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Der erste Deutsche, der zu Fuß am Nordpol war

War Edward Peary oder Frederik Cook der erste Mensch am Nordpol? Das frage ich auch Arved Fuchs, der – ganz unbestritten – 1989, also vor 20 Jahren, als erster Deutscher zu Fuß den Nordpol erreichte. Man könne mit einiger Bestimmtheit sagen, dass Cook nicht am Pol gewesen sei, meint Fuchs, „wenngleich seine Expedition eine sehr anspruchsvolle und sehr bemerkenswerte war“. Bei Peary ist der deutsche Abenteurer großzügiger. „Ob er nun exakt auf 90 Grad Nord gestanden hat, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Es gibt da einige Ungereimtheiten. Aber ich glaube, er darf mit Fug und Recht den Anspruch erheben, zuerst in unmittelbarer Nähe des Pols gewesen zu sein.“

Der Weg ist das Ziel

Arved Fuchs lebt in Bad Bramstedt, nördlich von Hamburg, wenn der 55-Jährige nicht gerade auf Expedition oder Vortragsreise ist. 1980 versuchte der Abenteurer erstmals, den Nordpol zu Fuß zu erreichen, und das solo. „Der Nordpol selbst ist nicht der Punkt meiner Sehnsüchte gewesen, sondern der Weg dorthin. Es ist wirklich die schwierigste Aufgabe, die man sich im Polarbereich stellen kann. Es sind viel mehr Nordpolar- als Südpolarexpeditionen gescheitert.“


Arved Fuchs, der erste Deutsche, der Nord- und Südpol zu Fuß erreichte

Auch Fuchs blieb im ersten Anlauf der Erfolg versagt. Den hatte er neun Jahre später. Der Deutsche gehörte 1989 zu einer acht Mann starken internationalen Nordpol-Mannschaft. Die ICEWALK-Expedition, die der Brite Robert Swan leitete, stand unter der Schirmherrschaft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und sollte auf die ökologischen Probleme in der Arktis aufmerksam machen. Das Team legte von Nordkanada aus in 56 Tagen rund 1000 Kilometer bis zum Nordpol zurück. Aus der Luft wurde die Mannschaft mit Nahrung und Brennstoff versorgt. Die Bedingungen waren extrem. Das Thermometer fiel zeitweise auf minus 52 Grad Celsius.

Kein Gipfel, nur Packeis

Als die acht am 14. Mai 1989 den Pol erreichten, brauchten sie eine Weile, um es wirklich zu realisieren. „Der innere Drive war noch immer gegenwärtig, zu sagen: Du musst laufen, du musst laufen, lass uns weitergehen! Aber hier war der Stopp. Der Augenblick wirkte irritierend“, erinnert sich Fuchs. „Aber dann kamen natürlich die Freude und auch dieses erlösende Moment, am Ziel zu sein.“ Der Nordpol sei eben nur ein imaginärer Punkt. „Er sieht genauso aus wie die 1000 Kilometer, die hinter einem liegen. Es ist nicht der Gipfel wie bei einem Berg, es ist nicht eine Forschungsexpedition wie am Südpol, sondern es ist einfach nur Packeis, Treibeis. Den Nordpol muss man sich ernavigieren.“ Im selben Jahr durchquerte Fuchs auch noch mit der lebenden Bergsteiger-Legende Reinhold Messner aus Südtirol die Antarktis. Am 30. Dezember 1989 passierten die beiden Abenteurer den Südpol. Fuchs war damit der erste Mensch, der in einem Jahr zu Fuß beide Pole erreichte.

Hohe Kunst des Polarreisens


„Grandiose Landschaft“

Bis heute ist Arved Fuchs den Polargebieten treu geblieben. An die Kälte gewöhne man sich irgendwann. Dann, so Fuchs, öffneten sich der Blick und das Empfinden für die Landschaften, die Menschen, die Tiere, die Flora und Fauna der Eisregionen. „Ich fahre nicht dorthin, um mich irgendwelchem Ungemach auszusetzen, sondern weil es mir sehr viel gibt und ich die Landschaften mag.“
In die Arktis, die Region um den Nordpol, zog es Fuchs immer wieder, ob an Bord seines umgebauten alten Haikutters „Dagmar Aaen“ oder auf Skiern und mit Hundeschlitten. „Es ist eine sportliche Herausforderung, aber auch ein Sich-Messen mit der Natur, ob man wirklich fit genug ist im mentalen und im physischen Bereich, ob man es logistisch im Griff und alle Eventualitäten bedacht hat. Es ist wirklich die hohe Kunst des Polarreisens, dort unterwegs zu sein.“

P.S. Arved Fuchs´ Ansichten zu aktuellen Arktis-Fragen gibt es morgen im Blog zu lesen und hören.

Datum

0 17.03.2009 | 12:57

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Wer war der Erste am Nordpol?


Frederick Cook, erst gefeiert, dann verspottet

Generationen haben über diese Frage gestritten. Hat am 21. April 1908 der US-Amerikaner Frederick Albert Cook als erster Mensch den Nordpol erreicht oder am 6. April 1909 sein Landsmann Robert Edwin Peary? „Mit Sicherheit ist keiner von beiden direkt am Pol gewesen“, meint Dr. Reinhard Krause, Naturwissenschaftshistoriker am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Immerhin, schätzt Krause, sei Peary dem nördlichsten Punkt relativ nahe gekommen. Cook hingegen habe sich wohl auf das Meereis gewagt, den Pol aber nicht erreicht. „Er hat sich ja auch durch frühere Betrugsmanöver selbst diskreditiert“. Der New Yorker Arzt, Sohn eines deutschen Einwanderers, hatte 1908 in einem Buch über seine angebliche Erstbesteigung des Mount McKinley, des höchsten Bergs Nordamerikas, ein gefälschtes Foto veröffentlicht.

Mein Freund, der Präsident

Robert Peary hatte schon zu Lebzeiten prominente Fürsprecher, bis hinauf zum damaligen Präsidenten der USA. Theodore Roosevelt schrieb in einem Vorwort zu Pearys Nordpol-Buch: „Kommandeur Peary hat alle Bewohner der zivilisierten Welt zu seinen Schuldnern gemacht.“


Robert Peary, Pionier oder Schwindler?

Doch auch hinter Pearys Berichten stehen dicke Fragezeichen. Die Geschwindigkeit, mit der Peary und seine Gefährten die letzten Etappen zum Pol und zurück angeblich zurücklegten, wurde bei späteren Expeditionen nicht einmal annähernd erreicht. Im Originaltagebuch fehlt zudem ein Eintrag für den 6. April 1909. Das auf diesen Tag datierte Blatt mit Pearys Zeilen („Endlich der Pol. Der Preis dreier Jahrhunderte, mein Traum und Ziel seit 23 Jahren. Endlich mein.“) wurde möglicherweise erst später hinzugefügt.

Schwierige Navigation

Und woher wusste Peary eigentlich, dass er 90 Grad Nord erreicht hatte? „Die Navigationsunterlagen, die ich gesehen habe, sind geradezu lächerlich“, sagt Dr. Krause. „Es ist völlig unverständlich, wie man daraus schließen konnte, dass man am Pol war.“ Zudem, so der Experte, habe Peary seinen „besten Mann“, Robert Bartlett, bei 86 Grad Nord nach Hause geschickt. „Bartlett war der einzige, der wusste, wie Sextant geschrieben wurde.“ Im Gegensatz zu Pearys schlampiger Navigation habe der Norweger Roald Amundsen 1911 am Südpol zwei Tage darauf verwandt, den Punkt genau einzumessen. „Das war vernünftig.“
Der britische Polarforscher und -Abenteurer Wally Herbert, der 1984 das bis dahin geheime Tagebuch Pearys einsehen durfte, kam aufgrund seiner Recherchen zu dem Schluss, dass Peary den Pol um etwa 100 Seemeilen, also 185 Kilometer verfehlt haben dürfte.


Naturwissenschafts-Historiker Dr. Krause

Also alles nur Lügengeschichten, Räuberpistolen? Dr. Krause nimmt die Polarpioniere ein wenig in Schutz. Die Navigation am Nordpol, so der Naturwissenschaftshistoriker, gestalte sich ohne die Hilfsmittel unserer Tage wie GPS extrem schwierig. „Es ist permanent hell, die Sonne steht sehr tief, Nebel verdeckt unter Umständen den Horizont, der Untergrund bewegt sich, der Kompass hat eine sehr große Missweisung. Diese Komplikationen führen dazu, dass man nicht ohne Weiteres sagen kann, dieser Punkt hier plus/minus 100 Meter ist der Nordpol.“

Mehr Berufsabenteurer als Forscher

Dennoch: Peary und Cook strebten vor allem nach einem prestigeträchtigen Erfolg. Beide waren frühe Berufsabenteurer, die davon lebten, dass sie ihre Unternehmungen vermarkteten. Wissenschaftlich gesehen, sagt Dr. Reinhard Krause, sei es ihnen und auch späteren Nordpol-Abenteurern nur darum gegangen, das polare Becken zu erforschen, angetrieben von der „Vision, man würde im arktischen Ozean noch große, unentdeckte Landmassen finden. Das wäre natürlich eine ruhmreiche Angelegenheit gewesen.“
Doch diese Landmassen gibt es in der Region um den Nordpol nicht. Davon konnten sich der Italiener Umberto Nobile, der amerikanische Millionär Lincoln Ellsworth und der Norweger Roald Amundsen am 12. Mai 1926 überzeugen, als sie im Luftschiff Norge über den Pol flogen. Es war die erste erfolgreiche Nordpol-Expedition, deren Ausgang nicht angezweifelt wurde.

Datum

0 16.03.2009 | 20:01

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Nordpol-Chronik

1497 Erster (vergeblicher) Versuch des Italieners Giovanni Caboto alias John Cabot, im Auftrag der britischen Marine die Nordwestpassage, den Seeweg von Nordamerika aus durch die Arktis nach Asien, zu finden.
1527 Erste bekannte Expedition mit dem Ziel, den Nordpol zu erreichen. Der Brite Robert Thorne scheitert.
15. – 18. Jahrhundert Zahlreiche weitere erfolglose Versuche, die Nordwest- und auch die Nordostpassage entlang der russischen Küste zu durchsegeln. Auch der große britische Entdecker James Cook sucht bei seiner dritten Weltreise 1776-1779 vergeblich nach dem nördlichen Seeweg nach Asien.
1827 Der Brite William Edward Parry erreicht mit Schlitten 82° 45` nördlicher Breite, ein Rekord, der rund 50 Jahre hält.
1845 Der Brite John Franklin startet zu einer Expedition Richtung Nordwestpassage, die tragisch endet. Franklin und die gesamte Mannschaft kommen ums Leben. Mehrere Suchexpeditionen folgen.
1869 Zwei deutschen Schiffe unter Leitung von Karl Koldewey und Paul Hegemann brechen zu einer Polarexpedition auf. Die Hanse wird vom Packeis zerdrückt. Die Mannschaft kann sich auf einer treibenden Eisscholle retten.
1876 Britische Expedition unter George Nares erreicht 83° 20´ N. In einem Telegramm während der Rückreise schreibt der Kapitän frustriert: „North Pole impracticable (Nordpol nicht machbar)“.
1878/79 Dem Schweden Adolf Erik von Nordenskiöld gelingt mit dem Schiff Vega die erste Durchquerung der Nordostpassage.
1893-96 Der Norweger Fridtjof Nansen lässt sich mit seinem Schiff Fram vor Sibirien vom Packeis einschließen. Er hofft, von der Eisdrift zum Nordpol getrieben zu werden. Als klar ist, dass die Fram am nördlichsten Punkt vorbeitreibt, versucht Nansen, mit seinem Gefährten Hjalmar Johansen zu Fuß den Pol zu erreichen. Sie kommen bis 86° 13´ N (418 km Entfernung vom Pol. Anschließend kämpfen sich Nansen und Johansen auf Skiern und mit Kajaks bis nach Franz-Josef-Land durch. Dort treffen sie 15 Monate nach ihrem Aufbruch auf ein englisches Expeditionsteam und sind gerettet.
1903-06 Dem Norweger Roald Amundsen gelingt als Erstem auf der Gjöa die Durchquerung der Nordwestpassage.
1908 Der US-Amerikaner Frederick Albert Cook behauptet, am 21. April als erster Mensch den Nordpol erreicht zu haben. Viele glauben ihm schon damals nicht.
1909 Der US-Amerikaner Robert Edwin Peary erklärt, er sei am 6. April (im Gegensatz zu Cook) wirklich am Pol gewesen. Auch hier gibt es begründete Zweifel.
1926 Der US-Amerikaner Robert Byrd will am 8. Mai mit dem Flugzeug den Nordpol überflogen haben. Seine Angaben sind ebenfalls zweifelhaft.
1926 Der Italiener Umberto Nobile, der Norweger Roald Amundsen und der US-Amerikaner Lincoln Ellsworth überfliegen am 12. Mai mit dem Luftschiff Norge den Pol.
1937 Russische Forscher werden von einem Flugzeug in unmittelbarer Nähe des Nordpols abgesetzt.
1948 Eine russische Expedition unter Leitung von Alexander Kusnezow fliegt zum Pol.
1958 Das US-Atom-U-Boot Nautilus durchfährt den arktischen Ozean unter dem Eis und erreicht dabei auch den Nordpol. Ein Jahr später durchbricht das amerikanische U-Boot Skate bei einer ähnlichen Fahrt am Pol das Eis.
1968 Eine Gruppe unter Leitung des US-Amerikaners Ralph Plaisted erreicht mit Motorschlitten den Pol.
1968/69 Ein Expeditionsteam, geleitet vom Briten Wally Herbert, durchquert mit Hundeschlitten die Arktis von Spitzbergen über den Pol nach Alaska. Die Gruppe wird aus der Luft mit Nahrung versorgt, ist aber die erste, die unzweifelhaft zu Fuß den Nordpol erreicht.
1978 Der Japaner Naomi Uemura schafft mit Luftunterstützung von Kanada aus die erste Solo-Hundenschlittenreise zum Nordpol.
1989 Arved Fuchs erreicht als Teilnehmer der internationalen „Ice Walk“-Expedition als erster Deutscher zu Fuß den Nordpol. Auch diese Expedition wird aus der Luft unterstützt.


Schwimmbad Nordpol: Im Juli 2007 schwimmt der Brite Lewis Gordon Pugh knapp 19 Minuten lang im eiskalten Wasser

1990 Die Norweger Erling Kagge und Børge Ousland erreichen als Erste ohne Versorgung aus der Luft den Nordpol. Von dort lassen sie sich ausfliegen.
1993 Erste Last degree-Expedition zum Nordpol
1995 Der Russe Michail Malakow und der Kanadier Richard Weber marschieren erstmals ohne Luftunterstützung und ohne Hundeschlitten von Nordkanada aus zum Nordpol und zurück.
2007 Russische Tauchboote verankern auf dem Meeresboden unter dem Nordpol eine Titanflagge, um die territorialen Ansprüche Russlands auf die Region zu demonstrieren.

Datum

0 15.03.2009 | 11:44

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Benzinkocher oder Zeltlocher?


Der Tag neigt sich, doch es warten Aufgaben

Eigentlich will ich es mir gar nicht vorstellen: Wir sind mitten im Eis, der Nordpol ist nicht mehr fern. Gerade haben wir das Zelt aufgebaut. Ich bin heute dafür zuständig, den Benzinkocher anzuwerfen und Eis zu schmelzen. Ich drehe den Hahn auf. Zu schnell. Wusch, eine Stichflamme! Das Zelt fackelt ab. Wir müssen die Expedition abbrechen. Das wäre der Super-Gau.
Thomas beruhigt uns: „Macht euch keine Sorgen! Das Zelt geht nicht gleich in Flammen auf. Wenn man schnell genug reagiert, bleibt es bei einem Loch, das man wieder flicken kann.“ Selbst einem Profi wie ihm ist das schon passiert.

Tunnelbau


Schlafen im Tunnel

Nach unserem Aufstieg zur Hütte haben wir zunächst das Zelt aufgebaut. Es handelt sich um ein norwegisches Fabrikat, das wie ein länglicher Tunnel aussieht. Drei lange Karbonstangen geben dem Zelt die Form. Um es aufzurichten, stecken wir die Stangen zunächst zusammen und schieben sie dann quer über das Zelt durch die dafür vorgesehenen Laschen. Ein bisschen fummelig ist das. Wie wird das erst bei minus 30 Grad Celsius? „Je schneller das Zelt steht, desto besser“, feuert uns Thomas an. Wir fixieren den Kunststoff-Tunnel im Schnee mit ein paar Haken und unseren Skiern. Während der Expedition sollen wir auch den Schlitten ans Zelt binden, damit er sich nicht über „Nacht“ (die gibt es natürlich im arktischen Sommer nicht) aus dem Staub macht.

Wie war das noch?


Kocher-Kursus

Nun demonstriert uns Thomas, wie der Kocher funktioniert. „Wir kochen im Vorzelt und liegen dabei im Schlafsack. Wenn du bei 20, 30 Grad minus draußen sitzt, erfrierst du halt, oder?“ Wo er recht hat, hat er recht. Und so geht es: Pumpen, damit Druck auf die Leitung kommt, Hahn vorsichtig aufdrehen, bis ein wenig Benzin an der Brennstelle herausspritzt, „nicht zu viel, sonst wird die Stichflamme zu hoch“, Hahn wieder zu, jetzt mit Streichholz oder Feuerzeug entzünden, „keine Angst, wenn die Flamme kurz hoch auflodert, das macht dem Zelt nichts“, warten, bis es beginnt zu zischen, Hahn aufdrehen, Topf mit Eis drauf, fertig. Hört sich ganz einfach an. Frank probiert es und macht alles richtig. Thomas ist zufrieden. „Und morgen früh bist du dran, Stefan!“

Stunde der Wahrheit


Schweizer Diätkost

Oje, ich fühle mich wie früher beim Vokabelabfragen in der Schule. Mut zur Lücke? Ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden. Erst einmal verdränge ich den Auftrag. Denn heute Abend gibt es in Thomas´ Berghütte eine zünftige Schweizer Käsefondue, mit einem leckeren Gläschen Wein und Wodka zum Absacken. Mit der nötigen Bettschwere ziehen wir uns ins Zelt zurück. Der Schlafsack wärmt mehr als genug, die beiden Matten unter dem Rücken sind leidlich bequem. Ich falle in einen tiefen, erholsamen Schlaf.
Der nächste Morgen, die Stunde der Wahrheit: Ich bleibe, wie vorgeschrieben, im Schlafsack, drehe mich zum Zelteingang. Wie war das gleich noch? Erst Hahn auf, dann pumpen? Nein, umgekehrt! Ich habe Schwierigkeiten, mit dem kleinen Feuerzeug an die Zündstelle des Kochers zu gelangen. Dann aber funktioniert alles so, wie es soll, und ich bin fast ein wenig stolz auf mich. Bis die Flamme für meinen Geschmack ein wenig zu hoch in den Zelthimmel sticht. Mein banger Blick geht nach oben. Kein Loch, Gott sei Dank! Das wäre aber auch zu peinlich gewesen.

Datum

0 13.03.2009 | 15:37

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Ein Schlitten namens Poldi

Der Nordpol liegt ein Wochenende lang in der Schweiz – zumindest für uns. Expeditionsleiter Thomas Ulrich hat die Teilnehmer nach Interlaken eingeladen, zum gegenseitigen Beschnuppern und zum Schnupperkurs. Mit dem Auto fahren wir in die Berge. Wir verlassen die Straße, fahren mit Schwung einen schneebedeckten, an vielen Stellen vereisten Weg hinauf, bis zu einer Stelle, von der aus ein Pfad abzweigt. Hier lassen wir das Auto stehen.


Über dem Berner Oberland

Thomas zeigt uns, wie wir die Zuggurte anlegen sollen. Die Schlitten sind leicht bepackt, mit Zelt, Kocher, Schlafmatte, Schlafsack und dem, was man sonst noch für eine Übernachtung im Freien braucht. Wir schlüpfen in die Skibindung und los geht´s. Solange der Pfad kaum ansteigt, gehorcht mir der Schlitten und ich denke noch: Gar nicht so schwer, wie ich annahm. Doch hinter einer Hütte endet der Weg. Jetzt ziehen wir unsere Spur durch den Neuschnee bergauf. Der Schlitten kippt erstmals zur Seite. Ich richte ihn wieder auf. Fünf Meter weiter das gleiche Spiel. Nach der vierten Wiederholung beginne ich, leise vor mich hinzufluchen. „Ihr müsst eure Schlitten taufen“, sagt Thomas und grinst, „dann ist es leichter, mit ihnen zu schimpfen.“

Dickes Fell gesucht


Poldi in Schieflage

Ich ziehe wieder los, nach dem immer gleichen Muster: Einige Meter geht es gut, dann rutscht der Schlitten in eine Erdmulde oder neigt sich einfach in den Hang, und schwupps, liegt er wieder auf der Seite. Die erste Idee, den Schlitten nach meiner Frau zu benennen, verwerfe ich schnell. Sie hätte wirklich nicht verdient, dass ich so viel Frust auf ihr ablade. Dann macht es klick: Mein Schlitten heißt ab sofort Poldi. Nach Lukas Podolski, dem noch-Münchner-bald-wieder Kölner Fußballer, dem Hoffnungsträger meines Leib- und Magenvereins. Bei den Bayern ist er auch häufig weggekippt. Poldi dürfte es also gewohnt sein, beschimpft zu werden und es mir nicht übel nehmen, wenn ich ihm ein paar böse Worte entgegenzische. Dafür nehme ich ihn schließlich auch mit zum Nordpol.

Mein bester Freund?

Poldi muss sich gleich nach der Taufe eine Menge Flüche anhören, denn der Schlitten macht einfach nur, was er und nicht was ich will. Ich zerre an der Ladung herum, versuche, den Schlitten anders auszubalancieren. Umsonst, Poldi will mir einfach nicht gehorchen. „Der Schlitten ist jetzt einfach zu leicht. Wenn er voll beladen ist, mit Benzin und so, dann liegt der Schwerpunkt tiefer“, macht mir Thomas Mut – der mit seinen nächsten Worten gleich wieder sinkt: „Aber es ist auch am Nordpol schon so: Zwischendurch zurückgehen, wieder aufrichten …“ Der Schlitten, sagt Thomas, müsse einfach „dein bester Freund“ werden.


Geschafft!

Klatschnass durchgeschwitzt erreiche ich Thomas´ Berghütte, vor der wir für die kommende Nacht unser Zelt aufschlagen werden. Poldi und ich sind noch keine Freunde geworden, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Warum muss ich gerade jetzt an die Worte des Schauspielers Keanu Reeves an Sandra Bullock im Hollywood-Thriller ´Speed´ denken? „Beziehungen, die unter extremen Bedingungen entstehen, haben keine Zukunft.“

Datum

0 12.03.2009 | 13:49

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