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Wolfgang: Den Weg zu Ende gehen!

Wolfgang ThielmannLiebe Astrid, liebe Mitfastende,

erst noch einmal ein Kompliment für den Song „Wenn ich mit Gott sprechen wollte“. Ich war dabei, als Sie ihn im Bonner Pantheon auf die Bühne gebracht haben. Hinreißend! Wir haben begeistert applaudiert.

Ja, es fängt an, weh zu tun. Wir kommen in eine entscheidende Zeit. Gestern musste ich der Arbeit die Mittagspause opfern. Als sich der Hunger meldete, waren im World Café nebenan nur noch gesüßter Müslijoghurt und Nussecken verfügbar. Einen Moment dachte ich an die kluge Regel, dass man am fremden Tisch, auf Reisen und bei schwerer Arbeit nicht fasten muss. Und war drauf und dran, meine Arbeit als schwer einzustufen. Dann habe ich der Versuchung widerstanden – und ließ eine Mahlzeit ausfallen. Und fragte mich, ob das sein muss. Heute hätte ich mich gern mit einem Eis für ein gutes Interview belohnt. Nein.

Bringt Fasten uns Gott näher? Erst lernen wir jemand anders kennen. Warum faste ich, obwohl ich nicht muss? Warum soll ich darauf achten, keinen Kaffee, keinen Alkohol und keinen Zucker zu mir zu nehmen, nicht zu rauchen? Weil es uns hilft, in uns zu gehen. Und zu fragen, was wir wirklich wollen. Da begegnen wir dann uns selber. Sehen den Sinn nicht mehr so ganz. Haben aber versprochen, dabei zu sein. Das erinnert mich daran, wie Paulus im Römerbrief schreibt, dass unsere Gedanken einander verklagen und entschuldigen. So anschaulich lässt sich das Gewissen beschreiben. Das sind wir, sagt die erste Erfahrung, ein Hin und Her.

Aber das ist nicht alles, was uns ausmacht. Deshalb ist Durchhalten wichtig. Manche Wege muss man zu Ende gehen. Erst an Ende des Weges sind wir wirklich bei uns selber angelangt.

Das zweite Buch der Könige im Alten Testament berichtet, dass der syrische General Naaman an Aussatz erkrankt. Da erfährt er vom israelischen Propheten Elischa (evangelisch: Elisa, katholisch: Elisäus, islamisch: Elyasa) und fährt sechsspännig bei ihm vor, um durch die Heilkräfte des Gottes Elischas der Krankheit zu entgehen – und der gesellschaftlichen Ächtung, denn als Seuchenträger würde er aus der Stadt vertrieben.

Elischa provoziert Naaman doppelt: Er bleibt im Haus und lässt seinen Diener Gehasi ausrichten, der General solle sich siebenmal im Jordan waschen. Siebenmal, nicht weniger. Naaman wird wütend, weil der Prophet ihm keine Ehre erweist: „Kann er nicht herauskommen und für mich beten, so dass ich gesund werde?“ Und Syrien, so entfährt es dem Befehlshaber, hat weit bedeutendere Flüsse als den Jordan, dieses Rinnsal, diesen besseren Dorfbach! Da soll er siebenmal hineinsteigen? Ein peinlicher Anblick, eine sinnlose Wiederholung, eine Demütigung. Seine Diener müssen ihn mit Engelszungen überreden. Schließlich lässt er sich herab und entledigt sich seiner Uniform, die sagen soll, wer er ist. Nach dem siebten Mal kommt er gesund aus dem Flüsschen. Und findet zu sich selber, denn er gibt anschließend Gott die Ehre.

Über die Geschichte Naamans hat in den Achtzigerjahren ein Freund gepredigt, Theo Lehmann. In Chemnitz, das damals eine Zeitlang Karl-Marx-Stadt hieß und in der DDR lag. Das Thema seiner Predigt lautete: Ein General geht baden. In der durchmilitarisierten DDR war das eine durchtriebene Provokation. Die Zuhörer grienten, weil sie die Ironie verstanden. Auch die Stasi hörte mit. Und setzte seine Kirche unter Druck, um ihn zur Ausreise zu bewegen. Doch er blieb – und dachte sich weitere durchtriebene Themen für seine Predigten aus.

Er hat als Zeuge des Evangeliums durchgehalten. Wenn wir beim Fasten durchhalten, gelangen wir am Ende zu uns selber. Gott allerdings begegnen wir nicht erst am Ende des Weges. Er geht den ganzen Weg mit, sagt die Bibel. Und Theo Lehmann auch.

Wenn es nochmal schwer wird, singen Sie!

Datum

0 13.03.2014 | 17:36

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