Höhentraining im Flachland
Als Flachlandtiroler habe ich ein Problem. Wie soll ich bloß den Ratschlag zur Vorbereitung auf die Manaslu-Expedition umzusetzen? „Wir empfehlen dringend, die vor der Abreise liegenden Wochenenden zu Akklimatisations-Skitouren in den Alpen zu nutzen“, heißt es in meinen Unterlagen. Die Alpen sind weit, das Rheinland ist bestenfalls hügelig, und Schnee war in diesem Pseudowinter ohnehin ein Fremdwort.
Pfuschen mit Anleitung
Da hilft nur pfuschen – unter wissenschaftlicher Anleitung: Das Kölner Institut „Höhenbalance“ bietet Vorbereitungskurse für Trekking-Touren und Expeditionen in große Höhen. Das langfristige Programm mit 20 Einheiten zur Vorakklimatisation kostet 299 Euro, die Expressversion, fünf Mal in einer Woche, 199 Euro. Das Zauberwort heißt Hypoxie, übersetzt Sauerstoffmangel.
Wenig Sauerstoff, viel Wirkung
Dem Körper wird vorgegaukelt, er befinde sich in großer Höhe. Und das funktioniert so: Mittels Atemmaske oder in einer isolierten Kammer wird Luft mit einem reduzierten Sauerstoffanteil zugeführt.
In der Natur ist dieser Anteil in der Atemluft mit rund 21 Prozent zwar konstant. Mit zunehmender Höhe sinkt aber der Druck, mit dem der Sauerstoff in die Lungen gepresst wird. Auf 5000 Metern Höhe ist er nur noch halb so hoch wie am Meer.
Der Effekt ist also der gleiche wie beim Training mit der Hypoxie-Maske: der Körper muss mit weniger Sauerstoff auskommen – und reagiert: zunächst mit schnellerer Atmung, später mit der Produktion zusätzlicher roter Blutkörperchen.
Jan Ullrich, inzwischen gefallener Radsport-Star, hat eine Hypoxie-Kammer im Keller. Und auch andere Leistungssportler wie die Judo-Nationalmannschaft vertrauen auf das Training mit sauerstoffarmer Atemluft.
Großglockner in Köln
„Das ist natürliches Doping“, sagt Sportwissenschaftler Harry Mutschler, bevor er mir die Atemmaske aufzieht und mich auf das Laufband schickt. Während des Versuchs kontrolliert er per Brustgurt meine Herzfrequenz und mit einem sogenannten Pulsoxymeter die Sauerstoffsättigung im Blut. Das Laufband simuliert eine Steigung von 20 Prozent bei gemütlichem Gehtempo.
Zunächst habe ich mehr mit der ungewohnten Maske, als mit der Anstrengung zu kämpfen. Doch ab einer simulierten Höhe von etwa 2000 Metern merke ich, dass ich kurzatmiger werde. Gierig ziehe ich bald die Luft durch den Mund ein, statt durch die Nase. Und spüre, wie sich die ersten Schweißperlen bilden. Als Harry Mutschler bei einer angenommenen Höhe von 3800 Metern das Laufband stoppt, ist die Maske beschlagen und mein T-Shirt verschwitzt. Immerhin, den Großglockner habe ich schon einmal bestiegen, und das mitten in Köln.
Alarm in der Klinik
Als ich, befreit von der Maske, wieder zu Atem gekommen bin, will ich von Mutschler natürlich wissen, ob ich höhentauglich bin. Seine Antwort lässt mich erst einmal zusammenzucken: „Die Sauerstoffsättigung ist gegen Ende bis auf ein Niveau gesunken, bei dem in einer Klinik die Alarmglocken schrillen und die Schwestern Sauerstoff geben würden.“.
Doch das sei ganz normal und sogar beabsichtigt, beruhigt Mutschler mich. „Der Körper soll ja gereizt werden, um darauf zu reagieren.“ Entscheidend sei, wie schnell sich Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz wieder normalisierten „und das war bei ihnen sehr gut“. Der Flachlandtiroler darf also hoffen.