nicht selbst gehen können”

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Kripasur Sherpa brachte auch mögliche Einschränkungen für körperbehinderte Bergsteiger ins Spiel. „Wir werden keine Permits mehr für Leute mit schweren Behinderungen ausstellen, die nicht in der Lage sind, selbst auf den Everest zu steigen“, sagte der Minister. Der zuständige Abteilungsleiter Govinda Karki wurde noch deutlicher. „Wir denken nicht, dass wir Permits an Leute ausgeben sollten, die nicht sehen oder gehen können oder die keine Arme haben“, sagte Karki der Nachrichtenagentur AFP. „Den Everest zu besteigen, ist schließlich kein Scherz. Es handelt sich nicht um Diskriminierung. Wie kann man ohne Beine klettern? Irgendwer muss dich hoch ziehen.” Körperbehinderten Bergsteigern dürften diese Worte nicht schmecken. Es haben in der Vergangenheit bereits einige Bergsteiger trotz Blindheit oder auch mit Arm- oder Beinprothesen den Gipfel des Mount Everest erreicht.

Mindestens einmal über 6500 Metern

Die Regierung will auch sehr unerfahrene Bergsteiger vom Everest fernhalten. Jeder sollte eine Höhe von mindestens 6500 Metern erreicht haben, bevor er sich am Everest versuche, sagte Karki.
Ähnliche Ankündigungen strengerer Permit-Regeln hat es auch in früheren Jahren schon gegeben, am Ende jedoch geschah nichts. Also, abwarten und Tee trinken!

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Everest-Permits hier und dort https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-permits-hier-und-dort/ Wed, 06 May 2015 14:04:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29385 Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Die Basislager auf beiden Seiten des Mount Everest haben sich elf Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal geleert. Die Bergsteiger sind auf der Rückreise. Was geschieht nun mit ihren Permits, den Besteigungsgenehmigungen, wo sie doch nicht einmal einen Versuch machen konnten, den höchsten Berg der Erde zu besteigen? In Nepal hat das Sagarmatha Pollution Control Commitee (SPCC) die Regierung aufgefordert, die Permits von 2015 auch im kommenden Jahr anzuerkennen.

Zu hohes Risiko

Das SPCC ist dafür zuständig, das ein Team darauf spezialisierter Sherpas die Route durch den Khumbu-Eisbruch einrichtet und instand hält. Das Komitee verteidigte seinen Beschluss, die „Icefall Doctors“ nicht mehr ins Basislager zurückgeschickt zu haben. Das Erdbeben am 25. April hatte eine Lawine vom Pumori ausgelöst, die 19 Menschen im Basislager das Leben gekostet hatte. „Das Risiko ist in der gegenwärtigen Situation nicht verantwortbar“, heißt es in der Erklärung des SPCC. Außerdem sei das Zeitfenster bis zum Beginn des Monsuns inzwischen zu knapp. „Viele Icefall Doctors und andere Sherpas, die für die Expeditionen arbeiteten, beklagen in ihren Familien Tote oder Verletzte“, teilt das SPCC mit.

Regierung prüft

Die Permits in Nepal gelten bis Ende Mai. Die Verantwortlichen in Kathmandu halten sich in der Frage bedeckt. „Die Regierung prüft, ob es besser ist, das Geld [11.000 US-Dollar je Expeditionsteilnehmer] zurückzuerstatten oder die Gültigkeit der Permits zu verlängern“, sagte Tulsi Prasad Gautam, Generaldirektor des nepalesischen Tourismusministeriums. Das werde mindestens zwei Monate dauern. Nachdem die Everest-Saison 2014 wegen des Lawinenunglücks mit 16 Toten vorzeitig zu Ende gegangen war, hatten die Behörden die Permits bis 2019 verlängert – für diese Entscheidung allerdings elf Monate benötigt.

China reagiert unbürokratisch

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Wie man unbürokratisch und schnell reagiert, haben die chinesischen Behörden vorgemacht – bisher nicht gerade für ein solches Verhalten bekannt. Nachdem sie in der vergangenen Woche alle Aktivitäten an den Bergen Tibets gestoppt hatten, verkündeten sie, dass die Permits für den Everest sowie die beiden anderen tibetischen Achttausender Cho Oyu und Shishapangma drei Jahre lang gültig bleiben. Es werde nur eine Bearbeitungsgebühr von 500 bzw. 300 Dollar fällig.  Die Expeditionen erhielten zudem ein Schreiben, in dem der chinesisch-tibetische Bergsteiger-Verband CTMA seine Entscheidung begründet, die Saison abzubrechen: „Das verheerende Erdbeben in Nepal hat die Beschaffenheit von Eis und Schnee im ganzen Himalaya verändert. Die Auflage wird instabil und gefährlich, zu jeder Zeit können Lawinen abgehen. Die Nachbeben dauern an, dazu gibt es schlechtes Wetter. Weitere Unglücke werden folgen. Das Risiko beim Bergsteigen steigt erheblich.“ Viele Sherpas aus Nepal wollten in ihre Heimat zurückkehren, so die CTMA. Und schließlich zeige der Beschluss, die Saison zu beenden, auch den „Respekt vor den Toten“ auf der Südseite des Mount Everest.

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Frommer Wunsch https://blogs.dw.com/abenteuersport/alix-von-melle-everest/ Tue, 12 Feb 2013 15:37:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=19677

Alix von Melle

Deutschlands erfolgreichste Höhenbergsteigerin ist ein Nordlicht. Zumindest wurde Alix von Melle in Hamburg geboren und ist in Ahrensburg in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Doch das liegt schon lange zurück. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet die 41-Jährige in München. Fünf Achttausender hat Alix schon bestiegen – auf den Normalwegen, ohne Flaschensauerstoff: den Gasherbrum II (2006), den Nanga Parbat (2008), den Dhaulagiri (2009), den Cho Oyu (2010) und den Broad Peak (2011). Im Frühjahr 2012 musste sie – wie hier berichtet – mit ihrem Ehemann Luis Stitzinger am Manaslu 200 Meter unter dem Gipfel umkehren, weil ein Gewitter losbrach. In diesem Jahr wolle sie sich an der 8027 Meter hohen Shishapangma in Tibet versuchen, erzählt mir Alix, als wir uns auf der ISPO in München über den Weg laufen. Ich nutze die Gelegenheit und bitte sie um ihren Beitrag zu den „Everest-60“-Pinnwänden (siehe rechte Blogseite, dort könnt ihr Alix auch hören). 

Nicht einfach auf die Überholspur 

„Er ist natürlich der höchste Berg und dadurch ein besonderer Anreiz für Höhenbergsteiger“, sagt Alix. „Aber zuerst denke ich beim Everest an die Menschenmassen dort.“ Wenn überhaupt, wolle sie auch den höchsten Berg der Erde ohne Atemmaske versuchen. „Aber ganz ehrlich weiß ich nicht, wie ich das machen soll. Wenn so viele Leute unterwegs sind und man im Stau am Fixseil steht, hat man ohne Sauerstoff wenig Chancen.“ Sie sei eben nicht der „so fitte Überflieger, dass ich dann auf die Überholspur heraustrete“. Alix ist schließlich keine Profibergsteigerin, sie muss den Spagat zwischen ihrem Vollzeit-Beruf in der Presseabteilung eines Outdoor-Unternehmens und ihren Expeditionen schaffen. 

Permits beschränken 

Zum 60. Jahrestag der Erstbesteigung durch Edmund Hillary und Tenzing Norgay wünscht Alix von Melle dem Mount Everest, „dass er ein ruhigerer Berg wird“. Das, so glaubt Alix, sei jedoch wohl nur zu realisieren, wenn die Zahl der Permits pro Saison beschränkt, also nur noch eine bestimmte Menge an Bergsteigern zugelassen würde. Oder ausschließlich Kletterer, die auf Flaschen-Sauerstoff verzichteten. Ein frommer Wunsch, das weiß auch Alix. Denn schließlich verdienten die Länder gut an den Permits. „Und auf diese Gelder wird keiner verzichten wollen – nur weil der Berg überfüllt ist.“

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