More DW Blogs DW.COM

In der Dorfschule von Sama


“Namaste, Namaste!“ schallt es mir entgegen. Zum Willkommensgruß falten die Kinder die Hände wie zum Gebet. 30 Mädchen und Jungen im Alter zwischen fünf und 14 Jahren werden hier unterrichtet. Der Schultag beginnt früh um sechs Uhr und endet abends um 19 Uhr. Die Kinder essen und schlafen in der Schule. Auf dem Stundenplan stehen tibetischer Buddhismus und die eher klassischen Fächer: Lesen, Schreiben, Rechnen, Nepali und auch Englisch.

Ãœbungshefte fehlen

„Die normalen Bücher werden von der Regierung zur Verfügung gestellt“, sagt Tsering. Der 21- Jährige ist einer von zwei Lehrern der Dorfschule. „Probleme gibt es nur wenn wir andere Unterrichtsmaterialien wie etwa Ãœbungshefte brauchen.“ Dann ist die Schule auf Spenden von Trekkingtouristen und Bergsteigern angewiesen, die Sama besuchen.

Einer von hundert wird Mönch

Der Besuch der Dorfschule kostet so gut wie nichts. Eine weiterführende Schule ist für die meisten Familien allerdings zu teuer. Daher bleibt die Dorfschule fast immer für die Kinder die einzige Bildung in ihrem Leben. „Es sei denn, der Schüler wird Mönch“, sagt Tsering. Im Schnitt gehe ein Schüler von hundert ins Kloster.


Dunkler Klassenraum

Eine kleine Tafel steht im Klassenraum, dahinter zwei Tische und Bänke. Der Raum ist so dunkel ist, dass ich aus drei Metern Entfernung kaum noch die Schrift auf der Tafel lesen kann. Schlecht für die Augen, die bei einigen Kindern ohnehin schon fast zugeschwollen sind – Folge der in den Häusern und Hütten üblichen offenen Feuerstellen.
Bald soll eine neue Schule gebaut werden. Die Steine liegen schon aufgeschichtet an der geplanten Stelle zwischen dem Dorf und dem Kloster. Der japanische Bergsteigerverein finanziert das Projekt.

Ein Jongleur als Attraktion

Auf dem Schulhof beginnt Richard mit drei Steinen zu jonglieren. Schnell bilden die Kinder einen Kreis um ihn und bestaunen seine Kunststücke. Es dauert nicht lange, bis sich die ersten Schüler kleine Steine nehmen, um kichernd Richard nachzueifern. Die Vorstellung endet jedoch schlagartig, als das Signal zum Mittagessen ertönt. Genug Kleinkunst, der Magen knurrt.

P.S. Wir steigen am Samstag auf 4800 Meter Höhe und bauen dort unser Basislager auf. Den nächsten Bericht gibt es deshalb erst am Sonntag

Datum

Freitag 20.04.2007 | 11:07

Teilen

Ein Tag zum Akklimatisieren


Der Manaslu ist ein Frühaufsteher. Um 5.30 Uhr zeigt er sich erstmals in seiner ganzen Pracht. Wenig später lecken die ersten Sonnenstrahlen an seinem 8163 Meter hohen Gipfel. Glücklicherweise ist mein Zelt so aufgebaut, dass ich im Schlafsack liegen bleiben kann und nur den Ausguck zu öffnen brauche, um den majestätischen Anblick zu genießen. Zur Frühstückszeit um sieben Uhr ist die Audienz beendet, der Manaslu versteckt sich wieder hinter den Wolken.


Gemeinsames Frühstück

Unsere Zelte stehen auf einem idyllischen Plateau, 3585 Meter hoch, oberhalb des Dorfes Sama. Im Hintergrund rauscht ein Bach, für Wasser ist also gesorgt.

Große Höhe-dicker Kopf

Wir lassen es langsam angehen. Der Sprung um rund 2000 Höhenmeter im Vergleich zu Kathmandu fordert seinen Tribut. In meinem Kopf nistete sich vorübergehend ein ungebetenes Heinzelmännchen ein, dass ständig mit seinem Hammer gegen meine Schädeldecke klopfte. Erst nach Stunden hatte es sich müde gehämmert und ließ mich ruhig schlafen.
Alle wissen, dass die Zeit für sportliche Höchstleistungen noch nicht gekommen ist. Richard hat sich vor zwei Jahren schon einmal vergeblich am Manaslu versucht. Er gesteht, dass es ihn bereits juckt, wenn er bergauf blickt: „Die Verhältnisse sind bedeutend besser als damals. Aber ich bin schon lange genug dabei, um zu wissen, dass jetzt erst einmal Akklimatisieren angesagt ist.“
Für Richard ist es bereits die achte Expedition.
Auch Rolf macht die Höhe noch zu schaffen. „Ich bin ein bisschen kurzatmig, alles geht etwas langsamer.“ Rolf kann es kaum noch erwarten, ins 4800 Meter hohe Basislager aufzusteigen. „Ich bin schon ganz kribbelig.“.

Zur Ruhe kommen wir bei einem Besuch in der Pemachheling Gompa, dem kleinen Kloster oberhalb des Dorfes Sama. Die Mönche unterbrechen ihre Gebete, um uns willkommen zu heißen. Ralf überreicht eine Spende für das Kloster.

Rote Bändchen mit Glücksknoten

Die Mönche segnen die Gebetsfahnen, die bald in unserem Basislager wehen werden. Außerdem wird jedem von uns ein „Sungdi“ um den Hals gelegt, ein kleines rotes Bändchen mit einem Glücksknoten. Dieses Glück werden wir brauchen, am Manaslu, dem Berg der Seele.

Datum

Donnerstag 19.04.2007 | 12:39

Teilen

Mit dem Hubschrauber zum Manaslu

Eigentlich ist es fast schade, dass ich die Flugangst, die mich früher quälte, überwunden habe. Hier an Bord des russischen Militärhubschraubers, könnte ich sie hemmungslos ausleben, könnte winseln, selbst schreien, ohne dass mein Nachbar es hören würde. Der Lärm, den der Helikopter mit seinen langen Rotorblättern und dem starken Motor macht, ist ohrenbetäubend.

Wie Sardinen in der Dose

Wie Sardinen in der Dose drängeln wir uns zu siebt auf einer Metallbank an der Seite des Laderaums. Unmittelbar vor unseren Knien türmt sich das Expeditionsgepäck: prall gefüllte Tonnen, Taschen, Säcke.
Die russischen Piloten sind abgebrüht. Während sie ihren Riesen-Heli fliegen, rauchen sie Zigaretten – trotz der überall angebrachten Schilder „No Smoking“, trotz des Kerosingestanks.

Sichere Landung

Wir bleiben von Turbulenzen verschont. 40 Minuten nach dem Start in Kathmandu verengt sich allmählich das Tal, durch das wir fliegen. Die Felswände auf der einen, die Bäume auf der anderen Seite scheinen zum Greifen nahe. Leicht wackelnd legt sich der Hubschrauber in die Kurve, dann setzt er am Landeplatz auf: 3585 Meter hoch, zu Füßen des Manaslu.
Unser Koch Sitaram und weitere Helfer eilen herbei. Wir beginnen, den Helikopter zu entladen.Die russischen Piloten rauchen derweil ihre nächsten Zigaretten. Wenig später entschwebt der Hubschrauber, zurück nach Kathmandu, um die restlichen sechs Expeditionsmitglieder abzuholen.

Einheimische zapfen Kerosin ab

Zwei Stunden später: Wolken haben sich ins Tal geschoben. Ralf wird langsam nervös. Gerade als er sein Satellitentelefon auspackt, um sich in Kathmandu nach dem Verbleib der zweiten Gruppe zu erkundigen, hören wir erst das vertraute Geknatter. Dann erblicken wir den Hubschrauber, der erneut sicher aufsetzt. Das Expeditionsteam ist wieder vereint.
Während wir das Gepäck entladen, zapfen sich einige Einheimische aus dem Dorf Sama Kerosin aus den Tanks des Hubschraubers ab. Die Piloten stehen lächelnd daneben – und rauchen.

Datum

Mittwoch 18.04.2007 | 11:24

Teilen

Auf Wiedersehen, Kathmandu!


Stupa von Bouddhanath

Das Los hat entschieden. Beim gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant im Touristenviertel Thamel zogen wir aus einem Plastikbecher Papierzettelchen, auf denen sieben Mal die Eins und sechs Mal die Zwei stand. Wer die Eins erwischte, sitzt morgen um sieben Uhr früh im ersten Helikopter, der Richtung Sama zu Füßen des Manaslu fliegt. Die Zweier folgen eine Stunde später.

Russische Militärhubschrauber aus dem Afghanistan-Krieg

Bei den Fluggeräten handelt es sich nicht um Helikopter, wie man sie vielleicht von Rundflügen in den Alpen kennt, sondern um große russische Militärhubschrauber vom Typ MI 17, die einst im Afghanistankrieg eingesetzt wurden. Auch die Piloten sind Russen. „Garantiert nicht besoffen“, verspricht Ralf, unser Expeditionsleiter. Na dann kann ja nichts schief gehen.
Mit uns fliegen knapp vier Tonnen Gepäck: Zelte, Schlafmatten, Küchenmaterial, Lebensmittel, Bergsteiger-Ausrüstung, 80 Paar Trekkingschuhe für die Träger und, und, und… Eine Expedition ist eben kein Mittagsspaziergang.

Macht euch keine Sorgen!

Allen ängstlichen Lesern sei gesagt: Sollte sich jetzt ein kleines zeitliches Loch zum nächsten Bericht ergeben, liegt es aller Wahrscheinlichkeit nach an technischen Schwierigkeiten mit der Satellitenverbindung und nicht daran, dass die Hubschrauber zur unfreiwilligen Landung angesetzt haben.
Immer noch beunruhigt? Grundlos: Erstens habe ich heute an der Stupa von Bouddhanath, in der angeblich Asche von Buddha liegt, ein paar Butterlampen entzündet. Und zweitens, wie gesagt: die Piloten sind nüchtern. Darauf könnt ihr einen trinken!

Datum

Dienstag 17.04.2007 | 17:33

Teilen

Besuch bei Mahesh


Maheshs Familie (links eine Cousine seiner Frau)

Ein Tag zur freien Verfügung in Kathmandu, Zeit, einen guten Freund zu besuchen. Mahesh Budha arbeitet für eine hiesige Trekking-Agentur. 2003 war ich mit ihm gemeinsam im Himalaya wandern. Seitdem ist der Tourismus in Nepal wegen des Bürgerkriegs zwischen Militär und maoistischen Rebellen fast komplett zusammengebrochen.

Drei Wochen Arbeit im Jahr

Mahesh fand kaum noch Arbeit. „Pro Jahr führte ich im Durchschnitt zwei Trekking-Gruppen. Von diesen drei Wochen Arbeit mussten wir überleben.“ Das Geld reichte vorne und hinten nicht, um seine Frau und seine drei kleine Kinder zu ernähren. Mahesh musste Geld leihen. Jetzt kratzt er die Zinsen zusammen.
Zur Zeit hat der 31-Jährige einen regelmäßigen Job. 5000 Rupies verdient Mahesh im Monat, umgerechnet rund 45 Euro. Allein 3000 Rupies gehen für die Miete drauf.

Immer kleinere Wohnung

Alle fünf bis sechs Monate musste die Familie in immer kleinere, weil billigere Wohnungen umziehen. Ein kleines Zimmer für die Eltern, eines für die Kinder, eine Mini-Küche und eine Toilette – Maheshs Familie lebt räumlich und finanziell auf kleinstem Fuß. Eigentlich kann es nur aufwärts gehen. Vor allem, da jetzt doch wieder deutlich mehr Urlauber nach Nepal kommen. „Das ist wirklich ein gutes Zeichen“, sagt Mahesh. Aber das zarte Pflänzchen könne schnell zertrampelt werden. „Wenn sich die politische Lage verschlechtert, bleiben die Touristen wieder zu Hause.“

“Wir brauchen Frieden!“

Mahesh misstraut der Ruhe. „Ich glaube noch nicht daran, dass die für kommenden Sommer geplanten Wahlen auch wirklich zustande kommen. Eine fremde Macht hinter dem Vorhang will das verhindern“, sagt Mahesh und lässt offen, ob er damit China oder Indien meint. – Mein Freund träumt von besseren Zeiten: für sich, für seine Familie, für ganz Nepal. Aber das, so Mahesh, gehe nur unter einer Voraussetzung: „Frieden!“

Datum

Dienstag 17.04.2007 | 11:08

Teilen