Mensch, Flocke!
Früher 1. FC Köln, heute 1. FC Nürnberg
„Mensch, Flocke, du hast dich aber verändert“, denke ich bei mir. Aus Heinz Flohe alias Flocke, dem Fußballidol meiner 1. FC Köln-umtosten Kindheit, ist eine Eisbärin geworden, die auf einem kleinen Ball herumkaut, ihn mit der Nase ins Wasser stupst und hinterher springt. Ich stehe hinter der Glasscheibe ihres Geheges im Nürnberger Tiergarten und schaue ihr zu.
15 Monate ist Flocke inzwischen alt, Deutschlands Tier-Superstar Nummer zwei nach dem Berliner Eisbär „Knut“. Zumindest war sie das als Baby. 20 Prozent mehr Besucher verzeichnete der Nürnberger Zoo im vergangenen Jahr, nicht zuletzt dank Flocke.
Feuerwehrschlauch für den Notfall
An diesem kalten, regnerischen Morgen jedoch beobachtet außer mir nur Manuela Rütenberg die Eisbären. „Die strahlen so etwas Faszinierendes aus, der Körperbau, das Fell, der ganze Bär an sich. Und auch der Charakter ist so interessant.“
Komm, spiel mit mir!
Die Nürnbergerin besucht zwei bis drei Mal pro Woche Flocke und Rasputin, den gleichaltrigen Spielgefährten aus Russland. Als die beiden Eisbären im Januar zusammengebracht wurden, rückte die Feuerwehr an. Sie hätten Rasputin mit einem Schlauch Wasser auf den Pelz gejagt, falls er auf Flocke losgegangen wäre. Doch die beiden waren von Beginn an ein Herz und eine Seele. „Die tun sich einfach gegenseitig gut“, hat auch Eisbär-Fan Manuela Rütenberg beobachtet.
Wenn ein Eisbär Eisbär spielen will
Flocke und Rasputin sind zwar immer noch recht süß, aus dem ganz putzigen Alter aber heraus. Kurz nach der Geburt seien Eisbären unwiderstehlich, findet selbst der stellvertretende Zoodirektor, Dr. Helmut Mägdefrau. „Einfach süße Knöpfe. Das Kindchen-Schema trifft voll zu. Sie erinnern in den ersten Monaten durchaus an unsere eigenen kleinen Kinder. Da schmilzt man buchstäblich dahin.“
Flockes Ersatzmütter: Stefanie Krüger (li.) und Petra Fritz
Tierpflegerin Petra Fritz war die erste, die Flocke die Flasche gab. Sie wohnte damals auf dem Zoogelände und war für die Nachtwachen zuständig. „Am Anfang ist Flocke alle zwei Stunden wach geworden und wollte trinken und kuscheln.“ Mit der Zärtlichkeit war es dann irgendwann vorbei. „Nach drei Monaten hat sie mal Eisbär spielen wollen und gezwickt. Ich habe sie am Genick gepackt, weggezogen und nein gesagt. Das hat sie ganz gut begriffen. Sie dürfte ihre Mutter schließlich auch nicht beißen.“ Bei so viel Nähe sei es ganz natürlich, dass auch Muttergefühle für das Eisbär-Baby aufkämen, sagt Kollegin Stefanie Krüger. „Irgendwie ist es doch wie ein eigenes Kind. Das entwickelt sich einfach. Dann ist man traurig, wenn es plötzlich heißt: Frau Krüger, sie gehen jetzt auch nicht mehr rein! Der Bär ist fast ein Jahr alt, das wird langsam zu gefährlich.“
Flocke wie Flohe – fast
Starker linker Fuß
Flocke ist eben kein Kuschel-, sondern ein Raubtier. Aus der sicheren Distanz, geschützt durch eine Glasscheibe, wirkt die Eisbärin noch nicht sehr gefährlich, eher verspielt. Sie tollt ausgelassen im Wasser herum, schwimmt, einen Jutesack im Maul, zu Rasputin und animiert ihn mitzuspielen. Als sie die beiden Pflegerinnen wittert, wird Flocke ganz aufgeregt, beginnt zu brummen und Männchen zu machen: Sie stellt sich auf die Hinterbeine, hebt leicht den linken Fuß und … wenn jetzt der Ball dort gelegen hätte!
P.S. Hier gibt es noch mehr Bilder von Flocke.
Ganz Ohr bleiben: Flocke, Fan und Pfleger
Flocke und Co.: Bedrohlich und bedroht
Ich bin kein Hasenfuß, aber ein Rendezvous mit einem Eisbär in freier Wildbahn muss für meinen Geschmack nicht unbedingt sein. Da es aber bei unserer Expedition zum Nordpol zumindest im Bereich des Möglichen liegt, dass wir einem anderthalb Meter großen, drei Meter langen, 800 Kilogramm schweren Weißpelz begegnen, möchte ich doch gedanklich vorbereitet sein. Den Expertentipp hole ich mir in Nürnberg: „Sofort das Gewehr entsichern und so tun, als ob nichts wäre. Und dann hoffen, dass der Eisbär einen anderen Weg einschlägt.“ Dr. Helmut Mägdefrau weiß Bescheid. Er ist stellvertretender Zoodirektor in Nürnberg und damit gewissermaßen der Vermieter von Eisbär „Flocke„. Sollte ich nicht doch lieber die Beine in die Hand nehmen? Bloß nicht, sagt der Zoologe. „Das ist wie bei einer Katze, mit der man im Wohnzimmer spielt. Davonlaufen reizt ihn noch mehr. Und der Eisbär ist schneller als wir.“
Der Eisbär braucht das Eis
„Flocke“ taucht ab
40 Stundenkilometer schnell kann ein Eisbär sprinten, vier Meter weit springen. Er ist ein gefährlicher Jäger, und dabei doch selbst gefährdet. „Wenn der Klimawandel so weitergeht, wird es innerhalb weniger Jahre dramatisch für die Eisbären“, meint Dr. Mägdefrau. Klima-Modellrechnungen sagen voraus, dass das Polarmeer in einigen Jahrzehnten während der Sommermonate eisfrei sein wird. „Dem Eisbären ist es wurscht, ob er auf Eis läuft, auf einem Felsen oder einem vereisten Felsen. Es ist nur wichtig, dass er an seine Nahrung, die Robben, herankommt.“ Und genau da liegt das Problem. Bisher legt sich der Eisbär meist auf die Lauer und wartet, bis eine Robbe ihr ins Eis gegrabenes Atemloch aufsucht, um Luft zu holen. Auch wenn der wissenschaftliche Name des Eisbären „Ursus maritimus“ ist, sprich der Bär aus dem Meer, hätte er im Wasser keine Chance, Robben oder auch größere Fische zu jagen. „Die schwimmen einfach um Klassen besser.“ Auch auf eisfreiem Land täten sich Eisbären sehr schwer. „Sie sind Lauerjäger“, erklärt der Zoologe, „sie können nicht ausdauernd schnell laufen. Sie würden überhitzen.“ Kein Wunder bei einer bis zu zehn Zentimeter dicken isolierenden Speckschicht, fünf Zentimetern Unterwolle und bis zu 15 Zentimeter langem Bauchfell.
Auslaufmodell Eisbär?
Noch gilt der Eisbär nicht als hochbedrohte Tierart. Rund 25.000 Bären leben in der Arktis. So viele, dass die Inuit jährlich 600 Tiere erlegen dürfen. Doch die Bestände sind rückläufig. Geht das Eis weiter zurück, haben die Eisbären „bald nur noch an wenigen kleinen Ecken am Festland“ Überlebenschancen. Dr. Mägdefrau hält die Prognose eines Kollegen aus den USA, dass die Zahl der Eisbären bis 2050 um zwei Drittel abnimmt, für durchaus realistisch. Die einzige Hoffnung bestünde darin, dass sich die Tiere dem Klimawandel anpassten, z.B. künftig statt Robben Rentiere fräßen. „Die Biologie ist zuweilen erfinderisch, die Anpassung der Tiere manchmal erstaunlich.“ Im Gegensatz zu früheren Veränderungen vollziehe sich der aktuelle Klimawandel jedoch rasant. „Da wird die Zeit, so fürchten alle, wohl nicht mehr reichen, dass sich die Eisbären anpassen können.“
Den Vorschlag von Wissenschaftlern, Eisbären in die Antarktis zu exportieren, hält Dr. Mägdefrau für „absoluten Quatsch. Da muss man ein gezielter Feind von Pinguinen sein, um auf so eine Idee zu kommen“. Ähnliche Versuche mit anderen Tierarten seien alle gescheitert. „Das macht man einfach nicht, weil die Folgen nicht abschätzbar sind. In den meisten Fällen sind sie verheerend.“
Und noch ein Witz
Der Eisbär bleibt also bedroht – auch wenn er uns bei einer Begegnung am Nordpol bedrohlich erscheinen sollte. Dr. Mägdefrau hat für diesen Fall auch noch einen Witz parat: Zwei Männer machen sich für eine Polardurchquerung bereit. Der eine packt Turnschuhe ein. „Warum nimmst du die mit?“, fragt der andere. „Wenn ein Eisbär kommt, ziehe ich die Turnschuhe an“, antwortet der Erste. Sein Partner schüttelt den Kopf. „Du bist doch nicht schneller als der Eisbär.“ „Nein, aber schneller als du!“
Vielleicht sollte ich auch Turnschuhe einpacken.
P.S. Allen, die „Flocke“ auftauchen sehen wollen, sei gesagt: Geduld, Geduld, morgen ist auch noch ein Tag.
Chancen und Risiken: Wie wahrscheinlich ist das Unwahrscheinliche?
Was lehrt uns die Wahrscheinlichkeitsrechnung? Dass die Realität auch ganz anders aussehen kann. „Ich würde sagen, die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Nordpol erreichen, liegt bei 95 Prozent“, sagt Expeditionsleiter Thomas Ulrich. Als er zuletzt eine Last degree-Expedition geleitet hatte, fehlten mickrige sieben Kilometer zum Ziel. „Wir hatten schlicht keine Zeit mehr und mussten deshalb abbrechen. Das war ein bitteres Erlebnis.“ Damit es sich nicht wiederholt, ist das Zeitfenster diesmal etwas weiter geöffnet.
Offenes Wasser, dünnes oder bewegliches Eis
Doch es gibt natürlich auch andere Gründe, die zu einem Scheitern oder zumindest für Einzelne zu einem vorzeitigen Ende aller Träume führen könnten. Im Falle einer Erkrankung oder Erfrierung müsste der Teilnehmer mit dem Helikopter ausgeflogen werden. Um im Notfall Hilfe holen zu können, hat Ulrich ein Satellitentelefon und ein internationales Notsignal-Gerät mit.
„Die größten Gefahren“, so Ulrich, „sind offenes Wasser und dünnes Eis, bei dem ich entscheiden muss, ob wir es überqueren können oder wir lieber einen Umweg wählen sollten.“ Bricht einer der Teilnehmer ins eiskalte Wasser ein, gilt es, ihn möglichst schnell wieder herauszuholen und hurtig das Zelt aufzubauen, damit er möglichst schnell aus den nassen Klamotten herauskommt und wieder trockene und warme Kleidung anziehen kann. Eine weitere Risikoquelle könnte Presseis sein, das gerade in dem Augenblick, in dem wir es überqueren, in Bewegung gerät. „Alles in allem sind die objektiven Gefahren aber viel niedriger als beim Bergsteigen.“
Rendezvous mit dem Eisbär
Für alle Fälle gewappnet
Und was ist mit ungebetenen Gästen im weißen Pelz? „Auch wenn sie selten so weit nördlich auftauchen, besteht natürlich grundsätzlich die Möglichkeit, Eisbären zu treffen.“ Wenn sie nicht gerade Heißhunger haben, sind sie eher neugierig als aggressiv. Oft reichen schon Lärm und ausladende Bewegungen, um einen Eisbären zu vertreiben. Wenn nicht, gibt es mehrere Eskalationsstufen. Pfefferspray, eine Signalpistole und, für den äußersten Notfall, ein 44er-Magnum-Revolver gehören zur Ausrüstung. Die erste Patrone ist mit Schrot gefüllt, erst die zweite transportiert eine Kugel. Thomas Ulrich hat bei seinen Expeditionen in der Arktis schon häufig Eisbären getroffen, zum äußersten Mittel musste er noch nie greifen. „Die Chance, am Nordpol wirklich einen Eisbär anzutreffen, würde ich auf 50 zu 50 einschätzen.“ Also auf genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich. Mal sehen, was die Realität dazu sagt.
Ganz Ohr bleiben: Thomas Ulrich über mögliche Gefahren
Ein Nordpol auf Wanderschaft
Bergsteiger haben es einfacher. Wenn sie nicht mehr höher steigen können, wissen sie, dass sie auf dem Gipfel stehen. Beim Nordpol ist das nicht so einfach. „Ein Punkt ohne Ausdehnung, das eine Ende der Achse, um die sich die Erdkugel dreht, ohne Länge, Breite oder Stärke“, schrieb 1875 ein englischer Journalist im „Blackwood´s Magazine“ und klang dabei so, als könne er die ganze Aufregung um den Nordpol nicht nachvollziehen.
Eigentlich gibt es sogar fünf Nordpole, je nach Definition (siehe unten). Der bekannteste davon ist neben dem geographischen, den unsere Expedition erreichen will, sicher der magnetische Pol.
Der Nordpol, der eigentlich der Südpol ist
Geophysiker Jokat
Ich besuche Dr. Wilfried Jokat, Geophysiker am Alfred-Wegener-Institut für Polar-und Meeresforschung in Bremerhaven. Er bestätigt mir zunächst einmal, dass mich mein Gedächtnis nicht im Stich gelassen hat. Denn schließlich haben wir in der Schule gelernt: Der magnetische Pol im Norden ist aus physikalischer Sicht der Südpol, da die Magnetnadel des Kompasses, die immer nach Norden zeigt, dorthin weist. Anders gesagt, Gegensätze ziehen sich an. Um die Allgemeinheit nicht ganz zu verwirren, hat sich jedoch eingebürgert, den magnetischen Pol, der im Norden liegt, auch Nordpol zu nennen.
Wandergeselle mit Antrieb von unten
Die Erde ist von einem magnetischen Feld umgeben, das annäherungsweise dem eines Stabmagneten entspricht: die Spitze jeder Magnetnadel zeigt zum Ende des Stabes, sprich zum Pol. Der magnetische Nordpol leidet offenbar an Fernweh, er scheint es nicht lange an einem Ort auszuhalten. Derzeit wandert er im Jahr etwa 40 Kilometer, vom Norden Kanadas aus Richtung Sibirien. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass geographischer und magnetischer Pol eines Tages übereinander liegen“, sagt Dr. Jokat.
Doch warum bewegt er sich eigentlich? „Das magnetische Feld der Erde wird in großer Tiefe, etwa 2500 Meter unter der Erdoberfläche erzeugt“, erklärt der Geophysiker. „Wir wissen, dass der innere Kern langsamer rotiert als der Rest der Erde.“ Daraus entstünden an der Grenze des Kerns elektrische Ströme, die dann das Magnetfeld erzeugten. Doch diese Ströme sind offenbar nicht konstant. Eine Folge: Der Pol wandert.
Und der Nordpol wird wieder zum Südpol
Eine weitere Konsequenz: Die Stärke und Ausrichtung des Erdmagnetfelds verändert sich. Seit Jahrzehnten registrieren Forscher, dass die magnetische Kraft schwächer wird. „Es gibt ernsthafte Anzeichen für eine bevorstehende Umpolung, doch es wird sicher noch ein paar tausend Jahre dauern“, sagt Dr. Jokat.
Doch selbst wenn es früher geschehen sollte, die Welt wird davon nicht untergehen. Im Schnitt wechseln die magnetischen Pole alle 250.000 Jahre. Auch ohne inneres Magnetfeld gebe es noch einen Schutz gegen gefährliche Strahlung aus dem All, erklärt der Experte. „Jedes Gestein auf der Erde hat ja auch ein Magnetfeld.“ Modellrechnungen zeigten, dass dieses konstante Feld ausreiche, um den Planeten vor sogenannten „Sonnenwinden“, das sind Ströme elektrisch geladener Teilchen, zu schützen.
Missweisung, wie das Wort schon sagt
Wohin zeigt die Nadel?
Noch aber wirkt der magnetischen Nordpol, von einer Position deutlich südlich des 89. Breitengrads, auf dem wir unsere Ski- und Schlittenexpedition beginnen. Ein normaler Kompass würde zwar nicht verrückt spielen, uns aber die Suche des geograpischen Pols auch nicht gerade leicht machen. Die „Missweisung“, die Abweichung zwischen geographischer und magnetischer Nordrichtung, so Dr. Jokat, läge wahrscheinlich bei etwa 60 Grad, verglichen mit zehn Grad in unseren Breiten. Denn „der Kompass kennt den geographischen Nordpol nicht“.
Ein Glück, dass es GPS-Geräte gibt, die per Satellitennavigation den genauen Aufenthaltsort melden. Vorausgesetzt, es gibt keine Sonnenstürme. Denn die können Satelliten richtig Probleme bereiten.
P.S. Pole sind Definitionssache:
Geographischer Nordpol: nördlicher Schnittpunkt der Achse, um die sich die Erde dreht, mit der Erdoberfläche. Lage 90° Nord
Magnetischer Nordpol (eigentlich Südpol): Punkt der nördlichen Hemisphäre, an dem die Feldlinien des Erdmagnetfelds senkrecht zur Erdoberfläche stehen, derzeitige Lage etwa 82° Nord, 115 °West.
Geomagnetischer Nordpol: errechneter Pol, wenn man davon ausgeht, dass sich im Erdmittelpunkt ein Stabmagnet befindet. Lage ca. 80° Nord, 72° West
Nordpol der Unzulänglichkeit: nördlichster Punkt, der in allen Richtungen am weitesten vom Festland entfernt ist. Lage 84° Nord, 174° West
Himmelsnordpol: Punkt, an dem die gedachte Linie durch die Erdachse die Himmelskugel durchstößt. Der Sternenhimmel scheint sich – vom Betrachter aus gesehen – um diesen Pol zu drehen. Lage nahe dem Stern Polaris (Polarstern)
Ganz Ohr bleiben: Dr. Jokat beantwortet Fragen zum magnetischen Pol
Der Team-Reporter: Stefan Nestler
Obwohl ich in Köln auf 50 Metern Meereshöhe lebe, galt ich bisher in meinem Umfeld als „Bergfex“. Wobei ich mich selbst eher als ambitionierten Wanderer, denn als Bergsteiger bezeichnen würde. Das Meer sah ich im Alter von16 Jahren zum ersten Mal. Bis dahin hatten alle Familien-Urlaube in die Alpen geführt. Vielleicht rührt daher meine besondere Beziehung zu den Bergen. Nach einem traumatischen Erlebnis in der Jugend hatte ich viele Jahre lang extreme Höhenangst. Als inzwischen 46-Jähriger habe ich sie so weit im Griff, dass ich Gipfel wieder auf zwei Beinen statt auf allen Vieren besteigen kann – am liebsten gemeinsam mit meiner Frau und unseren fünf Kindern.
Als Sportjournalist bei der Deutschen Welle beschäftige ich mich seit mehreren Jahren mit dem Extrembergsteigen und anderen großen Abenteuern. Das „Jahr der Berge“ 2002 öffnete mir das Tor zum Himalaya. Ich machte eine Reportage-Trekkingreise nach Nepal zum Basislager des Mount Everest. Seitdem war ich vier weitere Male im Himalaya und Karakorum an den höchsten Bergen der Welt unterwegs. So berichtete ich 2005 aus dem Basislager in 5500 Metern Höhe über den Versuch der Bergsteiger Ralf Dujmovits, Gerlinde Kaltenbrunner und Hirotaka Takeuchi, den Mount Everest über die tibetische Nordwand zu besteigen. 2007 verschlug es mich wieder in ein Basislager, diesmal am Achttausender Manaslu in Nepal. Sechs Wochen lang begleitete ich eine von Ralf Dujmovits geleitete kommerzielle Expedition.
Die Polarregion ist für mich Neuland. In gewisser Hinsicht schließt sich jedoch auch wieder ein kleiner Lebenskreis. Denn ich erinnere mich noch genau an eines meiner Lieblingsbücher der Kindheit: „Das Rätsel der Nordwestpassage“. James Cook, John Franklin, Roald Amundsen – ich bewunderte die großen Polarpioniere für ihren Wagemut und ihren Durchhaltewillen. Ein bisschen davon kann auch mir jetzt nicht schaden.
Ganz Ohr bleiben: Stefan Nestler in der DW-Radiosendung Journal D, 2.3.2009