Everest-Regeln – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Doppelt beinamputierter Chinese will auf den Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/doppelt-beinamputierter-chinese-will-auf-den-everest/ Sat, 31 Mar 2018 20:21:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40121

Xia Boyu

Die Entscheidung des Obersten Gerichts Nepals, die neuen Everest-Regeln der Regierung zu kippen, hat den Weg für ihn frei gemacht: Der doppelt beinamputierte Chinese Xia Boyu wird sich in diesem Frühjahr auf der nepalesischen Südseite des höchsten Bergs der Erde versuchen. „Wir haben für ihn ein Permit erhalten“, schreibt mir Mingma Gyalje Sherpa, Chef und Expeditionsleiter des nepalischen Veranstalters „Imagine Trek and Expedition“. Der Supreme Court in Kathmandu hatte, wie berichtet, Anfang März die von der Regierung geplante Neuerung, künftig keine Permits mehr für doppelt beinamputierte und blinde Bergsteiger zu gewähren, als diskriminierend zurückgewiesen. Auch Mingma Gyalje hatte für die Entscheidung der Regierung nur ein Kopfschütteln übrig: „Es gibt viele behinderte Bergsteiger, die leistungsfähiger sind als Nicht-Behinderte.“

Schlafsack an Teamkollegen abgegeben

Xia auf der Everest-Südseite

Für den 69 Jahre alten Xia Boyu ist es bereits der fünfte Versuch am Everest. Bei seinem ersten Anlauf 1975 war sein Team rund 250 Meter unterhalb des Gipfels in einen Wettersturz geraten. Zwei Tage und drei Nächte mussten die chinesischen Bergsteiger auf einer Höhe von 8600 Metern bei Temperaturen von minus 25 Grad Celsius verbringen. In der folgenden Nacht auf 7600 Meterm überließ Xia einem in Not geratenen Teamkollegen seinen Schlafsack. Seine Selbstlosigkeit bezahlte er mit schweren Erfrierungen, beide Beine mussten ihm amputiert werden.

2016 knapp gescheitert

Später erkrankte er auch an Lymphdrüsenkrebs. Doch Xia gab die Hoffnung, den Everest zu besteigen, nicht auf. Mit Prothesen begann er wieder zu klettern – und kehrte 2014 zum Everest zurück. Wegen des Lawinenunglücks im Khumbu-Eisbruch mit 16 Toten musste Xia damals unverrichteter Dinge  heimkehren, genauso wie 2015 nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal. Im Frühjahr 2016 scheiterte Xia wegen schlechten Wetters rund 100 Meter unterhalb des Gipfels. „Wenn ich alleine gewesen wäre und in Anbetracht meines Alters und der 40 Jahre, die ich für meinen Traum gekämpft hatte, wäre ich weiter aufgestiegen, ohne an die Konsequenzen zu denken“, sagte Xia Boyu in einem Interview von aponetv.cn. „Aber als ich zurückschaute, blickte ich in die Gesichter von fünf Sherpas. Sie haben Familien. Deshalb beschloss ich umzukehren.“

Hari Budha Magar erst 2019 zum Everest

Auch der doppelt beinamputierte Hari Budha Magar wollte ursprünglich in diesem Frühjahr den Everest besteigen. Der Nepalese verschob sein Vorhaben jedoch wegen der neuen Expeditionsregeln in seinem Heimatland um ein Jahr. Der 38-Jährige hatte als Soldat des britischen Gurkha-Regiments bei einer Bombenexplosion 2010 in Afghanistan beide Beine oberhalb der Knie verloren.

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Mingma Sherpa: „Wir brauchen keine Regeln für den Everest“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mingma-sherpa-wir-brauchen-keine-regeln-fuer-den-everest/ Mon, 26 Mar 2018 07:19:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40057

Mingma Sherpa

Keine Frage, Seven Summits Treks polarisiert. Auf der einen Seite stehen die Kritiker, die dem nepalesischen Expeditionsveranstalter vorwerfen, mit Dumpingpreisen Kunden anzulocken, auf Kosten der Sicherheit. Auf der anderen Seite gibt es offenbar sehr viele Bergsteiger, die,  allen kritischen Stimmen zum Trotz, bei Seven Summits Treks buchen. Egal, an welchem Achttausender, fast immer stellt die Agentur von Mingma Sherpa die teilnehmerstärkste Expedition. „Ich bin in meinem Beruf erfolgreich, weil meine Kunden an mich glauben“,  sagt mir der Chef des Unternehmens in Kathmandu. 2011 komplettierte Mingma als erster Nepalese seine Sammlung der 14 Achttausender. „Ich wollte zeigen, dass wir Sherpas nicht nur gute Träger und Bergführer sind, sondern auch richtige Bergsteiger.“ 2013 folgte sein jüngerer Bruder Chhang Dawa Sherpa dem Beispiel Mingmas. Die beiden sind das einzige Brüderpaar, das auf allen 14 Achttausendern stand. Chhang Dawa arbeitet als Expeditionsmanager ebenfalls bei Seven Summit Treks mit.

„Everest-Chance für alle“

Südseite des Mount Everest

Mingma verteidigt sich gegen den Vorwurf, er verderbe mit seinen Billigangeboten die Preise. „Ich träume nicht davon, das große Geschäft zu machen“, behauptet der 39-Jährige. „Ich verlange niedrigere Preise, weil ich auch Leuten mit einem kleineren Geldbeutel die Chance geben will, den Everest zu besteigen. Als ich selbst die Achttausender versuchte, hatte ich auch wenig Geld.“ Den Vorwurf, er spare an der Sicherheit, will der Sherpa ebenfalls nicht auf sich sitzen lassen: „Wenn jemand stirbt, liegt es entweder an den Bedingungen am Berg oder der körperlichen Verfassung der Bergsteiger. Da macht es doch keinen Unterschied, ob sie 20.000 oder 100.000 Dollar bezahlt haben.“

„Mehr Personal, mehr Sicherheit“

Auch die Tatsache, dass seine Expeditionsteams so groß seien, gehe nicht auf Kosten der Sicherheit, findet Mingma. „Wenn ich nur drei Kunden und drei Sherpas am Berg habe, kann ich im Notfall doch kaum eine Rettungsaktion durchführen“, sagt der Chef von Seven Summits Treks. „Ich  aber habe 100 Kunden und 100 Sherpas vor Ort. Wenn etwas passiert, habe ich genügend Personal, um Bergsteiger zu retten. Meine Kunden sind sicherer als die, die 100.000 Dollar hingeblättert haben.“

„Nicht jeder ist ein Moro oder Steck“

Mingma war der erste Nepalese auf allen vierzehn 8000ern

Inzwischen bietet seine Agentur jedoch selbst Everest-Expeditionen für 130.000 Dollar an. „Es gibt eben Leute, die nicht aufs Geld gucken müssen“, sagt Mingma. „Sie haben das Geld, wir bieten Service. Es gibt in jeder Hinsicht mehr.“  Ein bis zwei Kunden hätten sich in diesem Jahr für diese Luxus-Variante entschieden. In der Ausschreibung für die Expedition hatte Seven Summits Treks das Profil der Teilnehmer so beschrieben: „Sie sind wirtschaftlich stark, um Ihr hohes Alter, Ihren schwachen körperlichen Zustand oder Ihre Angst vor den Gefahr zu kompensieren.“  Mingma sieht darin nichts Verwerfliches: „Wir haben am Berg auf dem Weg über die Hochlager bis zum Südsattel noch ausreichend Zeit, uns die Gipfelkandidaten genau anzugucken. Und wenn wir das Gefühl haben, sie schaffen es nicht, raten wir ihnen, umzukehren und es lieber beim nächsten Mal zu versuchen.“

Ich wende ein, dass solche Leute aufgrund ihrer fehlenden bergsteigerischen Fähigkeiten am Everest eigentlich nichts zu suchen haben. „Nicht alle Kunden kommerzieller Expeditionen sind Alpinisten vom Schlage eines Simone Moro oder Ueli Steck“, entgegnet Mingma. „Sie müssen vorher keinen Siebentausender bestiegen haben. Für den Everest reicht es, wenn sie die Erfahrung von zwei oder drei Sechstausendern mitbringen. Am Berg haben wird dann noch bis hinauf nach Lager 4 ausreichend Zeit, ihnen mehr beizubringen.“

„1000 gleichzeitig, kein Problem“

Schlangestehen am Everest

Von Regeln für den höchsten Berg der Welt hält der Chef von Seven Summit Treks ohnehin nichts. „Jeder will doch hinauf auf den Everest“, sagt Mingma. „Wenn er genug Energie dafür hat, sollte er es auch dürfen. Ich bin dafür, die Berge für alle offen zu halten. Wir leben im 21. Jahrhundert, die Leute wissen, was sie tun.“ Es sei auch kein Problem, wenn hunderte von Bergsteigern gleichzeitig am Everest unterwegs seien, meint Mingma Sherpa. „Wir können eine unbegrenzte Zahl von Bergsteigern am Berg managen. Wenn es mehr als 1000 sind, legen wir eben mehrere Spuren mit Fixseilen. Dann ist es kein Problem, wenn sie gleichzeitig aufsteigen.“

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Ralf Dujmovits: „Everest ad acta gelegt“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-everest-ad-acta-gelegt/ Wed, 21 Mar 2018 19:23:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39989

Begeisterter Empfang für Ralf Dujmovits (r.)

Eine gemeinsame Woche Nepal liegt hinter Ralf Dujmovits und mir. Wie berichtet, weihten wir in Thulosirubari, einem kleinen Bergdorf rund 70 Kilometer östlich von Kathmandu, die ersten beiden Gebäudeteile der neuen Schule ein, die dank unseres Hilfsprojekts „School up!“ gebaut werden konnten. Und  wir legten den Grundstein für die zweite Bauphase. In Kathmandu führte ich einige Interviews – die mit den Expeditionsveranstaltern Arnold Coster und Mingma Gyalje Sherpa konntet ihr schon lesen, weitere folgen in Kürze. Ralf nutzte die Zeit, um alte Bekannte zu treffen und einige seiner Lieblingsorte in der Hauptstadt zu besuchen. Der 56-Jährige ist nach wie vor der einzige deutsche Bergsteiger, der alle 14 Achttausender bestiegen hat. Lediglich am Mount Everest griff er im Herbst 1992 zu Flaschensauerstoff. Siebenmal versuchte er hinterher, auch den höchsten Berg der Erde ohne Atemmaske zu besteigen, siebenmal scheiterte er – zuletzt im Frühjahr 2017 auf 8580 Metern auf der tibetischen Nordseite des Bergs.

Ralf, wir sind jetzt hier in Kathmandu, nicht weit weg vom Mount Everest, etwa 160 Kilometer Luftlinie. Juckt es dich da nicht doch ein bisschen?

Nein, im Moment gar nicht. Ich habe für mich diese Geschichte abgeschlossen. Ich beschäftige mich natürlich noch mit dem, was am Everest vor sich geht. Das ist nach wie vor sehr spannend. Aber für mich selbst habe ich die Sache ad acta gelegt.

Dujmovits: Habe Everest ad acta gelegt

Ralf am Everest

Du hast das Geschehen am Everest über Jahrzehnte verfolgt und auch miterlebt. Wie beurteilst du die Entwicklung der letzten Jahre?

Es scheint so, als kämen immer noch mehr Leute zum Everest. Ich hatte nach dem schweren Lawinenunglück 2014 im Khumbu-Eisbruch mit 16 Toten eigentlich erwartet, dass sich die Zahl reduziert. Dass die Leute die Gefahren vor allem auf der Südseite sehen, vor allem jene, dass es immer mehr Bergsteiger gibt, die sich dort oben gewissermaßen zu Tode stauen. Aber anscheinend passiert das Gegenteil. Die Agenturen sprechen von guten Buchungszahlen. Vor allem die nepalischen Agenturen sind sehr aktiv. Ich glaube, es gibt eher mehr Betrieb als jemals zuvor.

Hat das noch etwas mit Bergsteigen zu tun, was am Everest abgeht?

Das Bergsteigen bleibt natürlich etwas auf der Strecke, wenn so viele gleichzeitig an den Fixseilen nach oben zu steigen versuchen. Jeder sieht Bergsteigen anders. Es mag sein, dass der eine oder andere auch den Aufstieg mit 30 oder 40 anderen innerhalb von 50 Metern Fixseil als spannend empfindet. Meine Art wäre es nicht. Aber ich glaube, das muss man jedem selbst überlassen. Und solange die Regularien, die Zahl der Bergsteiger einzuschränken, nicht wirklich greifen, sogar eigentlich überhaupt nicht vorhanden sind,  wird sich die Situation auch nicht ändern.

Dujmovits: Meine Art wäre es nicht

Menschenschlange am Everest (2012)

Die Diskussion darüber wird seit Jahren geführt, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten. Glaubst du, dass es jemals Regeln gibt, die dafür sorgen werden, dass am Everest weniger los ist?

Ich bin sehr skeptisch, weil die Regierung Nepals das Problem zu wenig ernst nimmt. Es geht vor allem ums Geld. Die Regeln, die zuletzt aufkamen, dass man versuchte, Menschen mit Behinderung auszuschließen,  waren zum einen völlig daneben. Zum anderen musste die Regierung diese Regelung später zurücknehmen. Das war wirklich kein Weg, eine Lösung zu finden. Ich glaube, es geht nur darüber, genau nachzufragen und es sich auch belegen lassen, ob die Leute schon auf einem Siebentausender oder möglichst sogar auf einem anderen Achttausender waren, bevor sie zum Everest kommen. Ich denke, nur darüber ließe sich die Zahl reduzieren. Solange aber einige nepalische Agenturen jeden mitnehmen, der das nötige Kleingeld hat, wird sich die Situation nicht ändern.

Es fällt auf, dass in den letzten Jahren die Kangchung-Seite des Everest, also die Ostflanke des Bergs,  total verwaist war, und dass auch die Versuche in der Nord- oder der Südwestwand an einer Hand abzuzählen waren. Man hat fast das Gefühl, als würden die Topbergsteiger einen Bogen um den Everest machen.

Es ist fast schon verpönt, am Everest als so genannter „richtiger“ Bergsteiger unterwegs zu sein. Die eher moderneren Ziele sind unbestiegene, schwierige Sechstausender und anspruchsvolle Routen an Siebentausendern. In Pakistan gibt es noch zehn unbestiegene Siebentausender. Ich glaube, dort werden auch die jüngeren, ambitionierten Bergsteiger ihre Ziele finden.

2014 im Everest-Hochlager

Kann man am Everest überhaupt von einer garantierten Sicherheit sprechen, wenn so viele Menschen auf einer Route aufsteigen, selbst wenn man dort zwei parallele Spuren legt?

Eine garantierte Sicherheit gab es noch nie. Aber auch das, was in den Prospekten als „99 Prozent Sicherheit“ verkauft wird, haut nicht hin, wenn so viele Leute gleichzeitig unterwegs sind. Es gibt einige Engpässe am Everest,  z.B. das „Gelbe Band“ (auf 7500 Metern unterhalb des Südsattels) oder der ausgesetzte Gipfelgrat. Dort werden sich auch weiterhin Staus bilden. Diese bleiben eine große Gefahr bei Wetterumstürzen, die nie auszuschließen sind.

Dujmovits: Staus bleiben große Gefahr

Denkst du, dass viele auch aus Sicherheitsgründen auf die Nordseite des Everest wechseln?

Die Tendenz, dass es auf der tibetischen Nordseite voller wird, ist abzusehen.  Einige große Veranstalter sind dorthin gewechselt. Kari Kobler ist schon lange drüben und macht dort wirklich eine sehr gute Arbeit. Die Chinesen nehmen ihren Job sehr ernst, sowohl als Organisator des Basislagers als auch hinsichtlich der Infrastruktur am Berg. Auf der Nordseite werden auch die Regularien ernster genommen. Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um die Sicherheit der Bergsteiger. Von daher kann ich den Leuten aktuell nur raten: Geht auf die Nordseite!

Dujmovits: Geht auf die Nordseite!

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Mingma Gyalje Sherpa: „Billiganbieter spielen mit dem Leben ihrer Kunden“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mingma-gyalje-sherpa-billiganbieter-spielen-mit-dem-leben-ihrer-kunden/ Sun, 18 Mar 2018 17:52:36 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39969

Mingma Gyalje Sherpa

Sein Erfolgsgeheimnis? „Eigentlich ist es nur mein Job, Ich leite schließlich ein Unternehmen. Deshalb muss ich meine Kunden auf den Gipfel führen“, sagt mir Mingma Gyalje Sherpa, als wir uns in einem Café in Kathmandu gegenübersitzen. In den vergangenen Jahren hat sich der 31-Jährige zum Überflieger unter den Sherpas gemausert. Im Herbst 2015 kletterte er als Erster durch die Westwand des 6685 Meter hohen Chobutse im Rolwaling, seinem Heimattal – und das alleine. Es war die erste Soloerstbegehung eines Sherpas in Nepal. Auch als Expeditionsleiter sorgte er Schlagzeilen. 2017 stieg niemand so häufig über die magische 8000-Meter-Grenze wie Mingma: Insgesamt sechsmal betrat der Chef des Expeditionsveranstalters „Imagine Trek and Expedition“ die Todeszone: am Dhaulagiri, Makalu, K 2, Broad Peak und zweimal am Nanga Parbat. Viermal erreichte er den Gipfel (Dhaulagiri, Makalu, K 2, Nanga Parbat), die fünfte Besteigung am Broad Peak ist umstritten. „Ich werde in diesem Jahr an diesen Berg zurückkehren“, kündigt Mingma an. „Ich bin eigentlich immer noch ziemlich sicher, dass wir oben waren. Aber diesmal will ich zweifelsfrei den höchsten Punkt des Broad Peak erreichen, zum einen, um die Debatte zu beenden, zum anderen für mich selbst.“

Bessere Bedingungen im Herbst

Im Sommer am Nanga Parbat

Auch am Nanga Parbat hatte sich Mingma im Herbst vergangenen Jahres ein zweites Mal versucht, da er sich nicht sicher war, ob er bei seinem ersten Gipfelversuch im Sommer bei schlechtem Wetter wirklich den höchsten Punkt gefunden hatte. Gut drei Monate später erreichte er mit mehreren Kunden zweifelsfrei den Gipfel. „Die Bedingungen waren im September deutlich besser als im Sommer“, erzählt Mingma. „Vielleicht ist es wirklich das Erfolgsrezept der Zukunft, diesen Achttausender später im Jahr anzugehen.“

Erst Lhotse, dann Everest

Everest (l.) und Lhotse (Mitte)

In diesem April wird Mingma erst mal eine Lhotse-Everest-Expedition leiten. Zunächst will er zwei chinesische Kunden auf den 8516 Meter hohen Gipfel des Lhotse führen, anschließend sieben Chinesen auf den 8850 Meter hohen Mount Everest. Wie im Vorjahr setzt der Sherpa darauf, früh in der Saison erfolgreich zu sein: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir als erstes Team der Saison auf dem Lhotse stehen werden. Wir planen den Gipfelvorstoß für Ende April oder die erste Maiwoche.“ Anschließend will er sich dem Everest zuwenden, den er bereits fünfmal (mit Flaschensauerstoff) bestiegen hat. Dass es auf der Normalroute unter Umständen richtig voll wird, schreckt Mingma nicht ab. „Damit kann ich leben“, sagt der Expeditionsleiter. „Wir beschäftigen nur sehr erfahrene Sherpas und achten darauf, dass unsere Teams nicht zu groß sind.“

Gute Climbing Sherpas kosten Geld

Mingma auf dem Gipfel des K 2

Mingma Gyalje Sherpa hält nichts von den Billiganbietern unter den Expeditionsveranstaltern. „Ein geringes Budget bedeutet geringe Sicherheit. Wenn du erfahrene und gut trainierte Climbing Sherpas haben willst und damit eine höhere Sicherheit, musst du sie auch entsprechend besser bezahlen“, meint Mingma, der selbst ein Bergführer-Zertifikat der UIAGM (Internationale Vereinigung der Bergführerverbände) hat. „Die Billiganbieter sollten sich bewusst sein, dass sie mit dem Leben ihrer Kunden spielen. Eigentlich bräuchten wir Mindeststandards für Expeditionsveranstalter, aber ich bin skeptisch, ob wir sie jemals erhalten.“

„Andere Regeln müssen her“

Auf die Regierung setzt Mingma dabei wenig Hoffnung. Die inzwischen vom Obersten Gericht Nepals wieder gekippte neue Regel, doppelt Beinamputierten und blinden Bergsteigern keine Permits mehr zu erteilen, bezeichnet er als diskriminierend: „Es gibt viele behinderte Bergsteiger, die leistungsfähiger sind als Nicht-Behinderte.“ Um die Zahl der Gipfelanwärter am Everest zu reduzieren, müssten andere Regeln her, findet Mingma: „So könnte man beispielsweise verlangen, dass sie schon einen anderen Achttausender bestiegen haben. Oder wenigstens einen Siebentausender.“

Ziel: Alle 8000er ohne Atemmaske

Solo am Chobutse (2015)

Seine persönlichen Ambitionen als Bergsteiger stellt Mingma Gyalje Sherpa zunächst hintenan. Das bedeutet aber nicht, dass er seinen großen Traum aufgegeben hat. Der 31-Jährige möchte der erste Nepalese werden, dem es gelingt, alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. „Drei fehlen mir noch in der Sammlung,“ sagt Mingma und meint den Mount Everest, den Gasherbrum II und die Shishapangma. Nimmt man den Broad Peak (s.o.) hinzu, wären es vier. „In diesem Jahr muss ich mich darauf konzentrieren, meine Kunden sicher auf Everest zu führen. Da kann ich nicht auf die Atemmaske verzichten. Aber vielleicht versuche ich es 2019.“

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Coster: „Zu viel los im Khumbu-Eisbruch“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/coster-zu-viel-los-im-khumbu-eisbruch/ Thu, 15 Mar 2018 19:00:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39915

Arnold Coster

Die Everest-Frühjahrssaison ist eingeläutet. An diesem Samstag werden acht so genannte „Icefall Doctors“ im Basislager auf der nepalesischen Südseite des höchsten Bergs der Erde eine Puja feiern, eine buddhistische Zeremonie, mit der die Götter um ihren Segen gebeten werden. Ab kommender Woche werden die für diese Aufgabe spezialisierten Sherpas dann die diesjährige Route durch den Khumbu-Eisfall vorbereiten. Anfang April werden die ersten kommerziellen Teams im Basislager erwartet. „Ich bin gespannt, wie voll es in diesem Jahr auf der Südseite sein wird, nachdem die Zahlen zuletzt alljährlich kontinuierlich gestiegen sind“, sagt mir Arnold Coster, als ich ihn heute in Kathmandu treffe. „Ich frage mich auch, wie viele Bergsteiger wirklich auf die tibetische Seite wechseln.“

Nur ein neuer Anbieter in Tibet

Tibetische Nordseite des Mount Everest

In Wahrheit sei nur der Veranstalter Altitude Junkies des Briten Phil Crampton dazugekommen, sagt Arnold: „Ansonsten sind es die normalen Anbieter auf der Nordseite, mich eingeschlossen, nur mit größeren Gruppen als bisher.“ Der 41 Jahre alte Niederländer wird ein international gemischtes Team aus zwölf Kunden leiten. Auch im vergangenen Jahr war Arnold bereits auf der tibetischen Nordseite. „Der Hauptgrund ist, dass mir im Khumbu-Eisbruch auf der Südseite einfach zu viel los ist. Da gibt es zu viele Leute, die zu langsam unterwegs sind, und damit gerätst du allzu leicht in einen Stau.“ Zudem seien die objektiven Gefahren auf der Nordseite deutlich geringer. Nach starkem Schneefall bestehe lediglich, wenn überhaupt, auf dem Weg zum 7000 Meter hohen Nordsattel Lawinengefahr, sagt Coster. Auf der Südseite dagegen sei die Lawinengefahr deutlich höher. Im Khumbu-Eisbruch sei sie ständig vorhanden, doch auch im darüber gelegenen Western Cwm, dem „Tal des Schweigens“, oder auch in der Lhotse-Flanke.

Dreimal auf dem Gipfel

Arnold auf Expedition

Seit 2004 lebt Coster in Nepal. Er ist mit Maya Sherpa verheiratet, einer der bekanntesten Bergsteigerinnen des Landes (mein Interview mit ihr folgt später). Sie haben zusammen eine sieben Jahre alte Tochter. Arnold wird in diesem Jahr zum 15. Mal eine Everest-Expedition leiten. Dreimal stand er bisher auf dem Gipfel auf 8850 Metern, so oft wie kein anderer Bergsteiger aus den Niederlanden. „Mein Job ist es, mich um meine Leute zu kümmern, nicht, selbst zum höchsten Punkt aufzusteigen“, sagt Arnold und verweist darauf, dass er bereits achtmal auf dem 8749 Meter hohen Everest-Südgipfel gewesen sei. „Sehr oft klettere ich mit meiner Gruppe los, drehe dann aber mit jemand um, der Hilfe braucht.“ 2016 kam jedoch für zwei seiner Kunden jede Hilfe zu spät. Innerhalb von 24 Stunden starben ein Niederländer, mit dem Coster befreundet war, und eine Australierin – und das, obwohl beide nach dem Gipfelversuch den Südsattel erreicht hatten. In den sozialen Netzwerken wurde Arnold hinterher beschuldigt, die Familien der Verstorbenen nicht rechtzeitig informiert zu haben.

Verbindungsoffizier gab sensible Information weiter

Im Khumbu-Eisbruch

„Das entsprach nicht der Wahrheit. Ich hatte vom Berg aus den Ansprechpartner für Notfälle informiert. Diese Information wurde nicht direkt an die Familien und Freunde weitergeleitet. Für diesen Fehler hat man mich dann zu Unrecht verantwortlich gemacht“, sagt Coster. „Dabei musste ich mich doch am Berg um die Rettung anderer Teammitglieder und die Bergung der Opfer kümmern.“ Dafür, dass die Familien den Tod ihrer Angehörigen aus dem Internet erfahren hätten, sei der Verbindungsoffizier im Basislager verantwortlich gewesen, so Arnold. Der habe nichts Besseres zu tun gehabt, als interne Informationen aus dem Funkverkehr in einem Zeitungsinterview preiszugeben.

Ziemlich dumm“

Von den neuen Bergsteiger-Regeln für Expeditionen in Nepal hält Coster nichts. Die Regierung hatte – wie berichtet – beschlossen, keine Permits mehr an doppelt Beinamputierte sowie Blinde zu vergeben sowie Solo-Aufstiege zu verbieten. Das Oberste Gericht Nepals hob inzwischen das Permit-Verbot für Behinderte wieder auf. Die Regeln seien „ziemlich dumm“, sagt Arnold, „weil diese Leute nicht die Probleme am Everest verursachen. Das große Problem auf der Südseite sind die unerfahrenen Leute.“ Viel mehr Sinn würde es etwa machen, wenn man den Everest-Anwärtern vorschreibe, zuvor mindestens einen Siebentausender in Nepal bestiegen zu haben, findet Coster: „Das könnte man gut kontrollieren, weil das (Tourismus-) Ministerium diese Besteigungen erfasst. Und zusätzlich bliebe der Bergtourismus als eine der wichtigsten Einnahmequellen Nepals erhalten.“

Dass solche Vorschläge ständig im Sande verliefen, liege daran, dass seit dem Ende der Monarchie in Nepal im Jahr 2008 im Schnitt alle sechs bis acht Monate die Regierung gewechselt habe. „Die Menschen hier hoffen – und ich hoffe es auch –, dass die neue Regierung endlich einmal über die volle Zeit im Amt bleibt. Eigentlich ist es sogar egal, um wen es sich handelt“, sagt Coster. „Wenn die Leute bleiben, kann man auch Pläne umsetzen. Aber wie soll das funktionieren, wenn ständig die Verantwortlichen wechseln?“

Neuerdings autofreie Zone im Touristenviertel Thames

P.S. Ihr fragt euch vielleicht, warum ich derzeit Nepal besuche. Morgen werden in Thulosirubari, 70 Kilometer östlich von Kathmandu, die ersten beiden Gebäudeteile der neuen Schule eingeweiht, die durch eure Spenden für unser Hilfsprojekt „School up!“ gebaut werden konnten. Zudem legen der deutsche Bergsteiger Ralf Dujmovits und ich den Grundstein für den zweiten Bauabschnitt. Anschließend werde ich über die Feier in dem kleinen Bergdorf berichten. Nebenher nutze ich die Gelegenheit, um in der Hauptstadt einige Interviews zur bevorstehenden Klettersaison zu führen. Die werde ich nach und nach im Blog veröffentlichen.

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Oberstes Gericht Nepals kippt neue Everest-Regeln https://blogs.dw.com/abenteuersport/oberstes-gericht-nepals-kippt-neue-everest-regeln/ Thu, 08 Mar 2018 11:53:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39899

Everest-Südseite

Die Regierung Nepals muss die umstrittenen neuen Bergsteiger-Regeln für den Mount Everest und die anderen über 6500 Meter hohen Berge des Landes überarbeiten. Das Oberste Gericht des Landes gab mehreren Klägern Recht, die in den neuen Vorschriften eine Diskriminierung Behinderter sahen. Die Regierung hatte Ende Dezember unter anderem beschlossen, keine Permits mehr an doppelt beinamputierte Bergsteiger sowie Blinde zu vergeben. Die Beschwerdeführer hatte unter anderem darauf hingewiesen, dass Nepal die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterzeichnet habe und dass die neuen Regeln eindeutig diesen Rechten widersprächen. Dieser Auffassung schlossen sich die fünf Richter des Supreme Court an.

„Bürokratischen Everest bestiegen“

Der doppelt Beinamputierte Hari Budha Magar will auf den Everest

Hari Budha Magar war einer der Bergsteiger, die nach den neuen Vorschriften in diesem Frühjahr kein Permit hätten erhalten sollen. Der 38 Jahre alte Nepalese, der als Soldat des britischen Gurkha-Regiments bei einer Bombenexplosion 2010 in Afghanistan beide Beine oberhalb der Knie verloren hatte, wollte eigentlich 2018 von der Südseite aus den Everest besteigen. Nach der Entscheidung der Regierung, die er scharf kritisierte, hatte er seinen Plan zunächst ausgesetzt. „Jetzt haben wir einen bürokratischen Mount Everest bestiegen“, freute sich Hari auf Facebook über die Entscheidung der Obersten Richter in Kathmandu. „Danke, Supreme Court, ihr seid unsere Hoffnung darauf, Gerechtigkeit zu erhalten. Ich hoffe, dass das Tourismusministerium die Anweisung jetzt auch umsetzt. Lasst uns zusammen den echten Mount Everest besteigen!“

Teil eins der neuen Regeln ist gekippt, Teil zwei besteht vorerst weiter. Die Regierung hatte außerdem Solobesteigungen der höchsten Berge künftig untersagt. Gegen diese Vorschrift hat noch niemand geklagt.

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Strengere Everest-Müllvorschriften in Tibet https://blogs.dw.com/abenteuersport/strengere-everest-muellvorschriften-in-tibet/ Tue, 06 Mar 2018 16:56:45 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39893

Everest-Nordseite

Auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest gelten ab sofort strengere Müllvorschriften. „Mit der rasant wachsenden Zahl von Bergsteigern werden auch immer mehr Abfälle beim Bergsteigen produziert“, heißt es in einer Mitteilung der Chinesisch-Tibetischen Bergsteiger-Vereinigung (CTMA) an die Expeditionsveranstalter, die mir vorliegt. „Es ist unsere Pflicht, die Umwelt zu schützen, damit auch kommende Generationen profitieren.“ Im Mai 2017 hatten Arbeiter und Freiwillige im Auftrag der tibetischen Behörden am Everest vier Tonnen Müll in einer Höhe zwischen 5200 und 6500 Metern gesammelt.

Acht Kilogramm Müll pro Bergsteiger

Müllsammlung auf der Everest-Südseite

Von diesem Frühjahr an muss jede Expeditionsgruppe als Sicherheit eine Müllgebühr von 5000 US Dollar hinterlegen. Die Expeditionen werden verpflichtet, pro Bergsteiger acht Kilogramm Abfall aus den Hochlagern zurück ins Basislager zu bringen. Für jedes Kilo weniger werden 20 Dollar in Rechnung gestellt, für jedes Kilo mehr zehn Dollar gutgeschrieben. Am Ende der Expedition wird dies mit der zuvor hinterlegten Summe verrechnet. Ab sofort ist es zudem nur noch erlaubt, am Gipfel Gebetsfahnen aufzuhängen, wenn alte Fahnen in gleicher Länge wieder mit heruntergebracht werden. Überwachen soll dies der Verbindungsoffizier im Basislager.

Permits nur noch an renommierte Veranstalter?

Die CTMA hatte angekündigt, die Bergsteigerregeln für Expeditionen zu überarbeiten. Es war erwartet worden, dass auch die Vorschriften für kommerzielle Veranstalter in Sachen Sicherheit und Besteigungsstil verschärft würden. Diese Reform steht noch aus, die Diskussionen innerhalb der CTMA dauern noch an. Aus gut informierten Kreisen verlautet, dass die tibetisch-chinesischen Behörden unter anderem daran denken, in den kommenden Jahren die Zahl der Expeditionen in Tibet zu reduzieren und nur an erfahrene und renommierte Agenturen Permits auszustellen.

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Neue Everest-Regeln: Mit Kanonen auf Spatzen schießen https://blogs.dw.com/abenteuersport/neue-everest-regeln-mit-kanonen-auf-spatzen-schiessen/ Wed, 03 Jan 2018 13:28:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39019

Mount Everest

Keine Permits mehr für Solobergsteiger, Blinde und beidseitig Beinamputierte – folgt man der Argumentation der nepalesischen Regierung, macht das die höchste Berge der Welt sicherer. Ein Blick auf die Fakten zeigt, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Sehen wir uns beispielsweise das Geschehen am Mount Everest an. Die Himalayan Database (inzwischen für alle frei zugänglich, also auch für die Regierung Nepals) verzeichnet bisher 1967 Expeditionen zum höchsten Berg der Erde. Davon werden nur sechs – sprich 0,3 Prozent – als Soloexpeditionen eingestuft.

Nur Marshalls Soloversuch 1987 endete tödlich

Reinhold Messners Aufstieg im Sommer 1980 auf der tibetischen Nordseite war der erste und bisher einzig erfolgreiche. Im Sommer 1986 und Frühjahr 1987 versuchte es der Kanadier Roger Gough Marshall vergeblich alleine durch die Nordwand. Im ersten Anlauf schaffte er es bis auf 7710 Meter – im zweiten auf 7850 Meter; beim Abstieg stürzte er 300 Meter oberhalb des Zentralen Rongbuk-Gletschers tödlich ab. Im Winter 1992 brach der Spanier Fernando Garrido seinen Soloversuch auf der nepalesischen Südseite auf 7750 Metern ab.

Hinzu kommen die beiden gescheiterten Versuche des Japaners Nobukazu Kuriki im Herbst 2016 (bis auf 7400 Meter in der Nordwand) und im Frühjahr 2017 (bis auf 7300 Meter) auf der tibetischen Nordseite. Seine anderen „Solo“-Versuche auf der Südseite und über den Westgrat werden nicht als Alleingänge gewertet, weil er über den von den „Icefall doctors“ präparierten Khumbu-Eisfall aufgestiegen war und teilweise andere Expeditionsmitglieder mit ihm Lager 2 erreicht hatten.

0,3 Prozent Bergsteiger mit Handicap

Auch der fingerlose Everest-Besteiger Kim Hong Bin gehört zu den erfassten behinderten Bergsteigern

Auch die Zahl behinderter Bergsteiger am Everest ist statistisch gesehen zu vernachlässigen. Die Datenbank weist unter den 13.952 registrierten Everest-Expeditionsmitgliedern gerade einmal 44 Bergsteiger mit Handicap aus, das sind 0,3 Prozent – wobei hier alle Arten von Behinderungen zusammengefasst werden, z.B. auch die neun amputierten Finger Kurikis. 15 der notierten behinderten Bergsteiger erreichten den Gipfel auf 8850 Metern. Zwei starben: 2006 der sehbehinderte Deutsche Thomas Weber (auf 8700 Metern wahrscheinlich an einem Schlaganfall, nachdem er knapp unterhalb des Gipfels umgekehrt war) und 2014 Phur Temba Sherpa, dessen Behinderung in der Datenbank nicht näher spezifiziert ist (er starb beim Lawinenunglück am 18. April 2014 im Khumbu-Eisbruch).

Nimmt man den tödlichen Absturz des Solo-Bergsteigers Marshall hinzu, hätten wir also maximal drei Todesfälle aus der von der Regierung Nepals ausgemachten „Risikogruppe“ – bei insgesamt 290 Toten am Everest sind das rund ein Prozent der Fälle.

Beinamputierter hält an Everest-Plan fest

Hari Budha Magar will auf den Everest

Hari Budha Magar ist einer der Bergsteiger, die nach den neuen Vorschriften in diesem Frühjahr kein Permit erhalten sollen. Der 38 Jahre alte Nepalese hat als Soldat des britischen Gurkha-Regiments bei einer Bombenexplosion 2010 in Afghanistan beide Beine oberhalb der Knie verloren. Hari bezeichnete die Entscheidung der Regierung Nepals auf Facebook als „diskriminierend“ und als „Verletzung der Menschenrechte“. Er werde sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. „Ich werde alle Optionen in Erwägung ziehen“, sagte Budha Magar. „Wenn ich von Tibet aus klettern muss, werde ich das tun, wenn ich vor Gericht gehen muss, werde ich auch das machen.“

Rückendeckung erhielt Hari von der US-Botschafterin in Nepal. „Fähigkeit, nicht eine vermeintliche Unfähigkeit muss die Regeln bestimmen, wer zum Mount Everest gehen darf“, twitterte Alaina B. Teplitz. „Bergsteiger wie Hari Budha Magar sollten nicht aufgrund falscher Annahmen über ihre Leistungsfähigkeit ausgeschlossen werden.“

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Nepal beschließt neue Regeln für Everest und Co. https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepal-beschliesst-neue-regeln-fuer-expeditionen/ Fri, 29 Dec 2017 18:16:45 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38999

Everest, Lhotse und Makalu (v.l.)

Es ist so weit. Nach übereinstimmenden Berichten der Zeitungen „Kathmandu Post“  und „The Himalayan Times“ hat die Regierung Nepals einige neue Vorschriften für Expeditionen beschlossen – „um die Sicherheit der Bergsteiger zu verbessern“, wie Tourismus-Staatssekretär Maheswor Neupane sagte. Die neuen Regeln sollen für alle Berge über 6600 Meter – diese fallen in die Zuständigkeit der Regierung – und bereits für die kommende Frühjahrssaison gelten.

Keine Permits mehr für Blinde und beidseitig Beinamputierte

Unter anderem sollen künftig weder blinde noch beidseitig beinamputierte Bergsteiger Permits (Besteigungsgenehmigungen) für die höchsten Berge des Landes erhalten. „Außerdem haben wir eine strenge Vorschrift erlassen, die ärztlichen Atteste der Bergsteiger zu prüfen, um festzustellen, ob sie körperlich in der Lage sind, die Berge zu besteigen“, sagte Neupane. Auf die Art und Weise dieser Prüfungen darf man gespannt sein.

Fehlende Erfahrung

Andy Holzer 2015 auf dem Rongbuk-Gletscher am Everest

In den vergangenen Jahren hatte die nepalesische Regierung immer wieder angekündigt, Blinde und Körperbehinderte vom Everest und anderen sehr hohen Bergen fernhalten zu wollen. „Ich denke, dass sehr wenige Bergsteiger am Everest so exakt auf ihre ganz spezielle Herausforderung Everest vorbereitet sind wie das behinderte Abenteurer mit ihrem persönlichen Team sind bzw. sein müssen“, schrieb mir bereits 2015 der blinde österreichische Bergsteiger Andy Holzer.   „Das Problem sind wohl eher die Bergsteiger, die am Everest zum ersten Mal Steigeisen anziehen und darüber ganz erstaunt sind.“ Holzer bestieg im Frühjahr 2017 im dritten Anlauf den Everest: als erster Blinder von der tibetischen Nordseite aus.

Keine Solobesteigungen mehr

Eine weitere jetzt beschlossene Neuerung dürfte ebenfalls für heftige Diskussionen sorgen. Jeder Bergsteiger soll dazu verpflichtet werden, mit einem Bergführer unterwegs zu sein. „Von nun an werden ausländische Bergsteiger davon abgehalten, Solo-Versuche am Mount Everest zu machen“, sagte Staatssekretär Neupane. Angeblich verspricht sich die Regierung von dieser Vorschrift auch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für nepalesische Guides.

Keinen Deut sicherer

So viel dürfte feststehen: Mit diesen Vorschriften wird der Everest oder jeder andere hoch frequentierte Achttausender keinen Deut sicherer. Blinde oder körperbehinderte Bergsteiger stellen etwa am Mount Everest eine verschwindende Minderheit unter den Gipfelanwärtern, ebenso jene, die den 8850 Meter hohen Berg im Alleingang meistern wollen. Die wesentlich wichtigere Frage der bergsteigerischen Kompetenz findet in den neuen Vorschriften allem Anschein nach keine Berücksichtigung. Von neuen Mindestanforderungen an alle (!) Everest-Bergsteiger – etwa mindestens einen Sieben- oder einen anderen Achttausender bestiegen zu haben – war in den ersten Berichten über die Änderung der Expeditionsregeln jedenfalls nicht die Rede.

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Ang Tshering Sherpa: „Billiganbieter verderben die Branche“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ang-tshering-sherpa-billiganbieter-verderben-die-branche/ Sat, 15 Oct 2016 21:00:14 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33965 Ang Tshering Sherpa

Ang Tshering Sherpa

Die Zahlen machen Ang Tshering Sherpa Mut. „Wir hoffen, dass das Bergsteigen in Nepal sehr bald wieder richtig auflebt“, erzählt mir der Präsident des Nepalesischen Bergsteiger-Verbands NMA, als wir uns beim International Mountain Summit in Brixen treffen. Bei den von der Regierung verwalteten Bergen über 6500 Meter Höhe sei man in diesem Jahr, verglichen mit der Zeit vor dem verheerenden Erdbeben im April 2015, bereits wieder auf einem Niveau von 87 Prozent angelangt. Bei den Bergen unter 6500 Meter, die unter der Aufsicht der NMA stehen, habe sich der Markt sogar vollständig erholt. Im Trekkinggewerbe schwankten die Werte zwischen 40 und 50 Prozent, je nach Region, berichtet der NMA-Chef: „Wir müssen die Menschen in aller Welt wissen lassen, dass sie Nepal am meisten helfen, wenn sie unser Land besuchen. Jeder, der Zeit in Nepal verbringt, hilft dabei, die Wirtschaft wiederzubeleben und die Infrastruktur wieder aufzubauen.“

Weniger, dafür echte Verbindungsoffiziere

Mount Everest

Mount Everest

Beim Expeditionsbergsteigen gibt es einige Baustellen, die Ang Tshering als Präsident der NMA bearbeiten muss. So sorgte der Fall eines indischen Ehepaars weltweit für Schlagzeilen, das sich im vergangenen Frühjahr seine Everest-Urkunden erschlich, indem es Gipfelfotos anderer fälschte und als eigene ausgab. „Wir müssen solche Leute strenger und ernsthafter überwachen, weil sie dem Image der Bergsteiger wirklich schaden“, sagt der 62-Jährige. Die nepalesischen Verbindungsoffiziere sind dabei keine allzu große Hilfe. Meist kassieren sie von den Expeditionen ihr Geld, tauchen nicht in den Basislagern auf, bestätigen aber hinterher munter, dass Mitglieder der Teams den Gipfel erreicht haben. „Wir haben der Regierung vorgeschlagen, künftig nur noch einen Verbindungsoffizier pro Berg zu entsenden und nicht mehr 30 bis 40 wie bisher am Everest oder anderen Bergen“, verrät Ang Tshering.

Everest-Kandidaten sollten erfahrener sein

Ang Tshering (2.v.r.) mit Reinhold Messner (l.)

Ang Tshering (2.v.r.) mit Reinhold Messner (l.)

Doch es sei schwierig, solche Reformen durchzusetzen, „weil alle sechs bis acht Monate die Regierung wechselt. Du musst die neuen Verantwortlichen erst einmal überzeugen. Und wenn sie gerade dabei sind, es zu verstehen, werden sie wieder abgelöst.“ Deshalb ziehe sich auch die Diskussion über neue Bergsteiger-Regeln für den Mount Everest so in die Länge, sagt der NMA-Chef. Die Reform sei dringend nötig: „Der Everest ist der höchste Berg der Erde und nicht leicht zu besteigen. Egal, ob die Gipfelanwärter in den europäischen Alpen, sonstwo im Ausland oder auf den Bergen Nepals bergsteigen, sie sollten einfach mehr Erfahrung haben.“

Bergsteiger interessiert nur der Preis“

Wie viele andere, sieht auch Ang Tshering das Problem, dass vor allem neu auf den Markt drängende Expeditionsveranstalter aus Nepal die Kundschaft mit Dumpingpreisen anlocken. „Sie krallen sich auch Leute, die keine Ahnung vom Bergsteigen haben und nicht wissen, wie man mit der Ausrüstung umgeht. Diese Agenturen verderben die Tourismusbranche.“ Der Präsident der NMA leitet gleichzeitig Asian Trekking, einen der größten Expeditionsveranstalter des Landes. „Es darf nicht sein, dass die Sicherheitsmaßnahmen anderer nepalesischer Anbieter dadurch kompromittiert werden“, sagt Ang Tshering Sherpa. Es gebe durchaus erfahrene und gut organisierte Veranstalter in Nepal. „Aber die Bergsteiger schauen nur auf den Preis, nicht auf die Sicherheitsstandards. Das ist das Problem.“

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