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Wolfgang: Frauen fasten anders

Wolfgang ThielmannHallo Ihr drei,

wir sind auf gutem Weg, ein Gender-maingestreamtes Fasten zu definieren. Stefan fürchtet den Gender-Pilz, andere vielleicht das Gender-Pils. Die Umfrage der Apothekenumschau, nach der Frauen beim Fasten öfter scheitern, klingt wie die Wiederbelebung der Rede vom schwachen Geschlecht. Klaus hat ja die Umfrage selber interpretiert und in ihren Interessenkontext gestellt. Solche Erhebungen erheben mitunter die Fragenden. Der Antrieb dazu ist die Angst, die die Werbung für einen scharfen Drops klassisch formulierte: „Sind sie zu stark, bist du zu schwach.“

Die Umfrage hätte zur These meines Kirchengeschichtsdozenten gepasst. Der meinte, in der Antike seien Männerkulte eher asketisch und Frauenkulte eher orgiastisch gewesen. Wir haben ihm erst einmal geglaubt, und als wir fragen wollten, war das Thema schon durch. Ob er Adam und Eva meinte? Hetären? Tempelsklavinnen? Es gibt im zweiten Buch der Könige eine strikte Absage an Tempelsklaven, wie sie andere Kulte praktizierten. Der Reformkönig Joschija, der das verlorene Gesetzbuch wiederfindet, lässt die Sklavenhäuser am Tempel abreißen, „in denen die Frauen Schleier für die (Göttin) Aschera webten.“ Das klingt jetzt nicht sehr orgiastisch. In den letzten Jahren haben Forscher die antiken Berichte über Tempelprostitution in Zweifel gezogen. Wahrscheinlich hat einer die exotische Sensation vom anderen abgeschrieben, ohne den Wahrheitsgehalt zu prüfen. Einige wenige Beispiele dafür sind nur aus Indien belegt.

Mich erinnert die Umfrage auch an die klugen und lebensfrohen Nonnen aus dem mexikanischen Chiapas. Die hatten eine Regelungslücke des erst sechs Jahre zuvor beendeten Konzils von Trient genutzt, das die bis heute geltenden Fastenregeln aufstellte: kein Fleisch von Landtieren, nichts Festes, aber Flüssiges. Die Nonnen tranken Xocoátl, zu deutsch: Schokolade. Das sahen ihre Bischöfe ungern. Die Nonnen meinten, das Getränk mache sie freudiger zum Gebet. Die Bischöfe fürchteten, dass das Getränk ganz andere Lüste wecke, denn man munkelte allerlei. Deshalb schickten sie 1569, eine Generation nach Martin Luther, einen Abgesandten, Girolamo di San Vincenzo, zu Papst Pius V., um die Frage zu klären. Der Papst hatte eigentlich größere Probleme: Er wollte einen Kreuzzug gegen die Türken auf den Weg bringen. Widerwillig kostete er von dem Getränk, das ihm Fra Girolamo gekocht hatte: nur mit gallebitteren Kakaobohnen, ohne die eigentlich üblichen Kräuter. Und befand: „So ein Zeug bricht kein Fasten.“ Fünf Päpste bestätigen in den Jahrzehnten darauf seine Entscheidung, denn die Bischöfe gaben so schnell nicht auf. Dominikaner verdammten die Fastenschokolade, Jesuiten befürworteten sie; allerdings handelten sie auch schwunghaft damit. Die klugen Nonnen machte sich das Fasten angenehm.

Vielleicht fiel ihnen damit eine Regel leichter, die Jesus aufstellte. Er mochte nicht, dass man mit Fastenbittermiene durch die enthaltsamen Wochen geht. Sondern: „wenn du fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist.“ Vielleicht können Frauen mit ihrer Lust am Leben das leichter umsetzen. Vielleicht fasten Frauen anders. Ich faste jedenfalls gerne mit Frauen, die dabei Cocktailrezepte austauschen.

Und, Klaus, eine ehrliche Antwort auf Ihre Frage am Schluss: Am Wochenende breche ich mein Fasten, wahrscheinlich sogar bis Montag. Ich habe Geburtstag und dazu viele Freunde eingeladen, bevor ich zusagte, Sie hier beim Fasten zu begleiten. Habe ich Ihren Segen?

Datum

0 04.04.2014 | 15:56

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