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Gipfeltag in Sicht

Die meisten Nachrichten, Lottozahlen, Horoskop – darauf können wir am Manaslu verzichten. Nicht aber auf den Wetterbericht. Täglich empfängt Expeditionsleiter Ralf per Email die neuesten Prognosen eines Schweizer Wetterdienstes für den Himalaya.


Heute soll eine Entscheidung über den ersten Gipfelversuch fallen. Eine gute Stunde lang studiert Ralf die Wind-, Feuchtigkeits- und Temperaturdiagramme. Keiner im Gemeinschaftszelt wagt es während dieser Zeit, den Expeditionsleiter zu stören. Für einen Laien sind die Kurven und Balken ein Buch mit sieben Siegeln. Ralf aber ist nach 25 Jahren Himalaya-Erfahrung selbst fast zum Wetterfrosch geworden.

Wenig Wind, wenig Schnee

Die anderen Bergsteiger warten gespannt. Dann die ersehnten Worte: „Wir peilen Montag als Gipfeltag an. Ich steige mit den Sherpas bereits am Donnerstag auf, um unterhalb von Lager drei noch Fixseile zu legen. Ihr folgt dann einen Tag später.“
Für Mittwoch und Donnerstag dieser Woche wird schönes Wetter erwartet. „Das ist wichtig“, erklärt Ralf, „damit sich der Schnee setzen kann, der in den vergangenen Tagen gefallen ist.“


Früher Wetterbericht vom Flughafen Kathmandu

Für das kommende Wochenende sagen die Schweizer Wetterforscher starken Wind voraus. Am Montag aber soll der Wind nur noch mit fünf bis zehn Stundenkilometern blasen. „Das ist fast nichts“, urteilt Ralf. Auch der Schneefall soll am Montag nachlassen.
Ein fast perfekter Gipfeltag – sollten die Wetterprognosen zutreffen. „Früher waren die Vorhersagen wachsweich“, erinnert sich Ralf. „Da hatten wir nur den Wetterbericht vom Flughafen Kathmandu.“ Inzwischen aber würden mehrere Wetter-Modelle miteinander verrechnet. „Damit haben wir eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Prognose auch wirklich eintrifft.“


Lichtblick

“Muttertag wäre schöner gewesen“

Die Bergsteiger wirken erleichtert. Das Warten hat ein Ende, endlich können sie sich auf einen Termin konzentrieren. „Es war einfach unangenehm, hier im Basislager herumzuhängen, ohne zu wissen, wie es weiterging“, sagt Angelo. Jetzt hätten alle einen moralischen Fixpunkt. „Muttertag wäre zwar schöner gewesen, aber das Wetter will es eben einen Tag später.“
Johannes glaubt noch nicht so recht an den geplanten Gipfeltag. „Was ist, wenn es oben mehr schneit als erwartet? Ich bin sehr skeptisch.“
Für Angelo wäre es auch kein Beinbruch, wenn der Gipfeltag wegen neuer Wetterprognosen noch verschoben werden müsste. „Ich gehe seit 30 Jahren auf Expeditionen und habe dabei gelernt, dass ich mit allem rechnen muss. Aber wir versuchen es jetzt einfach, und das ist gut.“

Nervöse Japaner gingen aufeinander los

Hiro hat 1996 bei einer japanischen Expedition am Achttausender K 2 in Pakistan erlebt, was geschieht, wenn der Zeitplan für einen Gipfelversuch zu lange auf sich warten lässt. „Die Bergsteiger wurden nervös. Einige sind sogar aufeinander losgegangen.“ Ein fester Gipfeltermin erhöhe ganz einfach die Konzentration des Teams.
Angelo, Mark und Joachim sind für einen Tag in das Dorf Sama abgestiegen.
„Ich freue mich darauf, wieder einmal Kinder, Wiesen, Blumen und Bäche zu sehen“, sagt Joachim. „Und dann geht es mit voller Motivation los!“

Datum

Dienstag 08.05.2007 | 09:06

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