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Ein Nordpol auf Wanderschaft

Bergsteiger haben es einfacher. Wenn sie nicht mehr höher steigen können, wissen sie, dass sie auf dem Gipfel stehen. Beim Nordpol ist das nicht so einfach. „Ein Punkt ohne Ausdehnung, das eine Ende der Achse, um die sich die Erdkugel dreht, ohne Länge, Breite oder Stärke“, schrieb 1875 ein englischer Journalist im „Blackwood´s Magazine“ und klang dabei so, als könne er die ganze Aufregung um den Nordpol nicht nachvollziehen.
Eigentlich gibt es sogar fünf Nordpole, je nach Definition (siehe unten). Der bekannteste davon ist neben dem geographischen, den unsere Expedition erreichen will, sicher der magnetische Pol.

Der Nordpol, der eigentlich der Südpol ist


Geophysiker Jokat

Ich besuche Dr. Wilfried Jokat, Geophysiker am Alfred-Wegener-Institut für Polar-und Meeresforschung in Bremerhaven. Er bestätigt mir zunächst einmal, dass mich mein Gedächtnis nicht im Stich gelassen hat. Denn schließlich haben wir in der Schule gelernt: Der magnetische Pol im Norden ist aus physikalischer Sicht der Südpol, da die Magnetnadel des Kompasses, die immer nach Norden zeigt, dorthin weist. Anders gesagt, Gegensätze ziehen sich an. Um die Allgemeinheit nicht ganz zu verwirren, hat sich jedoch eingebürgert, den magnetischen Pol, der im Norden liegt, auch Nordpol zu nennen.

Wandergeselle mit Antrieb von unten

Die Erde ist von einem magnetischen Feld umgeben, das annäherungsweise dem eines Stabmagneten entspricht: die Spitze jeder Magnetnadel zeigt zum Ende des Stabes, sprich zum Pol. Der magnetische Nordpol leidet offenbar an Fernweh, er scheint es nicht lange an einem Ort auszuhalten. Derzeit wandert er im Jahr etwa 40 Kilometer, vom Norden Kanadas aus Richtung Sibirien. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass geographischer und magnetischer Pol eines Tages übereinander liegen“, sagt Dr. Jokat.
Doch warum bewegt er sich eigentlich? „Das magnetische Feld der Erde wird in großer Tiefe, etwa 2500 Meter unter der Erdoberfläche erzeugt“, erklärt der Geophysiker. „Wir wissen, dass der innere Kern langsamer rotiert als der Rest der Erde.“ Daraus entstünden an der Grenze des Kerns elektrische Ströme, die dann das Magnetfeld erzeugten. Doch diese Ströme sind offenbar nicht konstant. Eine Folge: Der Pol wandert.

Und der Nordpol wird wieder zum Südpol

Eine weitere Konsequenz: Die Stärke und Ausrichtung des Erdmagnetfelds verändert sich. Seit Jahrzehnten registrieren Forscher, dass die magnetische Kraft schwächer wird. „Es gibt ernsthafte Anzeichen für eine bevorstehende Umpolung, doch es wird sicher noch ein paar tausend Jahre dauern“, sagt Dr. Jokat.
Doch selbst wenn es früher geschehen sollte, die Welt wird davon nicht untergehen. Im Schnitt wechseln die magnetischen Pole alle 250.000 Jahre. Auch ohne inneres Magnetfeld gebe es noch einen Schutz gegen gefährliche Strahlung aus dem All, erklärt der Experte. „Jedes Gestein auf der Erde hat ja auch ein Magnetfeld.“ Modellrechnungen zeigten, dass dieses konstante Feld ausreiche, um den Planeten vor sogenannten „Sonnenwinden“, das sind Ströme elektrisch geladener Teilchen, zu schützen.

Missweisung, wie das Wort schon sagt


Wohin zeigt die Nadel?

Noch aber wirkt der magnetischen Nordpol, von einer Position deutlich südlich des 89. Breitengrads, auf dem wir unsere Ski- und Schlittenexpedition beginnen. Ein normaler Kompass würde zwar nicht verrückt spielen, uns aber die Suche des geograpischen Pols auch nicht gerade leicht machen. Die „Missweisung“, die Abweichung zwischen geographischer und magnetischer Nordrichtung, so Dr. Jokat, läge wahrscheinlich bei etwa 60 Grad, verglichen mit zehn Grad in unseren Breiten. Denn „der Kompass kennt den geographischen Nordpol nicht“.
Ein Glück, dass es GPS-Geräte gibt, die per Satellitennavigation den genauen Aufenthaltsort melden. Vorausgesetzt, es gibt keine Sonnenstürme. Denn die können Satelliten richtig Probleme bereiten.

P.S. Pole sind Definitionssache:

Geographischer Nordpol: nördlicher Schnittpunkt der Achse, um die sich die Erde dreht, mit der Erdoberfläche. Lage 90° Nord
Magnetischer Nordpol (eigentlich Südpol): Punkt der nördlichen Hemisphäre, an dem die Feldlinien des Erdmagnetfelds senkrecht zur Erdoberfläche stehen, derzeitige Lage etwa 82° Nord, 115 °West.
Geomagnetischer Nordpol: errechneter Pol, wenn man davon ausgeht, dass sich im Erdmittelpunkt ein Stabmagnet befindet. Lage ca. 80° Nord, 72° West
Nordpol der Unzulänglichkeit: nördlichster Punkt, der in allen Richtungen am weitesten vom Festland entfernt ist. Lage 84° Nord, 174° West
Himmelsnordpol: Punkt, an dem die gedachte Linie durch die Erdachse die Himmelskugel durchstößt. Der Sternenhimmel scheint sich – vom Betrachter aus gesehen – um diesen Pol zu drehen. Lage nahe dem Stern Polaris (Polarstern)

Ganz Ohr bleiben: Dr. Jokat beantwortet Fragen zum magnetischen Pol

Datum

0 07.03.2009 | 18:04

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