Cho Oyu – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Vor 40 Jahren: Geheimsache Cho-Oyu-Südostwand https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-40-jahren-geheimsache-cho-oyu-suedostwand/ Sun, 30 Dec 2018 12:04:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43151

Edi Koblmüller 1978 auf dem Gipfel des Cho Oyu

Nur die Ehepartner wussten Bescheid. Die drei Österreicher Edi Koblmüller, Alois Furtner und Gerhard Haberl sowie die beiden Deutschen Herbert Spousta und Peter von Gizycki hatten strengste Geheimhaltung vereinbart. Schließlich war der Achttausender Cho Oyu 1978 in Nepal nicht für Bergsteiger freigegeben. Also tarnten sich die fünf Bergsteiger als Trekkingtouristen und wanderten nach Gokyo. Ihr eigentliches Ziel lag einige Kilometer dahinter: die rund 3000 Meter hohe Südostwand des 8188 Meter hohen Cho Oyu. „Ich war besessen von dieser Idee“, schreibt mir Alois Furtner, der mit Koblmüller am 27. Oktober 1978 den Gipfel erreichte. Die anderen waren rund 200 Meter unterhalb des Gipfels umgekehrt. „Freunde von uns nannten es später ein ‚Jahrhundertabenteuer‘. Heute weiß ich, dass es ein sehr mutiges Unterfangen war“, erinnert sich der inzwischen 70-jährige Furtner. „Ich war damals so entschlossen und fokussiert, dass es geschehen musste. So wie eine schwangere Frau ihr Kind zur Welt bringen muss, so ähnlich musste ich dieses Vorhaben verwirklichen und ausleben. Und es ist mir gelungen.“

In Schneehöhlen übernachten

In der Südostwand

Ein Bild des oberen Wandabschnitts in einem Buch Reinhold Messners hatte das Quintett inspiriert. Mehr Informationen hatten die Bergsteiger nicht. Zunächst schleppten sie rund 250 Kilogramm Ausrüstung von Gokyo aus zum Basislager auf 5100 Metern. Koblmüller, Furtner und von Gizycki machten einen Vorstoß bis auf eine Höhe von 6700 Metern am Fuße der Gipfelwand. Dort deponierten sie ein Zelt mit Ausrüstung und stiegen wieder ab. Am 22. Oktober starteten die fünf Bergsteiger zu ihrem Gipfelversuch. Sie seien im „lupenreinen Alpinstil“ unterwegs gewesen, erzählt Furtner. „Wir hatten keine Sherpas am Berg, keinen Nachschub, keine Sauerstoffgeräte, keine Kommunikation mit der Außenwelt, wir waren völlig auf uns allein gestellt. Es war auch kein Arzt dabei. Wir durften keine Fehler machen“, sagt Alois. „Verpflegung, Benzin, Fixseile waren auf das Minimum reduziert. Zelte haben wir nur im unteren Wandteil verwendet. In der Gipfelwand haben wir uns Schneehöhlen ausgegraben, um Gewicht zu sparen.“

Wie Brockengespenster

Die Gipfelwand forderte den Bergsteigern alles ab. Ihre Route führte über einen teilweise bis zu 70 Grad steilen Eispfeiler in der Mitte der Wand. Am Morgen des Gipfeltags zeigte das Thermometer minus 40 Grad Celsius. Haberl zog sich Erfrierungen an den Fingerspitzen zu, die ihn letztlich den Gipfel kosteten. Furtner und Koblmüller erreichten kurz vor Sonnenuntergang den höchsten Punkt. „Wir wussten beide, dass wir etwas Großartiges geschafft haben“, erinnert sich Alois. „Ich trug vier Türkissteine am Hals. Einen davon habe ich der ‚Göttin des Türkis‘ (das ist die Übersetzung von Cho Oyu) am Gipfel in den Schnee gedrückt als Dank für das gute Gelingen. An eines kann ich mich noch erinnern – es war mythisch: Die untergehende Sonne hat unsere Schatten vergrößert an die Nebelwand in Richtung Everest geworfen, es war wie Brockengespenster.“

Fünf Jahre Einreiseverbot

Nepalesische Seite des Cho Oyu (rechts die Südostwand)

Der Abstieg geriet zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Auf 6600 Metern wurden die fünf Bergsteiger eingeschneit. Zwei Nächte und einen kompletten Tag drängten sie sich in einem Zelt zusammen, die Lebensmittel wurden knapp. Durch teilweise brusthohen Schnee wühlte sich das Quintett talwärts und erreichte schließlich am 1. November, zehn Tage nach dem Aufbruch zum Gipfelvorstoß, das Basislager. Einen Tag später waren sie wieder zurück in Gokyo. Weil sie den Cho Oyu ohne Permit bestiegen hatten, bestraften die nepalesischen Behörden die Bergsteiger mit einem fünfjährigen Einreiseverbot. „Damals ist unsere Besteigung völlig untergegangen“, berichtet Furtner. „Im selben Jahr haben Messner und Habeler den Everest ohne Sauerstoffgeräte bestiegen – das war die Weltsensation.“

„Abenteuer meines Lebens“

Alois Furtner

Bis heute wurde die Route durch die Südostwand des Cho Oyu, die Furtner und Koblmüller (der 2015 in Georgien in einem Schneesturm erfror) bis zum höchsten Punkt vollendet hatten, nicht wiederholt. Das sagt eigentlich alles über ihren Schwierigkeitsgrad. „Rückblickend bin ich noch immer tief bewegt, wie wir damals die Wand durchstiegen haben. Es gab auf dem Weg zum Gipfel so viele Hindernisse und auch auf dem Weg zurück. Und doch sind wir alle relativ unbeschadet im Basislager angekommen“, sagt Alois Furtner. „Es war das Abenteuer meines Lebens, und das Gipfelfoto war das Foto meines Lebens.“

Was heute aus dem Himalaya-Bergsteigen geworden ist, sieht der Cho-Oyu-Pionier kritisch. „Aus Gokyo wird ein Zermatt im Himalaya, die Gipfel werden in Hundertschaften bestiegen und live übertragen. Ich lehne mich gelassen zurück und denke mit einem Wohlgefühl an unsere glückliche Besteigung“, sagt Alois. „Auch freut es mich sehr, dass Reinhold Messner in seinem Cho-Oyu-Buch unsere Besteigung als ‚Meilenstein in der Durchsteigung großer Himalaya-Wände‘ einstuft. Dieses Kompliment nehme ich dankend an.“

P.S.: Ja, ja, ich weiß, der Jahrestag liegt schon zwei Monate zurück – aber vor 40 Jahren stimmt immer noch. 😉

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Schärfere Expeditionsregeln an den Achttausendern Tibets https://blogs.dw.com/abenteuersport/schaerfere-expeditionsregeln-an-den-achttausendern-tibets/ Tue, 04 Dec 2018 15:08:35 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42879

Tibetische Everest-Nordseite

Da dürfte den Expeditionsveranstaltern in Nepal vor Schreck der Stift aus der Hand gefallen sein. In den neuen „Regeln für ausländische Expeditionen“ in Tibet (die mir vorliegen) heißt es unter Punkt sechs: „Um eine gesunde und geordnete Entwicklung des Bergsteigens zu gewährleisten und das Auftreten von Bergunfällen  zu minimieren, werden Bergsteiger-Teams, die in Nepal organisiert wurden, vorübergehend nicht akzeptiert.“ Wie ich aus zuverlässiger Quelle erfuhr, reiste eine Abordnung aus Nepal umgehend nach China, um zu erreichen, dass diese Vorschrift gestrichen oder wenigstens abgemildert wird. Offenbar waren die Delegierten der nepalesischen Veranstalter zumindest teilweise erfolgreich. Einige Agenturen sollen angeblich aber keine Genehmigung mehr erhalten. Die chinesische und die tibetische Bergsteiger-Vereinigung wollen nur noch mit Expeditionsveranstaltern zusammenarbeiten „die über einen guten sozialen Ruf verfügen, eine ausgeprägte Fähigkeit zur Teambildung, eine verlässliche Qualität der Dienstleistungen, ausgezeichnete fachliche Qualität, und die gesetzestreu sind“.

Pro Kunde ein Sherpa

Mülltonnen im Everest-Basislager

Vom Frühjahr 2019 an soll zudem an den Achttausendern Tibets die Regel gelten, dass jeder Kunde kommerzieller Expeditionen “von einem nepalesischen Bergführer“ begleitet werden muss. Neue Vorschriften gibt es auch in Sachen Umweltschutz und Bergrettung. So wird pro Everest-Anwärter künftig eine „Müll-Sammelgebühr“ von 1500 US-Dollar fällig, an Cho Oyu und Shishapangma müssen je 1000 Dollar berappt werden. Nepalesische Bergführer sind von dieser Gebühr ausgenommen, ebenso wie das Basislagerpersonal. Alle Expeditionsteilnehmer werden zudem verpflichtet, pro Person acht Kilogramm Müll vom Berg bei den zuständigen chinesischen Verbindungsoffizieren im Basislager abzugeben.

Rettungsteam im ABC

Für die Bergrettung an Everest, Cho Oyu und Shishapangma soll künftig ein Team zuständig sein, das von den tibetischen Behörden und dem örtlichen Expeditionsveranstalter „Tibet Yarlha Shampo Expedition“ gestellt wird. Während der Zeit der Gipfelversuche sollen sich vier bis sechs Rettungskräfte ständig in den vorgeschobenen Basislagern aufhalten.  Pro Expedition werden die chinesisch-tibetischen Behörden eine Kaution von 5000 US-Dollar einkassieren, die nur zurückgezahlt wird, wenn es innerhalb der Gruppe keine Unfälle gegeben hat und wenn alle Umweltschutzauflagen erfüllt worden sind.

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Erfolgreiche Saisonbilanz am „Herbst-Everest“ Manaslu https://blogs.dw.com/abenteuersport/erfolgreiche-saisonbilanz-am-herbst-everest-manaslu/ Sat, 06 Oct 2018 17:27:14 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42165

Schlange am Manaslu

Ich hatte ein Déjà-vu. Als ich die Bilder der Menschenschlange sah, die in diesem Herbst dem Gipfel des 8163 Meter hohen Manaslu entgegenstieg, zuckte ich erneut zusammen. Ganz so wie 2012, als der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger Ralf Dujmovits die Schlange der Everest-Gipfelanwärter in der Lhotse-Flanke abgelichtet hatte. Wie sich die Bilder doch gleichen! Kein Wunder, ist der Manaslu doch in den letzten Jahren immer mehr zu einem „Herbst-Everest“ mutiert: Mehrere hundert Bergsteiger bevölkern das Basislager, die Route wird bis zum Gipfel mit Fixseilen gesichert. Und wenn das Wetter passt, wird es eng auf dem höchsten Punkt.

Mehr als 200 Gipfelerfolge, ein Todesfall

Gedränge am Gipfel

Nach Angaben der Zeitung „The Himalayan Times“ haben in diesem Herbst mindestens 120 ausländische Bergsteiger und mehr als 100 sie begleitende Sherpas den Gipfel des achthöchsten Bergs der Erde erreicht. Ein Todesfall war zu beklagen. Ein 43 Jahre alter Tscheche wird vermisst. Nach seinem Gipfelerfolg verliert sich seine Spur.

Soria scheitert zum neunten Mal

An den anderen Achttausendern, die in diesem Herbst in den Katalogen der kommerziellen Anbieter standen, war deutlich weniger los. Während in Tibet von Cho Oyu und Shishapangma Gipfelerfolge im niedrigen zweistelligen Bereich gemeldet wurden, blieb der höchste Punkt des Dhaulagiri, wie der Manaslu im Westen Nepals gelegen, in diesem Herbst bisher unberührt. Ein 24 Jahre alter Sherpa war vor zweieinhalb Wochen bei einem Lawinenunglück an dem Achttausender ums Leben.

Soria muss wiederkommen

„Ich habe den Dhaulagiri noch nie mit so viel Schnee und so gefährlich erlebt“, sagte der Spanier Carlos Soria auf desnivel.com, nachdem er seine Expedition abgebrochen hatte. Der 79-Jährige versuchte sich bereits zum neunten Mal an dem 8167 Meter hohen Berg. Im nächsten Frühjahr will Carlos erneut zum Dhaulagiri zurückkehren. Außer diesem Berg fehlt ihm nur noch die Shishapangma in seiner Achttausender-Sammlung.

Zu viel Schnee am Dhaulagiri

„Der Tropensturm aus Pakistan, der hier im Marshyangdi-Tal mehr als 48 Stunden sein Unwesen getrieben hatte, hat viel Schnee auf unserer schwer erarbeiteten Route hinterlassen“, schrieb die deutsche Bergsteigerin Billi Bierling, die mit ihrem Team des Schweizer Anbieters „Kobler & Partner“ ebenfalls den Weg zurück nach Kathmandu antrat. Auch der Spanier Sergi Mingote, der nach seinem Gipfelerfolg am Manaslu eigentlich noch den Dhaulagiri anhängen wollte, packte wegen der zu hohen Lawinengefahr zusammen. 

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Gipfelerfolge auch vom Cho Oyu gemeldet https://blogs.dw.com/abenteuersport/gipfelerfolge-auch-vom-cho-oyu-gemeldet/ Wed, 26 Sep 2018 09:13:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42081

Aufstieg zum Cho Oyu

Nach dem gestrigen ersten Gipfelerfolg der Herbstsaison am Manaslu ist offenbar auch am Achttausender Cho Oyu in Tibet der Bann gebrochen.  Zwei US-Veranstalter meldeten, dass ihre Teams den höchsten Punkt auf 8188 Metern erreicht hätten. „Das Team hat sich gerade am Gipfel des sechshöchsten Bergs der Erde eingecheckt“, twittert Mountain Madness. Auch der Expeditionsveranstalter Climbing the Seven Summits teilt mit: „Wir freuen uns sehr, dass das gesamte CTSS-Team derzeit bei perfektem Wetter auf dem Gipfel des Cho Oyu steht.“

Unter den heutigen Gipfelstürmern dürfte wohl auch Tendi Sherpa gewesen sein. Der 34-Jährige (den ich im vergangenen März in Kathmandu getroffen hatte), begleitet die Expedition als „Sirdar“, als Chef der Sherpa-Crew. Tendi hatte nach den ersten Aufstiegen in die Hochlager zur Akklimatisation von „ziemlich guten Verhältnissen am Berg“ berichtet. Gestern hatte der US-Anbieter International Mountain Guides verkündet, dass die Fixseile bis hinauf aufs Gipfelplateau gelegt seien. Einige Teams seien auf dem Sprung Richtung Gipfel.

Update 29. September: Auch ein siebenköpfiges Team des Anbieters „Kobler & Partner“ hat nach eigenen Angaben den Gipfel erreicht, mit dabei auch Unternehmensgründer Kari Kobler.

 

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Todesfall am Cho Oyu https://blogs.dw.com/abenteuersport/todesfall-am-cho-oyu/ Thu, 07 Jun 2018 14:22:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41099

Gipfelregion des Cho Oyu

Die gute Nachricht zuerst: Die zu Ende gegangene Frühjahrssaison im Himalaya hat gezeigt, dass auch in Tibet koordinierte Rettungsaktionen für in Not geratene Bergsteiger möglich sind. So gestatteten die chinesischen Behörden im Falle des am Achttausender Shishapangma vermissten Bulgaren Boyan Petrov sogar, dass nepalesische Rettungshubschrauber eingesetzt wurden. Parallel dazu suchte ein Team, bestehend aus drei Sherpas und drei chinesischen Bergsteigern, direkt am Berg nach Boyan. Leider vergeblich. Doch die Zusammenarbeit zwischen nepalesischen und tibetischen Rettern könnte Maßstäbe für die Zukunft gesetzt haben. Auch am 8188 Meter hohen Cho Oyu war ein dreiköpfiges chinesisch-tibetisches Rettungsteam unmittelbar nach einem Notruf im Einsatz. Nun zur schlechten Nachricht: Wie schon bei Petrov gab es auch in diesem Fall kein Happy End. Und die Welt erfuhr nichts davon – bis heute.

„Sein Körper ist immer noch da“

Atanas Skatov am Cho Oyu

Der bulgarische Bergsteiger Atanas Skatov informierte mich darüber, dass am 15. Mai ein südkoreanisches Mitglied seines Teams in Lager 1 gestorben sei. Skatov hatte den Cho Oyu am 13. Mai ohne Flaschensauerstoff bestiegen – für den 40-Jährigen war es sein sechster der 14 Achttausender. Wie er habe auch der junge Koreaner zum Team des nepalesischen Veranstalters „Satori“ gehört, schreibt mir Atanas. „Ich war der letzte, der mit ihm am 14. Mai um 13 Uhr im Lager 2 auf 7150 Metern gesprochen hat.“ Zu diesem Zeitpunkt sei der Koreaner in guter Verfassung gewesen und habe gesagt, dass er Skatov später nach Lager 1 folgen wolle. Dort, so Atanas, sei er aber nicht eingetroffen. Daraufhin habe der Expeditionskoch des Teams den Chinesisch-Tibetischen Bergsteigerverband CTMA alarmiert. Noch am selben Abend seien drei Retter eingetroffen und am 15. Mai nach Lager 2 aufgestiegen. Skatov war zu diesem Zeitpunkt schon in die tibetische Stadt Tingri gefahren. „Am Abend erfuhr ich, dass die Retter den Koreaner in Lager 2 gefunden und ihm geholfen hätten, nach Lager 1 abzusteigen. Dort ist er gestorben. Und sein Körper ist immer noch da“, schreibt Skatov.

Expeditionsveranstalter bestätigt Berichte

R.I.P.

Auch ein französischer Bergsteiger bestätigte gegenüber Billi Bierling von der Chronik „Himalayan Database“ diese Angaben weitgehend: Dem Koreaner sei es „sehr schlecht gegangen“, und „offenbar“ sei er am 15. Mai in Lager 1 gestorben. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der deutsche Expeditionsleiter Felix Berg vom Veranstalter „Summit Climb“ nach seinem Gipfelerfolg (ebenfalls ohne Atemmaske) bereits auf der Rückreise. Doch auch seine Gruppe hatte den Koreaner noch am Berg getroffen. „Als wir vom Gipfel herunterkamen, hat er auf ca. 7850 Metern umgedreht“, schreibt mir Felix. Später habe es dann geheißen, der Koreaner sei noch immer in Lager 2. Es hätten zwei Versionen kursiert: Ihm sei die Kraft ausgegangen und er habe Probleme abzusteigen. Die andere, so Felix, habe gelautet: „Er möchte nochmal zum Gipfel – ohne Abstieg!“ Ich habe mehrfach den Expeditionsveranstalter Satori um eine Stellungnahme gebeten und erhielt heute endlich eine Antwort. Der 28 Jahre alte Koreaner Park Shin-yong sei am 16. Mai am Cho Oyu gestorben, schreibt Rishi Bhandari, Chef des Unternehmens: “Wir konnten ihn nicht retten, weil er so schwach und müde war.”

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Doppelt beinamputierter Chinese auf dem Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/doppelt-beinamputierter-chinese-auf-dem-everest/ Mon, 14 May 2018 11:37:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40711

Xia auf der Everest-Südseite

Im fünften Anlauf hat es Xia Boyu geschafft. Wie Mingma Gyalje Sherpa, Expeditionsleiter und Chef des nepalischen Veranstalters „Imagine Trek and Expedition“, auf Facebook mitteilte, gehörte der 69 Jahre alte Chinese zu 14 Mitgliedern seines Teams, die heute den Gipfel des Mount Everest auf 8850 Metern erreichten. Ebenfalls dabei war Nima Jangmu Sherpa, die als erste nepalesische Bergsteigerin innerhalb einer Saison den Everest und den benachbarten Lhotse bestieg. Sie hatte auch zu dem von Mingma angeführten Team gezählt, das am 29. April am Lhotse für den ersten Achttausender-Gipfelerfolg der Frühjahrssaison gesorgt hatte.

Nicht aufgegeben

Für Xia Boyu erfüllte sich heute endlich sein Lebenstraum, auf dem Dach der Welt zu stehen. Bei seinem ersten Versuch 1975 auf der tibetischen Nordseite war Xias Team rund 250 Meter unterhalb des Gipfels in einen Wettersturz geraten. Zwei Tage und drei Nächte mussten die chinesischen Bergsteiger auf einer Höhe von 8600 Metern bei Temperaturen von minus 25 Grad Celsius verbringen. In der folgenden Nacht auf 7600 Metern überließ Xia einem in Not geratenen Teamkollegen seinen Schlafsack. Seine Selbstlosigkeit bezahlte er mit schweren Erfrierungen, beide Beine mussten ihm amputiert werden. Später erkrankte er auch an Lymphdrüsenkrebs. Doch Xia gab die Hoffnung, den Everest zu besteigen, nicht auf. Mit Prothesen begann er wieder zu klettern – und kehrte 2014 zum Everest zurück. Wegen des Lawinenunglücks im Khumbu-Eisbruch mit 16 Toten musste Xia damals unverrichteter Dinge  heimkehren, genauso wie 2015 nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal. Im Frühjahr 2016 scheiterte Xia wegen schlechten Wetters rund 100 Meter unterhalb des Gipfels.

Auch Fixseilteam vom Norden aus auf dem Gipfel

Nordseite des Mount Everest

Am Sonntag hatten acht Sherpas für den ersten Everest-Gipfelerfolg der Saison gesorgt. Sie hatten Fixseile bis zum höchsten Punkt gelegt und damit den Weg für die Teams der kommerziellen Expeditionen freigemacht. Mingmas Mannschaft war die erste, die ihnen folgte. Auch auf der Everest-Nordseite sind jetzt die Seile bis zum höchsten Punkt fixiert. Das berichtet der Veranstalter „Climbalaya“. Mit dabei im erfolgreichen Team sei auch der nepalesische Pfadfinder Anish Luitel gewesen. Der 26-Jährige wollte den Everest im Namen aller Pfadfinder weltweit besteigen. Für Anish war es der zweite Everest-Gipfelerfolg nach 2016.

Gipfelerfolg am Cho Oyu

Cho Oyu

Eine weitere erfolgreiche Besteigung wird auch vom Cho Oyu gemeldet, wo der deutsche Expeditionsleiter des Veranstalters „Summit Climb“, Felix Berg, einer seiner Kunden und Dawa Jangbu Sherpa den Gipfel erreichten. Im Vorfeld hatte mir Felix geschrieben, dass sie ohne Atemmasken aufsteigen wollten. Vor gut einer Woche hatte bereits ein Team des US-Veranstalters Alpenglow Expeditions unter Leitung von Adrian Ballinger den höchsten Punkt des Cho Oyu erreicht – mit Flaschensauerstoff.

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Valery Rozov an Ama Dablam tödlich verunglückt https://blogs.dw.com/abenteuersport/valery-rozov-an-ama-dablam-toedlich-verunglueckt/ Sat, 11 Nov 2017 21:05:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38521

Valery Rozov (1964-2017)

Einer der bekanntesten Basejumper der Welt ist tot. Russische Medien berichten übereinstimmend, Valery Rozov sei bei einem Wingsuit-Flug von der 6814 Meter hohen Ama Dablam unweit des Mount Everest tödlich verunglückt. Die genauen Umstände sind noch nicht bekannt. Valery wurde 52 Jahre alt. Rozov hatte mit seinen Sprüngen von Felsen im Himalaya in den letzten Jahren weltweit für Schlagzeilen gesorgt.

 

Rekordsprünge

So sprang er 2013 aus einer Höhe von 7220 Metern vom Changtse und landete auf dem Zentralen Rongbuk-Gletscher zu Füßen der Nordwand des Mount Everest. Im Herbst 2016 verbesserte Rozov noch einmal seinen Rekord für den höchsten Wingsuit-Flug aller Zeiten: Valery stieg am Achttausender Cho Oyu bis auf eine Höhe von 7700 Metern auf und sprang von dort talwärts (s. Video). Weitere spektakuläre Sprünge gelangen ihm 2012 am Sechstausender Shivling im indischen Himalaya und 2015 am höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo (5895 Meter).

Hohe Todesrate

R.I.P.

Die traurige Liste der Todesopfer nach Sprüngen mit dem Wingsuit umfasst inzwischen mehrere hundert Namen. Prominentestes Opfer aus der Extremkletterer-Szene 2015 war der US-Amerikaner Dean Potter. Eigentlich, findet Bergsteiger-Legende Chris Bonington, unterscheiden sich Basejumper in puncto Motivation kaum von Extrembergsteigern. „Du hast die Adrenalin-Junkies – und das sind wir wirklich –, die suchen das Extreme und schieben ihre Grenzen so weit wie möglich hinaus“, sagte mir 2015 der inzwischen 83 Jahre alte Brite. „Da muss es doch fast unweigerlich eine hohe Todesrate geben. Und es gibt sie tatsächlich unter den Extrem-Höhenbergsteigern, genauso wie unter den Basejumpern oder Wingsuit-Fliern. Ich glaube nicht, dass sich diese Menschen nach dem Tod sehnen. Vielmehr erleben sie eine Euphorie dabei, ihren Körper und sich selbst ans absolute Limit zu bringen, um ein Ziel zu erreichen.“ Valery Rozov beschrieb es so:  „Jeder Moment, in dem dein Traum Wirklichkeit wird, ist ein so besonderer.“

Update 12.11.: Die in Kathmandu erscheinende Zeitung „The Himalayan Times“ berichtet, dass Rozov bei seinem Flug mit dem Wingsuit gegen einen Fels geprallt sei.

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Dujmovits am Everest: „Ich bin zuversichtlich“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dujmovits-am-everest-ich-bin-zuversichtlich/ Tue, 09 May 2017 17:14:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36125

Ralf Dujmovits oberhalb des Nordsattels

Alle Welt schreibt, wie voll es am Mount Everest ist. „Der Berg ist fast komplett ausgestorben“, erzählt mir heute Ralf Dujmovits per Satellitentelefon. Der einzige Deutsche, der bisher alle 14 Achttausender bestiegen hat, ist gerade von seinem zweiten Akklimatisierungs-Anstieg auf der tibetischen Nordseite des Everest zurückgekehrt. Eine Nacht hat er in Lager 2 auf 7700 Metern verbracht, anschließend stieg er wieder, wie geplant, zum vorgeschobenen Basislager (ABC) auf 6300 Metern Höhe ab.

Fixseile bis 8300 Meter

Sherpas im Abstieg von Lager 3

Das ABC ist natürlich nur vorübergehend verwaist. „Fast alle sind nach weiter unten abgestiegen“, erzählt Ralf. Die Teams der meisten kommerziellen Expeditionen wollten im so genannten „Chinese Base Camp“ auf 5200 Metern Höhe oder sogar noch weiter unten vor dem ersten Gipfelversuch noch einmal „dickere Luft“ tanken. Die Route, so Dujmovits, sei inzwischen bis Lager drei auf 8300 Metern mit Fixseilen gesichert, am Donnerstag oder Freitag sollten die Arbeiten bis zum Gipfel abgeschlossen werden. Auf der Nordseite halten sich derzeit rund 140 ausländische Bergsteiger auf, dazu etwa ebenso viele Sherpas. In der Summe sind es nur halb so viele Gipfelaspiranten wie auf der nepalesischen Südseite des Everest, wo insgesamt rund 750 ausländische und einheimische Bergsteiger unterwegs sind.

Regeneration auf 6300 Metern

Blick hinunter auf den Nordsattel (links der Cho Oyu)

„Ich mache jetzt erst mal drei bis vier Tage Pause, um mich komplett zu regenerieren“, sagt Ralf. „Ich werde hier im ABC bleiben und nicht weiter absteigen. Dafür sehe ich keinen Grund. Ich fühle mich echt wohl. Mal sehen, wie sich das Wetter entwickelt.“ Der 55-Jährige will noch einen letzten Versuch – seinen inzwischen achten – machen, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Bei seinem Gipfelerfolg im Herbst 1992 hatte er bei schlechtem Wetter oberhalb des Südsattels zur Atemmaske gegriffen. Die anderen 13 Achttausender hatte Dujmovits ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen. Nur am Everest scheiterte er immer wieder – aus unterschiedlichen Gründen. Bei seinem nach eigenen Worten „definitiv letzten“ Versuch gönnt er sich eine Absicherung:  Ralf hat Mingma Sherpa, einen Sherpa aus dem Khumbu-Gebiet, engagiert, der für den Deutschen eine Flasche Sauerstoff mitträgt – nur für den Notfall. Sollte er gezwungen sein, zur Flasche zu greifen, will Ralf sofort absteigen.

Seit Tagen kaum Wind

Abendstimmung in Lager 2

Danach sieht es derzeit nicht aus. „Ich bin ganz zuversichtlich“, sagt Ralf. Nach seiner Vorakklimatisierung im Khumbu, wo er mit seiner Partnerin Nancy Hansen den Sechstausender Cholatse bestiegen hatte, fühle er sich „überdurchschnittlich fit“.  Die Nacht auf 7700 Metern sei allerdings „etwas durchwachsen“ gewesen, räumt Dujmovits ein. „Ich hatte wohl zuvor irgendetwas Falsches gegessen.“ Heute Morgen habe er dann im Schneetreiben zusammengepackt und sei abgestiegen: „Wir haben hier seit Tagen quasi Windstille. Deshalb bilden sich immer wieder Wolken, und es beginnt zu schneien.“

Sicht bis zu den Füßen

Die teilweise heftigen Schneefälle im Himalaya haben bereits einige Gipfelversuche an Achttausendern durchkreuzt. So kehrte der Deutsche Thomas Lämmle, der den Makalu ohne Flaschensauerstoff besteigen will, heute in Lager 3 auf knapp 7500 Metern um. Der Spanier Kilian Jornet, inzwischen auf dem Weg zum Everest, erreichte nach eigenen Worten am Sonntag in dichtem Schneetreiben am Achttausender Cho Oyu einen Punkt, den er für den höchsten hielt: „Ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, ob es der Gipfel war, weil ich nur meine Füße sehen konnte. Aber ich war irgendwo in der Nähe.“

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Zwei schnelle Männer am Everest: Jornet und Steck https://blogs.dw.com/abenteuersport/zwei-schnelle-maenner-am-everest-jornet-und-steck/ Tue, 25 Apr 2017 15:02:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35923

Kilian Jornet (r.) und Emilie Forsberg (l.) in Kathmandu

„Ich fühle mich wirklich akklimatisiert und stark in der Höhe“, sagte Kilian Jornet. Und das schon bevor er am Wochenende Richtung Himalaya startete. Als Training für seine Achttausender-Expedition war der Speed-Spezialist mit seiner schwedischen Freundin Emelie Forsberg in Norwegen geklettert und am Tag vor dem Abflug noch bei der Trofeo Mezzalama gestartet, einem der klassischen Rennen für Skibergsteiger. Dabei hatte Kilian im Team mit den Schweizern Martin Anthamatten und Werner Marti bei den Männern den zweiten Rang belegt, Emelie hatte den Wettbewerb der Frauen an der Seite der Schweizerin Jennifer Fiechter und der Französin Laetitia Roux gewonnen. Über die nepalesische Hauptstadt Kathmandu reisten Jornet und Forsberg nach Tibet. Innerhalb der nächsten zwei Wochen wollen sie den Cho Oyu besteigen, mit 8188 Metern der sechsthöchste Berg der Erde. „Wenn alles klappt, könnten wir etwa am 7. oder 8. Mai auf dem Gipfel stehen“, sagte Emelie, für die es die erste Erfahrung an einem Achttausender ist. Und Kilian ergänzte: „Für mich wird es eine gute Vorbereitung für den Everest, weil ich dann bei der Ankunft dort noch besser akklimatisiert sein werde.“

Leicht und schnell

Kilian Jornet 2016 am Everest

Der 29 Jahre alte Katalane präzisierte seinen Plan für eine Speed-Besteigung des höchsten Bergs der Erde. Die peilt er für Ende Mai an. Begleitet wird Jornet diesmal am Everest nur von Kameramann Sébastien Montaz-Rosset. Er wolle entweder über das Norton- oder das Hornbein-Couloir zum Gipfel aufsteigen, sagte Kilian, „natürlich abhängig von den Bedingungen am Berg“. Zunächst plant er weitere Akklimatisierungstouren vom vorgeschobenen Basislager auf 6300 Metern aus. Dann will Jornet für seinen Speedversuch zum Kloster Rongbuk auf 5000 Metern zurückkehren, der letzten dauerhaft bewohnten Siedlung unterhalb des Gipfels. Von dort aus will er den Berg, wenn möglich, in einem Zug besteigen, ohne Flaschensauerstoff. „Leicht und schnell. Es gibt Leute, die meinen, das ist Wahnsinn“, sagt Kilian. „Aber für mich ist der Berg ein Raum, in dem jeder frei sein sollte, das zu tun, was er meint, schaffen zu können. Ich mag es, leicht unterwegs zu sein. Auf diese Weise verbringt man weniger Zeit in der Höhe und wird nicht so schnell müde, auch wenn einem bewusst sein sollte, dass die Expedition risikoreicher wird.“ Im Herbst vergangenen Jahres hatten die Schneemassen am Everest verhindert, dass Jornet überhaupt einen ernsthaften Speed-Versuch machen konnte.

Steck: „Sehr gute Bedingungen“

Ueli Steck oberhalb von Lager 2

Auch Ueli Steck ist ein schneller Mann, der übrigens auch schon mit Jornet gemeinsam im Eiltempo bergsteigen war. Der Schweizer Topbergsteiger ist schon seit fast zwei Wochen auf der Südseite des Mount Everest. Gerade hat der 40-Jährige zwei Nächte in Lager zwei auf 6400 Metern verbracht. „Schönes Wetter und warm“, schreibt Ueli auf Facebook. „Ich habe die Chance ergriffen und einen Blick Richtung Westschulter geworfen. Bisher sind die Bedingungen sehr gut. Aber das kann sich innerhalb eines Monats natürlich ändern.“ Sein Kletterpartner Tenjing Sherpa hat sich nach Uelis Worten Erfrierungen zugezogen. „Hoffentlich heilen sie bald aus, so dass wir wieder gemeinsam am Berg unterwegs sein können.“ Steck hat sich für dieses Frühjahr die Everest-Lhotse-Überschreitung vorgenommen. Wenn es die Bedingungen zulassen, will er über den selten begangenen Westgrat und das Hornbein-Couloir den Gipfel erreichen, dann zum Südsattel ab- , und (über die vom gebürtigen Kasachen Denis Urubko 2010 eröffnete Variante) zum 8611 Meter hohen Gipfel des Lhotse aufsteigen – wie immer bei seinen Achttausender-Projekten ohne Flaschensauerstoff. In dieser Aneinanderreihung ist die Traverse noch nie versucht worden. „Das wäre mein Traumding“, sagte mir Ueli vor der Expedition. „Aber ich bin auch realistisch und habe genug Erfahrung, um zu wissen, dass es nur klappen kann, wenn sehr, sehr viel stimmt. Es müssen perfekte Verhältnisse herrschen, das Wetter muss gut und stabil sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass man Ideen hat, aber am Ende am Berg entscheidet, was möglich ist und was nicht.“

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Annapurna-Nordwestwand statt Cho-Oyu-Nordwand https://blogs.dw.com/abenteuersport/annapurna-nordwestwand-statt-cho-oyu-nordwand/ Fri, 14 Apr 2017 16:26:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35801

Annapurna-Nordwestwand

Plan B musste her. Weil China in diesem Frühjahr Bergsteigern, die sich innerhalb der vergangenen drei Jahre mehr als einen Monat am Stück in Pakistan aufgehalten haben, kein Visum für Tibet erteilt, mussten der Kanadier Louis Rousseau, der Brite Rick Allen, der Pole Adam Bielecki und der Deutsche Felix Berg umdisponieren. Das Team wurde in Kathmandu von der neuen Vorschrift überrascht. Bielecki hatte sich unter anderem 2015/2016 vergeblich an der Winterbesteigung des Nanga Parbat versucht, Berg war im Sommer 2016 am Mustagh Tower im Karakorum geklettert. Nichts wurde daher aus dem Vorhaben, eine neue Route durch die in Tibet gelegene Nordwand des Cho Oyu zu legen. Das Quartett suchte nach einem Alternativziel in Nepal und wurde fündig.

Direkter Weg bis zum Gipfel

Rousseau und Co. entschieden sich für einen Versuch in der selten begangenen Nordwestwand der 8091 Meter hohen Annapurna. 1985 waren Reinhold Messner und Hans Kammerlander durch einen Großteil der Wand geklettert, waren dann aber im oberen Bereich über den Nordwestgrat zum Gipfel gestiegen. Auch bei späteren Versuchen, die Wand direkt zu durchsteigen, blieb das obere Dreieck unberührt. „Nun wollen wir zum Gipfel“, sagt Felix Berg.

Perfekter Teamgeist“

Zum Akklimatisieren auf den Tilicho Peak

Die Tage der Ungewissheit seien anstrengend gewesen, schreibt mir der 36 Jahre alte Deutsche: „Sobald die Entscheidung fiel, ging alles sehr schnell. Die Wand ist eindrücklich, wohl höher als am Cho Oyu, die Annapurna legendär – damit kommt die Motivation ja schnell von selbst.“ Alle im Team seien „sehr begeistert“. Das bestätigt auch Louis Rousseau. Die Stimmung sei gut, es werde viel gescherzt. „Wir sind wirklich motiviert“, schreibt mir der 40-Jährige. „Perfekter Teamgeist. Alle Konzentration jetzt auf die Annapurna!“ Um sich zu akklimatisieren, wollen Louis, Felix, Rick und Adam zuvor den 7134 Meter hohen Tilicho Peak im Annapurna-Gebiet besteigen.

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Rousseau und Co. gehen Cho-Oyu-Nordwand an https://blogs.dw.com/abenteuersport/rousseau-und-co-gehen-cho-oyu-nordwand-an/ Thu, 13 Apr 2017 13:51:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35787

Nordwand des Cho Oyu

Auch an den „Verkaufsschlagern“ unter den Achttausendern gibt es noch Potential, bergsteigerische Ausrufezeichen zu setzen. Das gilt nicht nur für den Mount Everest (bisher mehr als 7500 Gipfelerfolge), sondern auch für den am zweithäufigsten bestiegenen Achttausender, den Cho Oyu (über 3500 Gipfelerfolge). Für dieses Frühjahr hat sich ein vierköpfiges internationales Team unter Leitung von Louis Rousseau vorgenommen, im Alpinstil eine neue Route durch die Nordwand des sechsthöchsten Bergs der Erde zu eröffnen. Für den 40-jährigen Kanadier ist es nach fünf Jahren Auszeit sein Comeback an den Achttausendern. 2012 hatte Rousseau am Gasherbrum I nach seinem langjährigen Kletterpartner Gerfried Göschl aus Österreich gesucht, der beim Versuch einer Winterbesteigung verschollen geblieben war. 2011 hatte Rousseau den Gasherbrum II bestiegen, seinen dritten Achttausender nach dem Broad Peak (2007) und dem Nanga Parbat (neue Route mit Göschl 2009). 

In Erinnerung an Göschl

Louis Rousseau

Die in Tibet gelegene Nordwand des Cho Oyu wurde erstmals im Herbst 1988 von slowenischen Bergsteigern gemeistert. Seitdem gab es nur zwei weitere erfolgreiche Versuche über die Nordseite. „Die geplante Route führt vom Fuß der Nordwand in direkter Linie durch einen noch unberührten Teil in der Mitte der Wand“, schreibt mir Louis. „Ich weiß es echt nicht“, antwortet Rousseau auf meine Frage nach den Erfolgsaussichten. Die 2000 Meter hohe Nordwand sei steil und größtenteils unerschlossen. „Wir werden mehr wissen, wenn wir die Wand zum ersten Mal in Augenschein genommen haben. Und natürlich hängt es vor allem vom Wetter und den Bedingungen am Berg ab.“ Louis widmet das Projekt schon jetzt seinem verstorbenen Freund Göschl: „Ich habe noch immer die Ideen, die wir zusammen entwickelt hatten, im Kopf – wie ein Erbe.“

Alter Haudegen

Neben Rousseau bilden der Pole Adam Bielecki, der Brite Rick Allen und der Deutsche Felix Berg das Team. Der 33 Jahre alte Adam Bielecki gehörte zu den Winter-Erstbesteigern der Achttausender Gasherbrum I (2012) und des Broad Peak (2013). Rick Allen ist ein mit allen Bergwassern gewaschener Haudegen. Dem 63-jährigen Schotten gelang 2012 gemeinsam mit Sandy Allan die Traverse des rund zehn Kilometer langen Mazeno-Grats am Nanga Parbat. Für diesen Meilenstein wurden die beiden Briten später mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergssteiger“. Der inzwischen 36 Jahre alte Felix Berg war 2004 der damals jüngste deutsche Besteiger des Mount Everest. „Wir haben ein tolles internationales Team zusammen“, schreibt mir Felix. „Für mich persönlich motivierend ist das Entdecken von Neuland, das Abenteuer umso erstaunlicher, dass sich dies am hochfrequentierten Cho Oyu bietet.“

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China reagiert allergisch auf Pakistan-Visa im Pass https://blogs.dw.com/abenteuersport/china-reagiert-allergisch-auf-pakistan-visa-im-pass/ Wed, 12 Apr 2017 13:28:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35769

Der Potala in Lhasa, einst der Palast des Dalai Lama

Böse Überraschung für einige Bergsteiger, die sich in diesem Frühjahr Ziele in Tibet vorgenommen haben. Mir wurde von mehreren Seiten bestätigt, dass China derzeit keine Touristen nach Tibet einreisen lässt, in deren Pässen ein Visum für Pakistan aus den letzten drei Jahren vermerkt ist. Gerade Profibergsteiger, die sich gerne im Sommer an den beeindruckenden Bergen des Karakorum versuchen, laufen Gefahr, kein Visum für Tibet zu erhalten. Einige sitzen derzeit in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu fest, weil sie zu spät von dieser neuen Regelung erfahren haben. Also, wenn ihr zum Cho Oyu, zur Shishapangma oder auf die tibetische Nordseite des Mount Everest reisen und nicht kalt erwischt werden wollt, werft lieber noch einmal einen Blick auf euren Pass!

Keine Probleme ohne Pakistan-Visa

Warum China plötzlich so allergisch auf frühere Pakistan-Reisende reagiert, ist unklar. Ohne pakistanische Visa-Stempel oder -Aufkleber läuft die Einreise offenbar problemlos. So informierte mich ein Expeditionsveranstalter, dass seine Gruppe in Lhasa eingetroffen sei, ohne von den Grenzbehörden großartig behelligt worden zu sein.

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Dominik Müller: „Es wird am Everest mehr los sein“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dominik-mueller-es-wird-am-everest-mehr-los-sein/ Sat, 18 Mar 2017 13:06:11 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35469

Everest-Nordseite im letzten Tageslicht

Es könnte eine Rekordsaison am Mount Everest werden. Experten rechnen nach der erfolgreichen Saison 2016 in diesem Frühjahr mit einem regelrechten Ansturm auf den höchsten Berg der Erde – zumal noch viele Bergsteiger ihre verlängerten Genehmigungen von 2014 (gelten noch bis 2019) und 2015 (laufen in diesem Jahr aus)  nutzen wollen. 2014 war die Saison in Nepal nach einem Lawinenunglück im Khumbu-Eisfall mit 16 Toten vorzeitig beendet worden. 2015 hatte es wegen des verheerenden Erdbebens in Nepal auf beiden Seiten des Bergs keine Besteigungen gegeben.

Dominik Müller, Chef des deutschen Expeditionsveranstalters Amical alpin, startet am 8. April mit einem nach seinen Worten „kleinen, aber feinen Team“ zum Everest. Drei Kunden, vier Climbing Sherpas und er selbst wollen versuchen, den 8850 Meter hohen Gipfel über die Normalroute auf der tibetischen Nordseite zu erreichen. „Ich werde dabei Flaschensauerstoff nutzen, weil ich der Meinung bin, dass ich nur dann andere Leute bestmöglich unterstützen kann“, sagt mir der 46-Jährige. „Wer ohne Sauerstoff an den Everest geht, ist schon so mit sich selbst beschäftigt, dass er wahrscheinlich keine Ressourcen mehr übrig hat, um noch andere zu betreuen.“ Ich habe mit ihm über die bevorstehende Saison gesprochen.

Dominik, mit welchen Erwartungen startest du bald Richtung Himalaya?

Dominik Müller

Es wird wahrscheinlich etwas mehr los sein, vor allem auf der Everest-Südseite. Aber auch auf der Nordseite wollen sich offenbar mehr Bergsteiger als sonst versuchen.

China hat wieder einmal die Preisschraube angezogen, um mehr als 30 Prozent. Ein Permit für den Everest kostet inzwischen knapp 10.000 Dollar. Was hat das für Auswirkungen?

Das wird nicht nur für den Everest, sondern ganz Tibet die Folge haben, dass die Kunden wegen der Preise wieder mehr auf die nepalesische Seite wechseln werden. Nichtsdestotrotz denke ich, dass sich am Everest nicht viel ändern wird. Ich sehe die Route auf der Nordseite mit Blick auf die objektiven Gefahren als die sicherere Route, auch wenn es von der Logistik her mehr Aufwand ist. Aber für die anderen Achttausender in Tibet wird es bedeuten, dass dort deutlich weniger los sein wird.

Viele Veranstalter bevorzugen noch immer die nepalesische Seite, weil sie die Politik Chinas in Tibet für unvorhersehbarer halten. Teilst du diese Einschätzung?

Es ist nicht unvorhersehbarer, als es vor acht oder zehn Jahren war. Für mich waren die Chinesen in Tibet bisher sehr verlässliche Partner. Wenn man etwas ausgemacht hatte, konnte man sich darauf berufen. Das hat immer gut funktioniert. So werden im kommenden Herbst für den Cho Oyu nur ein paar Permits verkauft. Das wurde vorher kommuniziert. Wir haben uns jedoch entschlossen, im Herbst an den Manaslu statt an den Cho Oyu zu gehen.

Nepalesische Seite des Cho Oyu

Nicht nur am Cho Oyu, auch an der Shishapangma soll es Einschränkungen bei den Permits für den Herbst geben. Wurde auch ein Grund genannt?

Anscheinend soll es im Herbst eine Veranstaltung in Tibet geben. Da haben die Chinesen wohl Angst, dass es zu Unruhen kommen könnte und wollen deshalb so wenig Ausländer wie möglich in Tibet haben. Ich hätte die Chance gehabt, Permits für den Cho Oyu zu erhalten, hätte sie aber schon jetzt bestätigen müssen. Nach meinen Informationen aus China werden in diesem Herbst nur 50 Permits verkauft. Der Vorteil ist, dass man dann recht einsam am Berg unterwegs ist. Es gibt aber auch Nachteile. So braucht man nach einem großen Neuschneefall auch Manpower. Wenn man dann nur mit kleinen Teams unterwegs ist, hat man Schwierigkeiten, die Route zu sichern.

Gipfel des Mount Everest (vom Nordostgrat aus gesehen)

Der Schweizer Expeditionsveranstalter Kari Kobler wies zuletzt auf die nach wie vor bestehende Korruption chinesischer Politiker in Tibet hin. Macht dir das auch Probleme?

Die Korruption gibt es natürlich – aber nicht nur in China, sondern in einigen Ländern weltweit, die wir als Bergsteiger bereisen. Ich glaube es ist vermessen, zu glauben, wir könnten die ganze Welt in diesem Punkt verändern. Wir müssen uns wohl damit arrangieren. Die einzige mögliche Konsequenz wäre, nicht mehr dorthin zu fahren. Aber dann können wir dem kleinen Mann – dem Sherpa, dem Koch, dem Küchenjungen – keine Arbeit mehr geben.

Inzwischen tauchen auch immer mehr chinesische Bergsteiger an den Achttausendern auf, nicht nur in Tibet, auch in Nepal. Ist China ist der Markt der Zukunft?

Für uns Europäer glaube ich das nicht. Die Chinesen werden wohl eher mit den einheimischen Agenturen unterwegs sein. Ich glaube, es wäre auch schwierig, Chinesen und Europäer als Kunden unter einen Hut zu bekommen. Allein schon wegen der Sprachbarriere.

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China dreht Preisschraube – und investiert https://blogs.dw.com/abenteuersport/china-dreht-preisschraube-und-investiert/ Fri, 13 Jan 2017 11:44:30 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34691 Tibetische Nordseite des Mount Everest

Tibetische Nordseite des Mount Everest

Achttausender-Bergsteigen in Tibet wird teurer, und das nicht nur am Mount Everest. Der chinesische Bergsteigerverband CMA hat nach mir vorliegenden Unterlagen die Preise für die Permits an Everest, Cho Oyu und Shishapangma deutlich erhöht, im Schnitt um mehr als 30 Prozent. Seit Anfang des Jahres verlangt die CMA für die Besteigung des höchsten Bergs der Erde ab einer Teamgröße von vier Teilnehmern 9950 US-Dollar je Bergsteiger. Bisher kostete das Everest-Permit etwa 7000 Dollar pro Nase. Für den Cho Oyu werden ab sofort 7400 Dollar fällig, für die Shishapangma 7150 Dollar für einen Aufstieg von der Nordseite, 7650 Dollar für eine Besteigung von der Südseite. Bei kleineren Teams bis zu drei Teilnehmern liegen die Kosten für die Permits sogar im fünfstelligen Bereich: 19.500 Dollar pro Person am Everest, je 12.600 Dollar an Cho Oyu und Shishapangma.

Preise gleichen sich an

Zum Vergleich: Die nepalesische Regierung verlangt für den Everest im Frühjahr 11.000 Dollar, für die anderen Achttausender 1800 Dollar pro Bergsteiger. Allerdings handelt es sich dort um das „nackte“ Permit, während in Tibet einige Leistungen mit eingeschlossen sind, wie die Anfahrt zum Basislager oder auch die Dienste des Verbindungsoffiziers. Dennoch: Langsam, aber sicher nähern sich die Expeditionspreise in China und Nepal an.

Markt der Zukunft

China hat offenkundig das Bergsteigen als Wachstumsbranche entdeckt. Kein Wunder, schließlich kaufen sich immer mehr Chinesen in kommerzielle Expeditionen ein – nicht nur in den heimischen Bergen, wo ihnen untersagt ist, mit ausländischen Anbietern unterwegs zu sein. „China ist der Markt der Zukunft“, schreibt mir Mingma Gyalje Sherpa, Chef des nepalesischen Veranstalters „Dreamers Destination“. „Die Chinesen haben jetzt auch begonnen, in fremden Ländern bergzusteigen.“

Mit dem Zug ins Basislager

Bauarbeiten an der Straße zum Cho Oyu (© Adrian Ballinger)

Bauarbeiten an der Straße zum Cho Oyu

Die chinesischen Behörden investieren in Tibet massiv in die Infrastruktur. Die Straße von der Hauptstadt Lhasa bis ins 5200 Meter hohe Everest-Basislager – früher auf vielen Abschnitten nicht mehr als eine Piste – ist inzwischen vollständig asphaltiert. „Als Touristenattraktion ist es eine der coolsten Straßen, die ich auf diesem Planeten bisher gesehen habe“, schwärmte der US-Expeditionsveranstalter Adrian Ballinger im Frühjahr 2016.
Im Ort Gangkar, auch bekannt als Old Tingri, soll, wie berichtet, bis 2019 ein riesiges Bergsteiger-Zentrum entstehen, inklusive Landeplatz für Hubschrauber-Rettungsflüge. In Tingri werde derzeit auch eine Verbrennungsanlage gebaut, schreibt mir der Schweizer Expeditionsveranstalter Kari Kobler. In drei bis vier Jahren solle es eine Eisenbahnverbindung bis in unmittelbare Nähe des Shishapangma-Basislagers geben.

Unberechenbare Politik

Everest-Nordseite im letzten Tageslicht

Everest-Nordseite im letzten Tageslicht

Der 61-Jährige ist ein alter Hase auf der tibetischen Seite des Himalaya. Seit vielen Jahren veranstaltet Kobler dort Expeditionen. Die großen Veränderungen stünden erst in den nächsten Jahren bevor, glaubt Kari. „Bis jetzt war es am Everest sehr ruhig, und es herrschte auf der Nordseite ein fast familiäres Verhältnis“, sagt Kobler und verweist auf die geringere Zahl der Gipfelanwärter, „nur ca. 30 Prozent der Gäste gegenüber der Südseite“. Nach wie vor sei allerdings Korruption ein großes Problem: „Es ist unglaublich, wie autonom die chinesischen Politiker in Tibet agieren.“ Sollten nicht – nach offizieller Lesart der Regierung in Peking – die Tibeter die Autonomen in China sein?
Trotz gestiegener Preise und politischer Unwägbarkeiten denkt Kobler nicht daran, auf die nepalesische Seite zu wechseln. Die objektiven Gefahren seien auf der Südseite des Mount Everest größer, meint Kari: „Es ist aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, bis wieder etwas Schlimmes passiert. Darum lieber die unberechenbare Politik als die unberechenbaren Gefahren.“

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Heidi Sand: „Du hast nur ein Leben. Nutze es!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/heidi-sand-du-hast-nur-ein-leben-nutze-es/ Tue, 13 Dec 2016 09:56:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34439 Heidi Sand (im November in Patagonien)

Heidi Sand (im November in Patagonien)

Dass der Denali ihr Leben auf diese Weise verändern würde, konnte Heidi Sand nicht ahnen. Als die deutsche Bergsteigerin und Bildhauerin 2010 vom Gipfel des höchsten Bergs Nordamerikas (6190 Meter) abstieg, hatte die damals 43-Jährige plötzlich starke Magenschwerzen. Wenig später die niederschmetternde Diagnose: Darmkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Nach der Notoperation folgte die Chemotherapie. „Wenn ich das überlebe, will ich mich mit einem Achttausender belohnen“, versprach sich Heidi damals – und erfüllte sich diesen (Über-) Lebenswunsch: Am 26. Mai 2012 stand die Mutter dreier Kinder auf dem Gipfel des Mount Everest.

Heidi Sand hat die kritische Fünfjahresmarke nach der Krebsdiagnose längst hinter sich. Sie gilt als geheilt – und hat nach dem Everest weitere Bergprojekte realisiert. So bestieg Heidi im Herbst 2013 ohne Flaschensauerstoff den Cho Oyu und im Frühjahr 2014 (mit Atemmaske) den Makalu. Mit Billi Bierling teilt sich Heidi die Ehre, als erste deutsche Bergsteigerinnen den Gipfel des Makalu erreicht zu haben. Ihre drei Achttausender-Erfolge widmete sie ihren Kindern, für ihren Mann blieb die Eiger-Nordwand, die Sand vor einem Jahr durchstieg. In diesem November versuchte sie sich mit dem Schweizer Bergführer Lorenz Frutiger vergeblich am legendären Granitriesen Fitz Roy in Patagonien, das Wetter machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ich habe der 50-Jährigen vier Fragen zu ihrem Bergsteigen gestellt.

Heidi, was verdankst du den Bergen, speziell dem Mount Everest?

Heidi Sand (© AthletenWerk/Bob Berger)

Am Mount Everest (© AthletenWerk/Bob Berger)

Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl, auf dem höchsten Punkt der Erde stehen zu dürfen. In dem Bewusstsein, dass dich deine mentale Stärke und deine körperliche Fitness dort hoch gebracht haben. Jeder neue Gipfel gibt mir eine neue Perspektive – nicht nur das Umland, sondern insbesondere auch auf mich selbst, auf mein Leben. Es gibt mir Kraft und Zuversicht.
Das Ziel, den Everest zu besteigen, habe ich während der Chemotherapie gefasst, und mich hat dieses Ziel vor Augen aus meinem Tal gezogen. Nicht hinsetzen und in Selbstmitleid verfallen, sondern aufstehen. Sich bewegen und wieder das Licht am Ende des Tunnels finden.

Du bist als Krebskranke dem Tod von der Schippe gesprungen. Hat dich diese Erfahrung in den Bergen mutiger oder zumindest risikofreudiger gemacht?

Ich konzentriere mich stärker als früher auf die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, die mir am Herzen liegen. Wir schulden es uns selbst und den anderen, jeden Tag auszuschöpfen. Du hast nur ein Leben. Nutze es!
Risikofreudiger – in dem Sinne, dass ich jetzt mehr Risiken eingehe als früher – bin ich nicht geworden. Da ich jetzt aber öfter in den Bergen bin und meine Ziele konsequenter verfolge, gehe ich in der Summe natürlich schon höhere Risiken ein, die es mir aber wert sind.

Am Fitz Roy

Am Fitz Roy

Nach dem Everest hast du auch den Cho Oyu und den Makalu bestiegen. War es das für dich mit den Achttausendern?

Ich hatte mit dem Cho Oyu noch eine Rechnung offen und wollte außerdem einen 8000er ohne zusätzlichen Sauerstoff besteigen. Der Makalu wird weit seltener bestiegen als der Everest und stellt auch technisch sehr viel höhere bergsteigerische Anforderungen. Jedes Projekt war detailliert geplant, aber es gibt natürlich immer Ereignisse, die man nicht voraussehen kann. Ich hatte also auch großes Glück, alle drei besteigen zu dürfen. Gegenwärtig möchte ich nicht sagen, dass es das mit den Achttausendern nun war. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Aber es gibt noch viele weitere bergsteigerische Herausforderungen für mich, die nicht nur durch ihre Höhe definiert sind, wie z. B. die Eigernordwand (durchstiegen am 20.12.2015), den Fitz Roy in Patagonien, den Mount Foraker in Alaska und viele weitere Berge in den Alpen und weltweit.

Nach welchem Muster suchst du deine Bergziele aus?

Ich habe keine ausgefeilte Strategie. Das jeweilige Bergziel muss mich vielmehr einfach ansprechen. Emotional, optisch, wegen seiner Geschichte oder aufgrund seiner bergsteigerischen Herausforderung für mich. Meistens sind es mehrere dieser Faktoren.
Beim Abstieg vom Everest habe ich mich in den Makalu „verguckt“. Diese überwältigende Felspyramide hat mir damals schon quasi zugewunken. Zudem gilt er als schwieriger 8000er, wegen seiner Höhe und seinen technischen Herausforderungen. Bei der Eiger-Nordwand – an deren Fuß ich schon oft Skifahren war und das Buch „Die weiße Spinne“
(von Heinrich Harrer über die Erstdurchsteigung der Wand im Jahr 1938) verschlungen habe – hat mich natürlich seine tragische Geschichte in ihren Bann gezogen. Erst wenn ich dann solch einen Berg gefunden habe, geht es an die Planung und Vorbereitung.

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