Höhenkrankheit kann tödlich enden
Expeditionsleiter Ralf demonstriert, wie die Sauerstoffflasche mit Ventil funktioniert. Im Fall, dass ein Teammitglied schwer höhenkrank wird, sollen die Bergsteiger wissen, was sie zu tun haben. In allen Hochlagern wird je eine Flasche mit künstlichem Sauerstoff deponiert.
Bergsteiger und Arzt
Für alle medizinischen Fragen der Expedition ist Peter zuständig. Der Österreicher arbeitet an einem Krankenhaus in Linz als Anästhesist und Intensivmediziner. Er fühlt sich als passionierter Bergsteiger und Arzt. Trennen könne man das nicht. „Ich kann und will nicht vor der ärztlichen Pflicht flüchten. Es ist immer schön, jemandem helfen oder ihn unterstützen zu können“ – auch im Himalaya.
Zusätzliche Höhenreize
Bereits hier im Basislager, etwa auf Höhe des Gipfels des Mont Blanc, wird der Sauerstoff nur noch mit der Hälfte des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe. Daher ermahnt Peter das Team auch, in den nächsten Tagen am Manaslu nichts zu überstürzen. „Ich glaube, dass es für eine komplette Akklimatisation noch zu früh ist. Schließlich wollen wir höher hinaus als 8000 Meter. Da müssen wir dem Körper noch zusätzliche Höhenreize geben.“
Genau das soll in den nächsten Tagen geschehen. Dann werden die Bergsteiger voraussichtlich zwei Nächte in Lager 2 auf etwa 6600 Metern verbringen.
Peter bei der Arbeit: hier behandelt er eine Blase an Joachims Zeh
Jeden kann es erwischen
„Niemand ist vor der Höhenkrankheit gefeit“, sagt Peter. Auch Bergsteiger, die zuvor schon Achttausender bestiegen hätten, habe es später erwischt. „Man kann Höhenanpassung eben nicht trainieren wie körperliche Fitness.“ Jeder muss sich an gewisse Regeln halten: langsam angehen, viel Flüssigkeit trinken – und erste Symptome ernst nehmen.
Genau darin aber liegt eine große Gefahr. Die ersten Symptome der Höhenkrankheit werden leicht unterschätzt, handelt es sich doch eher um Unannehmlichkeiten wie Kopfschmerzen, Ãœbelkeit oder Appetitlosigkeit. Innerhalb kürzester Zeit aber kann sich daraus akute Lebensgefahr entwickeln: dann nämlich, wenn sich ein Höhenlungenödem oder ein Höhenhirnödem bilden. Die Todesrate bei Hirnödemen im Gebirge liegt bei rund 40 Prozent.
Fehlende Einsicht kann lebensgefährlich sein
Peter ist auf den Extremfall vorbereitet. Dann würde er zunächst künstlichen Sauerstoff verabreichen, anschließend Notfallpräparate, die er in seiner Notapotheke mit sich führt. „Zum schnellen Abstieg aber gibt es keine Alternative!“
Viele Höhenödeme könnten vermieden werden, wenn die Bergsteiger auf die Signale ihrer Körper hörten und sich vielleicht auch einmal einen Tag zusätzlich nähmen, um sich besser zu akklimatisieren. An Einsicht aber mangele es häufig, sagt Peter. Schließlich hätten die Bergsteiger viel Zeit und Geld für die Expedition geopfert. „Manche glauben dir erst, wenn sie unter schwerer Atemnot leiden, fast ersticken oder kurz vor der Bewusstlosigkeit stehen.“ Dann aber kann es schon zu spät sein.
Morgenstimmung
Reporter auf Auf- und Abwegen
Für einen Sonntagsspaziergang geriet die Tour mit 830 Höhenmetern dann doch ein bisschen zu heftig. Expeditionsleiter Ralf hatte vorgeschlagen, ich sollte die Sherpas Pasang und Karma hinauf nach Lager eins auf 5680 Meter Höhe begleiten. Die beiden sollten dort Material deponieren und anschließend wieder zum Basislager absteigen. Auf diese Gelegenheit hatte ich gewartet.
Nützliche O-Beine
Um 5.30 Uhr brachen wir auf, bei zunächst eisigen Temperaturen. Unter die Bergschuhe hatte ich als Steighilfe Schneeschuhe geschnallt. Und endlich lernte ich meine O-Beine schätzen. Mit Schneeschuhen muss man nämlich ein bisschen breitbeiniger laufen, und das beherrsche ich fast so perfekt wie John Wayne.
Wie im Glutofen
Die Spur führte erst entlang des Manaslu-Gletschers, dann darüber. Etwa eine halbe Stunde nach unserem Aufbruch erreichten die ersten Sonnenstrahlen das Eis. Der Gletscher wurde zum Glutofen. Schnell legte ich die ersten Kleidungsstücke ab. Dennoch ließ es sich nicht vermeiden, dass ich zu schwitzen begann wie im Hochsommer. Hinzu kam die immer dünner werdende Luft, die mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem nahm.
Das dicke Ende
Doch das dicke Ende wartete noch. Die letzten etwa 100 Höhenmeter führten über die schneebedeckte Rückseite eines Felsens. Je mehr ich mich dem Aufschwung näherte, desto steiler kam er mir vor.
Doch Kneifen galt nicht. Zu Füßen des Aufschwungs ließen wir die Schneeschuhe zurück und begannen zu klettern. Als Ex-Höhenangstgeplagter mit Restbeständen half es mir zu beobachten, wie selbstverständlich und souverän die beiden Sherpas Pasang und Karma die Passage durchstiegen. An der heikelsten Stelle hatte Ralf zudem ein Fixseil angebracht, in das wir uns einklinken konnten.Irgendwie schwindelte ich mich auch noch über die letzten Höhenmeter und erreichte – schnaubend wie eine alte Lokomotive – Lager 1.
Ein tolles Panorama
Das Panorama entschädigte mich für die Strapazen der letzten drei ein Viertel Stunden. Auf der einen Seite konnte man weit nach Tibet hineinblicken. Rechts davon ragte der Naike Peak empor. Und natürlich nicht zu vergessen der Manaslu: Fast schien er auf uns gewartet zu haben. Kaum hatten wir uns nämlich auf den Rückweg gemacht, versteckte er sich wieder – wie so oft – hinter Wolken.
Hinauf bis auf 6200 Meter
Eisbruch oberhalb von Lager 1
Die Expedition rückt dem Manaslu auf die Pelle. Bis auf 6200 Meter Höhe haben Ralf, Hiro und die beiden Sherpas Pasang und Karma die Route am Manaslu erkundet. Sie spurten durch den Gletscherbruch und legten an heiklen Stellen Fixseile an. „Je höher man kommt, desto tiefer sinkt man im Schnee ein – teilweise bis zu den Knien, und das auf Scheeschuhen“. Ralf ist beeindruckt. Der Expeditionsleiter hofft auf weiterhin sonniges Wetter, damit sich der Schnee setzen kann. „So wie es derzeit aussieht, haben wir aus eigener Kraft keine Chance.“ Die Lawinengefahr sei zu groß.
Ein ungutes Gefühl!
Einige Bergsteiger nutzten die Gelegenheit, in der Spur des Expeditionsleiters ein Stück weit hinauf zu steigen, um sich den weiteren Verlauf der Route anzusehen. „Wir müssen unter einem Gletscherbruch queren. Das ist immer ein ungutes Gefühl“, sagt Josef.
Laut Richard, der sich vor zwei Jahren schon einmal vergeblich am Manaslu versuchte, hat sich seitdem die Eispassage oberhalb von Lager eins komplett verändert. „Gletscher arbeiten und bewegen sich. Dann fallen auch schon einmal Eistürme in sich zusammen.“
Kein Persilschein
Schon vor der Expedition hatte Ralf die Teilnehmer darauf hingewiesen, dass es hier, zwischen Lager eins und zwei, ein nicht auszuschließendes Restrisiko gebe. Richard schließt sich der Einschätzung an:„Für diese Passage gibt es keinen Persilschein. Da hilft nur ruckzuck durch, und die Sache ist erledigt.“
Blick auf Lager 1
Bis minus zehn Grad kalt
Erstmals hatten die Bergsteiger zuvor in Lager eins übernachtet. Die Erfahrungen waren unterschiedlich. Rolf sprach von einer „angenehmen Nacht“, obwohl ein kräftiger Wind über den Lagerplatz pfiff und das Thermometer im Zelt bis auf minus 10 Grad sank. Ganz anders fiel Richards Resümee aus: „Beschissen! Ich habe kaum geschlafen. Die erste Nacht in fast 6000 Metern Höhe ist nie gut.“
Auch Josef hatte kaum ein Auge zugemacht und ständig auf die Uhr geschaut. Zum einen kämpfte er mit der noch ungewohnten Höhe, zum anderen mit dem starken Wind. „Der hat fast das Zelt zerrissen. Aber das ist eben so eine Nacht, die du über die Runden bringen musst.“
Helmar und Rolf kehren ins Basislager zurück
Keine Zeit für Heldentaten
Jetzt ist erst einmal wieder Erholung im Basislager auf 4850 Metern angesagt. Der Gipfel, der von Lager eins aus schon zum Greifen nahe erscheint, ist wieder ein Stück weiter in die Ferne gerückt. „Im Moment macht mir das noch nichts aus“, sagt Rolf, „die Zeit für große Heldentaten ist noch nicht gekommen.“
Sitaram, der Meisterkoch
Wie bestellt hat sich die Sonne zurückgemeldet, gerade rechtzeitig zum zweiten Aufstieg der Bergsteiger hinauf nach Lager eins. „Wir sind alle gut angekommen und genießen die tolle Aussicht“, vermeldet Expeditionsleiter Ralf per Funk. Diesmal werden er, die elf Teammitglieder sowie die beiden Sherpa-Hochträger Pasang und Karma in Lager eins auf 5680 Metern Höhe übernachten. Bei ihrer ersten Tour hatten sie dort nur Material deponiert.
Der Herr der Pfannen und Töpfe
Die Küchencrew und ich bleiben auf 4850 Metern zurück. Zeit, den heimlichen König des Basislagers vorzustellen: Sitaram Rai, den Herrn der Pfannen und Töpfe. Wenn Sitaram etwa bruzzelndes Hühnerbruststeak mit Nudeln, Pommes Frites und Gemüse serviert, kennt die Begeisterung im Gemeinschaftszelt kaum Grenzen. „Bravo Sitaram!“, rufen alle und applaudieren dem Koch, der wieder einmal mit bescheidensten Mitteln ein Meisterwerk auf die Teller gezaubert hat.
“Lieber auf Expedition als im Hotel“
29 Jahre ist Sitaram alt, seit sieben Jahren arbeitet er als Koch. Sitaram hat sein Handwerk in einem Hotel gelernt. „Dort könnte ich aber nur so viel verdienen wie hier am Berg ein Küchenjunge. Deshalb arbeite ich lieber für Expeditionen und Trekkinggruppen.“
Sitaram ist je zwei Monate im Frühling und im Herbst unterwegs. Das dabei verdiente Geld reicht aus, um seine Frau und seine zwölf, sieben und vier Jahre alten Töchter in Kathmandu zu versorgen. „Natürlich fehlt mir hier meine Familie, aber das Wiedersehen wird dann umso schöner“, sagt Sitaram.
Drei Küchenhilfen
Sein Arbeitstag im Basislager beginnt zwischen drei und sechs Uhr früh, je nachdem, ob die Bergsteiger zu höher gelegenen Lagern aufbrechen oder nicht. Gegen neun Uhr abends schlüpft Sitaram in seinen Schlafsack.
Dazwischen liegen ein bis zwei Stunden Freizeit. „Für mich ist das keine harte Arbeit“, sagt Sitaram. Schließlich stünden ihm drei Küchenhelfer zur Seite. „Die holen bis zu 20 Mal am Tag Wasser von der Quelle, helfen mir beim Teekochen und auch beim Kleinschneiden.“
Fortbildung bei französischem Koch
Für drei Wochen hat Sitaram Fleisch eingelagert. „Ich grabe ein tiefes Loch in den Schnee und stelle einfach die Tonne mit dem Fleisch hinein. Dann bleibt es auch frisch.“
Sitaram weiß ganz genau, was Bergsteiger essen müssen. „Die brauchen Kraft!“ Also gibt es häufig Fleisch, Nudeln, Gemüse und Kraftsuppen in immer neuen Variationen. Fast immer sind die Töpfe nachher leer. Sitaram trifft den Geschmack der Europäer. Kein Zufall, lässt sein Arbeitgeber, eine Agentur in Kathmandu, doch regelmäßig einen französischen Koch einfliegen, der die nepalesischen Kollegen weiterbildet.
Backen ohne Ofen
Sitaram hat aber auch seine eigenen Rezepte. Wenn er im Basislager etwa Kuchen backt, verzichtet er auf den Ofen, den seine Agentur im Depot stehen hat. „Ich stelle einfach zwei Töpfe ineinander. Dann schmeckt der Kuchen viel besser!“ Jeder hier würde das unterschreiben.
Sitaram ist ein Koch, der ohne Sterne auskommt, aber dicht unter ihnen arbeitet. Ein Meister der „Haute Cuisine“, der 4850 Meter „hohen Küche“.
Die Küchencrew: hinten links Ram Rai, rechts Hanu Shunuwak Rai, vorne links Sitaram Rai, rechts Waiba Tanang
Ein gallisches Dorf im Himalaya
Inmitten des großen Himalaya, zu Füßen des Achttausenders Manaslu, steht ein kleines gallisches Zeltdorf. Während rundherum stabiles Wetter vermeldet wird, schneit es in unserem Dorf fast ohne Unterbrechung. Die wackeren Bewohner verbringen einen großen Teil ihrer Zeit mit Schneeschaufeln.
Zeltstange gebrochen
Jürgen Hadelix hat von allen den größten Schneewall um seine Behausung aufgetürmt. Frühmorgens, wenn die anderen noch im warmen Schlafsack liegen, schwingt Hadelix bereits die Schaufel. „Was wir im Winter nicht hatten, haben wir jetzt.“ Unter den Schneemassen ist eine Stange seines Zeltes zusammengebrochen, die jetzt geflickt werden muss.
“Graben wie Sisyphus“
Der Südtiroler Johannes Bachmannix wollte eigentlich am Manaslu bergsteigen. „Dass ich jeden Morgen das Zelt freischaufeln muss, habe ich nicht erwartet. Das ist ganz schön anstrengend.“
Derweil wühlt sich auch Mark Linkefix fleißig durch die Schneemassen rund um sein Zelt. Er fühlt sich wie ein alter Grieche: „Wie Sisyphus! Kaum frei gegraben, schon schüttet es wieder rein.“
Schaufeln im Hochlager
Die Schaufeln sind knapp geworden. Jedes zweite Arbeitsgerät ist im gut 800 Meter höher gelegenen Dorflager 1 deponiert worden. Teilen ist also angesagt.
Die Bewohner des kleinen Dorfes im Himalaya sind hart im Nehmen. Auch ohne Zaubertrank sehen sie gelassen dem großen Schnee entgegen. „Der soll am Wochenende kommen“, sagt Oberschaufler Jürgen Hadelix, „also schaffen wir erst einmal Platz für den neuen Schnee.
Von wegen Beschäftigungstherapie
Mark Linkefix kann der ständigen Schneeschipperei sogar Positives abgewinnen: „Wenn man ehrlich ist, sind wir doch froh drum. Da haben wir wenigstens etwas zu tun. Ein bisschen Beschäftigungstherapie tut ja auch ganz gut.“ Der Theatermeister läuft Gefahr, gefesselt und geknebelt am Mast mit den Gebetsfähnchen zu enden
Erholung beim Frühstücksei