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War das ein Sturm!

Eigentlich haben wir uns für zwölf Uhr verabredet. Also steige ich vom Basislager hinauf zum Aussichtspunkt, um mit Ralf per Satellitentelefon Kontakt aufzunehmen. Der Termin verstreicht, ohne das es klingelt. Ich wähle Ralfs Nummer. Eine männliche Automatenstimme empfiehlt mir, es später noch einmal zu versuchen.

Telefonieren unmöglich

Ich blicke Richtung Mount Everest. Die Wolken jagen von Westen nach Osten. Bei diesem Sturm wollen die drei den Chang La, den Nordsattel, erklettern. Ich stelle mir vor wie sie sich die Eisspalte hochzwängen. Telefonieren unmöglich! Ich kehre zum Basislager zurück. Hier bläst es auch ordentlich, doch sicher kein Vergleich mit dem Windkanal dort oben.

Anderthalb Stunden später klingelt das Telefon. Ralf meldet sich vom Nordsattel: „War das ein Sturm! Geschwindigkeiten um die 80 Stundenkilometer. Der Wind hat uns fast von den Beinen geholt.“ Die Gletscherspalten im unteren und das Blankeis im oberen Bereich der Route seien nicht ohne gewesen, aber am meisten hätten sie mit dem Wind gekämpft.

„Das ist der Abschaum!“

Ralf ist tief beeindruckt von dem Anblick, der sich ihm am Nordsattel in 7066 Metern Höhe bietet: „So etwas habe ich noch nie gesehen. Zelt an Zelt, nur dreißig Zentimeter dazwischen.“ Überall lägen menschliche Extremente herum, da sei es schwer, einen halbwegs sauberen, windgeschützten Platz für ihr Minizelt zu finden. „Das ist der Abschaum!“ Ich frage ob noch viele Bergsteiger auf den Gipfel wollten. Ralf antwortet, es kämen noch einige vom Basislager auf dem östlichen Rongbuk-Gletscher herauf. Wir verabschieden uns.

Wir müssen warten

Drei Stunden später der nächste Anruf. Ralf hat gerade mit Charly Gabl telefoniert, dem Wetterfrosch aus Innsbruck. Er hat die Prognose für den vermeintlichen Gipfeltag 30. Mai revidiert. Der Wind werde stärker blasen. Zu stark für einen Aufstieg ohne zusätzlichen Sauerstoff. Erst am 1. Juni werde der Wind nachlassen.

Nun wollen Gerlinde, Ralf und Hiro in ihrem Zelt am Nordsattel den nächsten Wetterbericht Gabls am Samsatg abwarten. Und wir dachten, die Zeit des Wartens sei vorbei.

Datum

Freitag 27.05.2005 | 20:14

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