Hoch steigen, weit fliegen
Andy träumt von Monaco. Im fünften Anlauf will der Südtiroler Andreas Frötscher nach all den Strapazen erstmals auch das Ziel der X-Alps in der Stadt der wirklich Reichen und vermeintlich Schönen erreichen.
Mit Gleitschirm und zu Fuß über die Alpen
Denn diese Regel des extremen Rennens kennt kein Wenn und Aber: 48 Stunden, nachdem der Sieger angekommen ist, werden die X-Alps gestoppt. Bei der letzten Auflage 2009 waren innerhalb dieser Frist nur zwei Starter in Monaco gelandet. Andy beendete das Rennen 288 Kilometer vor der Stadt an der Cote d’Azur.
Um Großglockner, Matterhorn und Mont Blanc
Die X-Alps, die alle zwei Jahre ausgetragen werden, gelten als eines der härtesten Abenteuerrennen der Welt. „Fly. Hike. Conquer“ lautet das Motto, also „Fliegen. Steigen. Überwinden“. Die Alpen sollen überquert werden, auf einer gedachten bogenförmigen Route von Salzburg in Österreich über rund 860 Kilometer Luftlinie nach Monaco – ausschließlich zu Fuß oder mit dem Gleitschirm. Alle anderen Transportmittel wie Auto, Fahrrad oder Seilbahn sind verboten, Tunnel ebenfalls tabu. Die Teilnehmer können ihren Kurs selbst bestimmen, müssen aber einige Wendepunkte passieren, bei der nächsten Auflage des Rennens (Start 17. Juli 2011) unter anderen den Großglockner, das Matterhorn und den Mont Blanc. Nur 30 Starter werden zugelassen, die Bewerbungsfrist endet am 30. September.
30.000 Höhenmeter in zwölf Tagen
Die X-Alper können bei Tag und Nacht fliegen oder laufen. Ein Helfer darf sie mit Essen, Ausrüstung sowie Informationen über Wetter und Strecke versorgen. Ihren Gleitschirm müssen die Teilnehmer jedoch stets bei sich tragen. Es gilt übrigens nicht unbedingt: Wer länger fliegt, landet weiter vorn. So legte 2007 der Gewinner 61 Prozent der Distanz in der Luft zurück, der Zweitplatzierte jedoch 76 Prozent zu Fuß.
Viel laufen, wenig schlafen – Andy am Boden
„Beim letzten Mal bin ich 30.000 Höhenmeter in zwölf Tagen gelaufen“, erzählt Andy und staunt dabei fast ein wenig über sich selbst: „Ich weiß auch nicht, wie ich das mache.“ Im Hinterkopf haben die X-Alps-Starter wahrscheinlich immer, dass die Konkurrenz nicht schläft – und das fast im wörtlichen Sinne. Nur vier bis fünf Stunden Schlaf pro Tag gönne er sich während des Rennens, sagt Andy. Dazu kämen zwei bis drei Stunden, in denen er esse, den Gleitschirm herrichte oder einfach an einem Gipfel auf gute Thermik warte.
Achtung, Sekundenschlaf!
In der Luft kann sich der 41 Jahre alte Laborassistent aus Klobenstein kaum erholen. „Bei den X-Alps fliege ich auch bei Wetterbedingungen, bei denen ich normalerweise nicht starten würde“, räumt der Südtiroler ein. Dabei sei volle Konzentration gefordert. „Gleitschirmfliegen ist wie Schachspielen in der Luft.“
Doch irgendwann fordert auch der Körper seinen Tribut – mit möglicherweise fatalen Folgen. Wenn er wegen fehlender Thermik gezwungen sei, an einem Hang hin und her zu fliegen, dabei weder Höhe verliere noch gewinne, könne es passieren, dass er kurz einnicke: „Sekundenschlaf wie im Auto, das kann gefährlich werden.“ Andys Kopf muss also mitspielen: “Ich versuche, meine Psyche stets hoch zu halten.“
Tränen über Südtirol
Die körperliche Vorbereitung nach einem festen Trainingsplan hat Andy inzwischen aufgegeben, „weil es wichtig ist, dass man sich nicht quälen muss.“ Er verlässt sich auf seine große Erfahrung und sein „Bauchgefühl“. Frötscher begann 1993 mit dem Paragliden. Seit den ersten X-Alps im Jahr 2003 war er immer dabei und musste im Gegensatz zu vielen Konkurrenten auch niemals aufgeben. Andys Platzierungen fielen relativ konstant aus: 13,10,14,12. Die Sieger kamen bisher stets aus der Schweiz.
Emotionen unterm Schirm
Für Andreas Frötscher geht es bei den X-Alps in erster Linie um das Abenteuer und die kleinen Glückgefühle. Die stellen sich ein, wenn er eine schwierige Passage gemeistert hat, eine lange Distanz von 150 Kilometern oder mehr am Tag geflogen ist – oder aber, wenn er die geliebten heimischen Berge in Südtirol überquert: „Da kann es schon einmal sein, dass ich oben heulen muss.“ Sollte es Andy gelingen, 2011 erstmals in Monaco zu landen, würde er sicher auch die eine oder andere Träne verdrücken.