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Zurück in der Zivilisation

Ich fühle mich erschlagen. Liegt es an den anderthalb Tagen Jeep- und Busfahrt? Liegt es am Höhenunterschied von 4000 Metern gegenüber dem Basislager an der Mount Everest- Nordwand? Liegt es am Lärm und an der Quirligkeit der Millionen-Stadt Kathmandu? Oder liegt es ganz einfach daran, dass unsere Expedition nun Vergangenheit ist? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus allen Faktoren.

Duschen bis das Wasser kalt wird

Wir sind zurück in der Zivilisation. Es ist ein herrliches Gefühl, nach einem Monat wieder ausgiebig zu duschen. Ich stand so lange unter der Brause, bis das Wasser kalt wurde. Ich weiß, eigentlich sollte ich mit warmem Wasser in Nepal sparsam umgehen, aber ich konnte einfach nicht anders. Anschließend rasierte ich mich – was mindestens so lange dauerte wie das Duschen. Nun bin ich also wieder sauber, nicht nur körperlich, sondern auch textil-technisch: Ich hatte mir einige frische Klamotten für Kathmandu zurückgelegt. Die Rückverwandlung vom Yeti zum Stadtmenschen ist also vollzogen.

Ist der Everest damit für mich Geschichte? Die Eindrücke sind noch sehr frisch, irgendwann werden sie Erinnerungen. Chomolungma, die „Göttinmutter der Erde“, war uns gnädig gesonnen. Gerlinde, Ralf, Hiro, Sitaram und ich sind heil an Körper und Seele von unserem Abenteuer zurückgekehrt – keine Selbstverständlichkeit, bedenkt man, wie nahe Hiro dem Tod war. Und doch wird er zu den Achttausendern zurückkehren – wenn auch erst nach einem medizinischen Check in seiner Heimatstadt Tokio.

Danke für´s Daumen drücken

Sie werden sich vielleicht fragen, warum. Ob es nicht sinnvoll wäre, nach einem derartigen Grenzerlebnis den Schlussstrich unter das Höhenbergsteigen zu ziehen? Aber dann wäre Hiro nicht Hiro. Die Angst vor einem neuen Hirnödem wird mitklettern, aber ihn nicht davon abhalten, wieder Risiken einzugehen. Ganz ausdrücklich bedankt sich der Japaner bei allen Lesern des Blogs, die ihm in den dramatischen Stunden am Everest die Daumen gedrückt haben – und mehr.

Ich danke Ihnen auch für Ihr Mitgefühl, Ihr Mitfiebern und Ihr Miterleben-Wollen während der Zeit an der Mount Everest-Nordwand. Auf Wiederlesen!

Datum

Sonntag 05.06.2005 | 14:19

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