Astrid: Ich greife zur Flasche
Jetzt mal ehrlich: Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, diese Schlagzeile gerne gelesen? Haben Sie heimlich darauf spekuliert, dass einer von uns drei Bloggern beim Fasten kapituliert? Dass uns der Sinn des Verzichts abhanden kommt und wir aufgeben? Publizistisch spannender wäre das wohl allemal. Schließlich ist auch ein Fasten-Blog nicht frei von der journalistischen Maxime „Bad news are good news“. Oder doch?
Ich gestehe: Oft war ich davor, die angebrochene Flasche Riesling „feinherb“ auch auszutrinken. Immer wieder schlich ich spät abends um den Kühlschrank herum und dachte mir: Habe ich nicht schon genug Tee aufgebrüht? Was bringt es überhaupt, auf Alkohol zu verzichten? Ist das nicht ungeheuer langweilig?
Für den Fasten-Blog wäre eine solche Schwäche-Attacke dramaturgisch sicherlich gut gewesen. Wenn es darum geht, in die Abgründe der menschlichen Seele zu schauen, das gebe ich gerne zu, gehöre auch ich zum interessierten Leserkreis. Ich stelle mir gerade die Schlagzeilen vor: „Rückfall vor dem Weinregal“, „Gescheitert: Autorin des Fastenblogs greift erneut zur Flasche“, oder „Ich gebe auf: Trinken statt fasten“.
Vor meinem geistigen Auge spielen sich dramatische Szenen ab. Ich schmeiße aus Wut über meine eigene Schwäche eine Flasche Rotwein an die Wand, sammle unter Tränen die Scherben vom Boden auf, verletze mich dabei an der Hand, Blut tropft aus meinen Fingern, die ganze Familie schaut fassungslos und erschrocken auf die verwirrte Mutter herab und versorgt diese mit Pflastern und tröstenden Worten, um Schlimmeres zu verhindern.
Ja, der Kick des Negativen verfügt über eine ganz besondere Kraft. Was wären wir ohne Waldsterben, Schweinepest und Rinderwahn, ohne Flüchtlingselend und Hungerkatastrophen? Was ohne Müllhalden im Meer, Korruptionsskandale, illegale Waffengeschäfte und die Drogenmafia? Was ohne Schadenfreude?
Unser Fastenblog kämpft weiter gegen die Allmacht der „bad news“ an. Auch der DW bleibt ja nichts anderes übrig, als im Strom der negativen Nachrichten mit zu schwimmen. Letztere haben bekanntlich Flügel. Doch ich bleibe dabei: Schlechte Nachrichten können der Sehnsucht nach einer besseren Welt nichts anhaben. Schwarze Nachrichtenkrümel prallen an ihr ab, die Sehnsucht kommt immer wieder hinten den dunklen Wolken globaler Schreckgespenster hervor.
„Bad news are good news“ – an diesem scheinbar zynischen journalistischen Grundsatz wird dieser bescheidene Fastenblog sicherlich nichts ändern. Doch die Tage des Verzichts haben meinen Blick um eine andere, zusätzliche Maxime erweitert: Es lohnt sich, hinter all den negativen Schlagzeilen auch nach guten Nachrichten zu suchen. Und zu machen: Wir halten durch!