Sherpas – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Verborgene Helden des Bergsteigens in Pakistan https://blogs.dw.com/abenteuersport/verborgene-helden-des-bergsteigens-in-pakistan/ Wed, 21 Nov 2018 13:38:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42779

Dreimal K 2 ohne Atemmaske: Fazal Ali

Entschuldigung, Fazal Ali – dass mir im vergangenen Sommer deine außergewöhnliche Leistung am K 2 einfach durchgeflutscht ist! Die erste Skiabfahrt vom zweithöchsten Berg der Erde durch den Polen Andrzej Bargiel habe ich gewürdigt. Auch dass Muhammad Ali „Sadpara“, der pakistanische Wintererstbesteiger des Nanga Parbat, am K 2 seine Sammlung der fünf Achttausender seines Heimatlandes vervollständigte, habe ich registriert – und dass es eine Rekordsaison am „Chogori“ war, wie ihr Einheimischen den Berg nennt. Aber dass du, Fazal, als erster Bergsteiger weltweit zum dritten Mal nach 2014 und 2017 ohne Flaschensauerstoff den 8611 Meter hohen Gipfel des „Königs der Achttausender“ erreicht hast, ist mir entgangen. Umso tiefer ziehe ich jetzt meinen Hut!

Keine Wertschätzung

K 2

Dass ich Alis Leistung nicht registriert habe, ist ärgerlich, kommt aber nicht von ungefähr. Über die sozialen Netzwerke erfahren wir in der Regel sehr schnell, wenn etwa der bisher jüngste Brite den K 2 bestiegen hat, die erste Frau aus der Schweiz, aus Mexiko, der Mongolei … Doch über die pakistanischen Begleiter der Achttausender-Expeditionen im Karakorum wird eher selten geredet. „Ich bin glücklich“, sagte Fazal Ali nach seinem K2-Triple jüngst einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP. „Aber ich bin auch untröstlich, weil meine Leistung nie wirklich geschätzt wird.“ So wie dem 40-Jährigen aus dem Shimshal-Tal dürfte es den meisten pakistanischen Hochträgern und Bergführern in Diensten kommerzieller Expeditionen gehen: Zum Arbeiten sind sie gut genug, doch auf das Gipfelfoto sollen sie nicht. „Diese verborgenen Helden tragen zum Erfolg vieler westlicher Bergsteiger bei und unterstützen auch den Abenteuertourismus im Land“, schreibt mir Mirza Ali Baig. „Aber sie werden weder von den westlichen Kunden der Expeditionen noch von der (pakistanischen) Regierung dafür wertgeschätzt.“

Weniger Jobs durch Einsatz von Sherpas

Mirza Ali Baig

Mirza Ali Baig ist 35 Jahre alt und kommt wie Fazal Ali aus Shimshal. Seine Schwester Samina Baig war 2013 die erste pakistanische Frau, die den Gipfel des Mount Everest erreichte. Mirza Ali ist Chef des pakistanischen Veranstalters „Karakorum Expeditions“. Der Bergsteiger, Filmemacher und Fotograf legt den Finger in eine weitere Wunde: „Die meisten westlichen Unternehmen engagieren für ihre Expeditionen Sherpas aus Nepal. Damit sinken die Chancen für Einheimische, einen Job zu bekommen. Sherpas arbeiten jetzt in Pakistan, aber kein einziger Pakistani in Nepal.“ Für die  Einheimischen, so Baig, gehe es schließlich bei „solchen Abenteuern“ nicht wie bei den westlichen Bergsteigern um Spaß oder Selbstverwirklichung, sondern „um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien und darum, die Bildung ihrer Kinder zu finanzieren“.

Bergausbildung fehlt

Träger auf dem Baltoro-Gletscher

Er räumt ein, dass die Sherpas im Schnitt erfahrener und trainierter seien als die Einheimischen. „Über Jahrzehnte haben westliche Bergsteiger in Nepal ihre alpinistischen Fähigkeiten an die Sherpas weitergegeben und sie angeleitet. Eine vergleichbare Chance haben die pakistanischen Hochträger – ich würde sie eher Höhenbergführer nennen – nicht erhalten. In Pakistan gibt es zudem kein einziges Institut, an dem Bergsteigen oder auch Outdoor-Tourismus gelehrt wird.“  Hier sieht Baig die pakistanische Regierung in der Pflicht: „Sie hat die Tourismusindustrie noch nie wirklich ernst genommen.“  Dem Einsatz nepalesischer Sherpas könnte Mirza Ali auch Gutes abgewinnen, „wenn sie mit den Einheimischen zusammenarbeiten und deren Fähigkeiten verbessern, besonders beim Anlegen von Fixseilen und bei anderen Diensten in großer Höhe. Das wäre für beide gut.“

Vorbilder für junge Menschen

Vielleicht würde den pakistanischen Bergsteigern dann auch eines Tages jene Wertschätzung zuteil, die Sherpas in Nepal schon seit Jahrzehnten genießen und die einigen von ihnen in der Folge auch bescheidenen Wohlstand beschert hat. Bemerkenswerte Erfolge wie jener von Fazal Ali am K 2, sagt Baig, seien „wahrhaft inspirierend und haben eine Vorbildfunktion für junge Leute – nicht nur im Bergsteigen, sondern auch darüber hinaus“. Aber nur, wenn man auch davon erfährt.

P.S.: Liebe Freunde in Pakistan, ich bin immer auf der Suche nach Informationen aus erster Hand und dankbar, wenn ich sie erhalte. Also lasst mich bitte wissen, wenn wieder jemand so einen tollen Erfolg im Karakorum feiert wie Fazal Ali!

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Erste Gipfelerfolge am Everest, Verwirrung am Makalu https://blogs.dw.com/abenteuersport/gipfelerfolge-am-everest-verwirrung-am-makalu/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gipfelerfolge-am-everest-verwirrung-am-makalu/#comments Fri, 12 May 2017 12:59:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36175

Everest-Nordseite

Die Fixseile sind bis zum Gipfel des Mount Everest angebracht – zumindest auf der Nordseite des höchsten Bergs der Erde. Am Donnerstag erreichten nach übereinstimmenden Berichten neun Sherpas eines indischen Teams, die für die Sicherung der Normalroute auf der tibetischen Seite zuständig waren, den höchsten Punkt auf 8850 Metern. Der nepalesische Veranstalter Arun Treks, der die Expedition organisiert hatte, widmete diese ersten Saisonerfolge am Everest dem am 30. April am Nuptse tödlich verunglückten Schweizer Bergsteiger Ueli Steck.

Gipfel, Vorgipfel oder noch tiefer?

Derweil bleibt die Situation am Makalu verworren. Wer war wie weit oben? Am Mittwoch hatten – wie berichtet – einige Teams Gipfelerfolge am fünfthöchsten Berg der Erde vermeldet. Der deutsche Bergsteiger Thomas Lämmle, der sich im vorgeschobenen Basislager aufhält und seinen eigenen Gipfelversuch abgebrochen hatte, sprach auf Facebook von „Fake news“: „Bis jetzt hat niemand in dieser Saison den Makalu bestiegen. Nicht einmal der Vorgipfel wurde erreicht, weil 100 Meter Fixseil fehlten.“

Die Französin Elisabeth Revol hatte via Facebook wissen lassen: „Wir stoppten am Vorgipfel. Zum Hauptgipfel hin lag zu viel Schnee, es gab Böen, zu viel Wind. „Wir waren nur zu dritt ohne Flaschensauerstoff unter 20 Bergsteigern.“ Ich fragte bei ihr per Email nach, ob die Umkehr knapp unterhalb des Gipfels für alle der von ihr erwähnten 20 Bergsteiger gelte. „Ja, alle drehten am Vorgipfel um. Es war nicht sicher genug um weiterzuklettern“, antwortete Elisabeth.

Am gestrigen Donnerstag verkündete Mingma Gyalje Sherpa, der Chef des nepalesischen Anbieters Dreamers Destination, auf Facebook: „Wir sind jetzt auf dem Gipfel des Makalu. Klares Wetter, tolle Aussicht.“ Der 31 Jahre alte Mingma hatte am 30. April mit zwei weiteren Sherpas und zwei Kunden am Dhaulagiri für den ersten Gipfelerfolg an einem Achttausender in diesem Frühjahr gesorgt. Sollte sich sein Erfolg am Makalu bestätigen, wäre es Mingmas zehnter Achttausender. Lediglich am Mount Everest, den er bereits fünfmal bestiegen hat, griff er zu Flaschensauerstoff.

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Rätselhafter Tod zweier Sherpas am Makalu https://blogs.dw.com/abenteuersport/raetselhafter-tod-zweier-sherpas-am-makalu/ Wed, 11 May 2016 12:58:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32633 Makalu

Makalu

Wie konnte das passieren? Zwei Sherpa-Bergführer einer Expedition des deutschen Veranstalters Amical alpin sind während eines Gipfelversuchs am Achttausender Makalu in Lager 2 auf 6700 Metern ums Leben gekommen. Andere Mitglieder der Gruppe fanden die beiden Sherpas nachmittags leblos in ihrem Zelt. „Wir können nur spekulieren“, sagt mir Amical-Chef Dominik Müller. „Wir vermuten, dass sie beim Kochen im geschlossenen Zelt nicht für ausreichend Belüftung gesorgt haben und dann an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben sind.“

Kleiner Fehler mit fataler Wirkung?

ButterlampenDominik ist schockiert und kann sich das Ganze nicht erklären: „Ich kannte die beiden. Sie waren ganz erfahrene Sherpas. Sie waren nach mehreren Tagen im Basislager auch ausgeruht und nicht gestresst. Es passierte also ohne Fremdeinwirkung. Ich vermute, dass sie einen kleinen Fehler gemacht haben, der eine fatale Wirkung hatte.“ Der Amical-Chef betont, dass es noch zu früh sei, um eine belastbare Aussage über die Todesursache zu machen. Er werde noch mit den anderen Teilnehmern der Expedition sprechen, um weitere Informationen zu erhalten. Zu der Amical-Gruppe am Makalu, dem mit 8485 Metern fünfthöchsten Berg der Erde, gehörten laut Dominik vier Sherpas – und neun westliche Bergsteiger: „Sie sind allesamt sehr erfahren. Sie wollten deshalb auch keinen Expeditionsleiter, sondern sich selbst um alles kümmern.“

Kohlenmonoxid-Vergiftungen durch Gaskocher im Zelt sind selten, kommen aber immer wieder einmal vor – auch im Himalaya. Unmittelbar vor dem Unglück am Mount Everest 1996, das sich gestern zum 20. Mal jährte, fielen Arita Sherpa und Chuldum Sherpa aus dem Team des Neuseeländers Rob Hall für den Gipfelversuch aus, der später so tragisch enden sollte. Sie hatten sich am Südsattel beim Kochen eine Kohlenmonoxid-Vergiftung zugezogen und waren nicht mehr in der Lage aufzusteigen.

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Zehn populäre Everest-Irrtümer https://blogs.dw.com/abenteuersport/zehn-populaere-everest-irrtuemer/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/zehn-populaere-everest-irrtuemer/#comments Tue, 12 Apr 2016 22:27:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32353 Mount Everest

Mount Everest

Die Everest-Saison nimmt Fahrt auf. Das Basislager auf der nepalesischen Seite des Mount Everest füllt sich. Nach Angaben der Regierung in Kathmandu haben sich 279 Bergsteiger aus 38 Ländern für den höchsten Berg der Erde angemeldet. Die Icefall Doctors haben inzwischen die Route bis hinauf nach Lager 2 auf 6400 Metern vorbereitet. Auch die Teams, die den Everest von der tibetischen Nordseite aus besteigen wollen, haben inzwischen ihre Permits von den chinesischen Behörden erhalten. Dort kann es also ebenfalls losgehen. Bevor auch die mediale Everest-Saison beginnt, möchte ich mit ein paar immer wieder auftauchenden Irrtümern aufräumen.

1) Der Everest ist ein gefahrloser Berg.

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Die technischen Schwierigkeiten auf den beiden Normalrouten mögen sich in Grenzen halten, da sowohl der Weg über den Südostgrat als auch jener über den Nordostgrat inzwischen bis zum Gipfel mit Fixseilen gesichert werden. Doch ein gefahrloser Berg ist der Everest darum nicht. Schließlich ist er 8850 Meter hoch, der Sauerstoff wird dort nur noch mit einem Drittel des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe. Auch eine Besteigung mit Atemmaske ist kein Pappenstiel. Selbst wenn es wirklich so sein sollte, dass der Everest mit Flaschensauerstoff zu einem Sechstausender degradiert wird, will auch ein solcher erst einmal bestiegen sein. Der Klimawandel hat zudem die objektiven Gefahren verstärkt. Teile der Route, die früher fast immer verschneit waren, sind jetzt häufig schnee- und eisfrei. In der Lhotse-Flanke kommt es zu Steinschlag. Auch die Lawinengefahr hat zugenommen, nicht nur im Khumbu-Eisbruch.

2) Der Everest ist ein Killerberg.

Das Gegenteil zu 1) ist genauso falsch. Auch wenn es in den beiden letzten Jahren keine Gipfelerfolge von der Südseite aus gab, aber zwei schwere Lawinenunglücke mit insgesamt 35 Toten, ist der Mount Everest nach wie vor bei weitem nicht der gefährlichste Achttausender. Zwar starben bisher rund 280 Menschen am höchsten Berg der Erde, dem stehen aber über 7000 Besteigungen gegenüber. Mit diesem Verhältnis gehört der Everest eher in die Kategorie der sicheren als jener der extrem gefährlichen Achttausender. Die meisten Todesfälle pro Besteigungen verzeichnet die Annapurna, dahinter liegt der K 2.

3) Der Everest ist kein Berg mehr für Top-Bergsteiger.

Everest-Nordwand

Everest-Nordwand

20 Routen wurden bisher am Everest geklettert, dazu noch einige Variationen dieser Wege. Das bedeutet jedoch nicht, dass es an weiteren Möglichkeiten fehlt. So führen durch die Kangchung-Wand bisher gerade einmal zwei Routen, in den letzten Jahren war die Everest-Ostwand fast immer verwaist. Auch in der Nord- und in der Südwestwand gibt es sicher noch denkbare neue Wege Richtung Gipfel. Ganz zu schweigen von der ultimativen Herausforderung, der „Hufeisen-Route“: den Westgrat des Nuptse hinauf, dann über den Lhotse, auf den Everest und über dessen Westgrat zurück zum Ausgangspunkt.

4) Der Everest ist eine Müllhalde.

Müll am Südsattel

Müll am Südsattel

Es gibt bereits seit Jahrzehnten Müll-Vorschriften für Everest-Expeditionen. Die Bergsteiger sind verpflichtet, ihren Bio-Abfall zu vergraben oder verbrennen. Wiederverwertbares Material wie Plastik oder Glas muss ebenso nach Kathmandu zurückgebracht werden wie verbrauchte Sauerstoffflaschen oder leere Batterien. Wer gegen die Auflagen verstößt, riskiert, seine Umweltkaution in Höhe von 4000 US-Dollar nicht zurückzuerhalten. Mehrere Öko-Expeditionen haben dafür gesorgt, dass tonnenweise Altmüll aus der Zeit, als sich Bergsteiger noch wenig Gedanken über Umweltschutz machten, vom Berg gebracht wurde. Viele Alpengipfel sind eher Müllkippen als der Mount Everest.

5) Der Everest ist übersät mit Leichen.

Es stimmt, dass sich Everest-Gipfelaspiranten mental darauf einstellen sollten, an Leichen verstorbener Bergsteiger vorbeizusteigen. Doch es nicht so, dass der Weg mit „Toten gepflastert“ ist, wie Berichte immer wieder suggerieren. Viele der Toten, die an Erschöpfung starben, wurden von anderen Bergsteigern in Gletscherspalten „beigesetzt“ oder die Everest-Wände hinunterbefördert, manchmal besorgte auch ein Sturm diese Arbeit.

6) Die Moral der Everest-Sherpas ist verlorengegangen.

Viel Verkehr in der Lhotse-Flanke

Viel Verkehr in der Lhotse-Flanke

Es ist wie überall: Wo viele Menschen unterwegs sind, finden sich auch schwarze Schafe. So gab es 2013 die tätlichen Angriffe von Sherpas gegen Simone Moro, Ueli Steck und Jonathan Griffith im Hochlager und ein Jahr später Gewaltdrohungen gegen Bergsteiger, die sich nach dem Lawinenunglück im Khumbu-Eisbruch nicht mit einem Abbruch der Saison einverstanden erklären wollten. Aber daraus zu schließen, dass nun alle Sherpas zur Gewalt neigen oder ihren Job nicht mehr richtig machen, ist unredlich. Immer mehr Sherpas erwerben internationale Bergführer-Zertifikate. Der nepalesische Bergsteigerverband NMA bildet regelmäßig einheimische Kletterer aus. Zweifellos treten die jungen, gut ausgebildeten Sherpa-Bergsteiger inzwischen selbstbewusster auf. Sie sind sich ihrer Fähigkeiten bewusst und wollen auch als vollwertige Kletterer behandelt werden – und nicht wie Lakaien.

7) Der Everest sollte gesperrt werden.

Wem würde das nutzen? Vielleicht den Verfechtern einer vor allem westlich geprägten Bergsteigerphilosophie, aber bestimmt nicht den Menschen im Khumbu, die an der Nabelschnur des Everest-Tourismus hängen: Einheimische Bergführer, Climbing Sherpas, Köche und Küchenhelfer im Basislager, Basislager-Personal, Träger, Besitzer von Lodges und Läden auf dem Weg zum Everest, Bauern und die Familien aller. Die westlichen Kritiker sollten sich fragen, ob sie mit denselben Argumenten, die sie vorbringen, nicht auch den Mont Blanc in den Alpen oder den Denali in Alaska sperren müssten.

8) Die Regierung wird es schon regeln.

Wenn man eines aus den vergangenen Jahren am Everest lernen kann, dann dies: Die Regierung Nepals redet mehr, als dass sie handelt. Politiker des zuständigen Tourismusministeriums legen immer wieder neue Vorschläge für Everest-Regeln auf den Tisch, um sich ins Gespräch zu bringen. Umgesetzt wird davon so gut wie nichts. Selbst für eine einfache Entscheidung wie jene, die Permits nach den Unglücken der letzten beiden Jahre zu verlängern, brauchten die Verantwortlichen in Kathmandu jeweils fast ein Jahr. Reformen scheitern wahrscheinlich auch daran, dass die Regierung am Everest selbst kräftig mitverdient. Wohin das Geld aus dem Verkauf der Permits, immerhin 11.000 Dollar je Bergsteiger, genau fließt, bleibt im Dunkeln.

9) Die Bergsteiger können den Everest alleine „verwalten“.

Everest-Basislager

Everest-Basislager

Auch dagegen spricht das Geschäft, das mit dem Everest gemacht wird. Am Ende des Tages will jeder Unternehmer schwarze Zahlen schreiben. Je mehr Kunden er auf den Gipfel bringt, desto besser wird sein Ruf, und damit steigt voraussichtlich auch sein Gewinn im Folgejahr. Das führt sicher bei dem einen oder anderen Expeditionsleiter zu Egoismus am Berg, nach dem Motto: Was interessieren mich die anderen Gruppen? Nötig wäre jedoch, das Geschehen am Berg zu „managen“, um zu verhindern, dass alle am selben Tag aufsteigen und es deshalb zu Staus an den Schlüsselstellen kommt. Es könnte funktionieren, doch auch unter den Expeditionsleitern gibt es immer wieder schwarze Schafe.

10) Man sollte nicht mehr über den Everest berichten.

Der Mount Everest ist der höchste Berg der Erde. Deshalb wird es immer Bergsteiger geben, die hinauf wollen. Und die Menschen werden sich wohl auch immer für den Everest interessieren. Deshalb sollte auch weiterhin über das Geschehen dort berichtet werden ohne zu beschönigen, aber auch ohne zu verteufeln. Am Everest gilt wie überall auf der Welt: Man löst keine Probleme, indem man sie verschweigt.

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Everest-Jobs der Zukunft sichern https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-jobs-der-zukunft-sichern/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-jobs-der-zukunft-sichern/#comments Sat, 02 Apr 2016 07:00:34 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32289 Dawa Gyaljen Sherpa

Dawa Gyaljen Sherpa

Er gehört zu den Sherpas, die in diesem Jahr einen Bogen um den Mount Everest machen. „Ich habe einfach keine Zeit”, sagt Dawa Gyaljen Sherpa, als ich ihn während meines Nepalbesuchs in einem Kaffee in Kathmandu treffe. Der 29-Jährige arbeitet für einen Veranstalter, der Trekkingreisen organisiert. „Vielleicht klappt es ja 2017 wieder. Ich bin gefragt worden, ob ich dann ein Everest-Team leite. Mal sehen, ob ich so viel Urlaub nehmen kann.“ Viermal stand der Sherpa, der im Khumbu-Gebiet in einem kleinen Dorf westlich von Namche Bazaar geboren wurde, bereits auf dem höchsten Punkt der Erde: 2005, 2007, 2008 und 2009. Die anstehende Frühjahrssaison könnte die Weichen für die Zukunft stellen, glaubt Dawa.

An Nachbeben gewöhnt

„Wenn es wieder Unglücke wie 2014 und 2015 geben sollte, dürften die Leute endgültig verschreckt sein“, erwartet Dawa. „Wenn die Expeditionen jedoch erfolgreich sind, wird die Zahl der Bergsteiger am Everest 2017 und auch 2018 bestimmt nach oben gehen.“ Er sei froh, dass inzwischen wieder viele Ausländer bereit seien, nach Nepal zu reisen, um die Wirtschaft des vom Erdbeben gebeutelten Landes anzukurbeln. Dawa denkt nach eigenen Worten kaum noch an das Beben vom 25. April 2015, nicht zuletzt wegen der mehr als 400 Nachbeben der Stärke 4 und höher: „Manchmal registriere ich die Erdstöße der Stärke 4,5 oder 5 gar nicht mehr, weil ich mich daran gewöhnt habe. Es ist für mich fast normal geworden. Wir haben eine sehr gefährliche Situation überlebt, jetzt fühle ich mich sicher. Doch es gibt immer noch Gerüchte, dass uns ein weiteres starkes Erdbeben bevorsteht.“

Unmöglich, unbefangen zu sein

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch (2014)

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch (2014)

Die Sherpas seien fest entschlossen, die diesjährige Everest-Saison erfolgreich zu gestalten. „Schließlich geht es auch darum, ihre Arbeitsplätze in der Zukunft zu sichern“, sagt Dawa Gyaljen. „Ich würde nicht von Druck sprechen, eher von einer speziellen Herausforderung. Sie werden sich richtig ins Zeug legen, um in diesem Jahr den Gipfel zu erreichen.“ Im Frühjahr 2014 gehörte der junge Sherpa zu den Ersten, die nach dem Lawinenabgang im Khumbu-Eisbruch die Unglücksstelle erreichten und mit der Bergung der Verletzten und Toten begannen. 16 nepalesische Bergsteiger kamen damals ums Leben, drei von ihnen blieben verschollen. Ich frage Dawa, ob er nach dieser Erfahrung wieder unbefangen durch den Eisbruch klettern könnte. „Ich denke, davon kann sich keiner frei machen. Wenn wir jetzt an der Unglücksstelle vorbeikommen, werden wir uns wohl fühlen, als ob da immer noch Blutspuren wären oder jemand in der Spalte hinge.“

Besser ausgebildet

Dawa am Lobuche Peak

Dawa am Lobuche Peak

Dawa Gyaljen findet, dass die Everest-Anwärter inzwischen im Vergleich zu früheren Jahren bessere Bergsteiger seien. „Es gibt nur noch ein paar wenige, die nicht wissen, wie man Steigeisen anlegt“, sagt der 29-Jährige. Zudem seien auch die Sherpas inzwischen viel besser ausgebildet, viele hätten die Praxiskurse durchlaufen, die der nepalesische Bergsteiger-Verband NMA zweimal im Jahr anbiete. Die Sherpas seien schließlich für ihre Kunden verantwortlich, meint Dawa: „Denn wenn etwas Schlimmes passiert, wirft man ihnen vor, nicht auf ihre Schützlinge aufgepasst zu haben. Ich höre immer wieder diese Geschichten von Sherpas, die ihre Kunden auf halbem Weg im Stich gelassen haben.“ Gut ausgebildete und erfahrene Sherpa-Bergführer täten dies nicht. „Wenn die Kunden aber entgegen dem Rat ihres Sherpas weiter aufsteigen und etwas passiert, dann sind sie selbst verantwortlich.“

P.S.: Der gestrige Artikel zur Everest-Castingshow war natürlich ein Aprilscherz, die beteiligten Personen frei erfunden. 🙂 Aber Scherz beiseite, erscheint euch so etwas wirklich unmöglich?

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„Der Everest-Rekord bedeutet mir nichts“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-everest-rekord-bedeutet-mir-nichts/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-everest-rekord-bedeutet-mir-nichts/#comments Fri, 18 Mar 2016 13:12:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32181 Phurba Tashi vor seiner Lodge in Khumjung

Phurba Tashi vor seiner Lodge in Khumjung

Phurba Tashi ist kein Mann vieler Worte. Der 45-Jährige antwortet freundlich, aber kurz. „In diesem Jahr werde ich definitiv nicht auf den Mount Everest steigen“, erzählt mir Phurba, als wir für ein paar Minuten auf einer Bank vor seiner „Tashi Friendship Lodge“ im Dorf Khumjung Platz nehmen. Eigentlich hat er gar keine Zeit, denn seine Familie ist zu einer religiösen Zeremonie zusammengekommen, um Phurbas Eltern zu gedenken, die beide im vergangenen halben Jahr gestorben sind. Einige buddhistische Mönche sind dazu in seine Lodge gekommen. „Der Tod meiner Eltern ist auch der Grund, warum ich diesmal auf den Aufstieg verzichte“, sagt Phurba.

Nur im Basislager

Windfahne vom Gipfel des Everest (heute)

Windfahne vom Gipfel des Everest (heute)

21-mal hat er den höchsten Punkt der Erde bereits erreicht. Gemeinsam mit Apa Sherpa (der seine Karriere längst beendet hat) hält Phurba Tashi damit den Rekord der meisten Everest-Besteigungen. Mit 28 Jahren war er erstmals oben, 2013 zum bisher letzten Mal. In einigen Saisons bestieg Phurba den Everest zwei- oder sogar dreimal. In diesem Frühjahr wird er im Basislager bleiben, um die Arbeit der Climbing Sherpas zu koordinieren – für den neuseeländischen Expeditionsveranstalter Himalayan Experience. „Ich habe schon bei 30 bis 40 Expeditionen für Russell Brice  gearbeitet, den Chef von Himex“, erzählt Phurba. In diesem Frühjahr bestehe das Team nur aus sechs Kunden.

Schwarzes Jahr gilt nicht für Bergsteiger

Vom Erdbeben gezeichnet: Stupa in Khumjung

Vom Erdbeben gezeichnet: Stupa in Khumjung

Ich glaube, dass es in dieser Saison Gipfelerfolge geben wird“, sagt Phurba. „In diesem Winter hatten wir wenig Schnee. Und die Icefall Doctors leisten gute Arbeit.“ Die buddhistischen Lamas hätten zwar für die Sherpas ein schwarzes Jahr vorhergesagt, aber das betreffe nicht die Bergsteiger. „2017 werde ich vielleicht wieder selbst aufsteigen – wenn alles zusammenpasst.“ Ob es ihn nicht jucke, alleiniger Everest-Rekordhalter zu werden, will ich wissen. „Nein, der Rekord bedeutet mir nichts“, antwortet Phurba. „Es ist viel wichtiger, wieder gesund herunterzukommen. Schließlich habe ich eine Frau und fünf Kinder, die ich versorgen muss.“

Dann verabschiedet sich Phurba Tashi. Er müsse zurück zur Familie. Als wenig später einer der Mönche an die frische Luft tritt, frage ich ihn, ob das vorausgesagte schwarze Jahr für die Sherpas wirklich nicht für Bergsteiger gelte. Der Mönch lacht und meint: „Alles gut. Die können ruhig dort hinaufsteigen.“

Kokosnuss mit Haaren

Der Yeti-Schädel

Der Yeti-Schädel

In Khumjung bestaunte ich auch den berühmten „Yeti-Schädel“. Der lagert in einem Tresor in der Gompa, dem kleinen Kloster des Dorfes. Für 250 Rupien (etwa 2,50 Euro) öffnet ein alter Angesteller der Gompa, der die Schlüsselgewalt hat, kurz den Tresor. Und da liegt neben ein paar Butterlampen der vermeintliche Schädel des angeblichen Himalaya-Ungeheuers – und sieht doch eher aus wie eine Kokosnuss mit Haaren. 😉

P.S.: Ich werde mich jetzt möglicherweise ein paar Tage lang nicht melden. Geplant ist, zum Gokyo Ri aufzusteigen, einem 5380 Meter hohen Aussichtsberg und dort das grandiose Panorama zu genießen – wenn das Wetter passt. Dann bringe ich euch natürlich auch ein paar schöne Bilder mit.

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Dominik Müller: „Wir hängen in der Luft“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dominik-mueller-wir-haengen-in-der-luft/ Tue, 28 Apr 2015 15:15:55 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29267 Nordseite des Mount Everest

Nordseite des Mount Everest

Er könne nicht einfach weitermachen, als sei nichts geschehen, sagt Dominik Müller. Der Chef des deutschen Expeditionsveranstalters Amical alpin hat heute seine Expedition auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest abgeblasen – nach Rücksprache mit seinen Kunden, die auch nicht hätten weitermachen wollen. „Wenn ich in die Gesichter unseres Kochs, der Küchenjungen und all der anderen Sherpas hier schaue, kann ich nicht mit gutem Gewissen weiter aufsteigen“, berichtet Dominik per Telefon aus dem „Chinese Base Camp“, wo sich nach seiner Schätzung noch 250 bis 300 Leute aufhalten. Der Koch habe sein Haus in Kathmandu verloren, viele anderen hätten bisher nicht einmal Kontakt zu ihren Familien herstellen können. „Wir können doch hier nicht auf einer schönen Insel sitzen und auf Friede, Freude, Eierkuchen machen. Und um uns herum gibt es Tausende von Toten.“  

Eine SMS, kein offizielles Dokument

Dominik Müller

Dominik Müller

Noch immer, so Müller,  gebe es Verwirrung darüber, ob der Everest nun endgültig geschlossen sei: „Heute früh hat Thomas Lämmle, unser Expeditionsleiter am Cho Oyu, einen Anruf der chinesischen Behörden erhalten, dass alle tibetischen Berge ab 9 Uhr gesperrt sind und die Frühjahrssaison gestrichen ist.“ Daraufhin fragte Dominik beim chinesisch-tibetischen Bergsteiger-Verband CTMA an, ob dies auch definitiv für den Everest gelte. „Ich erhielt per SMS die Antwort: Everest is closed“, sagt der 44-Jährige. „Aber hier im Basislager gibt es keinen Verbindungsoffizier oder sonst jemanden, der ein offizielles Dokument dazu hat oder der sagt: ‚Ja, er ist zu hundert Prozent geschlossen.‘ Wir hängen ein bisschen in der Luft.“ In den bisherigen Gesprächen hätten die chinesischen Beamten vor allem auf die Gefahr von Nachbeben verwiesen. Außerdem seien nach ihren Angaben durch die Erdstöße neue Spalten aufgerissen worden. Der Nordsattel sei in diesem Jahr sehr gefährlich.

Dujmovits im vorgeschobenen Basislager

Das Team der chinesischen Bergsteiger, das die Fixseile auf der Normalroute verlegen sollte, hat nach Dominiks Worten das Basislager verlassen und ist in tiefer gelegene Orte gebracht worden – für ihn ein weiteres Zeichen dafür, dass es am Everest wohl nicht weitergehen wird. „Sähen die Behörden noch eine Chance, wäre da noch der Drang nach oben, wäre das für die Fixseile zuständige Team noch hier, und man würde es ins ABC (Vorgeschobenes Basislager) schicken, um dort ein paar Tage abzuwarten.“ Er gehe davon aus, dass die gesamte Infrastruktur abgezogen werde. Im ABC auf 6200 hält sich unter anderen noch Ralf Dujmovits auf, der als bisher einziger deutscher Höhenbergsteiger alle 14 Achttausender bestiegen hat. Ralf hatte das Lager erreicht, bevor die chinesischen Behörden das Gros der Bergsteiger zurückpfiffen.

Weg nach Nepal abgeschnitten

Müllers Kunden werden Anfang Mai über Lhasa und Peking nach Deutschland zurückkehren. Dominik selbst will weiter bei den Sherpas seines Teams im Basislager bleiben. „Es geht um die Sherpas und deren Familien“, sagt Dominik. „Sie haben uns so oft unterstützt. Da ist es für mich selbstverständlich, in dieser schwierigen Situation bei ihnen zu sein und dafür zu sorgen, dass sie auch heimkommen.“ Nach seinen Informationen ist der Weg von Tibet nach Kathmandu noch abgeschnitten.

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Kaltenbrunner: „Alle Everest-Parteien an einen Tisch!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/kaltenbrunner-interview-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/kaltenbrunner-interview-everest/#comments Fri, 13 Feb 2015 11:00:27 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28447 Gerlinde Kaltenbrunner auf der ISPO

Gerlinde Kaltenbrunner auf der ISPO

Es ist ruhiger geworden um Gerlinde Kaltenbrunner. Ein Umstand, der ihr eigentlich ganz gut gefällt. Nach wie vor ist die 44 Jahre alte Österreicherin eine gefragte Vortragsrednerin. Über mangelnde Arbeit kann sich Gerlinde also nicht beklagen. Doch ihr bleibt immer noch ausreichend Zeit, um auf Reisen zu gehen. Ganz ohne Druck. Der ist verschwunden, seitdem sie 2011 mit dem Erfolg am K 2 ihr großes Projekt erfolgreich abschloss: Als erste Frau der Welt bestieg sie alle 14 Achttausender, ohne zu Flaschensauerstoff gegriffen zu haben. Unsere Wege kreuzten sich 2005 am Mount Everest, als sie (vergeblich) versuchte, gemeinsam mit Ralf Dujmovits und Hirotaka Takeuchi die Nordwand zu durchsteigen und ich als Reporter darüber berichtete. 2010 stieg sie über die tibetische Normalroute zum Gipfel auf. Auf der ISPO in München sprach ich mit Gerlinde über den Everest.

Gerlinde, du hast den Mount Everest wie auch die anderen 13 Achttausender ohne Sauerstoff bestiegen. Im Moment gibt es viel Unruhe rund um den höchsten aller Berge, vor allem wegen des Lawinenunglücks 2014 auf der nepalesischen Seite und dem anschließenden Abbruch der Expeditionen. Die Sherpas begehrten auf. Ist dort ein Konflikt hoch- und dann übergekocht?

Wahrscheinlich hat es sich wirklich über Jahre angesammelt und aufgestaut, dieses Unwohlsein bei den Sherpas, die sich stark ausgenutzt fühlen. Ich denke, es muss am Everest irgendetwas geschehen, weil es so nicht weitergehen kann.

Everest heute: Viel Verkehr auf der Normalroute

Viel Verkehr auf der Normalroute (2012)

Wer ist gefordert?

Beide Seiten müssen umdenken. Auch wenn ich selbst nie mit Sherpas unterwegs war, weiß ich aus Gesprächen, dass sie sich über die Expeditionen freuen, weil sie davon profitieren. Oft werde ich angesprochen: Die Sherpas bekommen ja nichts. Aber ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie vergleichsweise viel Geld verdienen und damit wirklich ihre Familien ein Jahr lang ernähren können. Andererseits verstehe ich, dass sie dieses erhöhte Risiko nicht mehr eingehen möchten.

Viele Bergsteiger am Everest nutzen die Vorteile der Sherpa-Unterstützung, aber sprechen nicht darüber, dass sie mit Sherpas unterwegs sind. Da fehlt einfach die Wertschätzung. Es wäre schön, wenn die Menschen, die dorthin gehen, wieder mehr Eigenverantwortung mitbringen, mehr Selbstständigkeit beim Bergsteigen. Sie sollten viel mehr die Zusammenarbeit mit den Sherpas suchen, anstatt nur zu fordern, was alles zu geschehen hat. Der Materialtransport in die Hochlager, die vielen Sauerstoffflaschen, das hat wirklich ein Ausmaß angenommen, das ich nicht mehr nachvollziehen kann.

Kaltenbrunner:Es fehlt an Wertschätzung

Aber der Everest ist ein durchkommerzialisierter Berg. Ist es nicht naiv zu glauben, dass sich daran etwas ändert? Weil es dort so viel Infrastruktur gibt, wird der Everest immer auch Menschen anlocken, die von ihren Fähigkeiten als Bergsteiger her eigentlich nicht dorthin gehören.

Das stimmt ganz sicher. Man hat in den vergangenen Jahren gesehen, dass sehr viele Leute dort sind, die mit dem Bergsteigen eigentlich nichts zu tun haben, aber unbedingt den Traum verwirklichen wollen, den höchsten Berg der Erde zu besteigen – egal was es kostet, egal mit welchen Mitteln. Das hat eine Richtung eingeschlagen, die absolut nicht gut ist. Ganz im Gegenteil. Vielleicht ist es wirklich naiv zu glauben, dass sich daran etwas ändert. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Eigentlich weiß jeder, dass es so nicht weitergehen kann und etwas passieren muss. Die Frage ist nur, was genau. Viele sprechen darüber, ich auch. Aber letztendlich hat niemand eine wirkliche Idee, mit der man ernsthaft etwas bewirken und verändern kann. Die Sherpas begehren auf. Einige, mit denen ich gesprochen habe, sagen, sie möchten nicht mehr zum Everest, weil sie genug verdient haben. Viele leben inzwischen im Ausland, viele in Amerika. Andere machen es weiter, weil sie das Geld brauchen, um ihren Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Es ist wirklich ein heikles und schwieriges Thema.

Kaltenbrunner: Die Hoffnung stirbt zuletzt

Ich habe das Gefühl, dass derzeit die Verantwortung hin und her geschoben wird. Die Veranstalter klagen die Regierung an und umgekehrt. Die Sherpas wiederum kritisieren Veranstalter und Regierung. Aber sie setzen sich nicht an einen Tisch und einigen sich auf eine Stoßrichtung.

Genau daran fehlt es, dass sie alle an einem Tisch sitzen und dass jeder sein Ego ein Stück weit zurückschraubt und ernsthaft eine sinnvolle Lösung anstrebt. Es sieht auch nicht so aus, als würde es in nächster Zeit geschehen.

Nordwand-Basislager

Nordwand-Basislager

Bist du vor diesem Hintergrund froh, das Kapitel Everest abgehakt zu haben?

Ich möchte es nicht als abgehakt bezeichnen. Aber ich bin auf jeden Fall froh, dass ich 2010 das große Glück hatte, an einem Tag unterwegs zu sein, an dem nur sehr wenige Leute aufstiegen. Es schneite, es war wolkig, ich hatte am Gipfel keinen Ausblick. Aber dafür war es ruhig am Berg. Von Genuss am Gipfel möchte ich nicht reden, dafür war der Aufstieg zu anstrengend. Aber ich habe mich gefreut, es geschafft zu haben.

Außerdem hatten wir damals unser Basislager unterhalb der Nordwand aufgeschlagen. Dort war es ruhig und abgeschieden, wir waren alleine. An diesem großen Berg, wo wirklich viel los ist, hatten wir ein Stück weit unsere Ruhe. Das habe ich genossen und ich freue mich noch heute, dass ich es so habe erleben dürfen.

Kaltenbrunner: Ich habe Ruhe am Everest erlebt

Das wird in der Diskussion ja auch meist unterschlagen, dass es am Everest immer noch die Möglichkeit gibt, bergsteigerische Abenteuer zu erleben. Ich denke nur an die Nordwand oder auch die Kangshung-Flanke. Es gibt durchaus noch Spielwiesen.

Natürlich, für echte Bergsteiger gibt es noch genug zu tun. Ich weiß nicht, ob in diesem Jahr jemand zur Nordwand geht. Dort hast du pure Einsamkeit. Im Basislager nur die gurrenden Schneehühner. Sonst ist es absolut ruhig, und du hast den Blick auf die Nordwand. Auch an der Kangshung-Wand ist niemand unterwegs. Nur auf den Hauptaufstiegsrouten, die von unten bis oben gesichert sind, tummeln sich die Leute. Ich will sie gar nicht Bergsteiger nennen. Natürlich gibt es solche und solche. Aber am Everest sind viele unterwegs, die dort eigentlich nicht hingehören.

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Göttler: Gewaltbereite Sherpas vergiften Everest-Klima https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-david-goettler-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-david-goettler-everest/#comments Sat, 03 May 2014 09:59:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25997 David Göttler

David Göttler

Über 300 Everest-Träume sind vorerst geplatzt. So viele Bergsteiger kehrten nach der Lawine im Khumbu-Eisbruch unverrichteter Dinge heim, nachdem ihre Expeditionen abgeblasen worden waren. Zu ihnen gehörte auch David Göttler. Der 35 Jahre alte Münchener hatte versuchen wollen, den höchsten Berg der Erde über die Normalroute auf der nepalesischen Südseite ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Göttler war noch dabei, sich zu akklimatisieren, als ihn die ersten, noch widersprüchlichen Meldungen über die Lawine erreichten. „Anfangs habe ich gehofft, vielleicht doch noch einen Versuch machen zu können“, erzählt mir David am Telefon. Deshalb habe er sein Vorbereitungsprogramm zunächst auch fortgesetzt. „Als ich am Gipfel des Island Peak (Sechstausender im Everest-Gebiet) war und unterhalb des höchsten Punktes übernachten wollte, kam die Nachricht, dass meine Expedition und auch alle anderen abgebrochen würden.“ Er kehrte nach Kathmandu zurück.

„David, was hat dich letztlich bewogen, das Unternehmen komplett fallen zu lassen? Du hättest doch zum Basislager weiterziehen und alleine durch den Eisbruch klettern können.

Adrian Ballinger vom Veranstalter Alpenglow, auf dessen Permit ich lief, ist von Kathmandu aus ins Basislager geflogen und hat mit seinen Sherpas geredet. Er hat sie auch gefragt, ob ich kommen könnte. Adrian wollte, nachdem er seine Gäste mit Sauerstoff auf den Gipfel geführt hätte, mit mir zusammen noch einen Versuch ohne Sauerstoff machen. Aber die Sherpas haben relativ deutlich gesagt, dass eine kleine, aber anscheinend sehr einflussreiche Sherpa-Gruppe jedem, der höher als das Basislager steigen wollte, Gewalt androhte. So wurde auch dem Basislager-Personal, z. B. unserem Küchenchef, gedroht, dass seine Familie zu Schaden kommen werde. Das ist etwas, was ich absolut nicht gutheißen kann und scharf kritisiere.

Das war nur eine kleine Gruppe. Der Großteil der Sherpas hat tief getrauert. Ich verstehe jeden einzelnen, der sagt, ich möchte in dieser Saison nicht mehr den Everest besteige. Das akzeptiere ich und würde niemals jemanden zwingen, für mich Fixseile zu legen. Aber ich möchte immer noch als Bergsteiger die Möglichkeit haben, die Risiken selbst zu beurteilen und dann für mich zu entscheiden, ob ich gehe oder nicht. Nachdem aber ausdrücklich gesagt wurde, dass es nicht erwünscht sei, dass irgendwer bergsteige, haben wir auch abgebrochen.  Das ist eine Atmosphäre, in der ich mich nicht wohl fühle und in der ich nicht bergsteigen möchte.

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Im letzten Jahr griffen Sherpas Ueli Steck und Simone Moro in Lager 2 tätlich an. Jetzt drohte eine kleine Gruppe Gewalt an und übte Druck aus. Gewalt ist plötzlich ein Thema am Everest. Denkst du, dass die Sherpas in sich gehen müssen, weil offenkundig ein Riss durch ihre Gemeinschaft geht?

Sie müssen das Problem auf jeden Fall lösen. Diese Atmosphäre von Drohungen und Gewaltbereitschaft vergiftet das ganze Klima. Dabei schießen sich die Sherpas doch ins eigene Bein, weil sie ziemlich schnell merken werden, was passiert, wenn keine Expeditionen mehr kommen. Gerade die Sherpas dieser kleinen gewaltbereiten Gruppe, die für Veranstalter arbeiten, die ihre Mitarbeiter nicht ausreichend versichern, werden als erste keine Arbeit mehr haben. Ich weiß nicht, wie sie dann reagieren.

Ich hatte das Gefühl, dass sich im letzten Jahr alle darauf verlassen haben, dass die Regierung einschreitet. Das hat offenkundig nicht funktioniert. Welche Rolle kann und sollte die Regierung überhaupt spielen? Ist es nicht vielmehr Aufgabe der Bergsteiger-Gemeinschaft, dieses Problem selbst zu lösen?

Ich komme nach Nepal und zahle mein Permit an die Regierung und nicht an die Sherpas. Von daher würde ich mir wünschen, dass die Regierung und das SPCC (Sagarmatha Pollution Control Comittee, die Verwaltung des Everest-Nationalparks) dieses Geld auch in die Everest-Region weitergibt oder zumindest, dass dort ein größerer Teil als bisher ankommt. Jedes Wasserkraftwerk, jede Brücke, jede Schule, jedes Krankenhaus im Khumbu-Gebiet ist aus Deutschland, Italien, den USA oder anderen westlichen Ländern  gesponsert. Da frage ich mich, wie wahrscheinlich auch die Sherpas: Wo bleibt eigentlich das Geld dieser Permits von 300 und mehr Bergsteigern für jeweils 10.000 Dollar? Auf der anderen Seite sollte es auch selbstverständlich sein, dass jeder zahlende Kunde sich einen Veranstalter aussucht, der verantwortungsvoll mit seinen Angestellten umgeht. Hätte ich mich für den preisgünstigsten Veranstalter entschieden, hätte ich 5000 Euro sparen können. Ich kannte ihn aber nicht und wusste nicht, welche Versicherungen er abschließt und wie er seine Leute behandelt.

Die Sherpas – von den „Ice doctors“, über die Hochträger bis zu den Climbing Sherpas – riskieren im Khumbu-Eisbruch Kopf und Kragen. Hast du Verständnis, wenn sie fordern, für ihren gefährlichen Job besser bezahlt zu werden?

Es muss so honoriert werden, dass beide Seiten damit einverstanden sind. Da bin ich einer Meinung mit den Sherpas. Aber sie müssen die Bezahlung aushandeln, bevor die Arbeit losgeht. Jeder Sherpa unterschreibt bei seiner Agentur einen Vertrag, in dem genau steht, wie hoch die Versicherungssumme im Todesfall ist, wie oft er durch den Eisbruch gehen muss, wie viel Geld er dafür erhält. Wenn ich in den Alpen als Bergführer arbeite und einen Job am Mont Blanc annehme, weiß ich auch, dass es dort die Tacul-Flanke gibt, wo schon mehrere Bergführerkollegen bei Lawinen ums Leben gekommen sind. Trotzdem mache ich es eine bestimmte Summe, die ich vorher aushandele. Ich weiß, was mich erwartet. Genauso wissen die Sherpas, was sie im Khumbu-Eisbruch erwartet. Ich war in drei verschiedenen Jahren dort, und der Weg war immer gleich gefährlich. In diesem Jahr war das Unglück, dass so viele zur falschen Zeit an der falschen Stelle waren. Das hätte in all den Jahren zuvor ebenfalls passieren können. Ich weiß an der Tacul-Flanke auch, dass ich ums Leben kommen kann. Aber ich kann nicht plötzlich, wenn vor mir eine Lawine abgeht, in Streik gehen und sagen: Jetzt möchte ich doppelt so viel Geld, weil es doppelt so gefährlich ist. Die Sherpas, die am Everest arbeiten, sind clever, nicht ungebildet. Sie waren schon dort und gehen wieder hin, weil sie wissen, es ist sehr gut bezahlte Arbeit. Wenn sie mehr Geld wollen, ist es auch okay. Aber dann sollen sie es vorher aushandeln. Sie können nicht plötzlich das Doppelte verlangen, das kann ich nicht unterstützen.

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Erstmals seit dem Beginn kommerzieller Expeditionen zum Everest ist eine Saison vorzeitig zu Ende gegangen. Glaubst du, dass die großen Veranstalter jetzt auf die Nordseite wechseln werden?

Ich bezweifle es. In einem Jahr gerät vieles in Vergessenheit. Ich weiß auch nicht, ob es für kommerzielle Veranstalter die bessere Wahl wäre, auf die Nordseite zu gehen. Auch dort gibt es Nachteile. So kann die chinesische Regierung von einem Tag auf den anderen sagen: Der Berg ist jetzt geschlossen, weil der Dalai Lama das Land XY besucht hat. Auch die Möglichkeiten, Bergsteiger in Not zu retten, sind bei weitem nicht so gut wie auf der Südseite, wo Helikopter-Rettungsflüge bis Lager 2 gang und gäbe sind. Auf der Südseite habe ich außerdem eine niedrigere Schlafhöhe im letzten Lager. Ich weiß nicht, was für einen kommerziellen Veranstalter mittlerweile das kleinere Übel ist.

Ich würde mir wünschen, dass die nepalesische Südseite wieder gut funktioniert, in dem Sinne, dass die Sherpas, die Veranstalter und die individuellen Bergsteiger wieder gut zusammenarbeiten und sich gegenseitig respektieren, damit alle zusammen bergsteigen können, in den verschiedenen Spielformen.

Wie sieht es jetzt mit deinen persönlichen Everest-Ambitionen aus?

Ich möchte immer noch den Everest wenigstens einmal probieren. Wenn es sich wirklich bewahrheitet, dass das Permit für fünf Jahre gültig bleibt, werde ich sicher auch noch einmal auf die Südseite zurückkehren.“

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Quo vadis, Everest? https://blogs.dw.com/abenteuersport/quo-vadis-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/quo-vadis-everest/#comments Mon, 28 Apr 2014 15:09:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25975

Schatten breitet sich am Everest aus

Die Lawine im Khumbu-Eisbruch am Karfreitag könnte zum tiefen Einschnitt in der Geschichte des Mount Everest werden. Erstmals seit dem Beginn kommerzieller Expeditionen zum höchsten Berg der Erde Ende der 1980er Jahre wird in diesem Frühjahr so gut wie sicher kein zahlender Kunde von der nepalesischen Seite aus den Gipfel erreichen. Die Saison ist beendet, nicht offiziell, aber de facto. Alle großen Expeditionsmannschaften haben das Basislager geräumt, viele Bergsteiger sind inzwischen in Kathmandu eingetroffen. Dort mehren sich Berichte, dass es massive Drohungen einer kleinen Gruppe von Sherpas gegen jene Landsleute gegeben habe, die trotz des Lawinenunglücks mit 16 Toten am Berg bleiben wollten. Auch westliche Bergsteiger wurden offenbar bedroht.

Kleine gewaltbereite Gruppe

“Den Sherpas der Teams wurde gesagt, ihre Beine würden gebrochen, wenn sie Kunden auf den Everest führten“, schreibt der US-Amerikaner Greg Paul, der mit Himalayan Experience unterwegs war, in seinem Blog. „Die Expeditionen wurden mit Verweis auf die Macht der Sherpas aufgefordert, das Basislager innerhalb von Tagen zu verlassen, andernfalls werde es Konsequenzen geben, möglicherweise einschließlich Gewalt.“ Auch Mitglieder anderer Expeditionen berichten über eine kleine gewaltbereite Gruppe, die Druck ausgeübt habe.

Nicht abgeschreckt

Schon 2013 hatten sich Risse in der früher so homogenen Gemeinschaft der Sherpas gezeigt. Nach einem Streit am Berg waren die europäischen Bergsteiger Ueli Steck, Simone Moro und Jon Griffith in Lager 2 von einem Sherpa-Mob getreten, geschlagen und mit dem Tod bedroht worden. Die nepalesische Regierung hatte daraufhin angekündigt, 2014 einen Wachposten im Basislager zu etablieren. Der sollte jedoch erst Anfang Mai öffnen. Die wenigen Sicherheitskräfte, die schon im April vor Ort waren, schreckten die gewaltbereite Clique offenkundig nicht ab.

Keine Rechtfertigung für Gewalt

Der 18. April war ein schwarzer Freitag in der Geschichte des Everest und eine Tragödie für die Familien der 16 Opfer. Völlig zu Recht wurde innegehalten, um zu trauern. Und auch mit Recht wurde von Seiten der Sherpas eine bessere finanzielle Absicherung für solche Unglücksfälle gefordert. Durch nichts zu rechtfertigen ist jedoch Gewalt am Everest – und auch nicht, damit zu drohen. Möglicherweise schneidet sich jene aggressive Sherpa-Minderheit nicht nur ins eigene Fleisch, sondern auch in das der friedlichen Mehrheit. Einige Veranstalter denken laut darüber nach, ob sie in Zukunft auf die tibetische Nordseite wechseln oder sogar den Everest ganz aus ihrem Programm nehmen.

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Rupert Hauer: Rettung geht vor Gipfel https://blogs.dw.com/abenteuersport/rupert-hauer-rettung-geht-vor-gipfel/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/rupert-hauer-rettung-geht-vor-gipfel/#comments Thu, 24 Apr 2014 02:00:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25855 Rupert Hauer auf der Nordseite des Everest

Rupert Hauer auf der Nordseite des Everest

Dünne Luft muss oft herhalten, um dünne Moral zu rechtfertigen. Gerade in der Gipfelregion des Mount Everest halten es viele Bergsteiger für selbstverständlich, im übertragenen und auch wörtlichen Sinne über Leichen zu gehen. Rupert Hauer bewies im Mai 2013, dass es auch anders geht. Der Österreicher hatte zuvor mit den Deutschen Alix von Melle und Luis Stitzinger die Shishapangma bestiegen. Es war sein dritter Achttausender nach dem Dhauligiri 2009 und dem Cho Oyu 2010. Jetzt wollte Rupert den Everest über die tibetische Normalroute besteigen, ohne Flaschensauerstoff. Am Third Step, der Felsstufe am Nordgrat auf 8700 Metern, an der letzten Hürde vor dem Gipfel, begegnete er dem US-Amerikaner Ruben Payan, der auf dem Rückweg war, schneeblind, hilflos. „Ich habe keine Sekunde gezögert“, erzählte später der Alpinpolizist aus Salzburg, der auch als Bergführer und Bergretter unterwegs ist. Zusammen mit Payans Sherpa geleitete Hauer den US-Bergsteiger über sechs Stunden lang hinunter zum letzten Lager auf 8300 Metern. Payan überlebte. Rupert bezahlt seine selbstlose Rettungsaktion nicht nur mit der verpassten Gipfelchance, sondern auch mit schweren Erfrierungen an der Nase.

2015 wird der 45-Jährige zum Everest zurückkehren, als Leiter einer kommerziellen Expedition, deren Ausschreibung in Deutschland für viel Wirbel sorgte. Angeboten wird sie vom DAV Summit Club, dem kommerziellen Ableger des Deutschen Alpenvereins. Kritiker werfen dem DAV vor, seine eigenen Grundsätze zu verraten. Ich habe Rupert Hauer einige Fragen zum Mount Everest geschickt – die meisten vor dem Lawinenunglück auf der Südseite, die ersten beiden hinterher. Ein Interview in zwei Teilen, die trotzdem zusammenpassen.

Am Gipfel der Shishapangma - mit Tunc Findik (l.)

Am Gipfel der Shishapangma – mit Tunc Findik (l.)

Rupert, eine Lawine im Khumbu-Eisbruch auf der Südseite des Mount Everest hat in der vergangenen Woche 16 Nepalesen das Leben gekostet. War es aus deiner Sicht ein Schicksalsschlag, der an den höchsten Bergen immer möglich ist, oder eine Tragödie, die hätte vermieden werden können?

Der Khumbu Eisbruch gilt als gefährlichste Passage auf dem Weg zum Everest von Süden. Es brechen jedes Jahr Seracs zusammen und gehen als Eislawinen nieder. Man kann dieser Gefahr nicht ausweichen. Die Sherpa und Träger müssen diese Passagen öfter begehen als die Bergsteiger. Es kommt jedes Jahr zu Unfällen im Khumbu-Eisbruch. Das ist nichts Neues. Das dieses Mal 16 Sherpas ihr Leben lassen mussten, ist natürlich sehr tragisch. Eine Eislawine löst sich ohne Vorankündigung, der Zeitpunkt eines Abgangs ist sehr schwer bis gar nicht einzuschätzen. Wenn man diese Passage begeht, muss man damit rechnen, dass es zu einem Unfall kommen kann. In diesem Fall war es natürlich Schicksal, dass sich gerade eine große Gruppe Sherpas in diesem Bereich aufgehalten hat.

Die Gefahr eines derartigen Unfalls ist jedem bekannt, der dorthin geht. 8000er-Bergsteigen ist sicher mit mehr Risiko behaftet als Bergsteigen bei uns in den Alpen. Wenn man von der Südseite den Everest besteigen will, muss man diesen Abschnitt durchsteigen.

Hältst du es für sinnvoll, die gesamte Saison auf der Südseite aus Respekt vor den Lawinentoten abzublasen?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, man sollte die Sherpas entscheiden lassen, ob sie in dieser Saison weiterhin am Berg arbeiten wollen. Deren Entscheidung sollte man dann auf alle Fälle akzeptieren. Die Unfallstelle muss ja im Aufstieg immer wieder begangen werden. Es ist zu hoffen, dass die Bergsteiger und deren Agenturen nicht zu viel Druck auf die Sherpas ausüben. Diese sollten auf alle Fälle die Möglichkeit bekommen, eine für sie vertretbare Entscheidung zu treffen. Wenn die Sherpas in dieser Saison nicht mehr aufsteigen, dann hat sich die Frage für die Bergsteiger so gut wie erledigt.

Du warst 2013 auf der Nordseite unterwegs. Wie war es um das bergsteigerische Können der Gipfelaspiranten bestellt?

Es ist schwierig, das zu beurteilen. Vom Einstieg in die Eisflanke, die zum Nordsattel führt, bis zum Gipfel ist ein Fixseil gespannt. Über den Second Step führt eine Leiter. Bergsteigerisches Können ist also in diesem Fall nicht ausschlaggebend für eine erfolgreiche Besteigung. Vielmehr kämpfen die Leute mit der Logistik am Berg. Sauerstoff, Wetterbericht, Hochlager … Die Bergsteiger, die ohne kommerziellen Anbieter unterwegs sind, verlassen sich in diesem Fall komplett auf die ihnen von den nepalesischen Agenturen zugewiesenen Sherpas. Diese waren 2013 teilweise sehr jung, hatten relativ wenig Erfahrung an hohen Bergen. Auch die Möglichkeiten, an einen aussagekräftigen Wetterbericht zu kommen, sind begrenzt. Es wird dabei auch nicht im Team gearbeitet, sondern es konzentriert sich jeder Bergsteiger mit seinem Sherpa auf den eigenen persönlichen Erfolg.

Aufstieg zum Nordsattel

Aufstieg zum Nordsattel

Du hast im vergangenen Jahr auf den Gipfel verzichtet, um einen in Not geratenen Bergsteiger aus 8700 Meter Höhe in Sicherheit zu bringen. Ist deine Einstellung „Rettung geht vor Gipfel“ immer noch eher die Ausnahme am Everest?

Ja, und zwar nicht nur am Everest. Auch auf anderen hohen Bergen kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Dazu muss man aber auch anmerken, dass Bergsteiger, die mit künstlichem Sauerstoff unterwegs sind, zeitlichen Einschränkungen unterliegen und deshalb auch oft nicht mehr in der Lage sind zu helfen.

Die nepalesische Regierung hat mehrere neue Regeln für den höchsten Berg der Erde aufgestellt. So gibt es jetzt einen Wachposten im Basislager, der gleichzeitig Schiedsstelle bei möglichen Konflikten zwischen Sherpas und westlichen Bergsteigern sein soll. Was hältst du davon?

Ich kann dazu relativ wenig sagen. Auf der Nordseite gab es absolut kein Problem zwischen Bergsteigern und Sherpas. Es sind natürlich auch nicht so viele Bergsteiger auf dieser Route unterwegs (Verhältnis 1:8). Deshalb kommt es auch nicht zu solchen Auseinandersetzungen. Natürlich habe auch ich von den Vorfällen auf der Südseite Kenntnis erlangt. Ich denke, dass der gegenseitige Respekt einfach verloren geht. Die Bergsteiger denken nur noch an den persönlichen Erfolg (der mit viel Geld und sehr viel Zeitaufwand verbunden ist), und die Sherpas glauben sehr oft, dass niemand ohne ihre Hilfe den Gipfel erreicht. Auch die Sherpas müssen akzeptieren, dass es westliche Bergsteiger gibt, die zu außergewöhnlichen Leistungen im Stande sind.

Jeder Bergsteiger soll jetzt mindestens acht Kilo Müll vom Berg mit herunterbringen. Findest du das sinnvoll und wenn ja, würde es auch auf der Nordseite Sinn machen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Bergsteiger in der Lage sind, zusätzlich acht Kilo Müll vom Berg zu schleppen. Es werden dann vermutlich weitere Sherpas hinaufgeschickt, um dies zu erledigen. Dies würde auch den Preis weiter in die Höhe treiben. So wie ich das auf der Nordseite erlebt habe, kümmert sich nach dem Gipfelerfolg kein Bergsteiger um das Müllproblem. Die Sauerstoffflaschen werden von den Sherpas wieder ins Basislager gebracht, um das Pfand bei der Rückgabe zu kassieren. Im Endeffekt ist das also wieder Arbeit für die Sherpas.

Derzeit gibt es meiner Ansicht nach auf der Nordseite kein Müllproblem. Es war nicht mehr Müll in den Hochlagern (ausgenommen der zerfetzten Zelte) als auf anderen Achttausendern. Auch auf der Shishapangma oder am Dhaulagiri bleiben immer wieder Zelte und Ausrüstungsgegenstände zurück.

2015 sollst du eine Everest-Expedition des DAV Summit Club leiten. Der hat sich einiges an Kritik anhören müssen, weil er den Everest in sein kommerzielles Expeditionsangebot aufgenommen hat. Hat dich die Aufregung überrascht?

Überrascht hat mich die Aufregung nicht. Es wird einfach zu viel Negatives über kommerzielle Expeditionen berichtet. Ich bin der Meinung, dass es für Everest-Aspiranten sicherer und auch erfolgversprechender ist, wenn sie mit einer professionell arbeitenden Agentur unterwegs sein können. Im Vorjahr konnte ich selbstständig agierende Bergsteiger und eine kommerzielle Gruppe vergleichen. Die kommerzielle Expedition führte die Besteigung unter Anleitung eines erfahrenen Expeditionsleiters durch. Dadurch erfolgte die Besteigung auch in einer Gruppe. Alle Teilnehmer mit ihren Sherpas waren untereinander mit Funk in Verbindung, konnten auf Probleme sofort reagieren und wurden auch vom  Expeditionsleiter ständig beobachtet und mit aktuellem Wetterbericht versorgt. Ich bin der Meinung, dass auch die Kameradschaft in einer derartigen Gruppe mehr gelebt wird.

Rupert an der Shishapangma

Rupert an der Shishapangma

Ralf Dujmovits, der lange Zeit kommerzielle Expeditionen veranstaltet hat, nahm die hohen Achttausender aus seinem Angebot heraus. Seine Begründung damals: Ein Bergführer sei am Everest selbst so sehr am Limit und mit sich selbst beschäftigt, dass er kaum seine Pflichten gegenüber den Kunden erfüllen könne. Wie siehst du das?

Auch die von Dujmovits verkaufte Agentur bietet nun wieder den Everest an. Ich bin der Meinung, dass der Everest unter Verwendung von künstlichem Sauerstoff nicht gefährlicher ist als andere 8000er Gipfel (die ja großteils ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen werden). Es sollten einfach im Vorfeld von Expeditionen (egal zu welchen Bergen) die Teilnehmer verpflichtet werden, gewisse Ausbildungen vorzuweisen. Ein verpflichtender Vorbereitungskurs, bei dem  erfahrene Expeditionsleiter die Teilnehmer in den Basics schulen können, wäre schon ein erster Schritt in die richtige Richtung. Natürlich gehört auch das schrittweise Herantasten an die ganz hohen Berge dazu.

Wirst du deine eigenen Gipfelambitionen am Everest 2015 völlig zurückstellen, wenn du in die Rolle des Expeditionsleiters schlüpfst?

Ich habe bislang immer versucht, so vielen Teilnehmer wie möglich eine Gipfelchance zu ermöglichen. Natürlich ist das Erreichen des Gipfels ein Wunsch jedes Bergsteigers, ansonsten würde er ja nicht die Zeit und das viele Geld investieren. Wenn mir eine Gruppe anvertraut wird, ist mein oberstes Ziel, diese nach bestem Wissen und Gewissen zu betreuen. Sollte ein Umkehren notwendig werden, stelle ich die eigenen Gipfelambitionen zurück. Der Besteigungsversuch im Vorjahr war für mich eine sehr wichtige Erfahrung. Es ist gut zu wissen, dass einem der Gipfel zwar sehr wichtig ist (sonst wär ich ja nicht hingefahren), ich einem Gipfelsieg aber nicht alles unterordne. Ich habe bereits einige Expeditionen geleitet. Dabei habe ich auch immer den Gipfel mit Teilnehmern erreicht.

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Mindestens zwölf Tote bei Lawine am Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/lawine-am-mount-everest-toetet-mindestens-zwoelf-sherpas/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/lawine-am-mount-everest-toetet-mindestens-zwoelf-sherpas/#comments Fri, 18 Apr 2014 11:43:07 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25869 Gefährlicher Eisbruch

Gefährlicher Eisbruch

Die Frühjahrs-Saison am Mount Everest beginnt mit einem Unglück. Im Khumbu-Eisbruch auf der nepalesischen Südseite des Bergs ist eine Lawine abgegangen. „Etwa 25 Menschen wurden von der Lawine weggerissen“, sagte ein Sprecher des nepalesischen Tourismusministeriums. „Wir haben acht Bergsteiger lebend gerettet, bis jetzt sind 12 Leichen geborgen worden.“ Vier Sherpas würden noch vermisst. Bergsteiger aus sechs Expeditionen seien in die Lawine geraten. In anderen Berichten heißt es, bei den Opfern handle es sich ausnahmslos um Sherpas, die dabei gewesen seien, die Route durch das Eislabyrinth zu sichern.

Oberhalb der Unglücksstelle sei fast hundert Bergsteigern der Rückweg abgeschnitten. Die Lawine ging auf einer Höhe von etwa 5800 Metern ab, über dem so genannten „Popcorn-Feld“. Die heikle Passage wird so genannt, weil dort viele Eisblöcke zusammengestürzter Seracs oder aus Eislawinen herumliegen. In diesem Frühjahr haben auf der Südseite des Mount Everest rund 300 Bergsteiger aus 28 Expeditionen ihre Zelte aufgeschlagen.

Schon jetzt handelt es sich von der Zahl der Opfer her um das schlimmste Lawinenunglück in der Geschichte des Mount Everest. 1922 waren auf der tibetischen Nordseite bei einem Lawinenabgang sieben Sherpas ums Leben gekommen. 1970 verloren im Khumbu-Eisbruch innerhalb weniger Tage sieben Sherpas das Leben.

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Gelesen: Machtkampf am Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-machtkampf-am-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-machtkampf-am-everest/#comments Wed, 25 Sep 2013 11:11:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23361 Warnung: Das ist keine Rezension! Ich bin diesmal völlig distanz-, scham- und prinzipienlos, befangen, verwickelt. Deshalb dürfte ich euch diese Anthologie (für alle Nichtgriechen: eine Blütenlese, sprich Sammlung ausgewählter Texte verschiedener Autoren) zum Sherpa-Angriff am Mount Everest eigentlich gar nicht ans Herz legen. Ich mache es trotzdem. Warum? Lupenreine PR.

Vielschichtiges Bild

Weil es auch zwei Artikel aus meinem Blog „Abenteuer Sport“ in die Sammlung geschafft haben: ein damals, Ende April, aktueller Beitrag kurz nach der Attacke gegen Simone Moro, Ueli Steck und Jonathan Griffith sowie ein Interview, das ich Anfang Mai mit Hans Kammerlander führte. Dazu gibt es noch jede Menge andere Ansichten und Draufsichten. Die direkt Betroffenen äußern sich, Sherpas, Expeditionsveranstalter, berühmte Bergsteiger. In der Summe ergibt sich ein vielschichtiges Bild des Ereignisses, das weltweit für Schlagzeilen sorgte. Also kauft euch gefälligst dieses wunderbare, einmalige, unverwechselbare, bahnbrechende, literaturnobelpreisverdächtige Büchlein! 😉

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Göttler: Verhältnis mit Sherpas wird gut bleiben https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-goettler/ Mon, 05 Aug 2013 14:55:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22742

Die letzten Meter zum Gipfel des Makalu

Viele kennen den Anblick des Makalu, ohne dass es ihnen bewusst ist. Auf Bildern, die vom Gipfel des Mount Everest in Richtung Südostgrat geschossen werden, erhebt sich im Hintergrund der formschöne fünfthöchste Berg der Erde. Nur wenige Kilometer Luftlinie trennen die beiden Achttausender, und doch sind es Welten. In diesem Frühjahr überschlugen sich die Everest-Schlagzeilen: erst die Schlägerei in Lager 2, dann das 60-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung. Da verlor auch ich die Expedition von vier deutschen und einem Schweizer Bergsteiger zum Makalu ein wenig aus den Augen.

Siegrist musste abbrechen

David Göttler, Michael Wärthl, Hans Mitterer, Daniel Bartsch und Stephan Siegrist wollten den Berg im Alpinstil über den anspruchsvollen Westpfeiler besteigen. Siegrist musste die Expedition abbrechen, weil er in der Höhe unerträgliche Kopfschmerzen und Sehstörungen hatte, möglicherweise Folge eines Schädelbruchs einige Jahre zuvor. Die anderen vier gaben ihren ursprünglichen Plan auf und schwenkten auf den Normalweg um. Wärthl kehrte wegen eiskalter Finger kurz vor dem Gipfel um. Die restlichen drei erreichten den höchsten Punkt auf 8485 Metern. Sie verzichteten bei ihrem Aufstieg auf Flaschen-Sauerstoff.

Ich erwische David Göttler auf der Heimfahrt aus dem Bergell, wo der Münchner Bergführer mit zwei Kunden geklettert ist. Der 34-Jährige war in den vergangenen Jahren mehrfach mit Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits auf Expedition. Mit Gerlinde bestieg Göttler unter anderem 2008 den Dhaulagiri und 2012 den Nuptse. 

Gipfelfoto: Mitterer, Göttler und Bartsch (v.l.)

David, am 21. Mai standest du mit Hans Mitterer und Daniel Bartsch auf dem 8485 Meter hohen Makalu. War es ein Gipfeltag wie aus dem Bilderbuch? 

Wir waren schnell unterwegs. Wir hatten brutales Glück, dass wir zusammen mit einem Finnen (Samuli Mansikka) alleine dort oben waren. Die Wetter- und Schneeverhältnisse waren perfekt: Fast kein Wind, normal warm für so einen hohen Achttausender, was bedeutet nicht zu kalt. Es war unglaublich. Es wäre schön, wenn jeder Gipfeltag so wäre. 

Der Makalu war dein fünfter Achttausender. Wie stufst du ihn in deiner persönlichen Hitliste der wichtigsten Erfolge ein? 

Gerade die letzte Etappe zum Gipfel ist anspruchsvoll. Dort hingen nur alte Fixseile, die man nicht wirklich gerne benutzt. Es war sicher einer der anspruchsvolleren Aufstiege. 

An eurem Gipfeltag kehrte eine große Gruppe von Bergsteigern kommerzieller Expeditionen etwa 200 Meter unter dem höchsten Punkt um. Hinterher beklagten sich einige darüber, dass die Sherpas entgegen der Absprache die letzte Passage zum Gipfel nicht mit Fixseilen gesichert hätten? Was war da los? 

Wir haben auf einer Höhe von rund 8200 Metern um drei Uhr nachts zu der Gruppe aufgeschlossen, die viel früher als wir gestartet war. Als es dann hell wurde sagten die Sherpas, sie hätten zu wenig Fixseile dabei, alle sollten umdrehen. Sie waren schon sehr lange unterwegs. Vielleicht war es eine weise Entscheidung der Sherpas, zumindest für einen Großteil ihrer Kunden. Es mag sein, dass sie nur vorgeschoben haben, dass die Fixseile ausgegangen seien. Ich habe ihnen vorgeschlagen, von weiter unten 200 Meter Fixseil für die letzte Passage heraufzuholen. Ich hatte auch noch etwa 40 Meter im Rucksack. Das haben sie total abgeblockt und gemeint, es dauere zu lange. Aber ich kann wirklich nur Vermutungen anstellen, was da wirklich los war und halte mich deshalb lieber zurück. 

Ursprünglich wolltet ihr den Gipfel im Alpinstil über den Westpfeiler besteigen. Dann musste Stephan Siegrist, eines eurer Teammitglieder, die Expedition wegen gesundheitlicher Probleme abbrechen. Warum habt ihr euren Plan dann aufgegeben, ihr wart zu diesem Zeitpunkt noch zu viert und eine schlagkräftige Mannschaft?

Da kamen mehrere Faktoren zusammen. Nach Stephans Ausfall waren wir ein starker Mann weniger. Zudem waren die Verhältnisse dort brutal, blankes Eis. Da kommt man einfach nicht mehr vorwärts. Schon während der Erkundung des Westpfeilers haben wir wegen des Blankeises im unteren Bereich einige Passagen sichern müssen, die eigentlich flach waren. Darüber war der Fels brüchig. Wir haben abgewogen. Die Chance, über den Westpfeiler auf den Gipfel zu gelangen, war minimal, die über den Normalweg relativ gut.  

Ihr wart drei von nur sieben Bergsteigern, die in diesem Frühjahr den Gipfel erreichten. Habt Ihr den Makalu als einsamen Berg erlebt? 

Ja, im Vergleich zu den letzten Expeditionen zum Lhotse und Nuptse, wo ich immer im Everest-Basislager war. Ich habe auch noch nie ein so schönes Basislager gehabt. Es lag unterhalb des Lagers für die Normalroute, im Grünen, mit Blick auf Lhotse, Everest, Makalu und Baruntse. Dort waren wir alleine, und das an einem Achttausender! Auch am Berg hatte ich nicht das Gefühl, dass viele unterwegs wären. Wir haben uns eher gefreut, die Leute zu treffen und mit ihnen zu plaudern. Wir hatten eine Gaudi mit den Sherpas, die am Normalweg unterwegs waren. Es war immer freundlich und nett mit ihnen. 

David Göttler

Am Everest, rund zehn Kilometer Luftlinie entfernt, griffen Sherpas Ende April in Lager 2 die Topbergsteiger Ueli Steck, Simone Moro und Jonathan Griffith an. Hat sich das bis zu euch herumgesprochen? 

Wir waren dabei, uns zu akklimatisieren. Wir hatten gerade einen Sherpa aus einer Spalte gezogen, in die er gestürzt war. Er hat sich hundertmal bedankt, wir seien seine Lebensretter. Wir haben das gar nicht so empfunden. Es ist doch ganz normal, dass man sich gegenseitig hilft. Dann kamen wir ins Basislager herunter, und unsere Küchenmannschaft hörte in einem kleinen Radiogerät diese Nachricht, die der lokale Sender „Khumbu Radio“ verbreitete. Das war für uns total unglaublich. Wir haben uns gefragt, was muss da vorgefallen sein, dass es so eskaliert. 

Ihr habt am Makalu wie das Trio am Everest auf Sherpa-Unterstützung verzichtet. Wie haben sich die Sherpas am Makalu euch gegenüber verhalten? 

Sie sind immer nett gewesen. Als wir auf den Normalweg umgeschwenkt sind, haben sie uns schon gefragt: Was macht ihr denn jetzt hier? Wir haben ihnen erklärt, dass wir über den Normalweg aufsteigen wollen. Für ihre Leistung im unteren Bereich des Bergs haben wir sie dann auch honoriert, indem wir ihnen ein paar Eisschrauben und Fixseile überlassen haben. Damit war die Sache erledigt. Wir haben uns immer gegenseitig geholfen. Wir haben ihnen zum Beispiel den Wetterbericht weitergegeben. Die Sherpas haben uns mit anderen Informationen versorgt. Es war ein angenehmes, freundliches Miteinander.   

Glaubst du, dass das Verhältnis zwischen den Sherpas und den Profibergsteigern nach dem Zwischenfall nachhaltig getrübt ist? 

Ich hoffe nicht. Ich habe aber auch keine Angst, wieder dorthin zu reisen. Ich bin der festen Meinung, dass es auch weiterhin ein gutes Verhältnis sein wird. Ich glaube, der Everest ist ein sehr spezielles Terrain, wo viele Extreme aufeinander prallen. Die Sherpas haben dort im Vergleich zum Makalu oder anderen Bergen einen ungeheuren Druck. Finanziell steht eine Menge dahinter, dann die vielen Leute, die erwarten, dass endlich die Fixseile in die Route kommen, dass es vorwärts geht.

Von der nächsten Frühjahrs-Saison an soll im Everest-Basislager ein Team der Regierung seine Zelte aufschlagen, um vor Ort zu kontrollieren, ob sich die Leute den Regeln entsprechend verhalten. Sind damit alle Probleme gelöst? 

Ich denke nicht, dass damit alle Probleme gelöst sind. Es ist ja die Frage, ob bei dem Streit, der eskaliert ist, wirklich Regeln gebrochen wurden,  von wem auch immer. Oder ob es sich um ungeschriebene Gesetze am Everest handelt, die die Sherpas auf die eine Weise interpretieren und manche Bergsteiger eben anders.

Das eigentliche Problem, dass dort zu viele Leute unterwegs sind, ist nur sehr schwer zu lösen. Wenn man das Klettern mit zusätzlichem Sauerstoff abschaffen würde, würde sich das Ganze dort schnell regulieren, und es gäbe keine Probleme mehr. Aber das kann man nicht vorschreiben. Wer und in welcher Spielform des Bergsteigens auch immer dort sein Glück versucht, soll es probieren und glücklich werden. Das bleibt jedem selbst überlassen.

Ist der Everest für dich ein attraktives Ziel? 

Ja. Den Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff zu besteigen, ist auch über den Normalweg Herausforderung genug. Das würde mich schon reizen.

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Sherpa-Attacke ‚unter der Gürtellinie‘ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-kammerlander-everest/ Fri, 10 May 2013 14:26:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21565

Hans Kammerlander

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende: „Hans Kammerlander!“ Ich hatte den Südtiroler Extrembergsteiger per Email gebeten, mir seine Gedanken zum 60-Jahr-Jubiläum der Everest-Erstbesteigung zukommen zu lassen. Das erledigt Hans nun auf direktem Wege. Der 56-Jährige hat zwölf der 14 Achttausender bestiegen, allesamt ohne Flaschensauerstoff, sieben der höchsten Gipfel zusammen mit Reinhold Messner. Mit ihm gelang Kammerlander auch 1984 die erste (und bis heute nicht wiederholte) Achttausender-Doppelüberschreitung – und das im Alpinstil, also ohne Hilfe von Sherpas, ohne Hochlager, Fixseile und Atemmaske. Die beiden stiegen im Karakorum in Pakistan zunächst auf den Gasherbrum II, auf anderer Route hinunter bis zu einem Sattel, dann direkt hinauf zum Gasherbrum I und wieder auf anderem Weg bergab. Nach acht Tagen kehrten sie ins Basislager zurück. Ein Meilenstein des Achttausender-Bergsteigens. Als Hans in den Morgenstunden des 24. Mai 1996 von der tibetischen Nordseite aus den Gipfel des Mount Everest erreichte, war er dort alleine. Anschließend fuhr er mit Skiern ab, nur an einigen schneefreien Stellen musste er die Bretter abschnallen. In unserem Gespräch geht es nicht nur um diesen Tag, sondern auch um die jüngsten Ereignisse am höchsten Berg der Erde:

Hans, was bedeutet der Mount Everest heute für dich?

Mir war der Berg als Höhenbergsteiger immer wichtig. Ich habe jahrelang von ihm geträumt, weil ich seit der Kindheit zwei Hobbys habe: Klettern und Skifahren. Dann kam plötzlich die Idee, beides am höchsten Berg der Welt zu kombinieren. Für mich ist der Everest eine außergewöhnliche Erinnerung, vor allem der Start mit Skiern oben am höchsten Punkt und die Einsamkeit. Ich bin ja ab 7000 Metern alleine aufgestiegen, ich habe den Berg richtig spüren können. Ich habe den Everest in toller Erinnerung und freue mich, dass ich das Abenteuer schon vor Jahren erlebt habe. Heutzutage wäre es nicht mehr möglich. Am Everest ist alles Tourismus geworden. Mit Alpinismus hat das Geschehen auf den Normalrouten nichts mehr zu tun. 

Hans 1991 mit Reinhold Messner

Hat der Everest für dich als Extrembergsteiger seine Faszination verloren?

Natürlich gibt es Routen am Everest, die interessant wären, wo man ganz sicher auch alleine unterwegs ist. Aber auf den normalen Aufstiegsrouten unter Hunderten von Leuten aufzusteigen, wäre für mich ein Horror. Der Berg liegt in Handschellen, in Fesseln, das ist nichts mehr. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Und wenn es zu solchen Attacken kommt wie vor kurzem gegen Ueli Steck und Simone Moro, stimmt es mich sehr, sehr nachdenklich.

Wie denkst du darüber? Ist da wirklich, wie Ueli und Simone sagen, ein Konflikt aufgebrochen, der sich seit Jahren aufgestaut hat?

Mit Sicherheit. Ich bewundere die beiden. Vor allem Ueli Steck ist ein außergewöhnlich schneller, guter Höhenbergsteiger. Es ist ja ganz klar, dass Simone Moro und Ueli Steck diese Fixseile nicht brauchen. Auch die Sherpas müssen kapieren, dass die Top-Alpinisten der Welt nicht ins Rudel hineingedrängt werden dürfen. Natürlich leisten die Sherpas eine große Arbeit am Everest. Aber sie sind auch Manager geworden, verdorben durch den Massentourismus, durch die Leute, die mit Geld um sich werfen. Die Sherpas machen ihre Arbeit für eiskaltes Geld und wollen halt nicht, dass jemand die Seile nicht benutzt. Sie haben Angst, das löst eine Kettenreaktion aus, dass der nächste sagt, ich brauche die Seile auch nicht. Wenn die Sherpas solche Top-Alpinisten attackieren, finde ich das unter der Gürtellinie. Sehr, sehr schwach. Sie müssen schon ein bisschen mitdenken.

Kammerlander: Sherpa-Attacke unter der Gürtellinie

Warst du überrascht über das Ausmaß der Gewalt?

Ja, natürlich. Das ist niveaulos. Ich weiß, dass vor allem Moro sehr sozial denkt. Er hat sehr viel für die Sherpas getan, etwa mit seiner Flugrettung. Ueli Steck auch. Und wenn Sherpas solche Leute angreifen, muss man sie in meinen Augen einfach rügen. Das ist nicht in Ordnung. 

Glaubst du, dass es möglich ist, das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen?

Es wird ganz schwer sein, das zurückzudrehen, weil die Besteigungen auf diesen Routen schon seit Jahren ein Kasperltheater geworden sind. Es ist auch für das Land eine wichtige Einkommensquelle. Die Genehmigungen, die bezahlt werden. Man könnte Gesetze oder Regeln einführen, aber daran wird Nepal oder auch Tibet nicht interessiert sein. 

Wir stehen jetzt vor dem 60-Jahr-Jubiläum der Everest-Erstbesteigung. Was würdest du dem Mount Everest für die Zukunft wünschen?

Ich würde dem Berg ein bisschen mehr Ruhe wünschen – vor allem auch andere Anwärter. Da sind, angelockt durch die kommerziellen Anbieter, Leute unterwegs, für die ein Normal-Aufstieg auf den Mont Blanc vollkommen ausreichen würde, die am Everest eigentlich nichts verloren haben. Auch die Sherpas sehen, welche Leute da heraufmarschieren und präparieren dementsprechend den Berg für diese nicht geeigneten Gipfelanwärter. Ich wünsche dem Everest, dass es in Zukunft nicht mehr so krass sein wird. Dass sich die Leute wirklich schöne, einsame Ziele suchen und so viele wie möglich die Finger von diesem Trampelpfad lassen.

P.S. Nachdem er das „Seven Second Summits“-Projekt beendet hat, hat sich Hans etwas Neues ausgedacht. Er will, wie er sagt, „ganz entspannt die ‚Matterhörner’ der Welt besteigen: Dominante allein stehende Berge, die die Form des Matterhorns haben.“ Er habe sich zunächst acht dieser Berge ausgesucht, erzählt Kammerlander. „Die sind wirklich alle verblüffend ähnlich, wie Zwillingsberge.“ In den nächsten Wochen startet der Südtiroler Richtung Rocky Mountains.

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