Das Team: Angelo Vedani
geboren am: 30.1.1952
Familienstand: verheiratet, zwei Kinder
lebt in: Basel
arbeitet als: Biophysiker
höchster bisher erreichter Punkt: 8201 m, Cho Oyu (Tibet)
Und der Manaslu? „Ich bin jetzt 55 Jahre alt, seit über 30 Jahren unterwegs, zwei Mal an einem Achttausender erfolgreich. Dass wäre ein schöner Abschluss.“
Der Reporter: Stefan Nestler
Das Meer sah ich im Alter von 16 Jahren zum ersten Mal. Bis dahin hatten alle Familien-Urlaube in die Alpen geführt. Vielleicht rührt daher meine besondere Beziehung zu den Bergen. Nach einem traumatischen Erlebnis in der Jugend hatte ich viele Jahre lang extreme Höhenangst. Als inzwischen 44-Jähriger habe ich sie so weit im Griff, dass ich Gipfel wieder auf zwei Beinen statt auf allen Vieren besteigen kann. Dennoch würde ich mich eher als ambitionierten Bergwanderer, denn als Bergsteiger bezeichnen.
Als Journalist bei der Deutschen Welle beschäftige ich mich seit mehreren Jahren mit dem Bergsport. Das „Jahr der Berge“ 2002 öffnete mir das Tor zum Himalaya. Ich machte eine Reportage-Trekkingreise nach Nepal zum Basislager des Mount Everest. Seitdem bin ich vom Virus der höchsten Berge befallen. 2003 berichtete ich aus Kathmandu über die Feiern zum 50 Jahr-Jubiläum der Everest-Erstbesteigung. Ein Jahr später folgte eine Reportage-Trekkingreise zum Basislager am K 2, dem zweithöchsten Berg der Erde, einem meiner persönlichen Traumberge.
2005 war ich dann mit den Bergsteigern Ralf Dujmovits, Gerlinde Kaltenbrunner und Hirotaka Takeuchi in Tibet unterwegs. Aus dem Basislager zu Füßen der Nordwand des Mount Everest berichtete ich täglich für DW-Radio und DW-Online über die Expedition. Bei dieser Gelegenheit stellte ich meinen persönlichen Höhenrekord auf: 5800 Meter.
In den Urlauben mit meiner Frau und unseren fünf Kindern bevorzuge ich zum Wandern und Skifahren die im Vergleich zum Himalaya einige tausend Meter niedrigeren Berge der Alpen.
Die ersten Deutschen auf dem Manaslu
Auch im Frühjahr 1973 zeigt der Manaslu seine Krallen. „Der Vormonsun hatte es wirklich in sich. Wir hatten innerhalb von vier Wochen fast fünf Meter Neuschnee“, erinnert sich Sigi Hupfauer.
Gerhard Schmatz, ein Notar aus Neu-Ulm, hat die Expedition organisiert. Sigi Hupfauer, der ebenfalls nahe Ulm lebt, gehört zum achtköpfigen Team, das auf der Route der japanischen Erstbesteiger über die Nordostflanke des Bergs den 8163 Meter hohen Gipfel erreichen will.
Erfrierungen nach Schneesturm
Ein erster Versuch von drei Teammitgliedern am 15. April scheitert. Hupfauer und Schmatz beobachten aus ihrem Zelt in 5600 Metern Höhe, wie die Seilschaft in einen Wettersturz gerät. Mit Mühe und Not entkommen die Bergsteiger dem Schneesturm, der Preis sind mehr oder weniger schwere Erfrierungen.
Wie Sardinen in der Dose
Nun steigen Hupfauer und Schmatz mit dem Sherpa Urkien Tshering auf. Am 21. April erreichen sie das letzte Lager auf 7500 Metern. Der Sturm hat nur ein kleines Zweimann-Zelt verschont. In ihm verbringen die drei Bergsteiger, wie Ölsardinen in der Dose liegend, eine stürmische und eiskalte Nacht. An Schlaf ist nicht zu denken.
„So viele starben hier“
Der Morgen des 22. April, Ostersonntag: Das Wetter beruhigt sich ein wenig. Schmatz und Urkien wollen dennoch umdrehen. Der Sherpa hat Angst: „So viele Menschen sind hier schon gestorben.“ Doch Sigi Hupfauer überredet die beiden, einen Gipfelversuch zu wagen: „Ich war damals eben ein Heißsporn. Und wir hatten doch so viel Geld und Energie in das Projekt gestickt!“
Tränen der Freude
Hupfauer und Schmatz werfen ihre Sauerstoff-Flaschen nach wenigen Metern in den Schnee, weil sie keine Luft bekommen. Die Ventile sind zugefroren.
Gegen 15 Uhr erreichen die drei Bergsteiger den höchsten Punkt. „Ich war richtig glücklich. Gerhard hat mich umarmt und vor Freude geheult“, erzählt Sigi Hupfauer. Sie sind die ersten Deutschen auf dem Gipfel des Manaslu, für beide ist es der erste Erfolg an einem Achttausender.
Abstieg im Gewitter
Viel Zeit zum Genießen bleibt ihnen nicht. Der Himmel hat sich wieder zugezogen. Während des Abstiegs geraten die drei Bergsteiger in ein schweres Gewitter. Donner kracht, Blitze zucken. „Ich konnte in dem eisigen Gelände nicht mal meinen Pickel wegwerfen“, sagt Hupfauer, „wir sind um unser Leben gerannt. Ich habe gebetet, dass nichts passiert. Wir haben Glück gehabt.“
Und später …
Gerhard Schmatz erreichte später als erster Deutscher die sogenannten „Seven Summits“, die höchsten Gipfel aller Kontinente, inklusive Antarktis. 2005 starb er im Alter von 75 Jahren. Sigi Hupfauer bestieg insgesamt acht Achttausender, darunter den Mount Everest. Auch mit inzwischen 66 Jahren klettert er noch regelmäßig oder geht auf Skitour.
Sigi Hupfauer heute
Manaslu-Chronik
Gyaltsen Norbu bei der Erstbesteigung 1956
1950 Eine Gruppe um den englischen Forscher und Bergsteiger Harold William Tilman erforscht erstmals den Manaslu.
1952-55 Vier japanische Expeditionen erkunden Aufstiegsmöglichkeiten. 1953 wird eine Höhe von 7750 Metern erreicht.
1956 Der Japaner Toshio Imanishi und der Sherpa Gyaltsen Norbu erreichen am 9. Mai als erste den Gipfel des Manaslu. Sie benutzen Sauerstoff-Flaschen. Die Route über die Nordost-Flanke ist die heutige Normalroute.
1971 Japaner erschließen eine neue Route durch die Nordwestwand.
1972 Der Südtiroler Reinhold Messner durchsteigt als Erster die Südwestwand, gleichzeitig die erste Besteigung des Manaslu ohne Einsatz von Flaschen-Sauerstoff. Zwei Expeditionsmitglieder sterben in einem Schneesturm.
1972 Auf der Nordseite werden 15 Mitglieder einer koreanischen Expedition von einer Lawine verschüttet – die bisher größte Katastrophe am Manaslu.
1973 Gerhard Schmatz und Sigi Hupfauer erreichen über den Normalweg als erste Deutsche den Gipfel.
1974 Drei japanische Bergsteigerinnen besteigen, begleitet von einem Sherpa, über die Nordostseite den Manaslu. Es ist die erste erfolgreiche Frauen-Expedition an einem Achttausender.
1981 Erste erfolgreiche kommerzielle Expedition am Manaslu: 13 Mitglieder einer von „Sport Eiselin“ aus der Schweiz organisierten Expedition erreichen den höchsten Punkt.
1984 Den Polen Maciej Berbeka und Ryszard Gajewski gelingt die erste Winterbesteigung des Manaslu: über die Südwestwand.
1986 Die Polen Jerzy Kukuczka und Artur Hajzer steigen über eine neue Route am Ostgrat auf den Gipfel und durch die Nordostwand hinunter.
1991 Den Ukrainern Aleksei Makarov, Igor Svergun und Viktor Pastuch gelingt die erste vollständige Ãœberschreitung des Bergs: Aufstieg durch die Südwestwand und im oberen Teil über den Südgrat, Abstieg über die Normalroute an der Nordostflanke des Bergs.
2002 Im Vormonsun erreichen neun Teilnehmer und zwei Sherpas einer von AMICAL alpin organisierten Expedition auf dem Normalweg den Gipfel des Manaslu.
2006 Die Kasachen Denis Urubko und Sergej Samoilov erschließen eine neue Route durch die Nordostwand.
Kommerzielle Expeditionen – eine Gratwanderung
Die Auswüchse am Mount Everest haben die kommerziellen Expeditionen in Verruf gebracht: Dort finden sich zuweilen zahlende Kunden, die kaum Bergerfahrung haben, sich aber auf den höchsten Gipfel der Erde bringen lassen wollen – gezogen von Sherpas, die dazu noch das gesamte Gepäck schultern. Schon in 5000 Metern Höhe greifen manche Everest-Anwärter zu künstlichem Sauerstoff.
„Mit dem Moped bei der Tour de France“
„Das ist so, als würde jemand mit dem Moped die Tour de France mitfahren und sich in Paris zum Sieger küren lassen. Mit Bergsteigen hat das nichts mehr zu tun“, findet Ralf Dujmovits.
Seit 17 Jahren bietet er mit seinem Unternehmen „AMICAL alpin“ Expeditionen im Himalaya und Karakorum an. Die höchsten Achttausender wie Mount Everest und K 2 hat Dujmovits aber seit langem aus seinem Angebot herausgenommen. „Nach einer Nacht in der Todeszone über 8000 Metern sind wir auch als erfahrene, leistungsstarke Bergführer selbst so geschwächt, dass wir bei einem Notfall nicht mehr helfen könnten.“
Wenige Veranstalter verzichten auf die sprudelnde Einnahmequelle Mount Everest. Jahr für Jahren drängeln sich mehrere hundert Bergsteiger aus kommerziellen Expeditionen in den Basislagern auf der nepalesischen und der tibetischen Seite.
Gipfel wichtiger als Abenteuer
Neben dem Prestige-Berg Mount Everest sind die technisch einfacheren Achttausender Cho Oyu und Shishapangma die bevorzugten Ziele der zahlenden Kunden. Dort ist die Chance relativ groß, den höchsten Punkt zu erreichen. „Die Leute gehen dem eigentlichen Abenteuer aus dem Weg“, sagt Dujmovits, „sie haben viel Geld, Zeit und Kraft eingesetzt, da wollen sie auch einen Gipfel mit nach Hause bringen.“
Fehlerhafte Selbsteinschätzung
Ralf Dujmovits legt bei seinen Expeditionen großen Wert auf die Auswahl der Teilnehmer. Er behält sich auch vor, Kunden abzulehnen, wenn er glaubt, dass sie mangels Erfahrung für die Expedition nicht geeignet sind. Seit einiger Zeit beobachtet Dujmovits, dass es den Bergsteigern zunehmend an richtiger Selbsteinschätzung fehlt: „Viele haben das große Ziel schon so in ihrem Ego verankert, dass sie trotz stichhaltiger Argumente kaum noch davon abzubringen sind.“
„Ein Stück weit lebensgefährlich“
Wahrscheinlich verdrängen die Hobby-Bergsteiger, dass selbst bei perfekter Organisation und bestem Risikomanagement durch einen kommerziellen Veranstalter der Ausflug zu den höchsten Bergen der Welt tödlich enden kann. Ralf Dujmovits nimmt kein Blatt vor den Mund: „Das Bergsteigen wird auch weiterhin ein Stück weit lebensgefährlich bleiben. Das gehört einfach zu unserem Sport dazu.“