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Manaslu-Chronik


Gyaltsen Norbu bei der Erstbesteigung 1956

1950 Eine Gruppe um den englischen Forscher und Bergsteiger Harold William Tilman erforscht erstmals den Manaslu.
1952-55 Vier japanische Expeditionen erkunden Aufstiegsmöglichkeiten. 1953 wird eine Höhe von 7750 Metern erreicht.
1956 Der Japaner Toshio Imanishi und der Sherpa Gyaltsen Norbu erreichen am 9. Mai als erste den Gipfel des Manaslu. Sie benutzen Sauerstoff-Flaschen. Die Route über die Nordost-Flanke ist die heutige Normalroute.
1971 Japaner erschließen eine neue Route durch die Nordwestwand.
1972 Der Südtiroler Reinhold Messner durchsteigt als Erster die Südwestwand, gleichzeitig die erste Besteigung des Manaslu ohne Einsatz von Flaschen-Sauerstoff. Zwei Expeditionsmitglieder sterben in einem Schneesturm.
1972 Auf der Nordseite werden 15 Mitglieder einer koreanischen Expedition von einer Lawine verschüttet – die bisher größte Katastrophe am Manaslu.
1973 Gerhard Schmatz und Sigi Hupfauer erreichen über den Normalweg als erste Deutsche den Gipfel.
1974 Drei japanische Bergsteigerinnen besteigen, begleitet von einem Sherpa, über die Nordostseite den Manaslu. Es ist die erste erfolgreiche Frauen-Expedition an einem Achttausender.
1981 Erste erfolgreiche kommerzielle Expedition am Manaslu: 13 Mitglieder einer von „Sport Eiselin“ aus der Schweiz organisierten Expedition erreichen den höchsten Punkt.
1984 Den Polen Maciej Berbeka und Ryszard Gajewski gelingt die erste Winterbesteigung des Manaslu: über die Südwestwand.
1986 Die Polen Jerzy Kukuczka und Artur Hajzer steigen über eine neue Route am Ostgrat auf den Gipfel und durch die Nordostwand hinunter.
1991 Den Ukrainern Aleksei Makarov, Igor Svergun und Viktor Pastuch gelingt die erste vollständige Ãœberschreitung des Bergs: Aufstieg durch die Südwestwand und im oberen Teil über den Südgrat, Abstieg über die Normalroute an der Nordostflanke des Bergs.
2002 Im Vormonsun erreichen neun Teilnehmer und zwei Sherpas einer von AMICAL alpin organisierten Expedition auf dem Normalweg den Gipfel des Manaslu.
2006 Die Kasachen Denis Urubko und Sergej Samoilov erschließen eine neue Route durch die Nordostwand.

Datum

Sonntag 18.03.2007 | 11:58

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Kommerzielle Expeditionen – eine Gratwanderung


Die Auswüchse am Mount Everest haben die kommerziellen Expeditionen in Verruf gebracht: Dort finden sich zuweilen zahlende Kunden, die kaum Bergerfahrung haben, sich aber auf den höchsten Gipfel der Erde bringen lassen wollen – gezogen von Sherpas, die dazu noch das gesamte Gepäck schultern. Schon in 5000 Metern Höhe greifen manche Everest-Anwärter zu künstlichem Sauerstoff.

„Mit dem Moped bei der Tour de France“

„Das ist so, als würde jemand mit dem Moped die Tour de France mitfahren und sich in Paris zum Sieger küren lassen. Mit Bergsteigen hat das nichts mehr zu tun“, findet Ralf Dujmovits.
Seit 17 Jahren bietet er mit seinem Unternehmen „AMICAL alpin“ Expeditionen im Himalaya und Karakorum an. Die höchsten Achttausender wie Mount Everest und K 2 hat Dujmovits aber seit langem aus seinem Angebot herausgenommen. „Nach einer Nacht in der Todeszone über 8000 Metern sind wir auch als erfahrene, leistungsstarke Bergführer selbst so geschwächt, dass wir bei einem Notfall nicht mehr helfen könnten.“
Wenige Veranstalter verzichten auf die sprudelnde Einnahmequelle Mount Everest. Jahr für Jahren drängeln sich mehrere hundert Bergsteiger aus kommerziellen Expeditionen in den Basislagern auf der nepalesischen und der tibetischen Seite.

Gipfel wichtiger als Abenteuer

Neben dem Prestige-Berg Mount Everest sind die technisch einfacheren Achttausender Cho Oyu und Shishapangma die bevorzugten Ziele der zahlenden Kunden. Dort ist die Chance relativ groß, den höchsten Punkt zu erreichen. „Die Leute gehen dem eigentlichen Abenteuer aus dem Weg“, sagt Dujmovits, „sie haben viel Geld, Zeit und Kraft eingesetzt, da wollen sie auch einen Gipfel mit nach Hause bringen.“

Fehlerhafte Selbsteinschätzung

Ralf Dujmovits legt bei seinen Expeditionen großen Wert auf die Auswahl der Teilnehmer. Er behält sich auch vor, Kunden abzulehnen, wenn er glaubt, dass sie mangels Erfahrung für die Expedition nicht geeignet sind. Seit einiger Zeit beobachtet Dujmovits, dass es den Bergsteigern zunehmend an richtiger Selbsteinschätzung fehlt: „Viele haben das große Ziel schon so in ihrem Ego verankert, dass sie trotz stichhaltiger Argumente kaum noch davon abzubringen sind.“

„Ein Stück weit lebensgefährlich“

Wahrscheinlich verdrängen die Hobby-Bergsteiger, dass selbst bei perfekter Organisation und bestem Risikomanagement durch einen kommerziellen Veranstalter der Ausflug zu den höchsten Bergen der Welt tödlich enden kann. Ralf Dujmovits nimmt kein Blatt vor den Mund: „Das Bergsteigen wird auch weiterhin ein Stück weit lebensgefährlich bleiben. Das gehört einfach zu unserem Sport dazu.“

Datum

Freitag 16.03.2007 | 16:08

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Manaslu-ABC


Alpinstil: Bergsteiger verzichten darauf, Hochträger einzusetzen, feste Hochlager einzurichten und Fixseile anzubringen. Stattdessen besteigen sie den Achttausender wie einen Berg in den Alpen. Das Zelt wird mitgetragen, im Bedarfsfall aufgebaut, am nächsten Morgen wieder eingepackt.

Basislager: Das Basislager, Ausgangspunkt der eigentlichen Besteigung des Bergs, liegt auf 4800 Meter Höhe in einer Moränen-Mulde des Manaslu-Gletschers.

Bergschrund: Kluft zwischen Gletschereis und Bergwand.

Biwak: Improvisierte Ãœbernachtung während der Besteigung, entweder in mitgeführtem Leicht-Zelt, in einer Schneehöhle oder im Freien im Biwaksack.

By fair means: Bergbesteigung mit fairen Mitteln, das heißt u.a. ohne zusätzlichen Sauerstoff und ohne Fixseile.

Couloir: Rinne in einer Bergwand.

Eisbruch: Zerklüftete Zone eines Gletschers, die durch starkes Gefälle oder Buckel im Untergrund entsteht.

Eishaken: Gezackter, gut 20 cm langer Haken, der in festes Eis getrieben wird.

Eisschraube: Dient wie Eishaken zur Sicherung, wird hineingeschraubt.

Expeditionsstil: Gegensatz zu Alpinstil: Einsatz von Hochträgern, Hochlagern, Fixseilen, häufig auch Atemmasken.

Eisgerät: Kurzer Eispickel mit gebogener Haue und gekrümmtem Schaft, zum Klettern in steilem Eis.

Fixseil: Seil, das fest in Fels oder Eis verankert wird, um schnell auf- und absteigen zu können.

GPS: Satellitengestütztes System zur Bestimmung von Positionen. Handliche GPS-Geräte werden bei der Manaslu-Expedition mitgeführt, um sicherzustellen, dass die Bergsteiger auf dem großen Gipfelplateau auch im Falle eines plötzlichen Schneesturms zu den Zelten zurückfinden.

Höhenkrankheit: Sie kann in Höhen ab ca. 2500 Metern auftreten. Symptome sind u.a. Kopfschmerzen, Appetitverlust, Müdigkeit, Ãœbelkeit, Erbrechen oder Schlafstörungen. Ursache ist der mit zunehmender Höhe sinkende sogenannte Sauerstoff-Partialdruck: Auf 5000 Metern wird der Sauerstoff nur noch mit der Hälfte, auf 8850 Metern (Gipfel des Mount Everest) mit einem Drittel des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe. Der Körper kann sich auf den Sauerstoffmangel (Hypoxie) bis zu einem gewissem Maße einstellen. Wer sich zu wenig Zeit zur Akklimatisierung nimmt und zu schnell aufsteigt, riskiert höhenkrank zu werden. Im schlimmsten Fall kann dies tödlich enden: wenn Flüssigkeit in der Lunge (Höhenlungenödem, kurz HAPE von engl. high-altitude pulmonary edema) oder im Gehirn (Höhenhirnödem, kurz HACE, von engl. high-altitude cerebral edema) austritt. Statistisch gesehen enden 24 Prozent der HAPE-Fälle und 40 Prozent der HACE-Fälle tödlich. Es gibt Notfallmedikamenten und –therapien. Unbedingt erforderlich ist jedoch zusätzlich der schnelle Abstieg in niedrigere Höhen.

Hochträger: Sie richten Hochlager ein, transportieren Material hinauf und legen Fixseile an.

Kambung: Name einer lokalen Gottheit. Die Bewohner des Dorfes Sama zu Füßen des Manaslu glauben, dass Kambung auf dem Gipfel des Achttausenders wohnt.

Kamin: Senkrechte Felskluft.

Karabiner: Schnappring zum Einklinken in Haken oder um das Sicherungsseil durchlaufen zu lassen.

Moräne: Wall aus Sand und Geröll am Rande des Gletschers.

Naike-Sattel: engl. Naike-Col, rund 5600 Meter hoher Schneesattel an der Nordostflanke des Manaslu, unterhalb des Sechstausenders Naike Peak. Das Wort „Naike“ kommt aus dem Nepali und bedeutet Held oder Hauptperson. Vom Naike-Sattel aus öffnet sich der Blick auf die Bergwelt Tibets.

Nordsattel: rund 7000 Meter hoch, zwischen dem Plateau, das zum Hauptgipfel führt, und dem Nordgipfel gelegen.

Nordgipfel: engl. North Peak , eigenständiger, niedrigerer Gipfel der Manaslu-Gruppe (7157 m).

Normalroute: Der von den meisten Expeditionen gewählte „leichte“ Weg auf den Manaslu. Er folgt der Route der japanischen Erstbesteiger über die Nordostseite des Achttausenders.

Pfeiler: Aus einer Bergwand vorspringende Felsformation.

Riss: Finger-, hand- , oder schulterbreiter Spalt im Fels.

Sama: Das Dorf auf 3390 Meter Höhe ist Ausgangspunkt der Expedition. Sama, von den Einheimischen auch Ro genannt, liegt auf der nordöstlichen Seite am Fuße des Manaslu. Vor über 500 Jahren ließen sich dort Tibeter nieder. Noch heute treiben die Einwohner des Dorfes Handel mit Tibet. Die traditionelle Handelsroute läuft über den etwa 15 Kilometer von Sama entfernten 5098 Meter hohen Pass Lajyung Bhanjyang.

Sauerstoff-Flaschen: In den Hochlagern wird nur für medizinische Notfälle (!) je eine Flasche Sauerstoff deponiert.

Schlüsselstelle: Schwierigster Abschnitt einer Route.

Schneeschuhe: Eher traditionelles Hilfsmittel zur Fortbewegung auf Schnee, in jüngster Zeit wieder als Sportgerät entdeckt. Schneeschuhe, die unter die Bergschuhe geschnallt werden, verteilen das Körpergewicht auf eine größere Fläche, so dass die Füße weniger stark im Schnee versinken. Schneeschuhe gehören zur Ausrüstung der AMICAL-Expedition am Manaslu.

Sérac: Durch Bewegung des Gletschers entstandene Eistürme und -blöcke.

Steigeisen: Metallzacken werden an der Sohle des Bergschuhs befestigt. Frontalzacken erlauben das Klettern in steilem Eis.

Traverse: Klettern in seitlicher Richtung (Quergang), um eine Gefahrenstelle zu umgehen

Ãœberschreitung: Aufstieg und Abstieg über unterschiedliche Flanken des Bergs

Verschneidung: Zwei Felswände, die verwinkelt zueinander stehen.

Wächte: Vom Wind angewehte, überhängende Schneemasse.

White-Out: Schnee, Wolken und Sturm sorgen dafür, dass alles weiß erscheint und eine Orientierung unmöglich ist.

Datum

Freitag 16.03.2007 | 10:57

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Die Route


Das Basislager liegt auf rund 4800 Metern Höhen in einer Moränenmulde am Manaslu-Gletscher. „Die Zelte werden mit größter Wahrscheinlichkeit die ganze Zeit über im Schnee stehen“, sagt Expeditionsleiter Ralf Dujmovits. Jeder Liter Wasser, der zum Trinken, Kochen oder Waschen benötigt wird, muss aus Schnee geschmolzen werden.

Blick nach Tibet

Die Aufstiegsroute führt durch die Nordostflanke des Manaslu und folgt im wesentlichen dem Weg der japanischen Expedition, der 1956 die Erstbesteigung des Achttausenders gelang. Vom Basislager aus geht es zunächst auf dem Gletscher über relativ flaches Gelände zum ersten Hochlager auf etwa 5600 Meter Höhe. Vom sogenannten „Naike-Sattel“ aus öffnet sich der Blick auf die Bergwelt Tibets.

Gefährlicher Eisbruch

Oberhalb des Lagers 1 führt die Route durch einen Eisbruch, eine laut Dujmovits „objektiv relativ gefährliche Zone“. Meterhohe Türme, die jederzeit einstürzen können, sorgen für Eisschlag-Risiko. Auf etwa 6600 Metern, unterhalb des Nordsattels, wird das zweite Hochlager aufgeschlagen.
Danach wartet auf die Bergsteiger ein etwa 150 Meter hoher Steilaufschwung mit einer Steigung von bis zu 70 Prozent. Das dritte und letzte Hochlager auf 7450 Meter liegt in einer windgeschützten Mulde am Beginn des Gipfelplateaus.

Konzentriert auf den Gipfel

Von dort aus führt der Weg über relativ flache Schnee- und Firnhänge Richtung Gipfel. Bei der Erstbesteigung 1956 musste noch ein kleiner Felsturm bestiegen werden, um den höchsten Punkt auf 8163 Metern Höhe zu erreichen. In den vergangenen Jahren war der Gipfel aber stets unter einer Schneehaube verborgen. Der letzte Grat erfordert noch einmal volle Konzentration.

Datum

Mittwoch 14.03.2007 | 16:12

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Manaslu – Berg der Seele


Der Manaslu ist mit 8163 Metern der achthöchste Berg der Erde. Er liegt in Nepal, etwa 200 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Kathmandu. Die Grenze zum von China besetzten Tibet ist nur wenige Kilometer entfernt. Manaslu wird meist mit „Berg der Seele“ übersetzt. „Manas“ ist ein Wort aus dem Sanskrit und bezeichnet so etwas wie den sechsten Sinn.

Die Götter erzürnt

Die Menschen in Sama, dem kleinen Dorf zu Füßen des Manaslu, glauben, dass auf dem 8163 Meter hohen Gipfel die Gottheit „Kambung“ wohnt. Nur wer sich dem Manaslu demütig nähert, bleibt von Wetterstürzen, Lawinen und Eisschlag verschont.
1954 mussten japanische Bergsteiger, die den Achttausender besteigen wollten, kehrtmachen, weil ihnen die Bewohner Samas, mit Steinen und Yakdung bewaffnet, den Zutritt verwehrten. Sie warfen den Fremden vor, mit ihrem gescheiterten Gipfelversuch im Jahr zuvor den Berg entweiht und die Götter erzürnt zu haben. Nach der Expedition hatte eine Lawine die 300 Jahre alte „Gompa“, das kleine Kloster Samas verschüttet. Drei Mönche waren ums Leben gekommen.

Höhere Todesrate als der Everest

Der Manaslu galt lange als „japanischer Berg“. Nach mehreren gescheiterten japanischen Expeditionen Anfang der 1950er Jahre gelang dem Japaner Toshio Imanishi und dem Sherpa Gyaltsen Norbu am 9. Mai 1956 die Erstbesteigung über die Nordostflanke des Manaslu. Seitdem ist der Berg rund 250 Mal bestiegen worden, 53 Bergsteiger kamen ums Leben. Damit ist die Todesrate des Manaslu mehr als doppelt so hoch wie die des Mount Everest.
Dabei gilt die Normalroute, die weitgehend dem Weg der Erstbesteiger folgt, klettertechnisch gesehen nicht einmal als schwierig.

Unkalkulierbares Wetter

Was den Manaslu gefährlich macht, ist vor allem das unberechenbare Wetter. Der Berg ist berühmt-berüchtigt für Wetterstürze, aber auch lang andauernde starke Schneefälle. Damit steigt natürlich auch das Lawinenrisiko. 1972 wurden zehn Sherpas, vier Koreaner und ein Japaner von einer riesigen Lawine in 6500 Metern Höhe verschüttet – die bisher größte Katastrophe am Manaslu.

Ein gefährlicher, aber schöner Berg

Wegen seiner Unberechenbarkeit gehört der Manaslu nicht zu den „Modebergen“ im Himalaya. Ein Scheitern ist immer möglich, oft wahrscheinlich.
Unbestritten ist der Manaslu aber eine Augenweide. „Wenn der Berg von Sama aus gesehen im Abendlicht rot leuchtet, ist er unglaublich schön“, schwärmt Expeditionsleiter Ralf Dujmovits.

Datum

Mittwoch 14.03.2007 | 15:48

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