Auf den Everest-Spuren ihrer Ehemänner
Der Mount Everest nahm ihnen die Ehemänner. Und die Väter ihrer Kinder. Dennoch wollen Nima Doma Sherpa und Furdiki Sherpa in diesem Frühjahr den höchsten Berg der Erde besteigen. „Wir machen unsere Expedition aus Respekt vor unseren verstorbenen Ehemännern, weil auch sie Bergsteiger waren“, antwortet mir Nima Doma auf meine Frage nach dem Sinn und Zweck ihres Projekts. „Wir wollen alle Witwen motivieren.“ Der Everest hat einige alleinerziehende Mütter zurückgelassen. Allein in den vergangenen 20 Jahren starben dort laut der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“ 37 Sherpas. Furdikis Mann, Mingma Sherpa, gehörte zu den so genannten „Icefall Doctors“, die alljährlich die Route durch den Khumbu-Eisbruch einrichten und sichern. Der 44-Jährige kam am 7. April 2013 bei einem Sturz in eine Gletscherspalte ums Leben. Nima Doma Sherpas Mann, Tshering Wangchu Sherpa, war ein Jahr später, am 18. April 2014, eines der 16 nepalesischen Opfer des schweren Lawinenunglücks im Eisbruch.
Umzug nach Kathmandu
Als das Everest-Schicksal zuschlug, arbeiteten die beiden Sherpanis jeweils in den kleinen Teehäusern ihrer Familien: Furdiki in Dingboche, einem kleinen, auf 4340 Meter Höhe gelegenen Dorf im Everest-Gebiet, Nima Doma in Khumjung, weiter talabwärts auf 3780 Metern. Ihre Einkünfte waren zu gering, um auf Dauer ihre Kinder über die Runden zu bringen. Beide zogen nach Kathmandu und verdingten sich als Trägerinnen und später Führerinnen von Trekkinggruppen. Furdiki wollte ihren Kindern größere Zukunftschancen eröffnen, als sie selbst finanzieren konnte. Die heute 42-Jährige fand in den USA Adoptiveltern für ihre drei Töchter, die inzwischen 14, 17 und 20 Jahre alt sind. Nima Doma hat einen zehnjährigen Sohn und eine achtjährige Tochter. Wenn die 34-Jährige als Trekkingguide unterwegs ist, passt ihre Mutter in Kathmandu auf die Kinder auf.
Zwei Sechstausender bestiegen
Um sich auf ihre „Two Widow Expedition“ (Zwei-Witwen-Expedition) vorzubereiten, haben Nima Doma und Furdiki nach eigenen Angaben mehrere Kurse des nepalesischen Bergsteiger-Verbands NMA besucht. Im vergangenen November bestiegen sie den 6584 Meter hohen Chulu East in der Annapurna-Region und den 6189 Meter hohen Island Peak im Everest-Gebiet, zwei beliebte Trekkingberge. Reicht das als Erfahrung für den Everest? Ich habe die Sherpanis gefragt, ob sie nicht fürchten, dass auch ihnen am höchsten Berg der Erde etwas zustoßen könnte und ihre Kinder dann Vollwaisen wären. „Wir haben keine Angst vor den Bergen, weil wir glauben, dass wir uns die nötigen Grundtechniken aneignen können. Außerdem begleiten uns die guten Wünsche aller Menschen, die uns und unsere Geschichte kennen“, antwortet Nima Doma Sherpa. „Jede Mutter liebt ihre Kinder, das tun wir auch. Aber nach dem Tod unserer Ehemänner lag plötzlich alle Verantwortung auf unseren Schultern. Wir wollen unseren Kindern zeigen, dass wir unabhängig sein können. Das wird auch sie motivieren und stolz machen.“
P.S. Nima Doma und Furdiki haben das Geld für ihre Everest-Expedition noch nicht zusammen. Am 19. Oktober veranstalten sie in einem Hotel in Kathmandu eine Dinnerparty, bei der Spenden gesammelt werden. Wer die beiden Sherpani unterstützen will, kann ihnen auch online Geld zukommen lassen. Hier ist der Link zu ihrer Crowdfunding-Aktion.