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Mann aus der Mine

John Garvik entspricht so gar nicht dem Klischee eines Arbeiters in einer Kohlemine. Er ist weder ausgezehrt noch blass. Der 38-Jährige, den wir in einem Restaurant in Longyearbyen treffen, wirkt gesund, topfit und verbreitet gute Laune. John verdient sein Geld in einer Mine in Svea, knapp zehn Kilometer entfernt von Spitzbergens Hauptort: „Es ist eine harte Arbeit. Ich schufte den ganzen Tag in der Mine, zehn bis zwölf Stunden lang. Es ist meist dunkel, nass und kalt.“

Leben zwischen Mine und Tourismus


Wie einst John Munroe Longyear

Eine Woche lang arbeitet Garvik in den Stollen der Mine, dann hat er eine Woche frei. In dieser Zeit widmet er sich gemeinsam mit seiner Frau Hanne Bjerk den Touristen, die nach Spitzbergen kommen. Mehrere zehntausend sind es jeden Sommer. Ein Job reicht auf der Insel kaum noch, um über die Runden zu kommen. „Bis zu diesem Jahr konnten die Leute in den Minen arbeiten und hatten ein gutes Auskommen“, sagt Garvik. „Aber in diesem Jahr wurden die Einkommen gekürzt. Ich kenne viele, die andernorts Arbeit suchen, weil es hier immer weniger Geld gibt.“
Auf Spitzbergen sind noch etwa ein Dutzend Minen in Betrieb. Die Kohleindustrie hat Tradition. Longyearbyen verdankt seinen Namen dem US-Amerikaner John Munroe Longyear, der Anfang des 20. Jahrhunderts dort die erste Grubensiedlung auf der Insel gründete. Damals wurde die zahlreichen Schiffe, die zum Fischfang nach Spitzbergen kamen, mit Brennstoff versorgt. Das Denkmal, das an Longyear erinnert, steht heute mitten in der Einkaufszone der Kleinstadt.

Wenig Kohle für Kohle

Die Kohlemine, in der John Garvik arbeitet, förderte im vergangenen Jahr immerhin vier Millionen Tonnen. Früher subventionierte der norwegische Staat die Kohleindustrie. Jetzt müssen sich die Firmen selbst tragen. Die Weltwirtschaftskrise ist auch an ihnen nicht vorbeigegangen. Der Preis für eine Tonne sei innerhalb eines Jahres von 174 auf 60 Dollar gefallen, sagt Garvik. „Das ist ein echtes Problem.“ Viele Arbeitlose gibt es auf der Inselgruppe, die von Norwegen verwaltet wird und offiziell Svalbard heißt, dennoch nicht. „Jeder, der arbeiten will, kann herkommen“, erklärt John. „Aber wenn du keinen Job mehr hast, musst du wieder mit dem Schiff zurückfahren.“

Herzensangelegenheit


John Garvik und seine Frau Hanne Bjerk

Garvik lebt seit November 2000 auf Spitzbergen. Seine Frau lernte er zwei Wochen nach deren Ankunft auf der Insel kennen. Seitdem sind sie ein Paar. John glaubt aber nicht, dass sie hier alt werden. Es gebe viele Leute, die nur für sechs Monate hätten herkommen wollen, nun aber schon dreißig Jahre hier lebten. „Das kommt für mich nicht in Frage“. Garvik macht seine Zukunft davon abhängig, wie es mit der Kohleindustrie weiter geht. „Wenn sich die Talfahrt fortsetzt, mache ich in ein paar Jahren etwas Anderes: auf dem Festland, in Norwegen.“ Solange es geht, wollen John Garvik und Hanne Bjerk aber auf Spitzbergen bleiben. Denn irgendwie hängen die beiden an der Insel. Vielleicht, weil sie hier ihre Herzen aneinander verloren haben.

Datum

0 04.04.2009 | 08:30

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