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Badetag mit Hindernissen

Alles spricht für einen Routinetag. Ich habe mich schon gedanklich darauf eingestellt, etwas über den Expeditionsalltag zu schreiben. Gut, die Temperatur ist auf minus 37 Grad gefallen, Kälterekord während unserer Expedition. Doch was machen schon ein paar Grad mehr oder weniger in diesem Tiefkühl-Bereich? Eine Steigerung für saukalt gibt es nicht.
Wir spulen also Kilometer um Kilometer ab. Ich habe das Gefühl, dass ich inzwischen meinen Laufrhythmus gefunden habe. Allein der Kräfteverschleiß macht sich bemerkbar. Poldi muss sich einige Flüche anhören.

Ab ins Wasser


Strandbad mit Nordpolnähe

Plötzlich stehen wir vor einer großen dampfenden Wasserrinne. Thomas klettert auf einige grössere Eisblöcke, um nach einer Möglichkeit zu suchen, das offene Wasser zu umgehen. Keine Chance.
Der Plan unseres Expeditionsleiters sieht so aus: Wir befestigen an seinem Schlitten, der im Vergleich zu unseren länger und an den Seiten höher ist, vorne und hinten Seile. Dann schwimmt Thomas in einem Polarmeer-tauglichen Ganzkörperanzug aus Plastik ans andere Eisufer. Er entleert den Schlitten, damit wir ihn wie eine Fähre nutzen können. Die Passagiere sollen sich flach mit dem Gesicht nach oben hineinlegen. Das Schlittenboot muss dann hin- und hergezogen werden. Auch unsere Schlitten sollen in ihrem großen Bruder liegend das andere Ufer erreichen.

Verdammte Knoten


Bademode der Arktis

Thomas schlüpft in den Spezialanzug und sieht nun aus wie aus einem Science Fiction-Film entsprungen. Wir gehen zur schmalsten Stelle der Rinne, etwa zehn Meter breit. Da die Seile zu kurz sind, verlängern wir sie mit einer Schnur, die mich an eine Drachenschnur erinnert. Und dann geschieht genau das, was sicher jedem widerfährt, der häufiger Drachen steigen lässt. Genau in dem Augenblick, in dem Thomas ins Wasser gestiegen ist, verheddert sich die Schnur. Zu dritt versuchen wir, das Knäuel zu entwirren. Dazu müssen wir die Handschuhe ausziehen. Immerhin gelingt es uns, so viel Schnur zu retten, dass Thomas mitsamt Schlitten das andere Ufer erreichen kann.


Bad im Polarmeer

Rennen gegen die Zeit

Als erster Passagier steigt Eugen ein, legt sich auf den Rücken, mit angeschnallten Skiern. Der Schlitten neigt sich bedenklich zur Kopfseite, bleibt jedoch über Wasser. Als nächster bin ich an der Reihe. Thomas mahnt zur Eile, da sich die Rinne weiter öffnet. Die Überfahrt ist sehr angenehm. Ich liege auf dem Rücken, blicke in den strahlend blauen Himmel und könnte fast vergessen, wo ich mich befinde. Bis es unter dem Boden schrappt und ich schnell hinausklettern muss.
Die Rinne verbreitert sich zunehmend. Während Thomas auf der einen und Frank auf der anderen Seite den Schlitten hin- und zurückziehen, suchen die anderen fieberhaft nach Möglichkeiten, das Seil zu verlängern. Ich löse die Zeltschnüre, mit bloßen Fingern, da es mit Handschuhen unmöglich wäre.

Eine lustige Seefahrt

Inzwischen haben alle Schlitten und auch Arnold übergesetzt. Jetzt fehlt nur noch Frank. Doch ausgerechnet jetzt gehen uns die Schnüre aus. „Bringt Skistöcke!“, ruft Arnold. Gemeinsam mit Thomas knotet er sie an das gestückelte Seil. Es ist gerade lang genug, dass Frank den Schlitten zu sich ziehen und einsteigen kann. Auf der Überfahrt singt er: „Eine Seefahrt, die ist lustig…“ Als auch er sicher gelandet ist, löst sich die Spannung in Jubelgeschrei. Das war knapp. Die Distanz zwischen beiden Ufern hat sich mittlerweile fast verdoppelt. Gut, dass ich vor der Expedition eine Kerze im Kölner Dom entzündet habe.

Eiskalte Finger

Nach der Adrenalin treibenden Aktion versuchen wir alle, unseren eiskalten Fingern wieder Leben einzuhauchen. Kurz darauf machen wir uns erneut auf den Weg. Nach neun Stunden, in denen wir 15 Kilometer zurückgelegt haben, schlagen wir die Zelte auf. Bis zum Nordpol fehlen uns noch 32 Kilometer. Der heutige Zwischenfall wird uns sicher immer in Erinnerung bleiben. „Beim nächsten Mal packe ich längere Seile ein“, sagt Thomas und grinst.

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Datum

0 10.04.2009 | 17:21

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An der Grenze des Erträglichen


Halb-Nordpolisten

Zweite Tagesrast. Plötzlich wurde Thomas ganz ernst: „Ich habe euch etwas Offizielles mitzuteilen. Wir haben mehr als die Hälfte der Strecke zum Nordpol geschafft. Und das in nur vier Tagen. Reife Leistung bei der Kälte.“ „Nicht bei, sondern wegen der Kälte“, korrigierte Arnold. Und Frank fügte hinzu: „Ich laufe nur so schnell, weil ich auf Spitzbergen ein Pfeffersteak essen will.“ Eugen freute sich still. Er hatte seinen Spruch des Tages schon am Morgen geliefert. „Ein Triathlon ist doch gar nichts gegen das, was wir hier machen. Wir sind nicht die Ironmen, wir sind die Diamondmen.“ Mit anderen Worten die ganz Harten.

Poldi bockt


Schwierige Passage

Da ahnte Eugen wohl schon, was auf uns zukommen würde. Wir mussten so viele Presseis-Rücken, willkürlich aufgeschichtete Eisblöcke, überwinden, wie an keinem der ersten Tage. Mehrfach bockte mein Schlitten Poldi. Ob er schon für die Geissböcke trainierte? Er verkantete sich so im Eis, dass ich ihn ohne Hilfe nicht freibekam. Als Zugesel sah ich in diesem Augenblick sicher ziemlich dämlich aus. Meist eilte dann Thomas zu Hilfe.

Pfadfinder Thomas


Suche nach dem besten Weg

Ohne ihn wären wir hier verloren. Er sucht den am besten begehbaren Weg durch das Eislabyrinth. Immer nach Norden. Dabei benutzt er nur von Zeit zu Zeit das GPS-Gerät, um die Position zu überprüfen. Ansonsten navigiert er nach der Sonne. Die bewegt sich in der Stunde auf einem gedachten Kompass um 15 Grad. Um 0 Uhr steht sie genau im Norden. Man muss nur die genaue Ortszeit des Längengrads kennen und schon kann man leicht die eigene Gehrichtung überprüfen. Thomas hat uns auch erklärt, dass man auf dunkle Streifen am arktischen Himmel achten sollte. Dabei handelt es sich um Lichtreflektionen offenen Wassers. Und das sollte man nach Möglichkeit meiden.

Leicht wie eine Feder

Wir mussten heute auch wieder eine heikle Stelle überwinden. „Trampolineis“ nannte Thomas den wackligen Untergrund. Bevor ich hinüberfuhr, gab er mir noch mit auf den Weg: „Wenn du zu hart belastest, liegst du drin.“ Daraufhin glitt ich leicht wie eine Feder über das dünne Eis.

Nordpol als Ostergeschenk?

Nach achteinhalb Stunden bei minus 30 Grad Celsius krochen wir erschöpft in die Schlafsäcke. Thomas hatte uns ganz schön gefordert. „Hart an der Grenze des Erträglichen“, urteilte Eugen. 17,9 Kilometer sind wir dem Nordpol näher gekommen. Noch fehlen 47,3 Kilometer. Sollte das Wetter stabil bleiben und wir das Tempo durchhalten, könnten wir den Pol bereits am Sonntag erreichen. Das wäre doch ein feines Ostergeschenk.

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Datum

0 09.04.2009 | 20:50

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Poldis Foul


Schön, aber kalt

Schon auf den ersten Metern spürte ich: Das wird nicht mein Tag. Alpine Skifahrer kennen den ominösen dritten Tag. Die Euphorie der ersten beiden Tage ist plötzlich verflogen. Man schlüpft in die Skier und sie gehorchen nicht mehr. Ständig setzt man sich auf den Hosenboden. Genau so erging es mir. Dazu hatte ich noch ein flaues Gefühl in den Beinen. Mein Schlitten Poldi schien plötzlich mit Blei beladen. Erst nach der ersten Rast ging es etwas besser. Bei einem Skiurlaub kann man sich in die Hütte setzen, hier musst du dich durchbeißen.

Wie eine Dampflok

Es war der Tag der Premieren. Erstmals hörten wir das Eis arbeiten. Es klang wie das Schnauben einer altersschwachen Dampflokomotive. Wir konnten auch sehen, wie sich eine dünne Eisscholle langsam vorschob. Das Spektakel ereignete sich auf einer Eisfläche, die wie ein frisch zugefrorener Weiher aussah. Thomas ermahnte uns, genau auf ihn zu achten. Wenn er den Skistock höbe, sollten wir wegen der dünnen Eisdecke Abstand zueinander halten. Der Stock blieb unten, das Eis hielt.

Nicht allein in der Eiswüste

Premiere Nummer zwei waren Tierspuren. Für einen Eisbären waren sie eindeutig zu klein. Sie gehörten zu einem Polarfuchs, der hier vor kurzem vorbeigelaufen war. Wir sind also nicht allein in der Eiswüste. „Heute ein Fuchs, morgen ein Eisbär“, meinte Frank mit einem breiten Grinsen.


Tägliche Hindernisse

Vorsicht, Wasser!

Und noch eine Neuigkeit gab es. Zum ersten Mal mussten wir offenes Wasser überqueren, eine etwa zwei Meter breite Rinne. In der Mitte war ein kleines Stück zugefroren, über das wir ans andere Ufer gelangen sollten. Thomas legte seinen langen Schlitten quer über die Rinne und meinte lakonisch: „Wenn ihr einbrecht, zieht euch auf den Schlitten.“ Ich muss ehrlich gestehen, dass ich ein leicht mulmiges Gefühl hatte. Schließlich verbirgt sich unter dem Eis ein 4000 Meter tiefes Meer. Als ich meinen Schlitten namens Poldi hinter mir her in die Rinne zog, rutschte er mir in die Hacken. Ich wurde nach vorne geschoben und landete mit den Skispitzen im Wasser. Gott sei Dank rutschte ich nicht weiter und so konnte ich mich wieder rückwärts auf sicheren Boden zurückziehen. Das war ein übles Foul Poldis. Auf dem Fussballplatz hätte er wegen des Tritts von hinten mindestens die gelbe Karte gesehen. Im zweiten Anlauf gelangte ich sicher über die Rinne.
Bisher sind alle von Schäden verschont geblieben. Noch hat sich keiner eine Frostbeule zugezogen, auch wenn das Thermometer immer noch minus 30 Grad und darunter anzeigt.
Unsere Tagesbilanz kann sich sehen lassen: 17,8 Kilometer in acht Stunden. In der Zeit machten wir nur zwei Pausen. „Die sind zum Kotzen“, sagte Arnold, „weil es verdammt kalt ist und man ganz schnell auskühlt.“
Nach dem heutigen Kraftakt werden wir sicher bestens schlafen. Und vom Nordpol träumen, der noch 65,5 Kilometer entfernt ist. Oder von einem heißen Bad oder von den Lieben daheim.

P.S. Franks Freundin Sylvia, nach der er seinen Schlitten benannt hat, feiert heute Geburtstag. Das Nordpol-Team gratuliert herzlich und schenkt ihr ein besonderes Foto von Frank.


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Datum

0 08.04.2009 | 19:46

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Träumen von der heißen Dusche

Eugen hat sich schon angemeldet. „Wenn wir wieder auf Spitzbergen sind, gehe ich als Erster lange heiß duschen.“ Sagt es und kriecht wieder ein Stück tiefer in den Schlafsack hinein. Die Kälte bleibt für uns das beherrschende Thema. Auch heute hat sie uns wieder tüchtig zugesetzt.

Wir lachen doch über Tiefkühlschränke


Eiswandern

Es begann schon in der Nacht. Trotz Arktis-Spezialschlafsack froren wir. Tiefkühlschränke sind gegen die Kälte hier ein Witz. Während die Elektrogeräte meist bei minus 18 Grad Celsius betrieben werden, schlagen wir uns mit Temperaturen jenseits von minus 30 Grad herum.

Hühnertanz

Alle fürchten vor allem um ihre Finger. Mehrfach wedelten wir wie aufgescheuchte Hühner mit unseren Armen, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Hätte uns ein Eisbär dabei beobachtet, hätte er uns wahrscheinlich den Vogel gezeigt. Apropos – weder von Eisbären, noch von Vögeln, noch von anderen Lebewesen gibt es hier eine Spur. Nichts, nur wir und das Eis.

Faule Sonne

Langsam, aber sicher verliere ich nicht nur das Gefühl für den Raum, sondern auch für die Zeit. 24 Stunden lang scheint die Sonne und wärmt doch nicht. Wahrscheinlich wird sie hier nur fürs Leuchten bezahlt.


Eisimpressionen

Das Laufen durch die Eiswüste hat fast etwas Meditatives. Die Gedanken kreisen, landen aber doch immer wieder bei der alles beherrschenden Kälte. Acht Stunden lang haben wir ihr heute getrotzt.

Ein Lob zur rechten Zeit

15,3 Kilometer haben wir hinter uns gebracht – Luftlinie wohlgemerkt. 83 Kilometer fehlen noch bis zum Nordpol.
„Ihr schlagt euch wacker“, hat Expeditionsleiter Thomas nach der heutigen Etappe gesagt. Sicher wollte er uns auch ein bisschen Mut machen. Damit wir uns die warme Dusche auf Spitzbergen so richtig verdienen. Erst Eugen, dann wir anderen.

Datum

0 07.04.2009 | 22:10

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Muskelspiele der Arktis

Auf den Tag genau vor 100 Jahren will Robert Peary als erster Mensch den Nordpol erreicht haben. Am Jubiläumstag machen auch wir uns auf den Weg zum Pol.
Für Frank beginnt der Tag mit einem Fehlgriff. Er schaut in sein Frühstücksmüsli und ruft aus: „Da ist ja nur Schokolade drin!“ „Kein Wunder“, sagt Zeltnachbar Arnold, „du hast ja auch die Mousse au Chocolat genommen, den Nachtisch für abends.“

Eiszapfen an der Nase


Selbstporträt

Drei Stunden nach dem Wecken sind die Zelte abgebaut und die Schlitten gepackt. Wir starten bei minus 32 Grad Celsius. Dazu bläst ein leichter, aber durchdringender Wind. An der Neoprenmaske über Nase und Mund bilden sich kleine Eiszapfen. Die Sonnenbrillen packen wir schnell weg. Sie beschlagen von unserem Atem, der sofort gefriert.

Fleischeis

Die Kälte kriecht förmlich von allen Seiten in den Körper. Ich versuche ständig, Finger und Zehen zu bewegen, doch wärmer werden sie davon auch nicht. Linderung verschaffen die Pausen. Ich trinke warmes Wasser und esse Schweizer Schokolade sowie gefriergetrocknetes Fleisch, das zu einem einzigen Klumpen zusammengefroren ist.


Kräfte tanken trotz Kälte

Die Landschaft ist beeindruckend. Eis, so weit das Auge reicht, glatt, verweht oder aufgepresst, Brocken wie willkürlich hingestreut.

Braver Poldi

Mein Schlitten Poldi pariert übrigens prächtig. Er läuft fast wie am Schnürchen, ohne zu kippen, wie sein Namensgeber in Bestform.
Nach sechs Stunden erklärt Thomas die erste Tagesetappe für beendet. In Rekordzeit bauen wir die Zelte auf. Nur heraus aus der Kälte, hinein in den warmen Schlafsack!
Zwölf eiskalte Kilometer sind wir heute dem Nordpol näher gekommen. Die Arktis hat ein wenig die Muskeln spielen lassen. Was, wenn sie einmal richtig ernst macht?

Datum

0 06.04.2009 | 19:15

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