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Nichts wie raus

Gegen Mitternacht wachte ich von einem Mordsknall auf. Ich konnte das Geräusch erst nicht einordnen, dachte, es habe sich an einem der Berge ein Fels gelöst, der nun talwärts donnere. Nichts wie raus! Wenn du überhaupt eine Chance hast, dann außerhalb des Zelts.

Plötzlich taghell

Ich liebe meinen Daunenschlafsack, wenn mir kalt ist. Ich hasse ihn, wenn ich schnell hinausschlüpfen will. Natürlich hatte sich im Reißverschluss, den ich bis zum Anschlag, also bis zum Ohr zugezogen hatte, Stoff verklemmt. Ich saß in der Falle, aus der ich mich erst nach cirka 20 Sekunden befreien konnte.

Als ich das Zelt öffnete, wusste ich, dass es zu spät war. Der Fels-Kelch (oder was immer es auch gewesen sein mochte) war an mir vorübergegangen. Ich atmete einmal tief durch und schaute mich um. Nichts schien verändert. Plötzlich wurde es taghell. Am Himmel entlud sich ein Riesenblitz. Jetzt erst konnte ich den Knall von vorhin einordnen. Kein Steinschlag, kein Felssturz, ein simpler Donner hatte mich aus dem Schlaf gerissen.

Nichts für Knall-Traumatiker

In grauer Vorzeit meine ich in Physik gelernt zu haben, dass nicht nur Autos, sondern auch Zelte „Faradaysche Käfige“ sind, in denen einem Blitze nichts anhaben können. Also wieder hinein in die Plastikhütte!

Die nächste halbe Stunde war nichts für Knall-Traumatiker. Es blitzte und donnerte im Minutentakt, der Krach wurde durch die Felswände der Bergriesen ringsherum dutzendfach verstärkt. Dann ein kleiner Schnee-Schauer – und Ruhe. Nicht einmal eine kleine Windböe rüttelte mehr am Zelt. So unheimlich mir der Krach zuvor gewesen war, so seltsam erschien mir nun die Stille. Wieder entwand ich mich dem Daunenschlafsack, diesmal ohne mich mit dem Reißverschluss anzulegen.

Dünne Schneeschicht

Am Himmel leuchteten wieder die Sterne, als wäre nichts gewesen. Ich konnte doch nicht geträumt haben. Nein! Eine dünne Schneeschicht hatte sich über das Basislager gelegt. Ich dachte an Gerlinde, Ralf und Hiro in ihrem Leichtzelt in gut 7000 Metern Höhe auf dem Nordsattel am Everest. Donnerwetter, war das ein Gewitter!

Die Schneehühner haben Donner und Blitz übrigens unbeschadet überstanden. Heute morgen versammelten sie sich wieder neben meinem Zelt: „Hast Du den Trottel gesehen, wie er aus dem Zelt gestürzt ist?“ „Ich habe mich vor Lachen geschüttelt… Komm, wir wecken ihn, zwo, drei“

Datum

Samstag 28.05.2005 | 11:26

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