Ein Schlitten namens Poldi
Der Nordpol liegt ein Wochenende lang in der Schweiz – zumindest für uns. Expeditionsleiter Thomas Ulrich hat die Teilnehmer nach Interlaken eingeladen, zum gegenseitigen Beschnuppern und zum Schnupperkurs. Mit dem Auto fahren wir in die Berge. Wir verlassen die Straße, fahren mit Schwung einen schneebedeckten, an vielen Stellen vereisten Weg hinauf, bis zu einer Stelle, von der aus ein Pfad abzweigt. Hier lassen wir das Auto stehen.
Über dem Berner Oberland
Thomas zeigt uns, wie wir die Zuggurte anlegen sollen. Die Schlitten sind leicht bepackt, mit Zelt, Kocher, Schlafmatte, Schlafsack und dem, was man sonst noch für eine Übernachtung im Freien braucht. Wir schlüpfen in die Skibindung und los geht´s. Solange der Pfad kaum ansteigt, gehorcht mir der Schlitten und ich denke noch: Gar nicht so schwer, wie ich annahm. Doch hinter einer Hütte endet der Weg. Jetzt ziehen wir unsere Spur durch den Neuschnee bergauf. Der Schlitten kippt erstmals zur Seite. Ich richte ihn wieder auf. Fünf Meter weiter das gleiche Spiel. Nach der vierten Wiederholung beginne ich, leise vor mich hinzufluchen. „Ihr müsst eure Schlitten taufen“, sagt Thomas und grinst, „dann ist es leichter, mit ihnen zu schimpfen.“
Dickes Fell gesucht
Poldi in Schieflage
Ich ziehe wieder los, nach dem immer gleichen Muster: Einige Meter geht es gut, dann rutscht der Schlitten in eine Erdmulde oder neigt sich einfach in den Hang, und schwupps, liegt er wieder auf der Seite. Die erste Idee, den Schlitten nach meiner Frau zu benennen, verwerfe ich schnell. Sie hätte wirklich nicht verdient, dass ich so viel Frust auf ihr ablade. Dann macht es klick: Mein Schlitten heißt ab sofort Poldi. Nach Lukas Podolski, dem noch-Münchner-bald-wieder Kölner Fußballer, dem Hoffnungsträger meines Leib- und Magenvereins. Bei den Bayern ist er auch häufig weggekippt. Poldi dürfte es also gewohnt sein, beschimpft zu werden und es mir nicht übel nehmen, wenn ich ihm ein paar böse Worte entgegenzische. Dafür nehme ich ihn schließlich auch mit zum Nordpol.
Mein bester Freund?
Poldi muss sich gleich nach der Taufe eine Menge Flüche anhören, denn der Schlitten macht einfach nur, was er und nicht was ich will. Ich zerre an der Ladung herum, versuche, den Schlitten anders auszubalancieren. Umsonst, Poldi will mir einfach nicht gehorchen. „Der Schlitten ist jetzt einfach zu leicht. Wenn er voll beladen ist, mit Benzin und so, dann liegt der Schwerpunkt tiefer“, macht mir Thomas Mut – der mit seinen nächsten Worten gleich wieder sinkt: „Aber es ist auch am Nordpol schon so: Zwischendurch zurückgehen, wieder aufrichten …“ Der Schlitten, sagt Thomas, müsse einfach „dein bester Freund“ werden.
Geschafft!
Klatschnass durchgeschwitzt erreiche ich Thomas´ Berghütte, vor der wir für die kommende Nacht unser Zelt aufschlagen werden. Poldi und ich sind noch keine Freunde geworden, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Warum muss ich gerade jetzt an die Worte des Schauspielers Keanu Reeves an Sandra Bullock im Hollywood-Thriller ´Speed´ denken? „Beziehungen, die unter extremen Bedingungen entstehen, haben keine Zukunft.“