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Auf Wiedersehen, Kathmandu!


Stupa von Bouddhanath

Das Los hat entschieden. Beim gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant im Touristenviertel Thamel zogen wir aus einem Plastikbecher Papierzettelchen, auf denen sieben Mal die Eins und sechs Mal die Zwei stand. Wer die Eins erwischte, sitzt morgen um sieben Uhr früh im ersten Helikopter, der Richtung Sama zu Füßen des Manaslu fliegt. Die Zweier folgen eine Stunde später.

Russische Militärhubschrauber aus dem Afghanistan-Krieg

Bei den Fluggeräten handelt es sich nicht um Helikopter, wie man sie vielleicht von Rundflügen in den Alpen kennt, sondern um große russische Militärhubschrauber vom Typ MI 17, die einst im Afghanistankrieg eingesetzt wurden. Auch die Piloten sind Russen. „Garantiert nicht besoffen“, verspricht Ralf, unser Expeditionsleiter. Na dann kann ja nichts schief gehen.
Mit uns fliegen knapp vier Tonnen Gepäck: Zelte, Schlafmatten, Küchenmaterial, Lebensmittel, Bergsteiger-Ausrüstung, 80 Paar Trekkingschuhe für die Träger und, und, und… Eine Expedition ist eben kein Mittagsspaziergang.

Macht euch keine Sorgen!

Allen ängstlichen Lesern sei gesagt: Sollte sich jetzt ein kleines zeitliches Loch zum nächsten Bericht ergeben, liegt es aller Wahrscheinlichkeit nach an technischen Schwierigkeiten mit der Satellitenverbindung und nicht daran, dass die Hubschrauber zur unfreiwilligen Landung angesetzt haben.
Immer noch beunruhigt? Grundlos: Erstens habe ich heute an der Stupa von Bouddhanath, in der angeblich Asche von Buddha liegt, ein paar Butterlampen entzündet. Und zweitens, wie gesagt: die Piloten sind nüchtern. Darauf könnt ihr einen trinken!

Datum

Dienstag 17.04.2007 | 17:33

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Besuch bei Mahesh


Maheshs Familie (links eine Cousine seiner Frau)

Ein Tag zur freien Verfügung in Kathmandu, Zeit, einen guten Freund zu besuchen. Mahesh Budha arbeitet für eine hiesige Trekking-Agentur. 2003 war ich mit ihm gemeinsam im Himalaya wandern. Seitdem ist der Tourismus in Nepal wegen des Bürgerkriegs zwischen Militär und maoistischen Rebellen fast komplett zusammengebrochen.

Drei Wochen Arbeit im Jahr

Mahesh fand kaum noch Arbeit. „Pro Jahr führte ich im Durchschnitt zwei Trekking-Gruppen. Von diesen drei Wochen Arbeit mussten wir überleben.“ Das Geld reichte vorne und hinten nicht, um seine Frau und seine drei kleine Kinder zu ernähren. Mahesh musste Geld leihen. Jetzt kratzt er die Zinsen zusammen.
Zur Zeit hat der 31-Jährige einen regelmäßigen Job. 5000 Rupies verdient Mahesh im Monat, umgerechnet rund 45 Euro. Allein 3000 Rupies gehen für die Miete drauf.

Immer kleinere Wohnung

Alle fünf bis sechs Monate musste die Familie in immer kleinere, weil billigere Wohnungen umziehen. Ein kleines Zimmer für die Eltern, eines für die Kinder, eine Mini-Küche und eine Toilette – Maheshs Familie lebt räumlich und finanziell auf kleinstem Fuß. Eigentlich kann es nur aufwärts gehen. Vor allem, da jetzt doch wieder deutlich mehr Urlauber nach Nepal kommen. „Das ist wirklich ein gutes Zeichen“, sagt Mahesh. Aber das zarte Pflänzchen könne schnell zertrampelt werden. „Wenn sich die politische Lage verschlechtert, bleiben die Touristen wieder zu Hause.“

“Wir brauchen Frieden!“

Mahesh misstraut der Ruhe. „Ich glaube noch nicht daran, dass die für kommenden Sommer geplanten Wahlen auch wirklich zustande kommen. Eine fremde Macht hinter dem Vorhang will das verhindern“, sagt Mahesh und lässt offen, ob er damit China oder Indien meint. – Mein Freund träumt von besseren Zeiten: für sich, für seine Familie, für ganz Nepal. Aber das, so Mahesh, gehe nur unter einer Voraussetzung: „Frieden!“

Datum

Dienstag 17.04.2007 | 11:08

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Die Expedition beginnt


Namaste! Herzlich willkommen in Kathmandu. Mister Rai hängt jedem von uns einen geflochtenen Blumenkranz um den Hals. Das satte Orange und der Duft der frischen Tagetes weckt in uns die Lebensgeister, die noch sanft vor sich hinschlummerten. Schließlich haben sich einige von uns vor 28 Stunden auf den Weg gemacht – das schlaucht!

“Gurung, Gurung, bitte melden!“

Aus Frankfurt und München kommend treffen wir uns auf dem Flughafen Doha. Der Aufenthalt im Scheichtum Katar gerät dann doch einige Stunden länger als geplant. Zunächst fehlen vier Passagiere, deren Koffer bereits in die Maschine nach Kathmandu verladen sind. „Wenn P. Gurung, B. Gurung … im Flugzeug sitzen, mögen sie sich bitte beim Bordpersonal melden“, tönt es aus den scheppernden Lautsprechern. Wie überhaupt alles in diesem Flugzeug zu scheppern scheint. Die Ladeklappe schließt sich mit einem Geräusch, das mich an das Zusammenklappen unseres uralten Werkzeugkastens daheim erinnert. „Da wird gerade unser Gepäck gepresst“, witzelt Richard.

Scheppernde Rückkehr

Ohne die Gurungs und ihre Koffer starten wir schließlich mit einstündiger Verspätung aus Doha – aber nur, um eine halbe Stunde später zu erfahren, dass wir „wegen technischer Probleme“ zurückkehren müssen. Kurz vor der Landung werden scheppernd (was sonst) die Fahrwerke ausgefahren – gesund klingt anders! Ich erwische mich bei dem Gedanken, dass die Gurungs vielleicht doch die richtige Entscheidung getroffen haben.
Nach butterweicher Landung müssen wir die Maschine verlassen, die mittlerweile von fünf Technikfahrzeugen und einem Polizeiauto eingekreist ist. Es wird mir verboten, das ganze Szenario zu fotografieren.

Eine Mütze Schlaf

Nach einer weiteren Stunde im Terminal von Doha, in der wir vergeblich versuchen, eine bequeme Schlafstellung zu finden, besteigen wir ein anderes Flugzeug – das, oh Wunder, nicht scheppert. Jetzt endlich können wir Schlafmützen eine richtige Mütze Schlaf nehmen.
Kurz vor Kathmandu der erste Blick auf die Gipfel des Himalaya, die über die Wolkendecke hinausragen: das Dach der Welt, zum Greifen nah, wenn auch ein bisschen diesig.

Alle und alles wohlbehalten am Ziel

Am Flughafen der nepalesischen Hauptstadt empfängt uns Expeditionsleiter Ralf, der sich schon seit über zwei Wochen in Nepal aufhält. Während wir auf unsere Visa gewartet haben, hat er bereits das gesamte Gepäck zusammengesucht. Und oh Wunder: Alle Taschen, Tonnen und Säcke sind wohlbehalten eingetroffen. Namaste Kathmandu!

Datum

Montag 16.04.2007 | 10:09

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Höhentraining im Flachland

Als Flachlandtiroler habe ich ein Problem. Wie soll ich bloß den Ratschlag zur Vorbereitung auf die Manaslu-Expedition umzusetzen? „Wir empfehlen dringend, die vor der Abreise liegenden Wochenenden zu Akklimatisations-Skitouren in den Alpen zu nutzen“, heißt es in meinen Unterlagen. Die Alpen sind weit, das Rheinland ist bestenfalls hügelig, und Schnee war in diesem Pseudowinter ohnehin ein Fremdwort.

Pfuschen mit Anleitung

Da hilft nur pfuschen – unter wissenschaftlicher Anleitung: Das Kölner Institut „Höhenbalance“ bietet Vorbereitungskurse für Trekking-Touren und Expeditionen in große Höhen. Das langfristige Programm mit 20 Einheiten zur Vorakklimatisation kostet 299 Euro, die Expressversion, fünf Mal in einer Woche, 199 Euro. Das Zauberwort heißt Hypoxie, übersetzt Sauerstoffmangel.

Wenig Sauerstoff, viel Wirkung

Dem Körper wird vorgegaukelt, er befinde sich in großer Höhe. Und das funktioniert so: Mittels Atemmaske oder in einer isolierten Kammer wird Luft mit einem reduzierten Sauerstoffanteil zugeführt.
In der Natur ist dieser Anteil in der Atemluft mit rund 21 Prozent zwar konstant. Mit zunehmender Höhe sinkt aber der Druck, mit dem der Sauerstoff in die Lungen gepresst wird. Auf 5000 Metern Höhe ist er nur noch halb so hoch wie am Meer.
Der Effekt ist also der gleiche wie beim Training mit der Hypoxie-Maske: der Körper muss mit weniger Sauerstoff auskommen – und reagiert: zunächst mit schnellerer Atmung, später mit der Produktion zusätzlicher roter Blutkörperchen.
Jan Ullrich, inzwischen gefallener Radsport-Star, hat eine Hypoxie-Kammer im Keller. Und auch andere Leistungssportler wie die Judo-Nationalmannschaft vertrauen auf das Training mit sauerstoffarmer Atemluft.

Großglockner in Köln

„Das ist natürliches Doping“, sagt Sportwissenschaftler Harry Mutschler, bevor er mir die Atemmaske aufzieht und mich auf das Laufband schickt. Während des Versuchs kontrolliert er per Brustgurt meine Herzfrequenz und mit einem sogenannten Pulsoxymeter die Sauerstoffsättigung im Blut. Das Laufband simuliert eine Steigung von 20 Prozent bei gemütlichem Gehtempo.
Zunächst habe ich mehr mit der ungewohnten Maske, als mit der Anstrengung zu kämpfen. Doch ab einer simulierten Höhe von etwa 2000 Metern merke ich, dass ich kurzatmiger werde. Gierig ziehe ich bald die Luft durch den Mund ein, statt durch die Nase. Und spüre, wie sich die ersten Schweißperlen bilden. Als Harry Mutschler bei einer angenommenen Höhe von 3800 Metern das Laufband stoppt, ist die Maske beschlagen und mein T-Shirt verschwitzt. Immerhin, den Großglockner habe ich schon einmal bestiegen, und das mitten in Köln.

Alarm in der Klinik

Als ich, befreit von der Maske, wieder zu Atem gekommen bin, will ich von Mutschler natürlich wissen, ob ich höhentauglich bin. Seine Antwort lässt mich erst einmal zusammenzucken: „Die Sauerstoffsättigung ist gegen Ende bis auf ein Niveau gesunken, bei dem in einer Klinik die Alarmglocken schrillen und die Schwestern Sauerstoff geben würden.“.
Doch das sei ganz normal und sogar beabsichtigt, beruhigt Mutschler mich. „Der Körper soll ja gereizt werden, um darauf zu reagieren.“ Entscheidend sei, wie schnell sich Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz wieder normalisierten „und das war bei ihnen sehr gut“. Der Flachlandtiroler darf also hoffen.

Datum

Mittwoch 28.03.2007 | 11:02

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Der Expeditionsleiter: Ralf Dujmovits

Die Todesrate bei Extrembergstei- gern, die Jahr für Jahr auf Expedition gehen, ist sehr hoch: „Zwischen 50 und 80 Prozent“, schätzt etwa der Schweizer Arzt und Bergsteiger Oswald Oelz.
Ralf Dujmovits ist der lebende Beweis dafür, dass Statistiken Ausnahmen zulassen. Ãœber 40 Expeditionen im Himalaya und Karakorum hat der 45-Jährige hinter sich und überlebt. „Ich habe nicht den Glauben, unverletzlich zu sein“, sagt Dujmovits. „Nach wie vor verspüre ich eine gewisse Angst, die mir immer sehr deutlich sagt, wann ich an der Grenze unterwegs und wann ich auf der sicheren Seite bin.“
Dujmovits hat einen Sohn und eine Tochter. Kurz vor der Expedition zum Manaslu heiratete er Gerlinde Kaltenbrunner, die mit neun Achttausendern erfolgreichste Extrembergsteigerin der Welt. Mit Gerlinde und seinem Sohn Joshua lebt Dujmovits in Bühlertal im Schwarzwald – wenn er nicht gerade wieder unterwegs ist.
Seit 17 Jahren veranstaltet der Bergführer mit seinem Unternehmen Amical alpin Expeditionen und Trekkingreisen in fünf Kontinente und bietet Ausbildungskurse in den Alpen an. Auf den Gipfeln von elf der 14 Achttausender hat Dumovits bereits gestanden. Damit ist er der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger.
Der Manaslu fehlt noch in seiner Sammlung. 2002 kehrte er kurz vor dem Gipfel um und brachte eine höhenkranke Bergsteigerin seines Teams sicher ins Tal. „Ich bin so weit Bergführer-Profi, dass ich mein persönliches Ziel beiseite schieben kann. Ich würde mich diesmal genauso verhalten“, sagt Ralf Dujmovits. Es sei wichtig, den Gipfel zu erreichen, „vorrangig geht es aber darum, dass alle wieder gesund herunterkommen“.

Datum

Freitag 23.03.2007 | 07:02

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