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Komischer Vogel

Ich bin unterwegs. Endlich. Es wurde Zeit. Ich glaube, so langsam, aber sicher wurde ich für meine Nächsten zu einer Belastung. Die letzten Tage vor einer Expedition müssen für sie eine Qual sein. Ständig laufe ich wie ein Hyperaktiver herum. Überall liegen Checklisten oder Merkzettel herum, damit ich auch ja nichts vergesse. Dann geschehen Geschichten wie gestern jene mit den falschen Batterien. Ich gerate in solchen Situationen nicht gerade in Panik, aber das Adrenalin muss einfach heraus. Und so fluche ich wie ein Berserker.

Leidtragende


Abschied

Manchmal vergesse ich dann, dass auch die anderen ein Leben führen, das mit dem Nordpol nur insofern etwas zu tun hat, dass ich wieder einmal für längere Zeit aus ihrer Nähe verschwinde. Ich muss mich dann wirklich zwingen, den Erzählungen meiner Frau und meiner Kinder die Konzentration zu schenken, die sie verdienen. Denn machen wir uns nichts vor: Die Leidtragenden einer Expedition sind immer die Familien. Nach meiner Expedition 2005 zur Nordwand des Mount Everest erhielt ich eine von allen Familienmitgliedern unterzeichnete Erklärung, dass ich künftig zu Hause bleiben solle. Andernfalls werde gestreikt. 2007 brach ich wieder in den Himalaya auf.

Free bird

Zu meinen Lieblingssongs gehört „Free bird“ von Lynyrd Skynyrd – vor allem wegen der nicht enden wollenden Gitarrensolos, aber auch weil das Lied von einem Abenteurer geschrieben worden sein muss. Der Sänger erzählt seiner Liebsten, dass er nicht bleiben kann, „cause I´m as free as bird, and this bird you cannot change“. Ganz schön egoistisch. Der komische Vogel verlangt, dass sie ihn fliegen lässt, weil sie ihn ohnehin nicht ändern kann. Und dass sie alleine mit der Angst fertig werden muss, ob er auch wieder heimkehrt. Genauso verhalten sich in der Regel Abenteurer.

Solche und solche


Von Frankfurt über Oslo nach Spitzbergen

Sind sie deshalb verantwortungslos? Ich glaube nicht unbedingt. Denn wie überall im Leben gibt es solche und solche. Die einen sind Hasardeure, die auf nichts und niemanden, auch nicht auf sich selbst Rücksicht nehmen. Die anderen kalkulieren die Risiken genau und haben auch den Mut umzukehren, wenn die Gefahr übermächtig wird. Nur die Abenteurer der zweiten Sorte haben die Chance, alt zu werden. Ich kann nicht versprechen wiederzukommen. Das liegt in höherer Hand. Aber ich verspreche, vorsichtig und umsichtig zu sein, damit ich heile zurückkehre. Ich hoffe, dass ich mit meinen Erlebnissen anschließend auch das Leben meiner Lieben bereichern kann. Und ich bin ihnen unendlich dankbar, dass sie mich komischen Vogel so nehmen wie ich bin und mich nicht mit Vorwürfen überschütten.

Datum

0 02.04.2009 | 13:21

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