Khumbu-Eisbruch – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Auf den Everest-Spuren ihrer Ehemänner https://blogs.dw.com/abenteuersport/auf-den-everest-spuren-ihrer-ehemaenner/ Wed, 09 Jan 2019 14:57:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43213

Furdiki Sherpa (l.) und Nima Doma Sherpa (r.)

Der Mount Everest nahm ihnen die Ehemänner. Und die Väter ihrer Kinder. Dennoch wollen Nima Doma Sherpa und Furdiki Sherpa in diesem Frühjahr den höchsten Berg der Erde besteigen. „Wir machen unsere Expedition aus Respekt vor unseren verstorbenen Ehemännern, weil auch sie Bergsteiger waren“, antwortet mir Nima Doma auf meine Frage nach dem Sinn und Zweck ihres Projekts. „Wir wollen alle Witwen motivieren.“ Der Everest hat einige alleinerziehende Mütter zurückgelassen. Allein in den vergangenen 20 Jahren starben dort laut der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“ 37 Sherpas.  Furdikis Mann, Mingma Sherpa, gehörte zu den so genannten „Icefall Doctors“, die alljährlich die Route durch den  Khumbu-Eisbruch einrichten und sichern. Der 44-Jährige kam am 7. April 2013 bei einem Sturz in eine Gletscherspalte ums Leben. Nima Doma Sherpas Mann, Tshering Wangchu Sherpa, war ein Jahr später, am 18. April 2014, eines der 16 nepalesischen Opfer des schweren Lawinenunglücks im Eisbruch.  

Umzug nach Kathmandu

Im Anstieg zum Island Peak

Als das Everest-Schicksal zuschlug, arbeiteten die beiden Sherpanis jeweils in den kleinen Teehäusern ihrer Familien: Furdiki in Dingboche, einem kleinen, auf 4340 Meter Höhe gelegenen Dorf im Everest-Gebiet, Nima Doma in Khumjung, weiter talabwärts auf 3780 Metern. Ihre Einkünfte waren zu gering, um auf Dauer ihre Kinder über die Runden zu bringen. Beide zogen nach Kathmandu und verdingten sich als Trägerinnen und später Führerinnen von Trekkinggruppen. Furdiki wollte ihren Kindern größere Zukunftschancen eröffnen, als sie selbst finanzieren konnte. Die heute 42-Jährige fand in den USA Adoptiveltern für ihre drei Töchter, die inzwischen 14, 17 und 20 Jahre alt sind. Nima Doma hat einen zehnjährigen Sohn und eine achtjährige Tochter. Wenn die 34-Jährige als Trekkingguide unterwegs ist, passt ihre Mutter in Kathmandu auf die Kinder auf.

Zwei Sechstausender bestiegen

Nima Doma (l.) und Furtiki in der Kletterwand

Um sich auf ihre „Two Widow Expedition“ (Zwei-Witwen-Expedition) vorzubereiten, haben Nima Doma und Furdiki nach eigenen Angaben mehrere Kurse des nepalesischen Bergsteiger-Verbands NMA besucht. Im vergangenen November bestiegen sie den 6584 Meter hohen Chulu East in der Annapurna-Region und den 6189 Meter hohen Island Peak im Everest-Gebiet, zwei beliebte Trekkingberge. Reicht das als Erfahrung für den Everest? Ich habe die Sherpanis gefragt, ob sie nicht fürchten, dass auch ihnen am höchsten Berg der Erde etwas zustoßen könnte und ihre Kinder dann Vollwaisen wären. „Wir haben keine Angst vor den Bergen, weil wir glauben, dass wir uns die nötigen Grundtechniken aneignen können. Außerdem begleiten uns die guten Wünsche aller Menschen, die uns und unsere Geschichte kennen“, antwortet Nima Doma Sherpa. „Jede Mutter liebt ihre Kinder, das tun wir auch. Aber nach dem Tod unserer Ehemänner lag plötzlich alle Verantwortung auf unseren Schultern. Wir wollen unseren Kindern zeigen, dass wir unabhängig sein können. Das wird auch sie motivieren und stolz machen.“

P.S. Nima Doma und Furdiki haben das Geld für ihre Everest-Expedition noch nicht zusammen. Am 19. Oktober veranstalten sie in einem Hotel in Kathmandu eine Dinnerparty, bei der Spenden gesammelt werden. Wer die beiden Sherpani unterstützen will, kann ihnen auch online Geld zukommen lassen. Hier ist der Link zu ihrer Crowdfunding-Aktion.

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Everest-Winterexpedition: Im Eiltempo nach Lager 1 https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-winterexpedition-im-eiltempo-nach-lager-1/ Thu, 11 Jan 2018 22:16:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39117

Alex Txikon im Khumbu-Eisbruch

Das ging flink. In nur vier Tagen haben der Spanier Alex Txikon und die Sherpas Tenzing Gyalzen, Gelje, Cheppal, Walung Dorji und Pasang Norbu die Route durch den Khumbu-Eisbruch gelegt und Lager 1 auf 6050 Metern erreicht. „Wir sind sehr glücklich“, freut sich Alex. Es sei ein hartes Stück Arbeit gewesen, jeder habe zwischen 25 und 35 Kilo mit sich geschleppt. Der 36 Jahre alte Baske weist darauf hin, dass die sechs Bergsteiger für diese erste große Aufgabe fünf Tage weniger gebraucht habe als seine Mannschaft beim gescheiterten Winterversuch 2017 – und das, obwohl damals fünf Expeditionsteilnehmer mehr an den Arbeiten beteiligt gewesen seien. „Die Route durch den Eisfall ist sehr komplex und hat unsere ganze Konzentration erfordert“ , berichtet Alex. Gemeinsam mit dem „Icefall Doctor“ Gelje Sherpa habe er nach den am wenigsten einsturzgefährdeten Bereichen gesucht.

Aufgaben teilen, Kräfte sparen

Volle Konzentration

Laut Txikon war der pakistanische Bergsteiger Muhammad Ali „Sadpara“ nicht an den Arbeiten im Khumbu-Eisbruch beteiligt. Er sei mit den beiden Sherpas Nuri und Temba Bhote andernorts unterwegs gewesen, um sich weiter zu akklimatisieren. „Dahinter steht die Idee, Aufgaben zu teilen und Kräfte zu sparen“,  sagt Alex. Ende Februar 2016 war dem Spanier gemeinsam mit Muhammad Ali und dem Italiener Simone Moro die prestigeträchtige Wintererstbesteigung des  Achttausenders Nanga Parbat in Pakistan gelungen. Die Südtirolerin Tamara Lunger hatte damals rund 70 Meter unterhalb des Gipfels umkehren müssen, weil es ihr schlecht gegangen war. In diesem Winter wollen Txikon und Ali den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff besteigen. Moro und Lunger versuchen sich derweil an der Wintererstbesteigung des 3003 Meter hohen Pik Pobeda im eiskalten Osten Sibiriens.

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Gleiche Route wie im Unglücksjahr 2014 https://blogs.dw.com/abenteuersport/gleiche-route-wie-im-ungluecksjahr-2014/ Tue, 04 Apr 2017 15:04:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35699

Rechts die Route der beiden Vorjahre, links die von 2014 (© madisonmountaineering.com)

Ist die Erinnerung an die Everest-Tragödie von 2014 so schnell verblasst? Nach Informationen der in Kathmandu erscheinenden Zeitung „The Himalayan Times“ haben die „Icefall Doctors“ die Route durch den Khumbu-Eisfall für die anstehende Saison wieder auf die vom Basislager aus gesehen linke Seite des Eislabyrinths verlegt, direkt unterhalb der eisbeladenen Westschulter. Am 18. April 2014 hatte sich von dort eine Eislawine gelöst, 16 nepalesische Bergsteiger waren bei dem Unglück ums Leben gekommen. Die Saison war damals vorzeitig abgebrochen worden. Im Frühjahr 2015 (auch diese Saison endete wegen des verheerenden Erdbebens in Nepal vorzeitig) und 2016 hatten die Sherpas, die für die Absicherung und Instandhaltung der Route durch den Eisbruch zuständig sind, eine Variante auf der von unten gesehen rechten Seite gewählt.   

Gibt es einen richtigen Weg?

Im Khumbu-Eisbruch

Nach dem Unglück 2014 war eine heftige Debatte darüber entbrannt, ob die „Icefall Doctors“ eine Mitschuld an der Tragödie trügen. „Sie haben die Piste an der schwächsten Stelle gebaut, wo die Schwierigkeiten am geringsten, aber die Gefahren am größten sind. Das ist nicht schlau“, sagte seinerzeit Reinhold Messner. Andere verwiesen hingegen darauf, dass der immer stärkere werdende Eisfluss einen Aufstieg durch die Mitte, wie er früher praktiziert worden war, kaum noch ermögliche. Und dass am anderen Rand des Eisbruchs, Lawinen von den Flanken des 7861 Meter hohen Nuptse drohten.

Klimawandel erhöht das Risiko  

Absolut sicher ist, dass der Eisbruch unsicher ist. Die Passage gleich oberhalb des Basislagers war schon immer jene mit den höchsten objektiven Gefahren. Und der fortschreitende Klimawandel erhöht das Risiko, dass sich Lawinen von der Westschulter und den Hängen des Nuptse lösen oder Seracs zusammenbrechen. Die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Tragödie steigt mit der Zahl der Bergsteiger, die sich gleichzeitig im Eisbruch befinden. Es ist wie bei Blitzeis auf der Autobahn: Je mehr Verkehr, desto mehr Tote. In diesem Frühjahr wird auf der nepalesischen Südseite des Bergs mit rund 500 Everest-Gipfelanwärtern gerechnet.

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Txikon am Everest in Lager 2 https://blogs.dw.com/abenteuersport/txikon-am-everest-auf-nach-lager-2/ Thu, 19 Jan 2017 09:49:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34761 Alex Txikon (auf der Höhe von Lager 1)

Alex Txikon (auf der Höhe von Lager 1)

Sonnig, aber extrem kalt. Das verspricht der Wetterbericht für die nächsten Tage am Mount Everest. Zudem soll der Wind auffrischen. Man erwarte Temperaturen zwischen minus 20 und minus 30 Grad Celsius, lässt Alex Txikon mitteilen. Außerdem soll der Wind auffrischen. Dennoch stieg das Team heute wieder vom Basislager auf und erreichte nach sieben Stunden den Platz für Lager 2 auf 6400 Metern. Alex, sein spanischer Landsmann Carlos Rubio und neun Sherpas hatten zuvor bereits den Weg durch den Khumbu-Eisbruch gesichert und am Eingang des „Tals des Schweigens“, auch bekannt als Western Qwm, Lager 1 auf 6050 Metern angelegt. Möglicherweise werde das Team in den nächsten Tagen sogar nach Lager 3 auf 7400 Metern aufsteigen, hieß es. Sonntag oder Montag werden die Bergsteiger dann wieder zurück im Basislager erwartet.

Alles muss passen

Wegen des trockenen Winterwetters sind Txikon und Co. bisher gut vorangekommen. Der Baske will den 8850 Meter hohen Gipfel nach Möglichkeit im Februar erreichen, ist sich aber bewusst, dass dafür „eine Menge Geduld, viel Engagement und Glück nötig sind“. Die große Kälte im Winter sorgt normalerweise dafür, dass der Luftdruck im Gipfelbereich noch weiter absinkt. Ein Aufstieg ohne Atemmaske liegt dann im absoluten Grenzbereich des Möglichen. Bisher hat es nur der legendäre Ang Rita Sherpa ohne Flaschensauerstoff auf den höchsten Punkt geschafft. Er erreichte den Gipfel am 22. Dezember 1987, am ersten Tag des kalendarischen Winters, und war damit deutlich früher unterwegs als Alex Txikon jetzt.

adventure-listP.S.: Ach übrigens, mein Blog wurde gerade in die „Liste der 100 besten Abenteuerblogs des Planeten“ aufgenommen – was immer das bedeuten mag. 🙂

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Selbst ein Icefall Doctor https://blogs.dw.com/abenteuersport/selbst-ein-icefall-doctor/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/selbst-ein-icefall-doctor/#comments Wed, 11 Jan 2017 13:13:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34673 Alex Txikon mit Aluleiter auf dem Rücken

Alex Txikon mit Aluleiter auf dem Rücken

Ein bisschen wie Edmund Hillary darf sich derzeit Alex Txikon am Mount Everest fühlen. Wie der Erstbesteiger aus Neuseeland und seine Mitstreiter 1953 muss auch der Baske aktiv dabei mithelfen, einen Weg durch den gefährlichen Khumbu-Eisbruch oberhalb des Basislagers zu finden und Material zu transportieren, das zur Sicherung der Route benötigt wird. Etwa Aluminiumleitern, um die tiefen Spalten des Eisbruchs zu überwinden. So eine Leiter ist mit etwa fünf Kilogramm Gewicht nicht allzu schwer, aber verdammt sperrig, wenn es gilt, damit durchs Eis zu klettern. Richtige Knochenarbeit, wie das Video zeigt, das der 35-Jährige heute aus dem Basislager geschickt hat:

Wie berichtet, will Alex mit seinem spanischen Landsmann Carlos Rubio versuchen, den Mount Everest erstmals seit 1993 wieder einmal im Winter zu besteigen – und das ohne Flaschensauerstoff. Zusammen mit neun Sherpas bahnen sich die beiden zunächst den Weg durch den Eisbruch. Bis zu vier Wochen Zeit hat Txikon für diese Arbeit veranschlagt.

Ziemlich exklusive Erfahrung

Wie zu Hillarys Zeiten ist die spanische Expedition derzeit die einzige am höchsten Berg der Erde. Was für ein Kontrast zum Frühjahr, wenn mehrere hundert Bergsteiger aus Dutzenden von kommerziellen Expeditionen das Basislager in eine Zelt-Kleinstadt verwandeln!

Gefährlicher Eisbruch

Gefährlicher Eisbruch

Wenn die zahlenden Kunden dort im April auf gut 5300 Metern Höhe eintreffen, haben die so genannten „Icefall Doctors“ die Route durch den Eisfall normalerweise bereits vorbereitet und gesichert. Dieses Team von meist acht Sherpas sorgt bis zum Ende der Saison Anfang Juni auch dafür, dass der Weg durch das Eislabyrinth begehbar bleibt. Ausgewählt und bezahlt werden diese Sherpas vom Sagarmatha Pollution Control Commitee (SPCC), einer Organisation, die sich ursprünglich nur um den Umweltschutz im Everest-Nationalpark kümmerte. Seit 2000 ist das SPCC im Auftrag der Regierung Nepals auch für die Route durch den Khumbu-Eisbruch zuständig. Im Frühjahr 2014 waren bei einer Lawine im Eisbruch 16 nepalesische Bergsteiger ums Leben gekommen.

Selbst wenn Alex Txikon den Gipfel auf 8850 Metern in diesem Winter nicht erreichen sollte – die Erfahrung, als Nicht-Sherpa als Icefall Doctor gearbeitet zu haben, hat er schon jetzt ziemlich exklusiv.

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Zehn populäre Everest-Irrtümer https://blogs.dw.com/abenteuersport/zehn-populaere-everest-irrtuemer/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/zehn-populaere-everest-irrtuemer/#comments Tue, 12 Apr 2016 22:27:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32353 Mount Everest

Mount Everest

Die Everest-Saison nimmt Fahrt auf. Das Basislager auf der nepalesischen Seite des Mount Everest füllt sich. Nach Angaben der Regierung in Kathmandu haben sich 279 Bergsteiger aus 38 Ländern für den höchsten Berg der Erde angemeldet. Die Icefall Doctors haben inzwischen die Route bis hinauf nach Lager 2 auf 6400 Metern vorbereitet. Auch die Teams, die den Everest von der tibetischen Nordseite aus besteigen wollen, haben inzwischen ihre Permits von den chinesischen Behörden erhalten. Dort kann es also ebenfalls losgehen. Bevor auch die mediale Everest-Saison beginnt, möchte ich mit ein paar immer wieder auftauchenden Irrtümern aufräumen.

1) Der Everest ist ein gefahrloser Berg.

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Die technischen Schwierigkeiten auf den beiden Normalrouten mögen sich in Grenzen halten, da sowohl der Weg über den Südostgrat als auch jener über den Nordostgrat inzwischen bis zum Gipfel mit Fixseilen gesichert werden. Doch ein gefahrloser Berg ist der Everest darum nicht. Schließlich ist er 8850 Meter hoch, der Sauerstoff wird dort nur noch mit einem Drittel des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe. Auch eine Besteigung mit Atemmaske ist kein Pappenstiel. Selbst wenn es wirklich so sein sollte, dass der Everest mit Flaschensauerstoff zu einem Sechstausender degradiert wird, will auch ein solcher erst einmal bestiegen sein. Der Klimawandel hat zudem die objektiven Gefahren verstärkt. Teile der Route, die früher fast immer verschneit waren, sind jetzt häufig schnee- und eisfrei. In der Lhotse-Flanke kommt es zu Steinschlag. Auch die Lawinengefahr hat zugenommen, nicht nur im Khumbu-Eisbruch.

2) Der Everest ist ein Killerberg.

Das Gegenteil zu 1) ist genauso falsch. Auch wenn es in den beiden letzten Jahren keine Gipfelerfolge von der Südseite aus gab, aber zwei schwere Lawinenunglücke mit insgesamt 35 Toten, ist der Mount Everest nach wie vor bei weitem nicht der gefährlichste Achttausender. Zwar starben bisher rund 280 Menschen am höchsten Berg der Erde, dem stehen aber über 7000 Besteigungen gegenüber. Mit diesem Verhältnis gehört der Everest eher in die Kategorie der sicheren als jener der extrem gefährlichen Achttausender. Die meisten Todesfälle pro Besteigungen verzeichnet die Annapurna, dahinter liegt der K 2.

3) Der Everest ist kein Berg mehr für Top-Bergsteiger.

Everest-Nordwand

Everest-Nordwand

20 Routen wurden bisher am Everest geklettert, dazu noch einige Variationen dieser Wege. Das bedeutet jedoch nicht, dass es an weiteren Möglichkeiten fehlt. So führen durch die Kangchung-Wand bisher gerade einmal zwei Routen, in den letzten Jahren war die Everest-Ostwand fast immer verwaist. Auch in der Nord- und in der Südwestwand gibt es sicher noch denkbare neue Wege Richtung Gipfel. Ganz zu schweigen von der ultimativen Herausforderung, der „Hufeisen-Route“: den Westgrat des Nuptse hinauf, dann über den Lhotse, auf den Everest und über dessen Westgrat zurück zum Ausgangspunkt.

4) Der Everest ist eine Müllhalde.

Müll am Südsattel

Müll am Südsattel

Es gibt bereits seit Jahrzehnten Müll-Vorschriften für Everest-Expeditionen. Die Bergsteiger sind verpflichtet, ihren Bio-Abfall zu vergraben oder verbrennen. Wiederverwertbares Material wie Plastik oder Glas muss ebenso nach Kathmandu zurückgebracht werden wie verbrauchte Sauerstoffflaschen oder leere Batterien. Wer gegen die Auflagen verstößt, riskiert, seine Umweltkaution in Höhe von 4000 US-Dollar nicht zurückzuerhalten. Mehrere Öko-Expeditionen haben dafür gesorgt, dass tonnenweise Altmüll aus der Zeit, als sich Bergsteiger noch wenig Gedanken über Umweltschutz machten, vom Berg gebracht wurde. Viele Alpengipfel sind eher Müllkippen als der Mount Everest.

5) Der Everest ist übersät mit Leichen.

Es stimmt, dass sich Everest-Gipfelaspiranten mental darauf einstellen sollten, an Leichen verstorbener Bergsteiger vorbeizusteigen. Doch es nicht so, dass der Weg mit „Toten gepflastert“ ist, wie Berichte immer wieder suggerieren. Viele der Toten, die an Erschöpfung starben, wurden von anderen Bergsteigern in Gletscherspalten „beigesetzt“ oder die Everest-Wände hinunterbefördert, manchmal besorgte auch ein Sturm diese Arbeit.

6) Die Moral der Everest-Sherpas ist verlorengegangen.

Viel Verkehr in der Lhotse-Flanke

Viel Verkehr in der Lhotse-Flanke

Es ist wie überall: Wo viele Menschen unterwegs sind, finden sich auch schwarze Schafe. So gab es 2013 die tätlichen Angriffe von Sherpas gegen Simone Moro, Ueli Steck und Jonathan Griffith im Hochlager und ein Jahr später Gewaltdrohungen gegen Bergsteiger, die sich nach dem Lawinenunglück im Khumbu-Eisbruch nicht mit einem Abbruch der Saison einverstanden erklären wollten. Aber daraus zu schließen, dass nun alle Sherpas zur Gewalt neigen oder ihren Job nicht mehr richtig machen, ist unredlich. Immer mehr Sherpas erwerben internationale Bergführer-Zertifikate. Der nepalesische Bergsteigerverband NMA bildet regelmäßig einheimische Kletterer aus. Zweifellos treten die jungen, gut ausgebildeten Sherpa-Bergsteiger inzwischen selbstbewusster auf. Sie sind sich ihrer Fähigkeiten bewusst und wollen auch als vollwertige Kletterer behandelt werden – und nicht wie Lakaien.

7) Der Everest sollte gesperrt werden.

Wem würde das nutzen? Vielleicht den Verfechtern einer vor allem westlich geprägten Bergsteigerphilosophie, aber bestimmt nicht den Menschen im Khumbu, die an der Nabelschnur des Everest-Tourismus hängen: Einheimische Bergführer, Climbing Sherpas, Köche und Küchenhelfer im Basislager, Basislager-Personal, Träger, Besitzer von Lodges und Läden auf dem Weg zum Everest, Bauern und die Familien aller. Die westlichen Kritiker sollten sich fragen, ob sie mit denselben Argumenten, die sie vorbringen, nicht auch den Mont Blanc in den Alpen oder den Denali in Alaska sperren müssten.

8) Die Regierung wird es schon regeln.

Wenn man eines aus den vergangenen Jahren am Everest lernen kann, dann dies: Die Regierung Nepals redet mehr, als dass sie handelt. Politiker des zuständigen Tourismusministeriums legen immer wieder neue Vorschläge für Everest-Regeln auf den Tisch, um sich ins Gespräch zu bringen. Umgesetzt wird davon so gut wie nichts. Selbst für eine einfache Entscheidung wie jene, die Permits nach den Unglücken der letzten beiden Jahre zu verlängern, brauchten die Verantwortlichen in Kathmandu jeweils fast ein Jahr. Reformen scheitern wahrscheinlich auch daran, dass die Regierung am Everest selbst kräftig mitverdient. Wohin das Geld aus dem Verkauf der Permits, immerhin 11.000 Dollar je Bergsteiger, genau fließt, bleibt im Dunkeln.

9) Die Bergsteiger können den Everest alleine „verwalten“.

Everest-Basislager

Everest-Basislager

Auch dagegen spricht das Geschäft, das mit dem Everest gemacht wird. Am Ende des Tages will jeder Unternehmer schwarze Zahlen schreiben. Je mehr Kunden er auf den Gipfel bringt, desto besser wird sein Ruf, und damit steigt voraussichtlich auch sein Gewinn im Folgejahr. Das führt sicher bei dem einen oder anderen Expeditionsleiter zu Egoismus am Berg, nach dem Motto: Was interessieren mich die anderen Gruppen? Nötig wäre jedoch, das Geschehen am Berg zu „managen“, um zu verhindern, dass alle am selben Tag aufsteigen und es deshalb zu Staus an den Schlüsselstellen kommt. Es könnte funktionieren, doch auch unter den Expeditionsleitern gibt es immer wieder schwarze Schafe.

10) Man sollte nicht mehr über den Everest berichten.

Der Mount Everest ist der höchste Berg der Erde. Deshalb wird es immer Bergsteiger geben, die hinauf wollen. Und die Menschen werden sich wohl auch immer für den Everest interessieren. Deshalb sollte auch weiterhin über das Geschehen dort berichtet werden ohne zu beschönigen, aber auch ohne zu verteufeln. Am Everest gilt wie überall auf der Welt: Man löst keine Probleme, indem man sie verschweigt.

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Everest-Jobs der Zukunft sichern https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-jobs-der-zukunft-sichern/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-jobs-der-zukunft-sichern/#comments Sat, 02 Apr 2016 07:00:34 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32289 Dawa Gyaljen Sherpa

Dawa Gyaljen Sherpa

Er gehört zu den Sherpas, die in diesem Jahr einen Bogen um den Mount Everest machen. „Ich habe einfach keine Zeit”, sagt Dawa Gyaljen Sherpa, als ich ihn während meines Nepalbesuchs in einem Kaffee in Kathmandu treffe. Der 29-Jährige arbeitet für einen Veranstalter, der Trekkingreisen organisiert. „Vielleicht klappt es ja 2017 wieder. Ich bin gefragt worden, ob ich dann ein Everest-Team leite. Mal sehen, ob ich so viel Urlaub nehmen kann.“ Viermal stand der Sherpa, der im Khumbu-Gebiet in einem kleinen Dorf westlich von Namche Bazaar geboren wurde, bereits auf dem höchsten Punkt der Erde: 2005, 2007, 2008 und 2009. Die anstehende Frühjahrssaison könnte die Weichen für die Zukunft stellen, glaubt Dawa.

An Nachbeben gewöhnt

„Wenn es wieder Unglücke wie 2014 und 2015 geben sollte, dürften die Leute endgültig verschreckt sein“, erwartet Dawa. „Wenn die Expeditionen jedoch erfolgreich sind, wird die Zahl der Bergsteiger am Everest 2017 und auch 2018 bestimmt nach oben gehen.“ Er sei froh, dass inzwischen wieder viele Ausländer bereit seien, nach Nepal zu reisen, um die Wirtschaft des vom Erdbeben gebeutelten Landes anzukurbeln. Dawa denkt nach eigenen Worten kaum noch an das Beben vom 25. April 2015, nicht zuletzt wegen der mehr als 400 Nachbeben der Stärke 4 und höher: „Manchmal registriere ich die Erdstöße der Stärke 4,5 oder 5 gar nicht mehr, weil ich mich daran gewöhnt habe. Es ist für mich fast normal geworden. Wir haben eine sehr gefährliche Situation überlebt, jetzt fühle ich mich sicher. Doch es gibt immer noch Gerüchte, dass uns ein weiteres starkes Erdbeben bevorsteht.“

Unmöglich, unbefangen zu sein

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch (2014)

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch (2014)

Die Sherpas seien fest entschlossen, die diesjährige Everest-Saison erfolgreich zu gestalten. „Schließlich geht es auch darum, ihre Arbeitsplätze in der Zukunft zu sichern“, sagt Dawa Gyaljen. „Ich würde nicht von Druck sprechen, eher von einer speziellen Herausforderung. Sie werden sich richtig ins Zeug legen, um in diesem Jahr den Gipfel zu erreichen.“ Im Frühjahr 2014 gehörte der junge Sherpa zu den Ersten, die nach dem Lawinenabgang im Khumbu-Eisbruch die Unglücksstelle erreichten und mit der Bergung der Verletzten und Toten begannen. 16 nepalesische Bergsteiger kamen damals ums Leben, drei von ihnen blieben verschollen. Ich frage Dawa, ob er nach dieser Erfahrung wieder unbefangen durch den Eisbruch klettern könnte. „Ich denke, davon kann sich keiner frei machen. Wenn wir jetzt an der Unglücksstelle vorbeikommen, werden wir uns wohl fühlen, als ob da immer noch Blutspuren wären oder jemand in der Spalte hinge.“

Besser ausgebildet

Dawa am Lobuche Peak

Dawa am Lobuche Peak

Dawa Gyaljen findet, dass die Everest-Anwärter inzwischen im Vergleich zu früheren Jahren bessere Bergsteiger seien. „Es gibt nur noch ein paar wenige, die nicht wissen, wie man Steigeisen anlegt“, sagt der 29-Jährige. Zudem seien auch die Sherpas inzwischen viel besser ausgebildet, viele hätten die Praxiskurse durchlaufen, die der nepalesische Bergsteiger-Verband NMA zweimal im Jahr anbiete. Die Sherpas seien schließlich für ihre Kunden verantwortlich, meint Dawa: „Denn wenn etwas Schlimmes passiert, wirft man ihnen vor, nicht auf ihre Schützlinge aufgepasst zu haben. Ich höre immer wieder diese Geschichten von Sherpas, die ihre Kunden auf halbem Weg im Stich gelassen haben.“ Gut ausgebildete und erfahrene Sherpa-Bergführer täten dies nicht. „Wenn die Kunden aber entgegen dem Rat ihres Sherpas weiter aufsteigen und etwas passiert, dann sind sie selbst verantwortlich.“

P.S.: Der gestrige Artikel zur Everest-Castingshow war natürlich ein Aprilscherz, die beteiligten Personen frei erfunden. 🙂 Aber Scherz beiseite, erscheint euch so etwas wirklich unmöglich?

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Dorjes Everest-Sabbatjahr https://blogs.dw.com/abenteuersport/dorjes-everest-sabbatjahr/ Wed, 16 Mar 2016 11:50:47 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32145 Dorje Sherpa vor seiner Lodge in Phakding

Dorje Sherpa vor seiner Lodge in Phakding

Dorje Sherpa kennt sich aus mit Everest-Katastrophen. 1996, also vor 20 Jahren, bestieg er erstmals den höchsten Berg der Erde. Damals gehörte er zum IMAX-Filmteam des US-Amerikaner David Breashears, als im Gipfelbereich bei einem Sturm innerhalb von 24 Stunden acht Bergsteiger ums Leben kamen. „Wir waren damals in Lager 2 auf 6400 Metern“, erzählt mir der 50-Jährige in seiner „Buddha Lodge“ im Dorf Phakding, das auf der beliebten Trekkingroute zum Everest-Basislager liegt.

Rettungsaktion im Eisbruch

An den Wänden des Gastraums hängen zahlreiche Urkunden, auch ein Dankesschreiben des nepalesischen Bergsteigerverbands NMA für Dorjes Einsatz bei der Rettungsaktion am Everest im Frühjahr 2014. Vor zwei Jahren waren in einer Eislawine im Khumbu-Eisbruch 16 nepalesische Bergsteiger gestorben. Dorje war Sirdar des „Altitude Junkies“-Teams, sprich der Chef ihrer Climbing Sherpas. Vom Basislager aus stieg er zur Unglücksstelle auf und half dabei, die Toten und Verletzten zu bergen.

Familie sagt: Nein!

Kaum ein Entrinnen: Die tödliche Lawine vom Pumori 2015

Kaum ein Entrinnen: Die tödliche Lawine vom Pumori 2015

Und auch 2015 hielt sich der Sherpa zu Füßen des Mount Everest auf, als das Erdbeben am 25. April eine Lawine vom Pumori auslöste, die das Everest-Basislager traf und 19 Menschen tötete. „Wir saßen gerade beim Essen im Gemeinschaftszelt. Es war eine riesige Lawine. Ein Teammitglied rannte nach draußen, stolperte und schlug sich dabei zwei Zähne aus.“ 2014 und 2015 seien zwei schlimme Jahre am höchsten Berg der Erde gewesen, sagt Dorje: „Deshalb werde ich in diesem Jahr auch aussetzen. Meine Familie lässt mich diesmal nicht zum Everest.“ Sechsmal stand der erfahrene Bergsteiger bereits auf dem 8850 Meter hohen Gipfel. Er wolle in diesem Jahr aussetzen, nicht aufhören, betont der Sherpa: „Vielleicht klappt es ja 2017 wieder.“

Bereit für Gäste – wenn sie denn kommen

Bauarbeiten im Khumbu

Bauarbeiten im Khumbu

Seine Frau und sein Sohn leben in der Hauptstadt Kathmandu. Dorje hat in Phakding den Wiederaufbau seiner Lodge überwacht, die bei dem Erdbeben vor knapp elf Monaten zerstört worden war. Überall riecht es noch nach frisch verarbeitetem Holz. Die Außenwände hat Dorje solide mauern lassen. „Jetzt sind wir bereit für neue Gäste“, sagt der Sherpa, als er uns stolz die fertiggestellten Zimmer zeigt. „Hoffentlich kommen sie auch.“

 

Khumbu KoelschP.S.: Die Braukunst meiner Heimatstadt Köln scheint inzwischen auch das Everest-Gebiet erreicht zu haben. Hier gibt es jedenfalls – wie ihr auf dem Bild sehen könnt – „Khumbu-Kölsch“ zu kaufen. 😉

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Ziemlich weit rechts https://blogs.dw.com/abenteuersport/ziemlich-weit-rechts/ Wed, 08 Apr 2015 10:25:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28885 Rechts die neue Route, links die von 2014 (© madisonmountaineering.com)

Rechts die neue Route, links die von 2014 (© madisonmountaineering.com)

Offenbar ist die neue Route durch den Khumbu-Eisbruch doch mehr als nur eine kleine Kurskorrektur. Die Bilder, die der US-Amerikaner Garrett Madison in seinem Blog veröffentlich hat, sprechen jedenfalls dafür. Mitglieder seines Teams von Madison Mountaineering waren mit dem Hubschrauber über den Eisbruch oberhalb des Everest-Basislagers geflogen und hatten sich aus der Luft angesehen, wo die so genannten „Icefall Doctors“ die Route für diese Frühjahrs-Saison eingerichtet haben. Danach führt sie – von unten gesehen – deutlich weiter rechts durch das Eislabyrinth als erwartet: Näher am Nuptse, weiter weg von der Everest-Westschulter, von der sich am 18. April letzten Jahres die Eislawine gelöst hatte, bei der 16 Nepalesen ums Leben gekommen waren. „Es scheint, als müssten die Bergsteiger wie zuvor mit gebrochenem Eis zurecht kommen, und vielleicht mit mehr senkrechten Leitern“, schreibt Garrett. An einer Stelle hätten die „Icefall Doctors“ vier Leitern zusammengebunden, um eine Eisstufe zu überwinden. In diesem Jahr hat der fünfmalige Everest-Besteiger und Filmemacher David Breashears aus den USA die acht Sherpas dabei beraten, einen möglichst sicheren Weg durch den Eisbruch zu finden.

Umweltschutzorganisation mit besonderer Aufgabe  

Gefährlicher Eisbruch

Gefährlicher Eisbruch

Die „Icefall Doctors“ richten die Route nicht nur ein, sondern sorgen auch dafür, dass sie die gesamte Saison über begehbar bleibt. Ohne ihre Arbeit wäre der Massenansturm am Everest nicht zu bewältigen. Ausgewählt und bezahlt werden diese Sherpas vom Sagarmatha Pollution Control Commitee (SPCC), einer Organisation, die sich ursprünglich nur um den Umweltschutz im Everest-Nationalpark kümmerte. Seit 2000 ist das SPCC im Auftrag der Regierung Nepals auch für die Route durch den Khumbu-Eisfall zuständig. Dafür kassiert das SPCC 600 US-Dollar je Expeditionsmitglied, ein inzwischen sehr wichtiger Bestandteil seiner Einkünfte.

Unverzichtbar, gefährdet, unterbezahlt

„Unglücklicherweise wird dieses Geld nicht dafür genutzt, um die ‚Icefall Doctors‘ angemessen zu bezahlen oder um es in Material für den Eisbruch zu stecken“, monierte der neuseeländische Expeditionsveranstalter Russell Brice im vergangenen Jahr.  Jene Sherpas, die das größte Risiko tragen, weil sie sich täglich im Gletscher bewegen müssen, verdienen umgerechnet rund 2000 Dollar pro Saison. Zum Vergleich: Climbing Sherpas können es inklusive Gipfelprämien und Trinkgelder auf 4000 bis 6000 Dollar bringen, jene, die mehrfach den höchsten Punkt erreichen, auf bis zu 10.000 Dollar. „Sherpa-Stars“ tragen in einer erfolgreichen Everest-Saison angeblich sogar 25.000 Dollar nach Hause.

Nachfrage nicht eingebrochen

Die Regierung in Kathmandu hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr für 30 Expeditionen Permits ausgestellt, rund 300 ausländische Bergsteiger werden sich am höchsten Berg der Erde versuchen und von der nepalesischen Südseite her aufsteigen. Damit steht schon jetzt fest, dass der Everest-Markt in Nepal trotz des Lawinenunglücks vor einem Jahr und des darauf folgenden vorzeitigen Endes der Klettersaison 2014 nicht eingebrochen ist.

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Dawa Gyaljen Sherpa: „Kalter Krieg“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dawa-gyaljen-sherpa-kalter-krieg/ Wed, 25 Feb 2015 16:20:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28551 Dawa Gyaljen Sherpa

Dawa Gyaljen Sherpa

Er war einer der Ersten vor Ort. Nach der tödlichen Lawine im Khumbu-Eisbruch am 18. April 2014 eilte Dawa Gyaljen Sherpa von Lager 2 nach unten, um den verschütteten Bergsteigern zu helfen. „Als wir an der Unglücksstelle eintrafen, fanden wir Leichen, überall war Blut. Mehrere Leichen hingen an einem Seil in einer Gletscherspalte“, schrieb mir der 28 Jahre alte Sherpa im vergangenen Jahr. „Als wir das Seil hochzogen, bargen wir einen Körper nach dem anderen. Einige Leichen steckten kopfüber im Schnee, wir sahen nur die Stiefel.“ 16 Nepalesen kamen bei dem schlimmsten Lawinenunglück in der Geschichte des Mount Everest ums Leben. Zwei Wochen später war das Basislager leer, die Saison beendet.

Dawa Gyaljen Sherpa hat den Everest viermal bestiegen – zum ersten Mal, als er 19 Jahre alt war. Später studierte er in Großbritannien, heute lebt er in Kathmandu. Ich habe Dawa per Email gefragt, was er über die kommende Frühjahrssaison am Everest denkt. Er antwortete sehr offen. Die Sicht eines Sherpas, ein interessanter Einblick.

Dawa, wirst du in diesem Frühjahr wieder zum Everest zurückkehren?

Ja, ich würde schon gerne, aber mein Kunde hat es bisher noch nicht bestätigt.

Was erwartest du von der neuen Saison?

Ich denke, in diesem Jahr wird alles wieder ganz normal sein, so wie in zahlreichen Jahren zuvor.

Everest-Basislager auf der Südseite

Everest-Basislager auf der Südseite

Gibt es in der Gemeinschaft der Sherpas Bedenken aufgrund der letztjährigen Ereignisse auf der nepalesischen Seite des Mount Everest?

Bisher gibt es kein Gerede darüber. Die meisten Sherpas sind für die kommende Saison gebucht. Und die guten und starken Sherpas sind sehr gefragt. Darüber hinaus erhalten die Familien der Lawinenopfer Hilfe und Geldspenden.

Es wird eine neue Routenführung durch den Khumbu-Eisbruch geben, etwas mehr zur Mitte hin. Wie findest du das?

Ich denke, der Weg durch die Mitte ist sicherer als jener auf der Seite, wenn man Eislawinen vom Lho La (Anm. Pass an der Grenze zu Tibet, die niedrigste Stelle des Everest-Westgrats) und der Nuptse-Wand aus dem Weg gehen will. Aber es hängt von der Struktur des Eisbruchs ab. Meiner Meinung nach können wir gar nichts garantieren, ehe wir nicht wirklich dort sind. Im vergangenen Jahr traf die Lawine den so genannten  „Fußballplatz“, das „ Popcorn-Feld“ (Anm.: Abschnitte im Khumbu-Eisbruch), von dem es vorher hieß, es sei ein so sicherer Ort, dass die Bergsteiger dort eine Tee-Pause machten. Ich glaube nicht, dass die Bergführer einen Bogen um den „Fußballplatz“ machen können, wenn sie die Route festlegen.

Denkst du, dass genug getan wurde, um Konflikte zwischen einigen Sherpas und westlichen Bergsteigern zu vermeiden, wie sie im letzten Jahr ausbrachen und zum vorzeitigen Ende der Saison führten?

Ich bin traurig über die Vorfälle 2013 und 2014, die unserer Sherpa-Gemeinschaft ein schlechtes Image in den Augen der westlichen Bergsteiger eingetragen haben. Die Ereignisse des letzten Jahres waren nicht vorhersehbar. Damit wir in diesem Jahr das Image wieder aufpolieren können, benötigen wir ein ruhiges Umfeld. Da sind die westlichen und die nepalesischen Bergführer gefragt. Wenn sie im Team zusammenarbeiten, wird es ein gutes Umfeld geben.

Dawa am Lobuche Peak

Dawa am Lobuche Peak

Was ist mit den Sherpas, die im vergangenen Jahr die Rädelsführer waren? Erwartest du, dass sie auch in diesem Jahr die Stimmung im Basislager anheizen?

Ich kann nicht vorhersagen, was passieren wird. Im vergangenen Jahr war es eine wirklich verkorkste Situation. Jemand musste die Führungsrolle übernehmen, damit sie unter Kontrolle blieb. Ich gebe den Anführern des vergangenen Jahres keine Schuld, weil sie es taten, um die Lage zu kontrollieren. Wären sie nicht da gewesen, hätte es zum Allerschlimmsten kommen können.

Es kann jedoch kein Argument für das geben, was letztes Jahr passiert ist. Mir tun die unschuldigen Bergsteiger leid, die eine riesige Summe Geld bezahlen, um ihr Ziel zu erreichen. Es gibt einen harten Wettbewerb im Geschäft rund um das Bergsteigen: zwischen westlichen und lokalen Unternehmen, zwischen westlichen und lokalen Bergführern. Da wird einfach ein Kalter Krieg geführt. Ich schreibe das, nachdem ich die Blogs in den Sozialen Medien gelesen habe.

Glaubst du, dass alle beteiligten Parteien am Everest bereit sind, ihre Haltung zu ändern?

Soweit ich das einschätzen kann, haben viele Sherpas begriffen, wie wichtig der Everest und der Tourismus für ihr Leben sind. Ich denke, in diesem Jahr wird viel über verantwortungsvollen Tourismus gesprochen werden. Was ich bereits zuvor mit meiner Äußerung zum Kalten Krieg ausdrücken wollte: So lange nicht verhandelt wird, ist es wahrscheinlich, dass es zu Konflikten kommt.

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Russell Brice: „Endlich!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/brice-mosedale-route-everest/ Fri, 20 Feb 2015 11:57:35 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28539 Russell Brice

Russell Brice

Russell Brice atmet auf. „Endlich!“, antwortet der 62-jährige Neuseeländer, Chef des Expeditionsveranstalters Himalayan Experience, auf meine Frage, was er über die geplante neue Route durch den Khumbu-Eisbruch am Mount Everest denkt. „Seit 2012 haben wir das SPCC (Anm.: Das Sagarmatha Pollution Control Comitee ist für die Route durch den Eisbruch zuständig.) gebeten, die Route mehr in die Mitte zu verlegen. Jetzt endlich haben sie auf die ausländischen Veranstalter gehört, statt auf die lokalen Sherpas, die die Route so verlegen wollten, dass sie schneller vorwärts kommen … aber nicht so sicher.“ Brice erwartet nicht, dass die neue Streckenführung den Aufstieg so sehr verlängert, wie es SPCC-Präsident Ang Dorjee Sherpa annimmt: „Es wird nur eine Stunde länger dauern, nicht drei bis vier Stunden. Daran sieht man, dass sich heute viele Leute dazu äußern, die dort nie unterwegs waren. Ich aber bin auf der Route schon geklettert.“

Alte Wunden

Offenbar habe ich einen wunden Punkt getroffen, als ich Russell mit dem Tweet von Adrian Ballinger („Die von Nepal angekündigte Änderung der Route durch den Eisbruch am Everest ist keine Lösung. Es ist ein Vorwand, um den Status quo beizubehalten.“) konfrontierte. Bis 2012 arbeitete Ballinger für Himex, als leitender Bergführer am Everest. Nach jener Saison trennten sich die Wege von Brice und Ballinger, offensichtlich nicht gerade einvernehmlich. „Was weiß schon Adrian Ballinger? Ist das der gleiche Mann, der lange für mich arbeitete, dem ich sagte, er solle nicht am Nachmittag durch den Eisbruch gehen, der anderer Meinung war, es trotzdem tat und beinahe ums Leben kam, als das ‚Popcorn-Feld‘ (Anm.: eine besonders eisschlaggefährdete Zone im Eisbruch) in Bewegung geriet und der dann nach Lager 1 zurückkehren musste, weil alle Seile verschüttet waren?“, schreibt mir Russell. „Seine Meinung ist nichts wert.“

Abwarten und Tee trinken

Tim Mosedale, Expeditionsleiter aus Großbritannien, empfiehlt zu warten, bis die neue Route durch den Khumbu-Eisbruch eingerichtet ist. „Kümmere dich niemals um das, was die Regierung oder Beamte des Ministeriums sagen!“, schreibt mir Tim. „Die Route verläuft dort, wo sie verläuft, und das entscheiden letztendlich die Jungs, die sie anlegen.“

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Deutscher Arzt will Sherpa-Familien langfristig helfen https://blogs.dw.com/abenteuersport/deutscher-arzt-will-sherpa-familien-langfristig-helfen/ Wed, 14 May 2014 13:57:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26083 Matthias Baumann im Khumbu-Eisbruch

Matthias Baumann im Khumbu-Eisbruch

Der 18. April hat vieles verändert: am Mount Everest, im Leben der Familien der 16 Lawinenopfer – und auch für Matthias Baumann. Der 42 Jahre alte Unfallchirurg aus Esslingen war als Expeditionsarzt im Team der argentinischen Zwillingsbrüder Damian und Willie (Guillermo) Benegas und wollte eigentlich im zweiten Anlauf den Everest über die nepalesische Südseite besteigen. Sein erster Versuch war 2011 auf der tibetischen Nordseite auf 8600 Metern durch ein Missgeschick gescheitert: Als er am Second Step, der Schlüsselstelle der Normalroute, die Sauerstoffflasche wechseln wollte, stellte Matthias fest, dass sein Sherpa statt einer vollen einen leere Flasche eingepackt hatte.

Drei Jahre später stieg Baumann durch den Khumbu-Eisbruch, einen Tag vor dem Lawinenunglück. „Ich wusste, dass seit vier, fünf Jahren Lawinen von der Westschulter abgehen. Die Seracs hängen schon sehr bedrohlich da oben“, erzählt mir Matthias. Auch wenn der Spaß am Klettern schließlich die Oberhand gewonnen habe, sei der Respekt geblieben. „Ich habe immer nach oben zu den Seracs geschaut.“ Am Tag danach wurde der Khumbu-Eisbruch für 16 nepalesische Bergsteiger zur tödlichen Falle. Der deutsche Arzt kümmerte sich mit anderen Medizinern um die Verletzten, die ins Basislager gebracht wurden. Nach dem Ende der Expedition besuchte Matthias fast alle Familien der ums Leben gekommenen Nepalesen – und startete für sie eine Spendenaktion.

Ärzteteam versorgt die Verletzten

Ärzteteam versorgt die Verletzten

„Matthias, du warst zum Zeitpunkt des Unglücks im Basislager. Wie hast du die Lawine erlebt?

Ich lag morgens im Zelt und war schon wach. Dann gab es plötzlich dieses unglaublich laute Geräusch. Ich schaute heraus und sah noch den Schneestaub, der über dem ganzen Khumbu-Eisfall niederging. Ich stand schnell auf. Es herrschte eine gespenstische Ruhe im Basislager. Ich weckte unseren Expeditionsleiter (Damian Benegas) und sagte zu ihm: ‚Es ist eine große Lawine abgegangen. Zu dieser Zeit sind viele Bergsteiger unterwegs. Da muss etwas passiert sein!‘ Er stand sofort auf. Wir vereinbarten, dass ich unten bleibe, um Patienten zu empfangen. Er stieg dann Richtung Unfallstelle auf.

Matthias Baumann über die Lawine im Khumbu-Eisbruch

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch

Wie gut hat die Rettungsaktion funktioniert?

Dafür, dass es nicht organisiert war, funktionierte es gut.  Leute mit Erfahrung in der Rettung, wie eben Damian Benegas oder Michael Horst von „Alpine Ascents International“, stiegen auf. Die Sherpas, die schon oberhalb waren, kehrten um und kamen zur Unfallstelle. Sie führten die Leichtverletzten durch den Khumbu-Eisfall herunter. Ich habe unten die Ärzte zusammengetrommelt. Es war ein internationales Team. Zwei Ärzte sind ja permanent vor Ort stationiert, im Zelt der Himalayan Rescue Association.

Du hast als Arzt Erste Hilfe geleistet. Hast du nur als Mediziner funktioniert oder hat dich Ganze auch erschüttert?

Es hat mich sehr erschüttert. Wenn sich so ein Unglück in der Umgebung ereignet, in der man selbst als Sportler oder Bergsteiger unterwegs ist, ist das nicht mehr so leicht zu trennen wie in der Klinik. Aber natürlich funktioniert man erst einmal. Wir haben die Patienten ganz ordentlich versorgt, obwohl wir Ärzte uns alle nicht kannten.

Nach dem Ende der Expedition hast du noch viele Familien der bei der Lawine ums Leben gekommenen Sherpas besucht. Was hat dich dazu motiviert?

Ich stieg bewusst alleine vom Basislager ab, ich wollte das Ganze verarbeiten. Ich dachte, vielleicht kann ich eine Familie besuchen. Doch noch bevor ich die erste Familie erreichte, dachte ich mir: Nein, du musst alle besuchen! Es war einfach eine spontane Idee. Ich hatte auch noch nie ein Hilfsprojekt gestartet. Es war sehr traurig, sehr bewegend, aber irgendwo auch gut, dass ich helfen konnte. Ich war bei allen Familien der erste, der vorbei kam.

Auf dem Weg zur Familie eines Lawinenopfers

Auf dem Weg zur Familie eines Lawinenopfers

Wie viele Familien hast du besucht?

14 der 16 Familien. Zwei konnte ich nicht besuchen, weil sie im Solu (Gebiet unterhalb der Khumbu-Region) und damit zu weit entfernt wohnten. Das habe ich zeitlich nicht mehr geschafft.

Die Angehörigen waren doch sicher noch traumatisiert?

Sie waren sehr traumatisiert. Sie hatten gerade ihren toten Vater oder Ehemann verbrannt. In den meisten Häusern waren noch Mönche anwesend und haben Pujas (buddhistische Zeremonien) abgehalten, in sehr unterschiedlicher Form. Bei den weit abgelegenen Häusern waren es nur vier, fünf Mönche, in Kathmandu 150. Die Frauen wirkten auf mich im ersten Moment sehr stark, sie zeigten nicht sehr viele Emotionen. Aber am Ende, als ich eine kleine Spende überreichte und mich verabschiedete, weinten die meisten doch.

Matthias Baumann:Traumatisierte Familien der Lawinenopfer

Wie haben sie auf dich als Bergsteiger aus dem Westen, der sein Mitgefühl ausdrücken will, reagiert?

Es war keine Aggressivität und auch kein Vorwurf zu spüren. Die meisten waren sehr dankbar, dass jemand vorbei kam und zeigte, dass er an sie denkt. Sie wohnen alle sehr weit abgelegen. Ich hatte den Eindruck, dass sie ein bisschen enttäuscht waren, dass überhaupt niemand von diesen vielen, vielen Bergsteigern und Expeditionsleitern nach ihnen schaute.

Die Familien haben nicht nur einen geliebten Menschen, sondern auch ihren Ernährer verloren. Was bedeutet das konkret für sie? Wie geht es für sie weiter?

Das ist ein sehr schwieriger Weg. In den Sherpa-Familien sorgt der Mann für die Finanzen, die Frauen sind zu Hause und betreuen die Kinder. In Nepal ist es für eine Frau, die schon Kinder hat, schwierig oder sogar fast unmöglich, einen anderen Mann zu finden. In der Regel müssen die Angehörigen und Nachbarn helfen. In einer Familie, die ich besucht habe, besitzt die Frau einige Yaks und hat deshalb ein kleines Einkommen. Aber das ist nicht mit dem Gehalt eines Everest-Sherpas vergleichbar, der 5000 bis 6000 US-Dollar pro Saison bekommt.

Matthias Baumann:Schwieriger Weg für Sherpa-Familien

Matthias mit einer der betroffenen Sherpa-Familien

Matthias mit einer der betroffenen Sherpa-Familien

Viele der Sherpa-Familien sind kinderreich. Hatten die Kinder überhaupt schon realisiert, was passiert war?

Das hängt natürlich vom Alter ab. In Kathmandu habe ich eine Tochter eines Verunglückten getroffen, die schon 19 Jahre alt war. Sie hat die Tragödie natürlich voll wahrgenommen und fühlt sich jetzt in der Verantwortung, für die Mutter und die Großeltern zu sorgen. Ich habe eine andere Familie besucht, da war das Kind erst einen Monat alt. Der Vater hatte es nur einmal gesehen. Und in einer Familie nördlich von Thame (kleiner Ort im Khumbu-Gebiet), Richtung Nangpa La (Pass zwischen Nepal und Tibet), waren die Kinder zwischen vier und zwölf Jahre alt. Die zwölfjährige Tochter hat uns vier Stunden talabwärts aus Richtung Namche Bazaar (Hauptort des Khumbu) abgeholt und zu dem Haus geführt. Bei ihr hatte ich den Eindruck, dass sie noch nicht realisiert hat, was das Unglück für ihre Familie bedeutet.

Du hast eine Hilfsaktion für die Familien gestartet. Waren deine Besuche der Auslöser, dass du gesagt hast, ich kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, ich muss etwas tun?

Ja, das war die Motivation. Ich bin erst einmal bei den Familien vorbeigegangen, um erste Spenden abzugeben. Das größere Projekt hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht geplant. Aber je mehr Familien ich besuchte, desto größer wurde der Wunsch, das Ganze auszubauen, um auch langfristig helfen zu können.

Hast du das Gefühl, dass die Hilfe der Regierung nicht ausreicht?

Es sah ja erst so aus, als wollten die offiziellen Stellen nur 400 US-Dollar pro Familie geben. Da gab es Proteste. Ich denke, das Unglück hat international für so viel Aufsehen gesorgt, dass die nepalesische Regierung nachziehen muss. Ich hoffe vor allem, dass sie ein bisschen mehr für die Kinder machen wird.

Wie stellst du bei deinem Projekt sicher, dass das Geld auch wirklich bei den Familien ankommt?

Ich kenne seit 20 Jahren Pemba Sherpa, der für „Asian Trekking“ arbeitet und dort einer der Hauptverantwortlichen im Khumbu-Gebiet ist. Wir haben zusammen in Chamonix einen internationalen Bergführerkurs besucht. Seitdem haben wir Kontakt, ich habe ihn schon oft besucht. Ich kann ihm hundertprozentig vertrauen. Die Familien sollen mir aber auch bestätigen, was sie bekommen haben und wer das Geld überbracht hat.

Es ist viel diskutiert worden, ob es eine gute Idee war, die Saison am Everest zu beenden. Wie siehst du das, als jemand, der vor Ort war, als die Tragödie geschah und der auch die Familien der Opfer besucht hat?

Ich denke, es war richtig, die Saison zu beenden. Es war nachher viel zu viel Unruhe im Basislager. Natürlich haben 500 Bergsteiger 500 Träume. Aber diese Träume sind nicht vergleichbar mit dem, was den Familien passiert ist. Da muss man eindeutig seine persönlichen Träume zurückstellen. Ich denke, es wäre nicht gut ausgegangen, wenn man weitergegangen wäre, mit Sherpas, die eigentlich nicht mehr hochsteigen wollten. Es gab manche, die weitermachen wollten, aber die Masse war inhomogen. Man muss ja auch zusammenarbeiten, wenn es darum geht, Fixseile zu verlegen. Es war einfach zu viel passiert.

Matthias Baumann: Entscheidung abzubrechen war richtig

Es gab auch Berichte über Druck, den eine kleine Gruppe Sherpas ausgeübt hat. Hast du davon etwas mitbekommen?

Ja, es war definitiv so. Ich habe mit vielen Sherpas gesprochen. Auch innerhalb der einzelnen Expeditionsgruppen gab es unterschiedliche Meinungen zwischen den Sherpas. Es gab viele, die weitermachen wollten. Andere Sherpas haben gedroht, ihnen das Bein zu brechen, wenn sie noch einmal den Khumbu-Eisfall betreten.

Wirst du noch einmal zum Everest zurückkehren? Und wenn ja, auf der nepalesischen Seite?

Der Traum bleibt natürlich bestehen. Wenn ich die zeitliche und finanzielle Möglichkeit habe, werde ich es bestimmt noch einmal angehen. Die Nordseite kam mir objektiv sehr viel sicherer vor. Die Südseite war für mich interessant, weil der Weg für mich neu war. Wenn ich noch einmal die Chance bekomme, tendiere ich jetzt wieder eher zur Nordseite.“

P.S. Für alle, die Matthias Baumanns Hilfsprojekt mit Spenden unterstützen wollen, hier die Bankverbindung: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN: DE45 6545 0070 0007 0581 89, BIC: SBCRDE66, Kennwort: „Sherpa Lawinenopfer“. Danke!  

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Alexei Bolotov stirbt am Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexei-bolotov-stirbt-am-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexei-bolotov-stirbt-am-everest/#comments Wed, 15 May 2013 14:18:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21701

Alexei Bolotov (1963-2013)

Was ein Glanzlicht in der Geschichte des Everest-Bergsteigens werden sollte, endete als Tragödie. Der russische Bergsteiger Alexei Bolotov stürzte im Khumbu-Eisbruch in den Tod. Der 50-Jährige wollte mit seinem Landsmann Denis Urubko eine neue Route durch die steile Südwestwand eröffnen. Wie Denis telefonisch mitteilte, seilte Alexei gerade ab, als das Seil an einer scharfen Felskante riss. Bolotov sei etwa 300 Meter abgestürzt und sofort tot gewesen. Nach ersten Berichten wurde die Leiche des russischen Bergsteigers in einer Höhe von 5600 Metern gefunden.

Denis und Alexej hatten angekündigt, heute früh zu ihrem Versuch in der Südwestwand aufzubrechen. In acht Tagen wollten sie über eine neue, schwierige Route zum Gipfel klettern, ohne Hochlager, ohne Sherpa-Hilfe, ohne Flaschensauerstoff. „Wenn das im Alpenstil gelingt, bin ich der erste, der gratuliert – obwohl sie auf den viel berannten Everest kommen“, hatte mir Reinhold Messner zum Plan der beiden Russen gesagt.  

Zweimal Piolet d’Or

Alexei Bolotov gehörte zu den besten Extrembergsteigern Russlands mit jeder Menge Achttausender-Erfahrung. So gelang ihm 2001 die Erstbesteigung des 8410 Meter hohen Lhotse-Westgipfels. Ein Jahr später stand er auf dem Gipfel des Mount Everest, ohne zur Atemmaske gegriffen zu haben. Zweimal wurde Alexei mit dem Piolet d’Or geehrt, dem Oscar der Bergsteiger: als Mitglied der russischen Expedition, die 1997 erstmals durch die Westwand des Achttausenders Makalu kletterte, und für die Erstdurchsteigung der Nordwand des 7710 Meter hohen Jannu in Nepal. Ein großer Bergsteiger ist gegangen. R.I.P.

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https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexei-bolotov-stirbt-am-everest/feed/ 3
Ang Nima, der „Eisbruch-Doktor“, ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/ang-nima-icefall-doctor-dead/ Wed, 30 Jan 2013 16:12:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=19391

Ang Nima Sherpa vor dem Khumbu-Eisbruch

Ohne seine Hilfe wären die meisten Bergsteiger, die den Mount Everest bestiegen, chancenlos gewesen. Ang Nima Sherpa, der legendäre „Eisbruch-Doktor“, hatte 37 Jahre lang einen der gefährlichsten Jobs am höchsten Berg der Erde. Mit seinen Helfern legte er die Route durch den tückischen Khumbu-Eisbruch, der sich über dem auf 5300 Metern gelegenen Basislager 600 Meter hoch erhebt. Ang Nima sei am vergangenen Freitag im Alter von 59 Jahren in seinem Heimatdorf Pangboche gestorben, teilte jetzt Ang Tshering Sherpa mit, der Ehrenpräsident des Nepalesischen Bergsteigerverbands.

Extrem gefährlich 

„Die ‚Icefall Doctors’ haben ihren Anteil an jeder erfolgreichen Expedition zum Mount Everest, Lhotse und Nuptse“, würdigt Ang Tshering die Arbeit der Sherpas, die alljährlich den günstigsten Weg durch das Eislabyrinth auskundschaften, Aluminiumleitern über die Spalten sowie Fixseile legen und anschließend regelmäßig die Sicherheit der Route kontrollieren. „Es ist ein extrem gefährlicher Job, bei dem ihnen Tag für Tag Gefahren drohen wie Lawinen, Gletscherbewegungen und einstürzende Seracs. Hunderte von Bergsteigern verlassen sich auf die Seile und Leitern, die diese Männer gelegt haben, und könnten ohne deren Hilfe den Mount Everest nicht besteigen.“ 

No money, no honey  

Gefährlicher Eisbruch

Ang Nima gehörte zu den dienstältesten „Icefall Doctors“. Bei einer religiösen Zeremonie im Kloster von Khumjung fragte ihn 1975 ein befreundeter Sherpa, ob er nicht bei den Arbeiten im Khumbu-Eisbruch helfen wolle. Bei dieser Expedition gelang es später den Briten Doug Scott und Dougal Haston, erstmals die steile Everest-Südwestwand zu durchsteigen. Für Ang Nima war es der Beginn einer langen Karriere. „No money, no honey“, sagte der Sherpa lachend, wenn er danach gefragt wurde, warum er immer wieder an seinen gefährlichen Arbeitsplatz zurückkehre. Schließlich musste der Sherpa eine Frau und sechs Kinder ernähren. „Wir beten jeden Morgen, dass uns nichts passiert“, sagte Ang Nima. „Chomolungma, Göttinmutter, hilf mir!“ 

Der Gipfel blieb ihm versagt 

Ang Nima arbeitete auch oberhalb des Eisbruchs. So brachte er 1992 auf der Normalroute fünf Sauerstoffflaschen bis hinauf zum so genannten „Balkon“ auf 8500 Metern. Der Sherpa wollte bis zum Gipfel weitersteigen, wurde jedoch vom Basislager aus zurückgepfiffen. Im Eisfall war etwas zusammengebrochen, jemand musste die Route neu versichern. Höher als damals kam Ang Nima nie mehr. „Eines Tages möchte ich noch einmal versuchen, den Gipfel zu erreichen“, sagte er noch im April 2011. (Hört euch seine Worte an, die die US-Amerikanerin Molly Loomis aufgezeichnet hat!). Der Traum des „Eisbruch-Doktors“ ging leider nicht mehr in Erfüllung. R.I.P.

Ang Nima wäre so gerne auch auf den Gipfel des Everest gestiegen

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