Warmduscher
In den letzten Tagen auf dem Eis witzelten wir häufig: „Eigentlich fehlt uns jetzt zu unserem Glück nur noch ein Eisbär!“ Doch ganz ehrlich, wenn sich uns wirklich ein hungriges, ausgewachsenes Raubtier genähert hätte, wäre wahrscheinlich auch der letzte bei der Kälte verbliebene Rest an Farbe aus unseren Gesichtern gewichen und wir hätten uns vor Angst in die atmungsaktive Hose gemacht. Dieser Gedanke kam mir jedenfalls, als ich heute gemeinsam mit Frank das Svalbard Museum in Longyearbyen besuchte. Dort kann man einem Eisbär gegenüber treten, ohne Gefahr zu laufen, zum Frühstück verschlungen zu werden.
Putzig ist anders
Gleich nach unserer Ankunft auf Spitzbergen hatten wir ein Informationsblatt der Behörden erhalten. „Nehmen Sie die Eisbärgefahr ernst!“, stand dort in roten Lettern über einem Bild, das zwei Eisbären vor einem großen blutigen Kadaver zeigte. Die Botschaft dahinter lautete: Der Fleischklumpen könntest du sein. Dann gab es einige Tipps, wie man sich bei einem unfreiwilligen Rendezvous zu verhalten habe. Vor allem sollte man die richtigen Waffen mit sich herumtragen und auch damit umgehen können. Eisbären sind zwar seit 1973 vor der Jagd geschützt, doch zur Selbstverteidigung ist es erlaubt, sie zu töten.
Eintritt für Pistolen und Gewehre verboten!
2000 bis 3000 Eisbären leben derzeit auf Spitzbergen. Kein Wunder also, dass die Einheimischen nicht ohne Waffen die Ortschaften verlassen. Offenbar müssen sie jedoch immer wieder daran erinnert werden, dass die Gefahr, in einem Hotel oder Supermarkt in Longyearbyen auf einen Eisbären zu treffen, relativ gering ist. Auch vor dem Gebäude, in dem die Post und die Bank untergebracht sind, wird auf Schildern daran erinnert, die Knarren gefälligst draußen zu lassen.
Schilder für Schildbürger?
Die Angestellten wollen wohl doch ganz gerne wissen, ob sie es mit einem Bankräuber oder einem vergesslichen Kunden zu tun haben, der gerade von einem Ausflug mit dem Motorschlitten heimkehrt.
Hut ab vor den Pionieren
Im Museum wird mir wieder schlagartig bewusst, wie einsam wir auf unserer Wanderung durch das Eis zum Nordpol waren. Die Walrosse, Robben und Seevögel, die mich hier ausgestopft mit glasigen Augen anblicken, treiben sich am Nordpol wohl nicht oder nur äußerst selten herum. Sie wissen wohl intuitiv, wie lebensfeindlich die Umgebung dort ist.
Franks Blick in längst vergangene Zeiten
Doch auch auf Spitzbergen war das Leben früher extrem hart. Das dokumentieren die im Museum ausgestellten Hütten samt Einrichtung, die im Vergleich zu heute klobig erscheinende Schutzkleidung gegen die Kälte oder auch die Lanzen, mit denen die Menschen früher auf Waljagd gingen. Dagegen sind wir Hobby-Abenteurer der Gegenwart geradezu Warmduscher – auch wenn wir eine Woche lang ohne heißes Wasser ausgekommen sind. Ich gestehe: Am besten hat mir im Svalbard-Museum die Ruhezone mit Robben-Fellen und Kissen gefallen. Frank und ich hatten Schwierigkeiten, uns von dort wieder zu erheben. Fast wären uns die Augen zugefallen. Wir befinden uns nämlich immer noch im Schwarzen Nordpol-Loch, das unsere Energie aufzusaugen scheint. Unsere Körper schreien nach Ruhe. Warmduscher eben.
Auch Schreiberlinge dösen gerne