Streikposten
Extreme Kälte ist ungesund, nicht nur für Menschen, auch für die Technik. Schon in der ersten Phase meiner Planungen für die Nordpol-Expedition fragte ich mich natürlich: Wie kann ich Berichte, Fotos und Tonmaterial aus dem Eis überspielen? Welche Geräte taugen überhaupt für Temperaturen bis minus 35 Grad Celsius oder sogar noch darunter?
Warmduscher
Bewegliche Teile neigen dazu einzufrieren. Also dachte ich zunächst daran, mit einem Netbook, ohne sich drehende Festplatte, mit einem Festkörperlaufwerk ausgestattet, zu arbeiten. Freundlicherweise überließ mir ein Hersteller ein Gerät zu Testzwecken. Anfang Januar fiel das Thermometer selbst in Köln nachts auf Werte um minus 15 Grad. Also ließ ich das Netbook auf unserer Terrasse im Freien übernachten.
Satz mit x, war wohl nix
Frühmorgens versuchte ich, den Computer zu starten. Das Lämpchen für „Eingeschaltet“ leuchtete auch brav auf, mehr geschah jedoch nicht. Der Bildschirm blieb schwarz. Erst nachdem sich das Netbook eine Weile im Wohnzimmer aufgewärmt hatte, beendete es seinen Streik. Auf Arbeitskämpfe am Nordpol habe ich definitiv keine Lust. Also schickte ich das Gerät wieder zurück.
In Zeitlupe
Die nächste Ernüchterung folgte, als ich Informationen über die Satellitenversorgung der Region um den Nordpol sammelte. Ich suchte den Rat mehrerer Arktisabenteurer. Übereinstimmend berichteten sie mir, dass ich nicht auf das vor zwei Jahren am Achttausender Manaslu genutzte Satellitennetz, das mir schnelle Datentransfers erlaubte, zurückgreifen könne. Es erreiche die unmittelbare Umgebung des Nordpols schlichtweg nicht. Das am Nordpol verfügbare Netz schaffe in der gleichen Zeit nur einen Bruchteil der Datenmenge – kein Streikender wie das Netbook, aber ein Zeitlupen-Arbeiter.
Auch die im Himalaya bewährte Solarstromanlage taugt für die Arktis kaum. Das Sonnenlicht ist zu Anfang des arktischen Sommers schwach, das Solarpanel müsste entsprechend groß ausfallen. Mit anderen Worten: Unpraktisch für Polarreisende, die ihr Material im Schlitten hinter sich herziehen.
Kältefest
Es musste also eine Speziallösung her. Hier ist sie: Ich werde eine kleine digitale Fotokamera und ein Aufnahmegerät benutzen, die ich jeweils am Körper tragen kann. Sie werden mit kleinen Lithium-Batterien betrieben, die bis zu einer Temperatur von minus 55 Grad arbeiten.
Texte und Fotos gebe ich am Abend dann in einen PDA ein, einen nur handgroßen Computer. Von dort wandern die mittels Spezialprogramm komprimierten Daten per Satellitenhandy ins Internet. Die Stromversorgung des Computers und des Telefons läuft über eine Spezialkonstruktion eines Schweizer Elektrikers, die unser Expeditionsleiter Thomas Ulrich bereits bei seiner letzten Expedition eingesetzt hat.
Tonmaterial kann ich wegen der niedrigen Datenübertragungsrate nicht überspielen. Doch ich plane, per Satellitentelefon direkt Tagesberichte abzusetzen, die dann als Audio (mp3)-Anhänge im Blog erscheinen sollen. Wenn sich im ganzen System nicht doch noch irgendein Streikposten versteckt hat, der mich bei minus 35 Grad zu Verhandlungen zwingt.