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Chancen und Risiken: Wie wahrscheinlich ist das Unwahrscheinliche?

Was lehrt uns die Wahrscheinlichkeitsrechnung? Dass die Realität auch ganz anders aussehen kann. „Ich würde sagen, die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Nordpol erreichen, liegt bei 95 Prozent“, sagt Expeditionsleiter Thomas Ulrich. Als er zuletzt eine Last degree-Expedition geleitet hatte, fehlten mickrige sieben Kilometer zum Ziel. „Wir hatten schlicht keine Zeit mehr und mussten deshalb abbrechen. Das war ein bitteres Erlebnis.“ Damit es sich nicht wiederholt, ist das Zeitfenster diesmal etwas weiter geöffnet.

Offenes Wasser, dünnes oder bewegliches Eis

Doch es gibt natürlich auch andere Gründe, die zu einem Scheitern oder zumindest für Einzelne zu einem vorzeitigen Ende aller Träume führen könnten. Im Falle einer Erkrankung oder Erfrierung müsste der Teilnehmer mit dem Helikopter ausgeflogen werden. Um im Notfall Hilfe holen zu können, hat Ulrich ein Satellitentelefon und ein internationales Notsignal-Gerät mit.
„Die größten Gefahren“, so Ulrich, „sind offenes Wasser und dünnes Eis, bei dem ich entscheiden muss, ob wir es überqueren können oder wir lieber einen Umweg wählen sollten.“ Bricht einer der Teilnehmer ins eiskalte Wasser ein, gilt es, ihn möglichst schnell wieder herauszuholen und hurtig das Zelt aufzubauen, damit er möglichst schnell aus den nassen Klamotten herauskommt und wieder trockene und warme Kleidung anziehen kann. Eine weitere Risikoquelle könnte Presseis sein, das gerade in dem Augenblick, in dem wir es überqueren, in Bewegung gerät. „Alles in allem sind die objektiven Gefahren aber viel niedriger als beim Bergsteigen.“

Rendezvous mit dem Eisbär


Für alle Fälle gewappnet

Und was ist mit ungebetenen Gästen im weißen Pelz? „Auch wenn sie selten so weit nördlich auftauchen, besteht natürlich grundsätzlich die Möglichkeit, Eisbären zu treffen.“ Wenn sie nicht gerade Heißhunger haben, sind sie eher neugierig als aggressiv. Oft reichen schon Lärm und ausladende Bewegungen, um einen Eisbären zu vertreiben. Wenn nicht, gibt es mehrere Eskalationsstufen. Pfefferspray, eine Signalpistole und, für den äußersten Notfall, ein 44er-Magnum-Revolver gehören zur Ausrüstung. Die erste Patrone ist mit Schrot gefüllt, erst die zweite transportiert eine Kugel. Thomas Ulrich hat bei seinen Expeditionen in der Arktis schon häufig Eisbären getroffen, zum äußersten Mittel musste er noch nie greifen. „Die Chance, am Nordpol wirklich einen Eisbär anzutreffen, würde ich auf 50 zu 50 einschätzen.“ Also auf genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich. Mal sehen, was die Realität dazu sagt.

Ganz Ohr bleiben: Thomas Ulrich über mögliche Gefahren

Datum

0 08.03.2009 | 15:31

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Ein Nordpol auf Wanderschaft

Bergsteiger haben es einfacher. Wenn sie nicht mehr höher steigen können, wissen sie, dass sie auf dem Gipfel stehen. Beim Nordpol ist das nicht so einfach. „Ein Punkt ohne Ausdehnung, das eine Ende der Achse, um die sich die Erdkugel dreht, ohne Länge, Breite oder Stärke“, schrieb 1875 ein englischer Journalist im „Blackwood´s Magazine“ und klang dabei so, als könne er die ganze Aufregung um den Nordpol nicht nachvollziehen.
Eigentlich gibt es sogar fünf Nordpole, je nach Definition (siehe unten). Der bekannteste davon ist neben dem geographischen, den unsere Expedition erreichen will, sicher der magnetische Pol.

Der Nordpol, der eigentlich der Südpol ist


Geophysiker Jokat

Ich besuche Dr. Wilfried Jokat, Geophysiker am Alfred-Wegener-Institut für Polar-und Meeresforschung in Bremerhaven. Er bestätigt mir zunächst einmal, dass mich mein Gedächtnis nicht im Stich gelassen hat. Denn schließlich haben wir in der Schule gelernt: Der magnetische Pol im Norden ist aus physikalischer Sicht der Südpol, da die Magnetnadel des Kompasses, die immer nach Norden zeigt, dorthin weist. Anders gesagt, Gegensätze ziehen sich an. Um die Allgemeinheit nicht ganz zu verwirren, hat sich jedoch eingebürgert, den magnetischen Pol, der im Norden liegt, auch Nordpol zu nennen.

Wandergeselle mit Antrieb von unten

Die Erde ist von einem magnetischen Feld umgeben, das annäherungsweise dem eines Stabmagneten entspricht: die Spitze jeder Magnetnadel zeigt zum Ende des Stabes, sprich zum Pol. Der magnetische Nordpol leidet offenbar an Fernweh, er scheint es nicht lange an einem Ort auszuhalten. Derzeit wandert er im Jahr etwa 40 Kilometer, vom Norden Kanadas aus Richtung Sibirien. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass geographischer und magnetischer Pol eines Tages übereinander liegen“, sagt Dr. Jokat.
Doch warum bewegt er sich eigentlich? „Das magnetische Feld der Erde wird in großer Tiefe, etwa 2500 Meter unter der Erdoberfläche erzeugt“, erklärt der Geophysiker. „Wir wissen, dass der innere Kern langsamer rotiert als der Rest der Erde.“ Daraus entstünden an der Grenze des Kerns elektrische Ströme, die dann das Magnetfeld erzeugten. Doch diese Ströme sind offenbar nicht konstant. Eine Folge: Der Pol wandert.

Und der Nordpol wird wieder zum Südpol

Eine weitere Konsequenz: Die Stärke und Ausrichtung des Erdmagnetfelds verändert sich. Seit Jahrzehnten registrieren Forscher, dass die magnetische Kraft schwächer wird. „Es gibt ernsthafte Anzeichen für eine bevorstehende Umpolung, doch es wird sicher noch ein paar tausend Jahre dauern“, sagt Dr. Jokat.
Doch selbst wenn es früher geschehen sollte, die Welt wird davon nicht untergehen. Im Schnitt wechseln die magnetischen Pole alle 250.000 Jahre. Auch ohne inneres Magnetfeld gebe es noch einen Schutz gegen gefährliche Strahlung aus dem All, erklärt der Experte. „Jedes Gestein auf der Erde hat ja auch ein Magnetfeld.“ Modellrechnungen zeigten, dass dieses konstante Feld ausreiche, um den Planeten vor sogenannten „Sonnenwinden“, das sind Ströme elektrisch geladener Teilchen, zu schützen.

Missweisung, wie das Wort schon sagt


Wohin zeigt die Nadel?

Noch aber wirkt der magnetischen Nordpol, von einer Position deutlich südlich des 89. Breitengrads, auf dem wir unsere Ski- und Schlittenexpedition beginnen. Ein normaler Kompass würde zwar nicht verrückt spielen, uns aber die Suche des geograpischen Pols auch nicht gerade leicht machen. Die „Missweisung“, die Abweichung zwischen geographischer und magnetischer Nordrichtung, so Dr. Jokat, läge wahrscheinlich bei etwa 60 Grad, verglichen mit zehn Grad in unseren Breiten. Denn „der Kompass kennt den geographischen Nordpol nicht“.
Ein Glück, dass es GPS-Geräte gibt, die per Satellitennavigation den genauen Aufenthaltsort melden. Vorausgesetzt, es gibt keine Sonnenstürme. Denn die können Satelliten richtig Probleme bereiten.

P.S. Pole sind Definitionssache:

Geographischer Nordpol: nördlicher Schnittpunkt der Achse, um die sich die Erde dreht, mit der Erdoberfläche. Lage 90° Nord
Magnetischer Nordpol (eigentlich Südpol): Punkt der nördlichen Hemisphäre, an dem die Feldlinien des Erdmagnetfelds senkrecht zur Erdoberfläche stehen, derzeitige Lage etwa 82° Nord, 115 °West.
Geomagnetischer Nordpol: errechneter Pol, wenn man davon ausgeht, dass sich im Erdmittelpunkt ein Stabmagnet befindet. Lage ca. 80° Nord, 72° West
Nordpol der Unzulänglichkeit: nördlichster Punkt, der in allen Richtungen am weitesten vom Festland entfernt ist. Lage 84° Nord, 174° West
Himmelsnordpol: Punkt, an dem die gedachte Linie durch die Erdachse die Himmelskugel durchstößt. Der Sternenhimmel scheint sich – vom Betrachter aus gesehen – um diesen Pol zu drehen. Lage nahe dem Stern Polaris (Polarstern)

Ganz Ohr bleiben: Dr. Jokat beantwortet Fragen zum magnetischen Pol

Datum

0 07.03.2009 | 18:04

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Der Team-Reporter: Stefan Nestler

Obwohl ich in Köln auf 50 Metern Meereshöhe lebe, galt ich bisher in meinem Umfeld als „Bergfex“. Wobei ich mich selbst eher als ambitionierten Wanderer, denn als Bergsteiger bezeichnen würde. Das Meer sah ich im Alter von16 Jahren zum ersten Mal. Bis dahin hatten alle Familien-Urlaube in die Alpen geführt. Vielleicht rührt daher meine besondere Beziehung zu den Bergen. Nach einem traumatischen Erlebnis in der Jugend hatte ich viele Jahre lang extreme Höhenangst. Als inzwischen 46-Jähriger habe ich sie so weit im Griff, dass ich Gipfel wieder auf zwei Beinen statt auf allen Vieren besteigen kann – am liebsten gemeinsam mit meiner Frau und unseren fünf Kindern.
Als Sportjournalist bei der Deutschen Welle beschäftige ich mich seit mehreren Jahren mit dem Extrembergsteigen und anderen großen Abenteuern. Das „Jahr der Berge“ 2002 öffnete mir das Tor zum Himalaya. Ich machte eine Reportage-Trekkingreise nach Nepal zum Basislager des Mount Everest. Seitdem war ich vier weitere Male im Himalaya und Karakorum an den höchsten Bergen der Welt unterwegs. So berichtete ich 2005 aus dem Basislager in 5500 Metern Höhe über den Versuch der Bergsteiger Ralf Dujmovits, Gerlinde Kaltenbrunner und Hirotaka Takeuchi, den Mount Everest über die tibetische Nordwand zu besteigen. 2007 verschlug es mich wieder in ein Basislager, diesmal am Achttausender Manaslu in Nepal. Sechs Wochen lang begleitete ich eine von Ralf Dujmovits geleitete kommerzielle Expedition.
Die Polarregion ist für mich Neuland. In gewisser Hinsicht schließt sich jedoch auch wieder ein kleiner Lebenskreis. Denn ich erinnere mich noch genau an eines meiner Lieblingsbücher der Kindheit: „Das Rätsel der Nordwestpassage“. James Cook, John Franklin, Roald Amundsen – ich bewunderte die großen Polarpioniere für ihren Wagemut und ihren Durchhaltewillen. Ein bisschen davon kann auch mir jetzt nicht schaden.

Ganz Ohr bleiben: Stefan Nestler in der DW-Radiosendung Journal D, 2.3.2009

Datum

0 06.03.2009 | 13:25

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Das Team: Arnold Witzig


geboren am: 29. März 1949
Familienstand: verheiratet, 2 Kinder
lebt in: Vancouver in Kanada
hat gearbeitet als: Architekt, widmet sich jetzt seinen Abenteuern
bisherige Abenteuer: Besteigung der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente, (u.a. 2002 Mount Everest), Grönlanddurchquerung auf Skiern

Und der Nordpol? „Ich will beide Pole zu Fuß erreichen. Die Last degree-Expedition ist eine Art Training für diese großen Projekte.“

Ganz Ohr bleiben: Arnold Witzig

Datum

0 06.03.2009 | 08:21

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Das Team: Eugen Thoma

geboren am: 9. Juni 1982
Familienstand: ledig
lebt in: Zug in der Schweiz
arbeitet als: Polymechaniker
bisherige Abenteuer: Besteigung des Kilimandscharo, Segelregatta, Reise in die Wüste Ägyptens

Und der Nordpol? „Ich suche das Abenteuer an sich, die extremen Verhältnisse. Mich fasziniert der Gedanke, oben auf unserem Globus zu stehen.“

Ganz Ohr bleiben: Eugen Thoma

Datum

0 05.03.2009 | 10:54

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