Sitaram der Gourmet-Chef
„Dai!“ Der vielleicht wichtigste Ruf im Basislager. „Dai“ ist Nepali und bedeutet älterer Bruder. Wenn Sitaram Rai mich so ruft, weiß ich, dass der Tisch im Mannschaftszelt gedeckt ist. Sitaram ist der Koch und damit so etwas wie die Seele unserer Expedition.
Gourmet-Sterne verdient
Drei Mal täglich zaubert der 28-Jährige aus Nepal köstliche Speisen auf den Tisch. Ständig versorgt er uns mit heißem Tee und Wasser für Kaffee. Wenn es so etwas wie Gourmet-Sterne für Expeditionsköche gäbe, Sitaram hätte sie verdient. Zuletzt präsentierte er uns in einzelnen Pfännchen Rindersteaks, medium gebraten, mit Pommes Frites, Nudeln und Blumenkohl. Wie er das Fleisch von Kathmandu aus hinauf ins Basislager auf 5500 Meter Höhe gerettet hat, ist mir schleierhaft. Es schmeckte jedenfalls köstlich und blieb ohne verdauungs-technische Nachwirkungen.
Eine Gasflamme genügt
An einem anderen Tag überraschte er uns mit einem Kuchen, den er in einer Metallform im Kochtopf gebacken hatte. Sitaram verfügt in seinem Küchenzelt über zwei Gasflammen, doch eigentlich, so der Koch, benötige er nur eine.
Sitaram ist die soziale Leiter in Nepal ein Stück hinaufgestiegen. Mit 16 Jahren begann er als Träger für Trekkinggruppen, dann wurde er Küchengehilfe, mit 21 schließlich verantwortlicher Koch. Unsere Expedition zum Mount Everest ist seine siebte zu einem Achttausender. Kurios: Auch seine beiden Brüder bekochen Bergsteiger und Trekkingtouristen.
Ersatzfamilie auf dem Berg
Mit der dünnen Luft hat Sitaram übrigens keine Probleme. Vielleicht liegt es daran, dass er aus der Region um den Achttausender Makalu stammt, auch wenn er seit 15 Jahren nicht mehr dort gewesen ist. Mehrere Monate im Jahr muss Sitaram seine Frau und die zehn, sechs und zwei Jahre alten Töchter in Kathmandu zurücklassen. Schicksal eines Expeditionskochs. Statt seiner eigenen hat er dann eine Ersatzfamilie um sich: „dais“ und „bais“, ältere und jüngere Brüder, oder wie im Fall Gerlindes auch einmal eine „didi“, eine ältere Schwester.