Nordseite – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Dominik Müller am Everest: „Es war perfekt“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dominik-mueller-am-everest-es-war-perfekt/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dominik-mueller-am-everest-es-war-perfekt/#comments Thu, 18 May 2017 13:39:13 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36269

Dominik Müller am Everest (© www.third-pole.com)

Während für viele jetzt erst die entscheidende Phase am höchsten Berg der Erde beginnt, packt Dominik Müller bereits zusammen. Der deutsche Expeditionsleiter erreichte – wie berichtet – am Dienstag von der tibetischen Nordseite aus den 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest, ebenso einer seiner Kunden. Zwei andere Mitglieder seines Teams kehrten auf 8550 bzw. 8600 Metern um. „Es hat keiner auch nur eine kleinste Blessur“, freut sich Dominik, als ich den 46 Jahre alten Chef des Expeditionsanbieters Amical alpin über Satellitentelefon im vorgeschobenen Basislager auf 6300 Metern  erreiche.

Dominik, zunächst einmal einen ganz herzlichen Glückwunsch. Wie waren das Wetter und die Bedingungen am Berg während eures Aufstiegs?

Für uns war es ein perfekter Gipfeltag. Windstill, warm, wie von meinen Meteorologen vorhergesagt. Die Route war super gesichert. Wir hatten keinen Stau, außer uns war noch ein US-Team unterwegs, dazu noch ein kleines russisches. Es hatte in den Vortagen geschneit, gerade vor den Felsstufen konnten wir gut über Schneebänder laufen. Damit kann man am Gipfeltag eine bis anderthalb Stunden Zeit sparen. Am Gipfel haben Sherpas, die von der Südseite aufgestiegen waren, Oben-ohne-Fotos mit Nepal-Fähnchen gemacht. So warm war es.

Der Everest war nach dem Cho Oyu und dem Manaslu dein dritter Achttausender. Wie hast du den Gipfelerfolg erlebt?

Ich konnte es total genießen. Ich habe jetzt die „Seven Summits (die höchsten Berge aller Kontinente) als Bergführer vollendet, auf jeden der sieben Gipfel habe ich Kunden geführt. Das können weltweit nicht so viele von sich sagen. Und dann noch dieser Gipfeltag! Blauer Himmel, nur ganz wenige Wölkchen, warm. Es war perfekt.

Dominik (2.v.l.) mit seinem Team

Andere hatten die Wetterverhältnisse vorher eher problematisch gesehen. Warum seid ihr trotzdem so früh aufgestiegen?

Weil meine Meteorologen ein perfektes Wetterfenster vorausgesagt haben, zwischen dem 15. und 17. Mai. Wir wollten eigentlich in der Nacht vom 16. auf den 17. zum Gipfel gehen. Dann hieß es: Dominik, gehe lieber einen Tag früher! Es wird windstill und warm. Beim Abstieg kommt vielleicht eine kleine Windspitze herein. Die ist dann aber mittags durch, und ihr könnt weiter absteigen. Und genauso war es.

Welchen Tipp hast du für alle parat, die noch unten auf ihre Everest-Chance in diesem Frühjahr warten?

Die Meteorologen erwarten für das Wochenende noch einmal ein Wetterfenster. Einige Teams sind im Aufstieg. Aber im Augenblick sehe ich vom Gipfel noch wahnsinnige Schneefahnen. Ich kann allen nur raten: Cool bleiben, abwarten und vielleicht auch den Meteorologen vertrauen! Ich denke, man sollte sich mit seinen Wetter-Fachleuten absprechen, irgendwann sagen, okay es passt für mich, und dann auch losgehen. Es ist typisch, dass im Basislager viel diskutiert wird. Manchmal wird auch etwas schlechtgeredet, das gar nicht so schlecht ist.

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Everest-Herbstlinge im Frühjahr https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-herbstlinge-im-fruehjahr/ Thu, 20 Apr 2017 19:01:14 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35857

Kuriki (2.v.l.) im Everest-Basislager

Eigentlich wollten beide erst im Herbst zum höchsten Berg der Erde zurückkehren. Doch die Chinesen machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Im kommenden Herbst werden die chinesischen Behörden nämlich keine Permits für den Mount Everest ausstellen. Aus diesem Grund reihen sich sowohl der Japaner Nobukazu Kuriki als auch der Spanier Kilian Jornet in die Schar derer ein, die den Everest in diesem Frühjahr von der tibetischen Nordseite aus besteigen wollen. Der 34 Jahre alte Kuriki ist bereits im „Chinese Base Camp“ auf 5200 Metern eingetroffen. Kuriki hat angekündigt, auf der Normalroute bis auf eine Höhe von 7500 Metern aufzusteigen, um sich zu akklimatisieren. Anschließend will er erneut versuchen, im Alleingang und ohne Flaschensauerstoff durch die Nordwand zu klettern.

Siebter Anlauf

Kuriki im Herbst 2016 in der Everest-Nordwand

Im Herbst 2016 hatte Kuriki auf einer Höhe von 7400 Metern vor den Schneemassen in der Wand kapituliert. Es war sein erster Versuch auf der Nordseite des Bergs gewesen. Zuvor war er auf der nepalesischen Südseite fünfmal gescheitert, immer im Herbst. 2012 hatte er sich bei einem Versuch über den Westgrat so schwere Erfrierungen zugezogen, dass neun Finger fast auf ganzer Länge hatten amputiert werden müssen. „Es ist noch nicht vorbei“, verkündete Kuriki fast trotzig vor seinem nun schon siebten Versuch.

Im Eiltempo auf den Gipfel?

Kilian Jornet 2016 am Everest

Kilian Jornet hat noch alle seine Finger. Der 29 Jahre alte Katalane war im vergangenen Herbst bei seinem ersten Anlauf am Everest gescheitert. Kilian hatte ursprünglich vorgehabt, nach erfolgter Akklimatisierung den höchsten Berg in einem Zug zu besteigen,vom Kloster Rongbuk aus (das rund 30 Kilometer vom vorgeschobenen Basislager unterhalb des Nordsattels entfernt liegt), im Eiltempo, ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung. Zu einem Speedversuch war es gar nicht erst gekommen. Auf der Normalroute war er nach eigenen Angaben mit seinen Begleitern bis auf eine Höhe von 7950 Metern aufgestiegen, ehe auch ihn die Schneemassen am Everest gestoppt hatten.

Auch die Freundin ist dabei

Kilian Jornet

An seinem Plan hat sich nichts geändert. Wie Jornet die geplante Speedbesteigung umsetzen will, wenn so viele Gipfelaspiranten am Berg sein werden wie in diesem Frühjahr, bleibt vorerst noch sein Geheimnis. Erneut wird Jornet von dem spanischen Topbergsteiger Jordi Tosas begleitet. Zum Team gehört diesmal auch Kilians Freundin, die schwedische Bergläuferin und Skibergsteigerin Emelie Forsberg. Am Wochenende geht es los.

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Ralf Dujmovits: „Mein definitiv letzter Everest-Versuch“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-mein-definitiv-letzter-everest-versuch/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-mein-definitiv-letzter-everest-versuch/#comments Tue, 28 Mar 2017 13:05:48 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35601

Ralf Dujmovits

Sag niemals nie! Das ist nicht nur der Titel eines alten James-Bond-Films, sondern könnte auch über der persönlichen Geschichte Ralf Dujmovits‘ am Mount Everest stehen. Dabei hatte der erste und bisher einzige Deutsche, der auf allen 14 Achttausendern stand, den höchsten Berg der Erde gleich bei seinem ersten Versuch im Herbst 1992 bestiegen. Wegen des schlechten Wetters hatte er oberhalb des Südsattels jedoch zu Flaschensauerstoff gegriffen. „Ich war damals noch sehr jung. Es war ein Fehler“, sagt Ralf heute.

Die anderen 13 Achttausender bestieg er schließlich allesamt ohne Atemmaske. Und so versuchte er hinterher immer wieder, diese Everest-Scharte auszuwetzen. Vergeblich. 1996, 2005, 2010, 2012, 2014 und 2015 kehrte er, aus unterschiedlichen Gründen, ohne Gipfelerfolg zurück. In diesem Frühjahr will es der 55-Jährige noch einmal wissen. Zum achten Mal reist er zum Mount Everest, zum fünften Mal auf die tibetische Nordseite des Bergs. Zuvor will er sich in Nepal mit seiner kanadischen Lebensgefährtin Nancy Hansen bei einer Besteigung des 6501 Meter hohen Cholatse im Khumbu-Gebiet vorakklimatisieren. Ralf ist inzwischen in Kathmandu eingetroffen. Ich habe unmittelbar vor seiner Abreise mit ihm gesprochen.

Ralf, der Everest und du – man könnte fast sagen, ihr habt eine Beziehung.

Ralf und der Mount Everest (Südseite, 2012)

Ja, klar. Wenn man so oft dort unterwegs war – es wird jetzt das achte Mal sein –, dann entsteht ein fast schon persönliches Verhältnis. Aber ich genieße das auch ein Stück weit. Ich bin immer gerne am Everest unterwegs gewesen. Ich freue mich auch jetzt. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin ein bisschen nervös, weil ich mir wirklich fest vorgenommen habe, dass es diesmal definitiv das letzte Mal ist. Das habe ich auch meinen Freunden gesagt.

Und alle haben gelacht.

Zunächst ja. Aber dann haben sie mich doch noch für voll genommen, als ich es wieder und wieder bestätigt habe: das definitiv letzte Mal! Insofern möchte ich mir jetzt mit meinem Partner Everest noch mal alle Mühe geben und dann hoffentlich auch hinauf kommen.

Dujmovits: Definitiv das letzte Mal

Du wirst jetzt zum achten Mal dort sein. Wird man da lockerer oder verkrampfter?

Obwohl ich derzeit etwas angespannt bin, werde ich wohl bei der Besteigung etwas lockerer sein. Ich hatte einige Jahre, in denen ich schon mit einer gewissen Verkrampftheit an die Nordwand gegangen bin. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Anschließend wollte ich in den letzten Jahren unbedingt die Messner-Variante. [Bei seiner Solo-Besteigung 1980 querte Reinhold Messner ins Norton-Couloir und stieg von dort aus zum Gipfel.] Auch das hat nicht geklappt. Ich habe mir jetzt gesagt, ich gehe ganz entspannt über den tibetischen Normalweg. Und alles Weitere wird man dann sehen.

Aber du wirst diesmal nicht alleine aufsteigen.

Alleine sowieso nicht. Am Everest bist du nie alleine. Ich werde am Berg gemeinsam mit dem Rumänen Horia Colibasanu unterwegs sein. Wir werden uns wahrscheinlich dort oben auch das Zelt teilen. Ich habe zudem einen Sherpa engagiert, der für mich eine Flasche Sauerstoff mitträgt. Wenn ich merken sollte, dass es für mich dort oben ungesund wird, würde ich unter Umständen auch Sauerstoff nehmen und dann aber auch sofort absteigen. Das heißt, der Sauerstoff ist wirklich nur für den Abstieg, auf keinen Fall für den weiteren Aufstieg.

Tibetische Nordseite des Mount Everest

Wäre es eine Variante, ohne Flaschensauerstoff auf- und dann mit Atemmaske abzusteigen?

Nein, mein Ziel ist natürlich, ohne Sauerstoff hinauf und wieder herunter. Aber ich will mir einfach diese Option offen halten. Der Italiener Abele Blanc war 2010 ein paar Tage älter, als er damals bei seiner Besteigung mit über 55 Jahren ohne Sauerstoff auf dem Gipfel war. Ich wäre, wenn es klappen sollte, der Zweitälteste. Ich merke inzwischen: Das ist für mich in meinem Alter ein wirklicher Grenzgang. Ich will einfach eine gewisse Reserve, beziehungsweise ein kleines Backup mit dabei haben.

Dujmovits: Kleines Backup

Ist das ein bisschen wie Autofahren mit Sicherheitsgurt?

(lacht) Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich glaube, Autofahren mit Sicherheitsgurt ist allgemein üblich geworden. Das gilt inzwischen auch für das Bergsteigen mit Sauerstoff an den Achttausendern. Leider. Ich sehe es eher so, dass ich bewusst versuche, den Sicherheitsgurt wegzulassen. Ich werde die Hand aber am Gurt haben und würde ihn mir im letzten Moment noch ziemlich schnell umschnallen.

Empfindest du das selbst als Stilbruch?

Es mit Sicherheit ein Stilbruch, ein Backup mitzunehmen. Es ist nicht die gängige Variante, aber es ist mir jetzt egal, weil ich diesen Weg für mich zu Ende bringen will. Ich freue mich darauf und kann es für mich akzeptieren. Ich habe eine Weile mit mir gerungen, aber inzwischen ist es für mich so in Ordnung. Da kann mir hinterher oder vorher oder wann auch immer jemand erzählen, was er will. Für mich passt das so. Und da ich niemandem damit weh tue, sollte das auch in Ordnung sein.

Dujmovits: Stilbruch, aber für mich passt das so

Cholatse (Bildmitte, vom Gokyo Ri aus)

Alle erwarten, dass es in diesem Frühjahr am Everest richtig voll wird. Nicht nur auf der nepalesischen, auch auf der tibetischen Seite werden wohl deutlich mehr Bergsteiger unterwegs sein als sonst. Du kennst das. Es wird dich wahrscheinlich nicht großartig beeindrucken, oder?

Ich werde mich zuvor noch mit meiner Partnerin an einem Sechstausender in Nepal in Ruhe vorakklimatisieren. Ich will den großen Massen damit ein wenig entkommen. Ich reise dann relativ spät ins vorgeschobene Basislager und werde wahrscheinlich damit von dem großen Massenaufstieg gar nicht mehr so viel mitbekommen. Natürlich werden, wenn es Richtung Gipfel geht, parallel sehr viele unterwegs sein. Aber auch das wird mich nicht sehr scheren, weil ich nicht so früh starten kann, wie es die meisten machen, die mit Sauerstoff unterwegs sind. Inzwischen sind ja Startzeiten von zehn, elf Uhr abends üblich. So früh kann ich einfach nicht starten, sonst würde ich dort oben zu sehr auskühlen. Ich muss die Sonne in Anspruch nehmen, die mich hoffentlich ein bisschen unterstützen wird.

Das klingt, als würdest du dieselbe Taktik wie Ueli Steck wählen, der auf der Südseite das erste Wetterfenster verstreichen lassen will, damit es nicht mehr ganz so voll am Berg ist.

Wenn sich nur in Ansätzen abzeichnet, dass sich ein zweites Wetterfenster entwickelt, würde ich wahrscheinlich auch darauf spekulieren. In aller Regel war es wirklich so, dass während des ersten Wetterfensters einfach zu viel Betrieb war. Und ich muss einfach genau mein Tempo gehen können. Zu langsam wäre nicht gut, da kühle ich aus. Zu schnell kann ich auch nicht gehen, weil ich dabei zu viel Wärme abatmen würde. Ich muss genau meinen Stiefel gehen. Und das kann ich nur, wenn ich mir mein Tempo aussuchen kann.

2014 im Everest-Hochlager

Bei deinem letzten Versuch 20142015 mit dem Erdbeben in Nepal lasse ich jetzt mal außen vor – bist du bis nach Lager drei auf 8300 Metern gekommen. Damals hast du selbst gesagt: „Ich habe Fehler gemacht.“ Hast du daraus gelernt?

Ich denke schon. Ich hatte damals ein zu leichtes Zelt mit dabei, ein einwandiges, das gerade mal ein Kilo gewogen hat. Es hat in der Nacht ziemlich stark geblasen. Ein weiteres Problem war, dass ich ein nasses Feuerzeug hatte und mir deshalb nicht genug zu trinken machen konnte. Gescheitert ist es dann aber letztlich daran, dass es morgens zu starken Wind gab. Darauf werde ich keinen Einfluss haben. Aber für alle anderen Dinge, die ich damals gelernt habe, habe ich hoffentlich diesmal die richtige Variante in petto und hoffe dann, dass zumindest von meiner Seite her alles passt.

Du hast eben gesagt, das ist mein definitiv letzter Versuch am Everest. Ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen. Gehen wir also mal davon aus, dass es wirklich das letzte Mal ist. Bist du unter Umständen versucht, deswegen mehr zu riskieren?

Ich glaube nicht. Ich kenne mich sehr gut. Ich weiß auch, dass ich umdrehen kann. Das habe ich oft bewiesen, und würde es auch diesmal so machen, wenn es nötig ist. Meine Gesundheit ist für mich nach wie vor das allerhöchste Gut. Diesen Grundsatz, dass ich gesund zurückkommen möchte, werde ich auch bei diesem allerletzten Versuch – selbst wenn du schmunzelst, es wird wirklich der letzte sein – nicht aufgeben.  

Dujmovits: Möchte gesund zurückkommen

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Dominik Müller: „Es wird am Everest mehr los sein“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dominik-mueller-es-wird-am-everest-mehr-los-sein/ Sat, 18 Mar 2017 13:06:11 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35469

Everest-Nordseite im letzten Tageslicht

Es könnte eine Rekordsaison am Mount Everest werden. Experten rechnen nach der erfolgreichen Saison 2016 in diesem Frühjahr mit einem regelrechten Ansturm auf den höchsten Berg der Erde – zumal noch viele Bergsteiger ihre verlängerten Genehmigungen von 2014 (gelten noch bis 2019) und 2015 (laufen in diesem Jahr aus)  nutzen wollen. 2014 war die Saison in Nepal nach einem Lawinenunglück im Khumbu-Eisfall mit 16 Toten vorzeitig beendet worden. 2015 hatte es wegen des verheerenden Erdbebens in Nepal auf beiden Seiten des Bergs keine Besteigungen gegeben.

Dominik Müller, Chef des deutschen Expeditionsveranstalters Amical alpin, startet am 8. April mit einem nach seinen Worten „kleinen, aber feinen Team“ zum Everest. Drei Kunden, vier Climbing Sherpas und er selbst wollen versuchen, den 8850 Meter hohen Gipfel über die Normalroute auf der tibetischen Nordseite zu erreichen. „Ich werde dabei Flaschensauerstoff nutzen, weil ich der Meinung bin, dass ich nur dann andere Leute bestmöglich unterstützen kann“, sagt mir der 46-Jährige. „Wer ohne Sauerstoff an den Everest geht, ist schon so mit sich selbst beschäftigt, dass er wahrscheinlich keine Ressourcen mehr übrig hat, um noch andere zu betreuen.“ Ich habe mit ihm über die bevorstehende Saison gesprochen.

Dominik, mit welchen Erwartungen startest du bald Richtung Himalaya?

Dominik Müller

Es wird wahrscheinlich etwas mehr los sein, vor allem auf der Everest-Südseite. Aber auch auf der Nordseite wollen sich offenbar mehr Bergsteiger als sonst versuchen.

China hat wieder einmal die Preisschraube angezogen, um mehr als 30 Prozent. Ein Permit für den Everest kostet inzwischen knapp 10.000 Dollar. Was hat das für Auswirkungen?

Das wird nicht nur für den Everest, sondern ganz Tibet die Folge haben, dass die Kunden wegen der Preise wieder mehr auf die nepalesische Seite wechseln werden. Nichtsdestotrotz denke ich, dass sich am Everest nicht viel ändern wird. Ich sehe die Route auf der Nordseite mit Blick auf die objektiven Gefahren als die sicherere Route, auch wenn es von der Logistik her mehr Aufwand ist. Aber für die anderen Achttausender in Tibet wird es bedeuten, dass dort deutlich weniger los sein wird.

Viele Veranstalter bevorzugen noch immer die nepalesische Seite, weil sie die Politik Chinas in Tibet für unvorhersehbarer halten. Teilst du diese Einschätzung?

Es ist nicht unvorhersehbarer, als es vor acht oder zehn Jahren war. Für mich waren die Chinesen in Tibet bisher sehr verlässliche Partner. Wenn man etwas ausgemacht hatte, konnte man sich darauf berufen. Das hat immer gut funktioniert. So werden im kommenden Herbst für den Cho Oyu nur ein paar Permits verkauft. Das wurde vorher kommuniziert. Wir haben uns jedoch entschlossen, im Herbst an den Manaslu statt an den Cho Oyu zu gehen.

Nepalesische Seite des Cho Oyu

Nicht nur am Cho Oyu, auch an der Shishapangma soll es Einschränkungen bei den Permits für den Herbst geben. Wurde auch ein Grund genannt?

Anscheinend soll es im Herbst eine Veranstaltung in Tibet geben. Da haben die Chinesen wohl Angst, dass es zu Unruhen kommen könnte und wollen deshalb so wenig Ausländer wie möglich in Tibet haben. Ich hätte die Chance gehabt, Permits für den Cho Oyu zu erhalten, hätte sie aber schon jetzt bestätigen müssen. Nach meinen Informationen aus China werden in diesem Herbst nur 50 Permits verkauft. Der Vorteil ist, dass man dann recht einsam am Berg unterwegs ist. Es gibt aber auch Nachteile. So braucht man nach einem großen Neuschneefall auch Manpower. Wenn man dann nur mit kleinen Teams unterwegs ist, hat man Schwierigkeiten, die Route zu sichern.

Gipfel des Mount Everest (vom Nordostgrat aus gesehen)

Der Schweizer Expeditionsveranstalter Kari Kobler wies zuletzt auf die nach wie vor bestehende Korruption chinesischer Politiker in Tibet hin. Macht dir das auch Probleme?

Die Korruption gibt es natürlich – aber nicht nur in China, sondern in einigen Ländern weltweit, die wir als Bergsteiger bereisen. Ich glaube es ist vermessen, zu glauben, wir könnten die ganze Welt in diesem Punkt verändern. Wir müssen uns wohl damit arrangieren. Die einzige mögliche Konsequenz wäre, nicht mehr dorthin zu fahren. Aber dann können wir dem kleinen Mann – dem Sherpa, dem Koch, dem Küchenjungen – keine Arbeit mehr geben.

Inzwischen tauchen auch immer mehr chinesische Bergsteiger an den Achttausendern auf, nicht nur in Tibet, auch in Nepal. Ist China ist der Markt der Zukunft?

Für uns Europäer glaube ich das nicht. Die Chinesen werden wohl eher mit den einheimischen Agenturen unterwegs sein. Ich glaube, es wäre auch schwierig, Chinesen und Europäer als Kunden unter einen Hut zu bekommen. Allein schon wegen der Sprachbarriere.

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Andy Holzer: „Unsere Everest-Chance lebt“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/andy-holzer-unsere-everest-chance-lebt/ Fri, 03 Mar 2017 08:08:33 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35221

Andy Holzer 2015 auf dem Rongbuk-Gletscher am Everest

Sechs der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente, hat Andy Holzer bereits bestiegen. Nur der allerhöchste fehlt noch in der Sammlung des blinden Bergsteigers aus Österreich. Zum dritten Mal will sich der 50-Jährige aus Lienz in Osttirol in diesem Frühjahr am Mount Everest versuchen. Bei seinem ersten Anlauf 2014 war die Saison nach dem Lawinenunglück im Khumbu-Eisbruch, bei dem 16 Nepalesen ums Leben gekommen waren, abgebrochen worden. Im Frühjahr 2015 hatte das verheerende Erdbeben in Nepal mit fast 9000 Toten dafür gesorgt, dass der Everest weder von Süden, noch von Norden aus bestiegen worden war. Wir vor zwei Jahren plant Holzer,  auch diesmal über die tibetische Nordseite aufzusteigen. Begleitet wird er von seinen (sehenden) Osttiroler Freunden Wolfgang Klocker und Klemens Bichler.

Andy, wieder reist du zum Mount Everest – nach zwei Anläufen 2014 und 2015, bei denen dir aus unterschiedlichen Gründen gar nicht erst die Möglichkeit gegeben wurde, dich am höchsten aller Berge zu versuchen. Dreimal ist göttlich?

Andy Holzer

Einmal, zweimal, dreimal, viermal, das haben die Menschen erfunden. Ich gehe nochmal dorthin, weil ich zu wissen glaube: Wenn alles stimmt, meine Verfassung an diesem Tag, die Verfassung meiner Freunde dort, das Wetter, die Verhältnisse am Berg … dann könnte es für uns klappen.

Wie schon 2015 willst du von der tibetischen Nordseite aus aufsteigen. Warum über diese Seite?

Weil mir meine kleine Erfahrung, die ich bei meinen vorherigen Versuchen am Everest machen konnte, eindeutig gezeigt hat, dass der Khumbu-Eisbruch wie Russisches Roulette ist. Die steileren Felsen und die Routenanlage an der Nordseite sind, abgesehen von einem Erdbeben, relativ statisch. Ich habe es lieber etwas abweisender, etwas „unfreundlicher“, aber eben verlässlicher, als die – neben den beschriebenen objektiven Gefahren – doch einfachere Route an der nepalesischen Seite zu nehmen.

Wie hast du dich auf die Expedition vorbereitet?

Mir kommt es langsam vor, dass mein ganzes Leben eine Vorbereitung auf so manche Prüfung ist. Viele davon konnte ich positiv abschließen, einiges ist mir nicht gelungen. Je älter ich werde, desto klarer wird mir, es geht gar nicht um die Anzahl der bestandenen Prüfungen. Es geht für mich immer mehr um diesen freien Geist, wie ihn heute fast nur noch die Kinder haben: einfach aufzubrechen, ohne Erfolgsgarantie in der Tasche. Zu diesem freien, unverdorbenen Aufbruchsgeist noch etwas Lebenserfahrung, etwas rationales Denken, das mir jetzt mit fünfzig Lebensjahren gegeben wurde, und dann fühle ich mich vorbereitet.

Andy Holzer in der Nordwand der Großen Zinne (Foto: Martin Kopfsguter)

Ganz pragmatisch noch die technische Antwort auf deine Frage: Meine Natur, mein Team, meine Freunde sind meine Basis. Wir sind ein eingespieltes Team, wie es wohl nur wenige haben können. Und das noch teils aus dem eigenen Dorf.

Wie seit 30 Jahren bin ich an rund 200 Tagen pro Jahr in den Bergen. Speziell jetzt im Winter haben wir sehr viele ausgedehnte Skitouren im Block ohne Ruhetage gemacht. Außerdem absolvieren wir ein Hypoxie-Programm. Jeder von uns schläft schon Wochen vor unserem Aufbruch zu Hause im Schlafzimmer in einem „Höhensimulationszelt“. Damit können wir nachts durch Sauerstoffentzug eine große Meereshöhe simulieren und den Körper schon anregen, rote Blutkörperchen zu bilden.

Bisher hat als blinder Bergsteiger nur der US-Amerikaner Erik Weihenmayer 2001 den Everest bestiegen – über die Südseite. Wie hoch schätzt du deine Chancen ein?

Ich kenne Erik seit Jahren, und wir sind lange Freunde geworden. Natürlich habe ich ihn über den Everest ausgequetscht. Aber in der Art, wie es Erik am 25. Mai 2001 mit seinem Team geschafft hat, werde und kann ich es nicht angehen. Damals stand ein ganzes Land hinter dem ersten Versuch eines Blinden am Everest. Erik hatte eine vielfache Zahl von Partnern, Freunden und Teammitgliedern an seiner Seite, die sich mit der Unterstützung abwechseln konnten. In unserem Fall können sich nur Wolfi und Klemens von Zeit zu Zeit abwechseln, um mir die Schwierigkeiten beim Auf- und Abstieg anzusagen. Beim Gipfelgang werden wir nur zu dritt jeweils mit unseren Sherpas den höchsten Punkt des Mount Everest anpeilen. Aber das heißt für mich nicht, dass wir geringere Chancen haben. Wir sind ein kompaktes Team, flexibel und schnell bei Entscheidungen. So denke und hoffe ich: Unsere Chance lebt ganz fest.

Du steigst mit Begleitern, mit Flaschensauerstoff. Viele rechnen für dieses Jahr mit einer Rekordzahl von Everest-Anwärtern, es könnte also voll werden auf den Normalrouten. Welche Taktik habt ihr euch überlegt?

Dies war auch noch ein kleinerer Grund, die Everest-Nordseite zu wählen. Dort werden es derzeit im Vergleich zur Südseite nur ca. ein Drittel an Permits ausgegeben. Aber mal ganz ehrlich: Wenn ich zum Everest gehe und mich dort dann über die zu vielen anderen Bergsteiger beklage, dann gehe ich am besten gleich wieder heim. Dann ist am Everest schon wieder einer weniger. 🙂

Andy 2011 an der Shishapangma

Es stimmt, wir werden beim Gipfelgang Flaschensauerstoff benutzen. Ich möchte den Berg der Berge so erleben, dass ich da oben auch noch etwas mitbekomme, dass ich vielleicht sogar noch etwas genießen kann und mich richtig freuen kann. Außerdem gibt uns der künstliche Sauerstoff ja überhaupt erst die Möglichkeit, gemeinsam im exakt selben Rhythmus aufzusteigen. Das wissen vielleicht zu wenige Menschen: Als Reinhold Messner und Peter Habeler 1978 als Erste ohne Flaschensauerstoff den Everest bestiegen und anschließend jeder für sich alleine abstiegen, hatte das nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit der Tatsache, dass der extreme Sauerstoffmangel in großer Höhe jedem Menschen seinen eigenen Geh- und Leistungsrhythmus aufzwingt. Gehst du einen Schritt zu schnell, dann erliegst du der Sauerstoffschuld. Gehst du einen Schritt zu langsam, vielleicht aus Rücksicht auf deinen Partner, erfrierst du da oben.

Sauerstoffmangel bedeutet in erster Linie nicht. dass man keine Luft bekommt, sondern vielmehr, dass die Erfrierungsgefahr extrem erhöht wird, weil der Körper weniger Sauerstoff für die „Eigenheizung“ bzw. Verbrennung zur Verfügung hat.

Everest-Nordseite im letzten Tageslicht

Wenn Wolfgang (oder Klemens) vor mir immer einen Tick langsamer gehen muss, weil ich viele Fehltritte korrigieren muss und deshalb langsamer bin, dann wird er es zu kalt und ich es zu heiß haben. Und wenn mein Partner vor mir sein eigenes Tempo gehen würde, dann würde sich der Abstand zwischen uns vergrößern. Bei mehr als ca. fünf Meter Abstand kann ich seine Steigeisen nicht mehr exakt hören und muss daher mein Tempo noch mal drosseln, weil ich selbst die Tritte suchen muss.

Aber für mich und meine „Buam“ ist das ja alles schon lange klar. Wir stellen uns auf ein vielleicht nicht weniger schwieriges Abenteuer ein, als den Berg ohne künstlichen Sauerstoff zu ersteigen. Wir versuchen, diesen großen Berg mit einer Person ohne Licht zu ersteigen. Und das verlangt aus meiner „Sicht“ enormes Zusammenhalten und Gefühl für den Anderen.

Warum überhaupt muss es der Everest sein? Was zieht dich dorthin?

Wenn du mehrfach ein Projekt geplant, finanziert hast und angegangen bist, bekommst du einfach einen großen Bezug zu diesem Projekt. Genauso geht es mir gemeinsam mit Wolfi und Klemens dort auch. Wir wissen natürlich, dass es so viele andere schöne Berge gibt, und, und, und … Aber den Everest dann wirklich zu besteigen, bedeutet ja nicht, dass man sich den zahllosen anderen schönen Bergen nicht ebenso nähern kann.

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Der Everest-Herbst-Mann ist wieder da https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-everest-herbst-mann-ist-wieder-da/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-everest-herbst-mann-ist-wieder-da/#comments Tue, 16 Aug 2016 02:37:31 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33497 Nobukazu Kuriki

Nobukazu Kuriki

Er macht das halbe Herbst-Dutzend voll. Zum sechsten Mal will sich der Japaner Nobukazu Kuriki in der Nach-Monsun-Zeit am Mount Everest versuchen. Der 34-Jährige plant nach eigenen Worten, den höchsten Berg der Erde im Alleingang zu besteigen, ohne Flaschensauerstoff, diesmal über die tibetische Nordseite. Im vergangenen Jahr hatte Kuriki es von der nepalesischen Südseite aus versucht – und war zum insgesamt fünften Mal am Everest gescheitert: Er gelangte bis auf eine Höhe von 8150 Meter gelangt, rund 200 Meter oberhalb des Südsattels, ehe er seinen Gipfelversuch wegen tiefen Schnees und starker Winde abbrach. 

Nur ein komplette Finger

Kuriki nach seinem gescheiterten Versuch 2012

Nach seinem gescheiterten Versuch 2012

Im Herbst 2012 hatte sich Kuriki bei einem Versuch über den Everest-Westgrat schwere Erfrierungen zugezogen. Neun Finger hatten fast auf ganzer Länge amputiert werden müssen, ihm blieben nur noch Stummel – und ein intakter Daumen. Im vergangenen Frühjahr hatte sich der Japaner auf den Weg zur Annapurna-Südwand gemacht, war dort aber wegen schlechten Wetters nicht weit vorgedrungen. Um sein neues Everest-Abenteuer zu finanzieren, startete Kuriki ein „Crowdfunding“, sprich eine Geldsammlung im Internet. Die angepeilte Summe von umgerechnet knapp 160.000 Euro wurde deutlich übertroffen.

Geduld ist nötig

Kuriki 2015 am Everest

Kuriki 2015 am Everest

Der Spanier Kilian Jornet ist bereits vor gut einer Woche in den Himalaya gereist, um den Everest – wie berichtet – ebenfalls von Norden aus zu besteigen, im Eiltempo, ohne Flaschensauerstoff. Er peilt einen Aufstieg Mitte September an. „Man muss es einfach versuchen“, sagt Kilian. „Wenn also die Bedingungen passen und ich mich gut fühle, sollte ich es probieren. Aber es ist wichtig, die Geduld zu habe, auf diesen richtigen Moment zu warten.“ Das sollte auch Nobukazu Kuriki beherzigen. Die letzten Everest-Aufstiege im Herbst liegen schon sechs Jahre zurück: Im Oktober 2010 erreichten der US-Amerikaner Eric Larsen und fünf Sherpas den höchsten Punkt auf 8850 Metern.

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Steck: „Grundsätzlich traue ich es Kilian zu“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/steck-grundsaetzlich-traue-ich-es-kilian-zu/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/steck-grundsaetzlich-traue-ich-es-kilian-zu/#comments Wed, 03 Aug 2016 14:26:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33366 Kilian Jornet (l.) und Ueli Steck auf dem Eiger (2015)

Kilian Jornet (l.) und Ueli Steck (r.) auf dem Eiger

Ambitioniert oder überdreht? Die Bergsteiger-Szene diskutiert über das bevorstehende Everest-Projekt des Spaniers Kilian Jornet. Der 28 Jahre alte Katalane will – wie berichtet – am Sonntag nach Tibet aufbrechen, um im Rahmen seines Projekts „Summits of my life“ den höchsten Berg der Erde von der Nordseite aus zu besteigen, besser gesagt hinaufzurennen. Der Plan hört sich verrückt an: Wenn möglich in einem Zug vom Kloster Rongbuk zum 8850 Meter hohen Gipfel; ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung; wenn es die Verhältnisse am Berg zulassen, über eine selten begangene Route (Norton- oder Hornbein-Couloir); und als würde das alles noch nicht reichen, im Monsun. Natürlich weckt das Erinnerungen an Reinhold Messners legendäres Solo im Jahr 1980. Doch Jornet wird nicht alleine unterwegs sein. Und er ist auch ein komplett anderer Typ Bergsteiger als einst der Südtiroler.

Hart trainiert

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Jornets Stärke liegt nicht in der Klettertechnik, sondern vor allem in Ausdauer und Geschwindigkeit. Als Skibergsteiger, Trailrunner und Skyrunner stellte Kilian zahlreiche Rekorde auf – unter anderem am Aconcagua, dem mit 6962 Meter höchsten Berg Südamerikas. Doch der Everest ist noch einmal 1888 Meter höher, und der Spanier war noch niemals zuvor über 8000 Metern. Er habe für das Projekt im Himalaya hart trainiert, schreibt Jornet auf Facebook: „In diesem Jahr habe ich eine Menge alpines Bergsteigen gemacht. Und während der letzten Monate habe ich versucht, mich möglichst oft in großer Höhe aufzuhalten, von den Alpen bis zu den Bergen Colorados.“

Gemeinsam durch die Eiger-Nordwand

Treffen im Khumbu 2015 (mit Hélias Millerioux, 2.v.r.)

Treffen im Khumbu (2.v.r. Hélias Millerioux)

„Ich kenne Kilian ein bisschen“, schreibt mir Ueli Steck, den ich gebeten habe, Jornets Chancen am Everest einzuschätzen: „Er ist extrem fit und stark. Und er ist realistisch. Er weiß, worauf er sich einlässt.“ Die Wege des Schweizer Topbergsteiger und des spanischen Skyrunners kreuzten sich im Herbst 2015 im Himalaya. Steck wartete – wie sich später herausstellen sollte, vergeblich – auf bessere Verhältnisse am 7804 Meter hohen Nuptse East, um die extrem schwierige Route über den Südostpfeiler erstmals im Alpinstil zu klettern. Jornet war zu dieser Zeit ebenfalls im Khumbu unterwegs. Die beiden liefen und kletterten ein wenig gemeinsam. Nach der Rückkehr aus Nepal trafen sich Ueli und Kilian in der Schweiz, um die Eiger-Nordwand zu durchsteigen, Steck voraus, Jornet hinterher.

Späte Liebe zum Berglauf

Ueli nach dem Eiger Ultra Trail

Ueli nach dem Eiger Ultra Trail

Im Gegensatz zum Spanier hat Ueli das Berglaufen eher spät für sich entdeckt, seitdem aber ist er Feuer und Flamme für diesen Bergsport. Während der Akklimatisierungs-Phase im Khumbu für seine Shishapangma-Südwand-Expedition im vergangenen Frühjahr spulte Steck – gemeinsam mit seinem Kletterpartner David Göttler – viele Kilometer in großer Höhe ab. Mitte Juli lief der 39-Jährige dann erstmals eine Bergstrecke von über 100 Kilometern: Beim Eiger Ultra Trail (101 km, 6700 Höhenmeter) belegte Ueli einen beachtlichen 26. Rang.

„Wenn nötig, mehrmals probieren“

„Es ist klar, bei einem solchen Projekt braucht man gute Bedingungen und auch etwas Glück“, sagt Steck zu Jornets Everest-Vorhaben. „Wenn du solche ambitionierte Projekte versuchst, ist die Chance zu scheitern deutlich höher, als wenn du auf der Normalroute mit Sauerstoff aufsteigst.“ Ein Erfolg des Spaniers am Everest sei aber durchaus möglich. „Grundsätzlich traue ich es Kilian zu“, schreibt Ueli. „Er muss es jetzt einfach mal probieren, und wenn es nicht klappt, halt nächstes Jahr noch einmal. So realistisch ist Kilian, das weiß ich.”

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Mehr als 150 Gipfelerfolge, ein Todesfall https://blogs.dw.com/abenteuersport/mehr-als-150-gipfelerfolge-ein-todesfall/ Thu, 19 May 2016 10:00:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32741 Mount Everest

Mount Everest

Ein einsames Gipfelerlebnis sieht anders aus. Gyanendra Shrestha vom nepalesischen Tourismusministerium sagte der in Kathmandu erscheinenden Zeitung „The Himalayan Times“, seit dem Morgen hätten rund 150 Bergsteiger den 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest erreicht. Die Zahl werde wahrscheinlich im Laufe des Tages auf über 200 steigen. Nachdem der starke Wind abgeflaut war, hatten sich viele Teams auf der nepalesischen Seite auf den Weg gemacht. Die zahlreichen Everest-Gipfelerfolge wurden von einem Todesfall am Nachbarberg Lhotse überschattet.

Nach Angaben des Expeditionsveranstalters Aun Treks stürzte Ang Furba Sherpa die Lhotse-Flanke hinab in den Tod. Er gehörte zu einem Teams von sechs Sherpas, die dabei waren, die Route auf den 8516 Meter hohen Lhotse mit Fixseilen zu sichern.

Auf der Nordseite des Everest werden in Kürze die ersten Gipfelerfolge erwartet. Das Team der China Tibet Mountaineering Association, das die Fixseile verlege, sei auf den letzten Hängen unterhalb des Gipfels, twitterte der US-Amerikaner Adrian Ballinger.

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Eilmeldung: Saison auf der Everest-Nordseite ist beendet https://blogs.dw.com/abenteuersport/eilmeldung-saison-auf-der-everest-nordseite-ist-beendet/ Wed, 29 Apr 2015 12:46:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29279 Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

„Es ist offiziell: Der Everest ist für diese Saison geschlossen“, schreibt Expeditionsleiter Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical Alpin, aus dem „Chinese Basecamp“ auf der Nordseite des Mount Everest. Andere Bergsteiger bestätigen, dass die chinesischen Behörden alle weiteren Aktivitäten am höchsten Berg der Erde untersagt haben. Mehr dazu später.

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Rettungsaktion am Everest abgeschlossen https://blogs.dw.com/abenteuersport/rettungsaktion-am-everest-abgeschlossen/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/rettungsaktion-am-everest-abgeschlossen/#comments Tue, 28 Apr 2015 08:21:31 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29239 Piloten im Dauereinsatz

Piloten im Dauereinsatz

Alle Bergsteiger aus den Hochlagern am Mount Everest sind in Sicherheit. Am Morgen wurden auch die letzten 17 Bergsteiger, neun Sherpas und acht Ausländer, mit dem Hubschrauber aus Lager 1 auf 6100 Metern ins Tal geflogen. Ein Sprecher des nepalesischen Tourismusministerium sagte, insgesamt seien mehr als 200 Bergsteiger am Everest gerettet worden. Es war die bisher umfangreichste Rettungsaktion in der Geschichte des Höhenbergsteigers. Der Vertreter des Ministeriums bezifferte die Zahl der Toten am höchsten Berg der Erde auf mindestens 19 und sprach von zwei Lawinen. Damit dürften die verheerende vom Samstag gemeint sein, die vom Pumori abgegangen und das Everest-Basislager verwüstet hatte, und wahrscheinlich eine weitere am Sonntag nach einem Nachbeben. Dem Vernehmen nach waren am Tag nach dem Hauptbeben Tag drei Sherpas im Khumbu-Eisbruch ums Leben gekommen.

Messner spricht von Zwei-Klassen-Rettung

Reinhold Messner

Reinhold Messner

Für Diskussionen hat Bergsteiger-Legende Reinhold Messner gesorgt. Der  70 Jahre alte Südtiroler sieht eine Zwei-Klassen-Rettung in Nepal. „Es ist zynisch, dass man um die Bergsteiger am Mount Everest, die sich für 80.000 bis 100.000 Dollar diese Besteigung kaufen können, einen solchen Hype macht“, sagte Messner in einem Radiointerview. Am Mount Everest gebe es genügend Ärzte und Essen. Außerdem könne man die Betroffenen mit dem Hubschrauber ausfliegen. Andernorts werde die Hilfe dringender benötigt: „Im Kathmandutal und in den Schluchten drum herum ist eine viel größere Katastrophe passiert.“

Das stimmt natürlich, doch im Gegensatz zu diesem Gebiet hat sich die Hubschrauberrettung am Everest seit mehreren Jahren etabliert. Die Rettungsmaschine dort läuft einfach wie geschmiert. In Sicherheit gebracht wurden außerdem nicht nur reiche Geldsäcke, sondern auch wenig betuchte Sherpas – außerdem zahlreiche Verletzte. Jede Rettung eines Menschen, egal ob er einen dicken oder schmalen Geldbeutel hat, ist eine gute Nachricht. Und ich bin mir sicher, dass die Hubschrauber-Rettungspiloten jetzt auch in andere Regionen weiterfliegen, um dort zu helfen. Mein Dank und Respekt gilt allen Piloten, die unermüdlich im Einsatz waren – und auch allen anderen, die bei der Rettung mit angepackt haben.

Amical bricht Expeditionen in Tibet ab

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Im Basislager auf der chinesischen Nordseite gehen die Diskussionen zwischen chinesischen Behördenvertretern und Expeditionenleitern weiter. Im Raum steht ein Ende aller Expeditionen. Die chinesische Regierung fürchtet weitere Nachbeben. Der Expeditionsveranstalter Amical alpin hat nach Angaben seines Büros in Deutschland die Everest-Expedition in Tibet abgebrochen. Expeditionsleiter Dominik Müller wolle vorerst noch im Basislager bleiben und dann die Sherpas seines Teams zurück nach Kathmandu begleiten. Amical erklärte auch seine Expedition am Achttausender Cho Oyu unter Hinweis auf eine entsprechende Anordnung der chinesischen Regierung für beendet.

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Von Melle und Stitzinger beenden Everest-Expedition https://blogs.dw.com/abenteuersport/von-melle-und-stitzinger-beenden-everest-expedition/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/von-melle-und-stitzinger-beenden-everest-expedition/#comments Mon, 27 Apr 2015 10:21:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29185 Alix von Melle und Luis Stitzinger im "Chinese Base Camp" auf der Everest-Nordseite

Alix von Melle und Luis Stitzinger im „Chinese Base Camp“ auf der Everest-Nordseite

Eigentlich wollten sie in diesem Frühjahr den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff besteigen. Eigentlich waren sie auf der tibetischen Nordseite des Everest unterwegs, wo durch das schwere Erdbeben niemand zu Schaden kam. Nichtsdestotrotz beendet das deutsche Ehepaar Alix von Melle und Luis Stitzinger seine Everest-Expedition, bevor beide auch nur einen Versuch am Berg machen konnten. „Auch wenn auf der Nordseite keinerlei Schäden an Material oder Mensch zu verzeichnen sind, können und wollen wir unsere Augen vor dem Leid, das sich zugetragen hat, nicht verschließen“, schreiben Alix und Luis auf ihrer Homepage. „Darüber hinaus möchten wir nicht der Grund dafür sein, weshalb nepalische Helfer, Köche und Climbing Sherpas weiterhin vor Ort gehalten werden und nicht zu ihren Familien nach Hause können, um dort nach dem Rechten zu sehen. Eine Weiterführung der Expedition würde uns unter den gegebenen Umständen nicht richtig erscheinen, selbst ein möglicher Gipfelerfolg würde sich schal und nichtig anfühlen. Wir könnten über ihn keine Freude empfinden.“ Beide wollen jetzt versuchen, über die tibetische Hauptstadt Lhasa auszureisen.

Buch Everest bleibt offen

Ob auch andere ihrem Beispiel folgen, ist offen. „Wir haben auch Verständnis für diejenigen, die ihre Chance am Everest – vielleicht die einzige im ganzen Leben – nach wie vor nutzen möchten. Auch uns ist die Entscheidung nicht leicht gefallen. Wir waren bestens vorbereitet, hatten uns am Berg gut akklimatisiert und waren für die bevorstehende Aufgabe hoch motiviert. Letztendlich entscheiden wir aber immer nach unserem Gefühl, und das fühlt sich dieses Mal nicht richtig an.“ Die 43 Jahre alte Alix und der 46 Jahre alte Luis haben bisher jeweils sechs Achttausender bestiegen, fünf davon gemeinsam. Das Kapitel Everest 2015 ist abgeschlossen, das Buch aber bleibt nach ihren Worten offen: „Seid versichert: Everest, wir kommen wieder! Irgendwann.“

P.S. Der deutsche Bergsteiger und Arzt Matthias Baumann ist ins Erdbebengebiet nach Nepal geflogen, um dort zu helfen. Er hat auch eine neue Spendenaktion gestartet. Hier ist die Kontoverbindung: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN DE45 6545 0070 0007 0581 89, BIC: SBCRDE66, Kennwort: „Erdbeben Opfer“

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Göttler und Co. planen neue Everest-Route(nvariante) https://blogs.dw.com/abenteuersport/goettler-everest-2015/ Tue, 24 Mar 2015 19:49:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28771 David Göttler (© The North Face)

David Göttler (© The North Face)

Die tibetische Nordseite des Mount Everest wirkt in diesem Jahr wie ein Magnet auf deutsche Profibergsteiger. Auch David Göttler hat jetzt angekündigt, dass er in diesem Frühjahr den höchsten Berg der Welt von Norden aus besteigen will,  zusammen mit seinem deutschen Freund Daniel Bartsch und dem Kanadier Raphael Slawinski. „Wenn alles perfekt läuft, wollen wir eine Variante oder eine neue Route versuchen. Wie es am Ende genannt wird, müssen dann andere entscheiden“, verrät mir der 36-Jährige am Telefon. Die geplante Aufstiegsroute verlaufe in der Nähe des Normalwegs, zunächst links davon, kreuze ihn dann zwischen Lager 2 (7500 Meter) und 3 (8300 Meter) und führe im Gipfelbereich durch das „Große Couloir“, auch Norton-Couloir genannt. „So können wir mögliche Staus an den Felsstufen der Normalroute umgehen“, sagt David. Das Trio will ohne Sherpa-Unterstützung und ohne Flaschen-Sauerstoff aufsteigen.

Alles muss passen

Norton-Couloir

Norton-Couloir

Die Idee zu dieser Route stamme von Gerfried Göschl. Der Österreicher ist seit März 2012 am Gasherbrum I verschollen, als er versuchte, den Achttausender Gasherbrum I im Winter zu überschreiten. Der Kanadier Louis Rousseau, einer von Göschls vormaligen Expeditionspartnern, habe dessen Everest-Idee später weiter verfolgt, erklärt Göttler. Rousseau sei jetzt kurzfristig abgesprungen, habe aber zugestimmt, dass die anderen drei Bergsteiger es auch ohne ihn versuchen sollten. „Es hängt sehr stark von den Verhältnissen ab. Nur wenn alles perfekt läuft, können wir unseren Traum verwirklichen“, sagt David. Sie hätten sehr früh einen guten Einblick in die geplante Route und könnten damm entscheiden, ob es Sinn mache, in sie einzusteigen. „Wenn nicht, werden wir relativ schnell diesen Gedanken sausen lassen und auf den Normalweg umschwenken. Wenn wir dann zu dritt ohne künstlichen Sauerstoff auf dem Gipfel stehen, wären wir auch schon ziemlich happy.“

Geheimwaffe Slawinski

Der Bergsteiger aus München hat bereits fünf Achttausender bestiegen, zuletzt im Mai 2013 den Makalu. Damals stand auch Daniel Bartsch mit auf dem Gipfel. „Er ist mein bester Freund. Wir kennen uns schon seit Schulzeiten und sind ein sehr eingespieltes Team“, sagt David. Mit dem Kanadier Raphael Slawinski war Göttler bisher noch nicht unterwegs. Slawinski wurde 2014 mit seinem Landsmann Ian Welsted für die Erstbesteigung des 7040 Meter hohen K 6 West im Karakorum mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. „Er ist unsere Geheimwaffe für schwieriges Mixed-Gelände [Fels und Eis]. Ich denke, da ist er unschlagbar“, sagt Göttler über den Kanadier.

Lieber von Norden aus

Im vergangenen Jahr hatte David den Everest von Süden aus ohne Flaschen-Sauerstoff besteigen wollen, wegen der Ereignisse nach der Lawine im Khumbu-Eisbruch jedoch unverrichteter Dinge abreisen müssen. „Ich war sehr enttäuscht von der letzten Saison und all den Dingen, die in Nepal passiert sind“, blickt David zurück. „Die Unsicherheit, was dort in diesem Jahr geschieht, wollte ich mir ersparen. Ich denke, da lässt man lieber ein bis zwei Saisons durchgehen und wartet ab, bis sich die Lage normalisiert.“

Wie berichtet, wollen auch die deutschen Profibergsteiger Ralf Dujmovits, Alix von Melle und Luis Stitzinger in getrennten Teams versuchen, den Gipfel des Mount Everest von Tibet aus ohne Flaschensauerstoff zu erreichen. Thomas Lämmle, der zunächst eine kommerzielle Expedition am Cho Oyu leitet, will anschließend ebenfalls zum Everest weiterreisen, um den höchsten aller Berge ohne Atemmaske zu besteigen.

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Ralf Dujmovits: Mount Everest, die Sechste! https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-interview-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-interview-everest/#comments Mon, 14 Apr 2014 09:45:22 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25783 Ralf Dujmovits und der Mount Everest (2012)

Ralf Dujmovits und der Mount Everest (2012)

Wie konnte der portugiesische Seefahrer Fernando Magellan im Jahr 1520 an der Südspitze Südamerikas so viele Lagerfeuer sichten, dass er die Region Feuerland taufte? Eigentlich hätte der dort übliche Dauerregen doch jede Flamme gelöscht haben müssen. Gerlinde Kaltenbrunner, Ralf Dujmovits, Ralf Gantzhorn und Rainer Pircher jedenfalls hatten während ihrer Expedition zum Monte Sarmiento in Feuerland nur zwei halbe Tage, die regenfrei waren. Dazu Windgeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern auf 1800 Meter Höhe. So wurde nichts aus dem Plan, den Hauptgipfel des 2246 Meter hohen, pyramidenförmigen Bergs über die Nordwand zu besteigen. Das Team hatte nicht nur kein Wetterglück, sondern auch noch Pech dazu. Eine Schneehöhle auf 1600 Metern, in der die Bergsteiger beim ersten Versuch ihr Material deponiert hatten, war beim zweiten Aufstieg verschwunden.

Kein Problem mit Übergepäck

„Wir hatten sie markiert, mit GPS-Daten und einer Lawinensonde, die zwei Meter herausstand. Aber wahrscheinlich ist die Schneehöhle aufgrund des sehr warmen Wetters und des starken Regens zusammengebrochen und mit dem ganzen Hang abgegangen“, erzählt mir Ralf nach seiner Rückkehr. „Den einzigen Vorteil, den der Verlust des ganzen Materials hatte, war, dass wir auf dem Heimweg kein Problem mit Übergepäck hatten.“ Der 52-Jährige ist nur für einen kurzen Zwischenstopp daheim. Schon heute fliegt er weiter nach Nepal und reist von dort aus nach Tibet. Erneut will Dujmovits versuchen, den Gipfel des Mount Everest ohne Flaschensauerstoff zu erreichen. Der höchste aller Berge ist der einzige der 14 Achttausender, den er (1992) mit Atemmaske bestiegen hat.

„Definitiv mein letzter Versuch“

Ralf am Everest-Südsattel

Ralf 2012 am Everest-Südsattel

Ralf, vor zwei Jahren hast du wörtlich gesagt: „Ich werde für alle Zukunft auf eine Besteigung des Everest ohne künstlichen Sauerstoff und ohne Sherpa-Unterstützung verzichten. Ich habe es Gerlinde versprochen.“ Warum der Sinneswandel?

Du weißt ja, man soll niemals nie sagen. Ich habe vielleicht damals diesen Fehler gemacht. Ich habe mich schon im letzten Herbst sehr gut auf den Mount Everest vorbereitet, als mein australischer Kollege (Andrew Lock) schließlich abgesagt hat. Ich habe gesehen, dass ich mich wirklich noch einmal zu echter Höchstform trainieren kann. Das wollte ich für den Nanga Parbat nutzen, aber auch das hat nicht geklappt. Dennoch habe ich gemerkt, dass ich die nötige Fitness noch erreichen kann. Deshalb packe ich es noch einmal an und gehe zum Mount Everest. Selbst wenn man über 50 Jahre alt ist, sollte man so einer Chance nicht aus dem Weg gehen.

Ist es für dich immer noch eine Scharte, die du auswetzen willst, dass du den Everest nur mit Flaschensauerstoff geschafft hast?

Ein Stück weit schon. Es juckt mich nach wie vor. Ich würde es gerne noch schaffen. Ich mache jetzt wirklich definitiv (lacht) meinen letzten Versuch ohne Sauerstoff und werde damit für mich das Kapitel Everest abschließen. Egal wie es jetzt ausgeht. Es ist jetzt mein sechster Anlauf am Everest, und ich hoffe, dass es dann noch mal klappt. Ich werde wirklich alles geben, und dann sehen wir, wie es ausgeht.

Ralf Dujmovits: Definitiv mein letzter Versuch am Everest

Mit Gerlinde und Hirotaka Takeuchi (r.) 2005 an der Nordwand

Mit Gerlinde und Hirotaka Takeuchi (r.) 2005 an der Everest-Nordwand

Du hast bereits dreimal erfolglos versucht, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, davon zweimal über die Nordseite. Auch in diesem Frühjahr wählst du den Weg über die tibetische Seite. Warum?

Ich werde nicht wieder die Route nehmen, die ich zweimal mit Gerlinde versucht habe, über die Kombination aus Japaner-Couloir und Hornbein-Couloir („Supercouloir“) in der Nordwand (2005 und 2010), sondern möchte weiter links unterwegs sein. Das heißt, ich steige erst einmal auf dem Normalweg bis zum Nordsattel auf und möchte von dort aus in das Norton-Couloir queren. Das Couloir hat oben einen schrägen Ausstieg, den schon Reinhold Messner 1980 bei seiner damaligen Solobegehung genutzt hat. Das war allerdings im Herbst. Ich habe 2010 gesehen, dass auch im Frühsommer dort deutlich bessere Verhältnisse herrschten als im Supercouloir. Ich möchte schauen, ob es jetzt wieder so ist. Wenn es passt, würde ich gerne diese Route gehen.

Und wenn es nicht passt, wäre dann die Normalroute für dich eine Alternative?

Ich denke, es hängt sehr stark von den Verhältnissen ab, wie es mir geht, wie ich mich akklimatisiert habe. Ich muss mir das wirklich offenlassen. Ich will mich nicht zu sehr festlegen und einschränken. Ich bin, wie gesagt, inzwischen mit über 50 nicht mehr ganz der Jüngste. Ich muss ausloten, wo ich stehe. Und das werde ich erst vor Ort am Berg sehen.

Es werden sicherlich wieder viele Bergsteiger am Everest unterwegs sein. Beeinträchtigt dich das nicht, wenn du ohne Flaschensauerstoff steigst?

Das ist eben der Vorteil auf dieser anderen Route, wo sonst niemand wäre. In dem Moment, wo man auf der Normalroute – sowohl auf der nepalesischen als leider auch auf der tibetischen Seite – unterwegs ist, läuft man Gefahr, in die Staus mit den Bergsteigern zu geraten, die mit Flaschensauerstoff unterwegs sind. Da hat man eigentlich auf Grund des Problems mit der großen Kälte als Aufsteiger ohne Sauerstoff fast keine Chance. Das Problem dort oben ist ja nicht alleine der mangelnde Sauerstoffpartialdruck. Indem man schnell atmet, geht die Körperwärme verloren. Und wenn man in der großen Höhe den Körper über so lange Zeit quasi kalt atmet, hat man wirklich große Chancen, sich Erfrierungen einzuhandeln. Das würde ich gerne ausschließen, indem ich auf einer Route unterwegs bin, in der ich ganz genau in meinem Tempo gehen kann.

Ralf im Januar am Nanga Parbat

Ralf im Januar am Nanga Parbat

Bei unserem letzten Gespräch sagtest du, du wolltest oben am Berg völlig unabhängig agieren. Auch bei deinem Versuch am Nanga Parbat wolltest du im oberen Teil solo steigen. Fühlst du dich inzwischen an den höchsten Bergen alleine wohler?

Sagen wir es so: Ich weiß, dass ich mein Tempo gehen können muss. Das heißt, ich möchte mich niemandem mehr anschließen. Ich bin langsamer geworden, das weiß ich und habe es auch 2012 am Everest gesehen. Aber wenn ich mein Tempo durchgehen kann –  ich gehe wirklich über viele Stunden ein ganz gleichmäßiges Tempo, ohne dass ich ein einziges Mal anhalte -, dann komme ich sehr gut vorwärts. Ich höre auch sehr genau in mich hinein. Ich empfinde es inzwischen wirklich als Erleichterung, wenn ich es so machen kann. Früher habe ich mich in Gesellschaft wohler und sicherer gefühlt. Aber es ist letztlich doch immer nur eine Scheinsicherheit, die man hat. Und die Einsamkeit macht mir inzwischen mit dem zugenommenen Alter nichts mehr aus.

Ralf Dujmovits: Ich muss mein Tempo gehen können

Es ist ein schmaler Grat zwischen Beißen können und verbissen sein. Wie hoch ist der Druck, den du dir selbst machst?

Stefan, ich gehe das genauso entspannt an, wie ich es auch sonst immer gemacht habe. Ich werde mir sicher Mühe geben, meinen Plan umzusetzen. Aber ich habe so oft umgedreht und würde auch noch einmal umdrehen. Das Allerwichtigste, das ich habe, ist meine Gesundheit, alle meine Zehen und Finger. Ich klettere unglaublich gerne, und das möchte ich mir auch weiterhin bewahren. Dafür würde ich gar nichts riskieren. Ich werde es versuchen, mir alle Mühe geben, aber ich möchte vor allen Dingen wieder gesund herunterkommen.

Ralf Dujmovits: Ich würde noch einmal umdrehen

Du hast es angesprochen, seit 1992 warst du fünfmal am Mount Everest. Jetzt ist es dein sechster Versuch. Entwickelt man bei so vielen Besuchen so etwas wie ein Verhältnis zu einem Berg? Kann er einem ans Herz wachsen?

Natürlich. Er wächst einem sogar sehr stark ans Herz. Auch wenn es der Everest ist, von dem man so viel Schlechtes und Negatives gehört hat. Aber ich war sehr oft in völliger Ruhe dort unterwegs, auch mit Gerlinde. 2012 bin ich quasi völlig allein zum Südsattel aufgestiegen, noch vor den großen Massen. Man kann dort schon noch seine Ruhe finden und damit dann auch diese Beziehung zum Berg ein Stück weit leben. Für mich hat diese Beziehung zum Everest auch mit der unglaublichen Höhe zu tun, die gleichzeitig irrsinnige Weitblicke zulässt. Ich spüre einfach, wie mir das Herz aufgeht, wenn ich da oben unterwegs sein kann. Ich genieße das. Ich kann es inzwischen auch genießen, weil ich frei bin von diesen ganzen Zwängen. Natürlich gab es auch nach dem Erfolg 1992, allerdings mit Sauerstoff, diese ganzen Rückschläge. Dann baut sich so eine Geschichte auf, die natürlich auch zu mir gehört, die ein Teil von mir ist, die mir etwas bedeutet, die mir wichtig ist. Und ich kehre jetzt wirklich noch einmal gerne zum Everest zurück.

Ralf Dujmovits: Everest ist Teil meiner Geschichte

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