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Eine Fahne aus Frackigkeit

Ich werde eine Fahne zum Nordpol mitnehmen. Absoluter Quatsch eigentlich. Genauso gut könnte ich im Sommer mitten auf dem Badesee ein Fähnchen in die Luftmatratze rammen und laut ausrufen: Dieser Punkt ist mein. Der Karpfen darunter würde sich vor Lachen verschlucken.
Und dennoch werde ich eine Fahne einpacken. Allein schon aus Frackigkeit, wie man hier im Rheinland sagt. Was sinngemäß bedeutet: So billig kommt ihr mir nicht davon! Denn die Russen haben doch tatsächlich 2007 genau unter dem Nordpol mit einem Mini-U-Boot eine rostfreie russische Fahne in den Meeresboden gerammt. In 4261 Metern Tiefe! Wäre ich Asterow oder Obelow, würde ich sagen: Die spinnen, die Russen. Das schreit ja gewissermaßen nach einem Gegenpol.

Wo hört das Festland auf?


Tief getaucht

„Dafür hätten wir kein Forschungsgeld bekommen“, sagt Dr. Wilfried Jokat vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, mit dem ich über die spektakuläre PR-Aktion von 2007 spreche. Russland habe einfach seine Ansprüche in der Polarregion deutlich machen wollen, meint der Geophysiker. „Diese Ansprüche sind zum Teil auch gerechtfertigt. Ob sie bis zum Nordpol reichen, bezweifle ich.“ Allen Anrainerstaaten der Arktis, also neben Russland auch Norwegen, Dänemark (wegen Grönland), Kanada und den USA steht laut Seerecht der Vereinten Nationen eine jeweils 200 Seemeilen, also 370 Kilometer breite Küstenzone zu, in der sie allein fischen und die Bodenschätze ausbeuten dürfen. Diese Zone kann ausgedehnt werden, wenn es gelingt nachzuweisen, dass sich der Schelf, sprich der Festlandssockel des Landes unter der Meeresoberfläche fortsetzt.

Wessen Fuß steht zu Recht auf dem Handtuch?

Bei der aktuellen Diskussion um die Ansprüche in der Nordpolarregion geht es vor allem um den Lomonossow-Rücken, benannt nach einem russischen Wissenschaftler des 18. Jahrhunderts. Diese 1800 Kilometer lange, bis zu 200 Kilometer breite Erhebung auf dem Meeresboden verläuft von einer Inselgruppe vor Sibirien über den Nordpol bis in die Nähe Grönlands. Es ist fast wie am Strand auf Mallorca: Von jeder Seite stellt jemand seinen Fuß aufs Unterwasser-Handtuch und behauptet, mehr Anspruch darauf zu haben als die anderen.
Das muss natürlich wissenschaftlich untermauert sein, denn letztlich entscheidet eine UN-Kommission. Dr. Jokat glaubt, dass Russland die besten Chancen hat. So sei das Eis vor Sibirien schon immer deutlich dünner gewesen als vor Grönland oder Kanada – ein möglicher Hinweis darauf, dass Schelf und Meeresrücken zusammengehörten.

Wer bekommt das größte Kuchenstück?


Und ewig lockt das Öl

Nicht umsonst sind die Arktisstaaten so scharf auf die Region. Unter dem Polarmeer werden riesige Öl- und Gasvorkommen vermutet. Die Rede ist von geschätzten zehn Milliarden Tonnen. „Was wirklich unter dem Ozean liegt, ist sehr spekulativ“, meint Geophysiker Jokat. Doch egal wie groß der Kuchen ist, jeder will ein möglichst großes Stück davon und versucht, sein Fähnchen in die Sahne zu stecken. Einen heißen Krieg um die kalte Region befürchtet der Wissenschaftler jedoch nicht. „Die Forderungen der Anrainer überlappen kaum. Es gibt also wenig Konfliktpotential.“ Der Nordpol sei nur ein Symbol. „Was die Russen mit ihrer Flagge erreicht haben ist, dass die anderen Arktisländer aufgewacht sind.“ Mal sehen, wer die Augen aufschlägt, wenn ich am Pol meine Fahne entrolle. Welche das sein wird, verrate ich natürlich nicht.

P.S. Das Salz in der Suppe eines Blogs sind die Kommentare. Also haut in die Tasten!

Datum

0 28.03.2009 | 16:45

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Ich sehe blau

Ich gehöre nicht nur zur Generation Golf (vor unserer Haustür steht wirklich ein Golf der 3. Generation), sondern auch zur Generation Google. Wenn ich ehrlich bin, vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht irgendeinen Begriff in die Suchmaschine schmeiße und warte, was sie ausspuckt. Auf unserem Familiencomputer ist Google nicht umsonst die Startseite. Denn durch die Bank googeln alle, was das Zeug hält. Nimmt man unseren Haushalt als Maßstab, war es mehr als gerechtfertigt, das Verb 2004 als Synonym für die Suche im Netz in den Duden aufzunehmen. Nur zum Spaß: Geben Sie Nordpol und Blog ein. Was steht, natürlich völlig zu Recht, an erster Stelle der Suchergebnisse? Einmal dürfen Sie raten.

Narren vom Nordpol


Der gute, alte Globus hilft auch nicht weiter

Sehr beliebt bei jung und alt im Hause N. ist auch Google Earth, der virtuelle Globus, auf dem wir in Sekundenschnelle an jeden Ort der Erde reisen können und per Satellitenbild ein Auge auf ihn werfen können. Also gebe ich in die Suchmaske „Nordpol“ ein. Google Earth bietet mir nun im deutschsprachigen Raum jede Menge Nordpole an: Gaststätten, Hotels, ein Taxiunternehmen, eine Seifenfabrik oder einen Hersteller von Spielen. Mein Favorit sind die „Narren vom Nordpol“. Dabei handelt es sich um eine vor 27 Jahren gegründete Fastnacht-Gruppe aus Bühl im Schwarzwald, die bei Umzügen wahlweise als Eisbären oder Pinguine verkleidet sind, wobei letztere am Nordpol wirklich nur im Kostüm auftauchen.

Käpt´n Blaubär am Pol

Aber eigentlich sollte mich Google Earth ja zum richtigen Nordpol fliegen lassen. Ich versuche es mit der englischen Bezeichnung „North Pole“. Eine gute Idee. Schon rase ich voller Vorfreude in die gewünschte Richtung. Sekunden später erreiche ich 90 Grad Nord und sehe…

Nichts! Oder vielmehr nur blau! Hat der Nordpol einen über den Durst getrunken oder ist er ins Tintenfass gefallen? Sind die Eisbären zur Käpt´n Blaubären mutiert? Oder ist das Eis schon weggeschmolzen und Google Earth greift dem Klimawandel vor?

Eis gleich Wasser

Das will ich genauer wissen. Also googele (oder heißt es google?) ich die Begriffe Google Earth und Nordpol. Und siehe da, ich bin nicht der erste, der sich fragt, seit wann der Nordpol blau ist. Ich finde in einem Internet-Forum auch eine plausible Antwort: Für den virtuellen Globus gilt das schwimmende Eis am Nordpol als gefrorenes Wasser und das wird prinzipiell blau dargestellt. Spielverderber! Ich weiß also immer noch nicht, wie es am Nordpol aussieht. Dann muss ich wohl hinfahren. In sechs Tagen geht es los.

Datum

0 27.03.2009 | 15:57

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Frei nach Wittgenstein

An Ludwig Wittgenstein bin ich als Jugendlicher verzweifelt. Sein „Tractatus Logico Philosophicus“ von 1921, den wir in der Schule durchkauen mussten, war mir schlicht eine Nummer zu hoch. Danach war ich für die Philosophie verloren. Das Schöne am Journalismus ist, dass man Wittgenstein zitieren kann, ohne ihn zu verstehen: „Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist seine Bedeutung.“ Alles klar? Nein? Dann gibt es jetzt ein paar hoffentlich verständlichere Erklärungen zu Begriffen, die während der Expedition im Blog auftauchen könnten:

Arktis: Die Bezeichnung leitet sich von „arctós“ ab, dem altgriechischen Wort für Bär. Arktikòs bedeutete „Land unter dem Sternbild des Großen Bären“. Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Arktis das Gebiet um den Nordpol. Dessen Grenzen sind nicht klar definiert. Früher bezeichnete man die Gebiete nördlich des nördlichen Polarkreises als Arktis. Heute wählt man meist das für die Region typische Klima und die Vegetation als Kriterien.
Drift: Das Meereis bewegt sich, abhängig von Meeresströmung, Eisdicke und Temperatur, unterschiedlich schnell in eine Hauptrichtung. Der norwegische Polarforscher Fridtjof Nansen wollte 1893 die Eisdrift nutzen, um als Erster den Nordpol zu erreichen. Er ließ sein packeistaugliches Schiff Fram absichtlich westlich der Neusibirischen Inseln im Treibeis festfrieren. Die Fram trieb allerdings am Pol vorbei.
Eis: Feste Form von Wasser. Eis bildet sich, a) wenn Wasser auf dem Meer oder in Flüssen gefriert, b) durch Kondensation von Wasserdampf in der Luft oder c) wenn Schnee gepresst oder von Wasser durchsetzt wird, das dann friert.
Eisberg: Große Masse treibenden Eises, von Gletschern oder Schelfeis abgebrochen. Der Eisberg ragt nur zu einem kleinen Teil über dem Meeresspiegel hinaus, der größere Teil treibt unter der Wasseroberfläche.
Eisblink: Tief gelegene Wolken hellen über einem Eisfeld auf und leuchten am Horizont.
Eisbrei: Kleine, weißliche Klumpen, die wie Schwämme aussehen und sich bilden, wenn Jungeis (s.u.) entsteht.
Eisnebel: Kleine Eiskristalle schweben glitzernd in der Luft und erschweren die Sicht. Bei Sonnenlicht können sich Halos (s.u.) bilden.
Eisschlamm: Zusammengefrorene Eisnadeln auf dem Wasser. Der Schlamm ist grau und wirkt in größerer Ausdehnung auf dem Polarmeer dunkel.
Eisprismen: Eiskristalle in der Form von Nadeln, Säulen oder Plättchen, die vom Himmel fallen und so klein sind, dass sie fast in der Luft zu schweben scheinen.
Eisschollen: Schwimmende Meereisstücke, die Durchmesser von über 20 Kilometern erreichen können.
Jungeis (auch Neueis): frisch gebildetes Eis, fünf bis 15 cm dick.
Halo: Ring um die Sonne in den Regenbogenfarben, der entsteht, wenn das Sonnenlicht an Eiskristallen gebrochen oder gebeugt wird.
Meereis: Gefrorenes Meerwasser, das auf dem Ozean treibt, insbesondere Eisberge und Eisschollen (s.o). Meist liegt auf dem Meereis, dessen Salzgehalt nur drei bis fünf Promille beträgt, Schnee. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Ausdehnung des arktischen Meereises rasant zurückgegangen.
Mehrjähriges Eis: Mehr als die Hälfte des arktischen Packeises besteht aus älteren Eisschollen, die sich im Laufe der Zeit aus Jungeis gebildet haben und immer dicker geworden sind.
Packeis: Häufigste Form von Meereis, bis zu 3,5 Meter dick. Je nach Jahreszeit bedeckt Packeis in der Arktis eine Fläche von bis zu 13 Millionen Quadratkilometer. Packeis entsteht, wenn sich Eisschollen willkürlich übereinander häufen.
Pfannkucheneis: Neugebildete Eisstücke, die fast kreisförmig sind und einen Durchmesser von bis zu drei Metern haben.
Polynja: Aus dem Russischen: „Loch im Eis“. Große Fläche offenen Wassers im Meereis, die durch Wind, Gezeiten oder warmes, aufsteigendes Meerwasser entstehen kann.
Presseis: Durch Meeresströmung oder Wind gepresstes oder aufgeschobenes Eis. Es bilden sich Hügel, die bis zu acht Meter hoch sein können. Oft bilden sich lange Reihen. Diese Presseisrücken geben dem Packeis seine charakteristische Erscheinung und erschweren die Fortbewegung in der Arktis.
Riss, Rinne: Wenn das Meereis durch Strömung, Wind oder Gezeiten bricht, bilden sich schmale Risse mit offenem Wasser, die noch übersprungen werden können. Größere Rinnen müssen umgangen werden.
Whiteout: Tageslicht wird durch mehrfache Reflexion zwischen einer Schnee- oder Eisfläche und der Wolkendecke zerstreut. Die Kontraste verschwimmen, der Horizont verschwindet. Der Polarreisende hat das Gefühl, sich orientierungslos in einem leeren, grauen Raum zu bewegen.

Datum

0 26.03.2009 | 15:55

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Eisfahrer in eisfreier Zone

Wir starten in acht Tagen. Die russische Mannschaft, die alljährlich für den Monat April auf einer stabilen Eisscholle am 89. Breitengrad unter abenteuerlichen Umständen eine Landepiste anlegt, hat sich Ende vergangener Woche auf den Weg gemacht. Das Material für den auf dem Polarmeer schwimmenden Flugplatz mit dem sonnigen Namen „Borneo“ wird, an Fallschirmen befestigt, auf das Eis abgeworfen. Ebenso der Treibstoff für die Hubschrauber und Flugzeuge, die dort starten und landen sollen.

Marias Segen für Borneo

Vor der Abreise holte sich das Borneo-Team noch in der orthodoxen Maria-Verkündigungs-Kathedrale im Moskauer Kreml, der Hauskirche der früheren Zaren, den Segen der Heiligen Jungfrau für das Unternehmen. Denn es ist auch schon vorgekommen, dass sich schweres Gerät beim Aufprall durch das Eis bohrte und auf Nimmerwiedersehen im arktischen Ozean verschwand. In Zeiten des Klimawandels, in denen das Polareis dahinschmilzt, steigt eben auch das Risiko, eine dünne Stelle zu erwischen.

In vier Tagen durch die Passage


Polarstern, unterforderter Eisbrecher

Die Abenteurer, die Jahrhunderte lang vergeblich versuchten, den Seeweg nach Asien durch die Nordwest-Passage zu finden, hätten sich wahrscheinlich nach solchen Bedingungen die Finger geleckt. Der Norweger Roald Amundsen, dem 1906 die erste Durchfahrt gelang, benötigte dafür drei Jahre. Ganze vier Tage brauchte im Sommer 2008 das deutsche Forschungsschiff Polarstern, das anschließend auch noch durch die Nordostpassage schipperte und damit in gut zwei Monaten den Nordpol komplett umrundete.

Durch die Arktis geflutscht

Nach der Rückkehr der Polarstern von der Expedition ging ich im vergangenen Oktober in Bremerhaven an Bord des Eisbrechers. „Diesmal war es anders“, sagte damals Kapitän Stefan Schwarze, der seit den 1990er Jahren auf der Brücke der Polarstern steht. „Das Eis war nicht da.“ Das Schiff flutschte regelrecht durch die Polarregion.


Kapitän Schwarze, unterforderter Eisfahrer

Wahrscheinlich hätte auch ein weniger erfahrener Kapitän bei dieser Tour kaum Probleme gehabt. Die Fertigkeit des Eisfahrens, so Schwarze, sei nicht nötig gewesen. Bei früheren Expeditionen hatte der Kapitän immer sorgfältig mit dem Treibstoffvorrat haushalten müssen. „Da muss man sehr genau nachrechnen, damit man nicht nur ins Eis hineinfährt, sondern auch wieder heraus. Wenn das Eis fehlt, ist das alles leichter.“

Kleiner Schweißfaktor

Nun könnte man ja denken: Bei weiter steigenden Temperaturen in der Polarregion brechen von den Gletschern mehr Eisberge ab, die zur Gefahr für die Schiffe werden. Nicht so auf der Arktis-Fahrt 2008 der Polarstern. „Ich habe wirklich gedacht, es gibt mehr Eisberge“, sagte Stefan Schwarze. „In anderen Gegenden, in denen ich gefahren bin, war der Schweißfaktor doch wesentlich größer.“
Sollte die Erderwärmung fortschreiten, „was ja, ich betone das, noch nicht erwiesen ist“, sieht der Kapitän der Polarstern in der Nordost- und der Nordwestpassage eine günstige Alternative für den Frachtweg von Europa nach Asien und Amerika. „Dann braucht man keinen Eisbrecher mehr.“ Und auch keinen Experten im Eisfahren wie Stefan Schwarze.

Datum

0 25.03.2009 | 15:18

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Niederlage durch Eigentor

Noch neun Tage bis zu meinem Abflug nach Spitzbergen. Zu einem Abenteuer, das wahrscheinlich ein Auslaufmodell ist. Denn das Eis der Arktis schmilzt. Oder etwa nicht? In diesem strengen Winter, der den Alpen Rekordschneemengen und selbst den Niederungen Dauerfrost bescherte, wuchs die Zahl der Zweifler. Immer wieder hörte ich: So schlimm könne der Klimawandel wohl nicht sein, wenn man trotz angeblichen Treibhauseffektes vor Kälte bibbere. So denkt der Mann auf der Straße, nicht aber der Wissenschaftler. Den interessiert weniger, dass ich heute friere, sondern ob ich in den vergangenen dreißig oder mehr Jahren ständig im Winter unter der Kuscheldecke verschwunden bin.

Wie Softeis in der Frühlingssonne


Mehr Wasser oder Meereis?

Mein Eis-Mann ist Professor Rüdiger Gerdes, den ich in Bremerhaven besuche. Als Ozeanograph im Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung beschäftigt er sich mit dem arktischen Meereis. Seit Anfang der 1970er Jahre ermitteln Forscher des Instituts regelmäßig die Größe des Eisfeldes rund um den Nordpol. „Wir sehen starke Schwankungen von Jahr zu Jahr, aber vor allem langfristig den Trend, dass die Eisausdehnung abnimmt.“ In den letzen beiden Jahren schmolz das Meereis der Arktis wie Softeis in der Frühlingssonne. 2007 sei die Eisfläche um 30 Prozent kleiner gewesen als im Vorjahr, sagt der Experte. 2008 habe sich daran kaum etwas geändert. Professor Gerdes spricht von einem „dramatischen Rückgang“ des Eises, tritt dann aber sofort auf die Panikbremse. Es könne sich durchaus auch um eine natürliche Schwankung handeln. Auf ein Jahr mit kleiner Eisfläche folge oft ein Jahr mit großer Ausdehnung, „weil der offene Ozean stark auskühlt und die Bildung neuen Eises eher fördert“.

Die Frage ist: Wann?

Doch wie gesagt, der langfristige Trend zählt. Und das arktische Eisfeld ist in den letzten 30 Jahren nicht nur um fast die Hälfte kleiner geworden, sondern offenbar auch dünner. Das jedenfalls haben Wissenschaftler bei Eisbohrungen und Messungen aus U-Booten oder vom Hubschrauber aus festgestellt.


Prof. Gerdes, Meereis-Experte

„Wir müssen uns gedanklich sicher darauf einstellen, dass die Arktis im Sommer irgendwann eisfrei sein wird“, resümiert Rüdiger Gerdes. Alle Modellrechnungen kommen zu diesem Ergebnis. Uneinigkeit herrscht nur über die Frage, wann es soweit sein wird. „Das schwankt zwischen 2040 und irgendwann im 22. Jahrhundert.“ Wenn das Eis verschwindet, verändert sich der Wärmeaustausch zwischen dem arktischen Ozean und der Atmosphäre. „Welche Auswirkungen das auf uns hier in Deutschland hat, ist schwer zu sagen“, formuliert der Ozeanograph vorsichtig.

Skier einmotten, Paddel mitnehmen

Immerhin die Schuldfrage ist geklärt. „Im Fall der Arktis ist ziemlich klar, dass der langfristige Rückgang des Meereises mit dem Treibhauseffekt zusammenhängt“, sprich ein Eigentor der Menschheit ist. Aber können wir die Eiskugel nicht aus dem Netz holen und das Spiel noch drehen? „Selbst wenn wir jetzt komplett mit dem Ausstoß von Treibhausgasen aufhören würden, was absolut unrealistisch ist, würde sich der Ozean noch eine Zeit lang erwärmen“, sagt Professor Gerdes. Er hält es für ausgeschlossen, dass sich das Meereis noch einmal auf eine Fläche wie etwa 1950 ausdehnt. „Das wird nicht passieren“. Meine Urenkel werden also wohl eher mit dem Kajak zum Nordpol paddeln als auf Skiern dorthin marschieren, wie ihr Urgroßvater anno 2009.

Datum

0 24.03.2009 | 14:25

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