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Abschied vom Manaslu


Das kleine „gallische“ Zeltdorf am Manaslu wird geräumt. Die Bewohner haben genug vom Bergsteigen an diesem Achttausender, genug vom Lagerleben, genug vom Schneeschaufeln – und jetzt auch noch genug vom Dauerregen. Das geht ja nun wirklich auf keine Gallierhaut: Regen auf 4850 Metern! Dahinter stecken sicher die Römer!
Morgen verlassen wir das Basislager und trekken talwärts. Die Manaslu-Expedition klingt aus.

Riesen-Schwein gehabt

Als letzte Bergsteiger trafen heute Angelo und Jürgen hier ein. Sie hatten nach ihren Strapazen beim Abstieg eine weitere Nacht in Lager eins verbracht. Angelo war kurz vor Lager zwei in die Ausläufer einer Lawine geraten. „Plötzlich gab es einen Knall, und ich wurde weggerissen. Ich habe Schwimm-Bewegungen gemacht, so bin ich im Schnee oben geblieben.“ Angelo schätzt, dass er von der Lawine 50 bis 100 Meter hinuntergerissen wurde, ehe sie stehen blieb. Ein großer Kratzer am Kopf und ein blau angelaufener Arm – der Schweizer kam relativ glimpflich davon. „Du kriegst eine Riesenportion Schiss. Du sitzt da, und neben dir liegt ein Eisklotz von 80 mal 80 mal 20 Zentimetern. Wenn du den auf den Kopf kriegst, dann war es das. Ich habe Riesen-Schwein gehabt!“


Angelo zurück im Basislager

Lektion gelernt

Angelo entschloss sich zu einem Notbiwak, da er die Spur zurück nach Lager zwei im Dunkeln nicht mehr erkennen konnte.
Als ältester Teilnehmer hatte er zuvor den Gipfel erreicht: „Irgendwie hat das geklappt, dass ich meinen Fleischkloß da hinaufgebracht habe.“ Für Angelo war es der dritte, aber auch definitiv letzte Achttausender: „Wenn man absteigt, braucht es einfach das gewisse Mehr, das nur Profis haben. Daher müsste man sagen: Angelo, eigentlich gehörst du nicht an diesen Berg. Die Götter waren noch einmal gnädig. Ich habe meine Lektion gelernt.“

Immerhin über 8000 Metern

Jürgen gelangte bis rund 30 Meter unterhalb des Gipfels. „Dann musste ich wegen der fortgeschrittenen Stunde umdrehen. So ganz glücklich bin ich nicht, aber immerhin war ich zum dritten Mal über 8000 Metern.“ Während des Rückwegs habe er sich durchbeißen müssen. „Das war schon ziemlich einsam. Ich war froh, als ich das verbliebene Zelt in Lager drei sah. Eigentlich hatte ich mich schon darauf eingestellt, die Nacht dort allein zu verbringen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Ralf auf mich wartete und wir am nächsten Tag gemeinsam abstiegen.“


Pasang am Gipfel

Leer im Kopf

Für Jürgen hat es nicht ganz bis zum Gipfel gereicht. Richard stand auf dem höchsten Punkt auf 8163 Metern. Für ihn war es der dritte Achttausender. Was ging ihm durch den Kopf? „Ich war leer. Ich musste mich voll konzentrieren, um keinen Fehltritt zu riskieren.“ Von der Aussicht auf die Achttausender Annapurna und Dhaulagiri habe er nichts mitbekommen. „Ich war schon auf den Abstieg fixiert. Ich wollte einfach nur sicher herunterkommen.“
Im Gegensatz zu Richard genoss Hiro die Aussicht vom Gipfel: „very nice view!“ Ansonsten aber habe er da oben „nothing“, nichts mehr denken können. Der Manaslu war Hiros neunter Achttausender und der sechste, den er gemeinsam mit Ralf bestieg.

Danke für die Spurarbeit

Peter, unser Expeditionsarzt, hat es jetzt immerhin schon auf drei Achttausender gebracht. Er genoss die Minuten auf dem höchsten Punkt. Peter bedankt sich: „Ohne die enorme Spurarbeit von Ralf, Hiro und unserem Hochträger Pasang hätte die Gruppe bei den schwierigen Schneeverhältnissen dort oben wohl nicht den höchsten Punkt erreicht.“
Für Josef lief am Gipfeltag einfach alles perfekt: „Ich hatte keine Probleme, weder mit der Höhe, noch gesundheitlich. Ich war einfach gut drauf.“


Auf dem Gipfelgrat

Fußbad in der Teetasse

Rolf gelangte bis auf eine Höhe von 8120 Metern. „Auch wenn die paar Meter bis zum Gipfel fehlen, für mich persönlich war ich oben.“ Rolf war die Zeit davon gelaufen, weil er auf Helmar gewartet hatte. Helmar musste auf rund 7700 Metern umdrehen, weil er Gefahr lief, sich schwere Erfrierungen an Fingern und Zehen zuzuziehen: „Der Gipfel war es mir einfach nicht wert, Gliedmaßen zu verlieren.“
Auf etwa gleicher Höhe wie Helmar musste auch Johannes umkehren – wegen eiskalter Zehen. Daran hatten auch Fußbäder in der Teetasse nichts ändern können: „Mehrmals hat das funktioniert. Ich habe jeweils eine halbe zusätzliche Stunde herausschinden können. Aber dann ging der warme Tee aus.“

Arbeit am Berg hat sich gelohnt

Sieben Teilnehmer auf dem Gipfel, zwei knapp darunter, alle wieder wohlbehalten zurück im Basislager. Expeditionsleiter Ralf zieht eine positive
Bilanz der Manaslu-Expedition: „Wir haben beim Abstieg erlebt, wie es ist, wenn jemand vermisst wird und man Angst um ihn haben muss. Es ist einfach schön, dass alle wieder sicher zurückgekehrt sind. Und dass mehr als die Hälfte der Gruppe auf dem Gipfel stand, ist für mich natürlich auch ein schöner Erfolg – nach all der Arbeit, die wir hier am Berg hatten.“
Die Zeit der Arbeit ist vorbei. Jetzt feiern wir eine erfolgreiche Expedition, viele tolle Erfahrungen und Eindrücke, und dass wir alle gesund heimkehren: vom Manaslu, dem Berg der Seele.

P.S.: Der Manaslu-Blog ist damit noch nicht ganz beendet. Ich melde mich noch einmal in einigen Tagen aus Kathmandu. Dort schließt sich der Kreis.

Datum

Montag 21.05.2007 | 11:40

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