Vermisst am Kili: Demut und Respekt
Das Gipfelzertifikat liegt zu Hause, ich könnte also eigentlich einen Haken hinter den Kilimandscharo machen. Doch der höchste Berg Afrikas beschäftigt mich auch noch eine halbe Woche nach der Heimkehr. Zu zwiespältig waren meine Gefühle während der acht Tage am Kili. Auf der einen Seite durfte ich gastfreundliche und hilfsbereite Tansanier, ein harmonisches Expeditionsteam und eine wirklich beeindruckende Natur erleben. Der Aufstieg durch die verschiedenen Vegetationsstufen bescherte mir viele unvergessliche Momente. Auf der anderen Seite offenbarten sich mir aber auch einmal mehr die Kehrseiten des Massen-Bergtourismus.
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Abschied vom Kilimandscharo
Wanderberg? Das würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Ich räume ein, dass ich den 5895 Meter hohen Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas, unterschätzt habe. Auf etwa 5500 Metern erwischte er mich auf dem falschen Fuß. War es der nervtötende Aufstieg über den Schotterhang, bei dem ich den Eindruck hatte, dass ich, wenn ich zwei Schritte vorwärts machte, einen zurückrutschte? Oder war es der eiskalte Wind, der bis in die Finger- und Fußspitzen vordrang? Was auch immer dafür verantwortlich war, plötzlich hatte ich das Gefühl, dass mich meine Kräfte im Eiltempo verließen. Unser Guide Bayo bemerkte, dass ich Probleme hatte. Wir machten eine kleine Ess- und Trinkpause, und Bayo bestand darauf, meinen Rucksack zu übernehmen. Danach bekam ich wieder die Kurve. Mindestens 20 Prozent meines Gipfelerfolgs gehören also meinem tansanischen Bergführer, ohne den ich womöglich nicht den höchsten Punkt erreicht hätte.
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Gipfeltanz
Ich höre Franks schweren Atem hinter mir. Wir sind auf fast 6000 Metern, aber wo ist dieser verdammte Uhuru Peak, mit 5895 Metern die höchste Erhebung des Kilimandscharo? Seit einer halben Stunde folgen wir unserem Bergführer Bayo durch die Dunkelheit. Dann endlich erreichen wir die Bretterkonstruktion, auf der zur Besteigung des höchsten Bergs Afrikas gratuliert wird. Und was macht Frank? Trotz der dünnen Luft singt und tanzt er mit Bayo das afrikanische Volkslied „Hakuna Matata“. „So habe ich wenigstens nicht gefroren“, sagt Frank später.
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Gipfelerfolg am Kilimandscharo
Es war 5.41 Uhr lokaler Zeit, als Bayo unsere Gruppe auf den 5895 Meter hohen Uhuru Peak führte. Frank, Manfred, Thomas, Rolf, Rainer und ich erreichten rund sechsdreiviertel Stunden nach dem Aufbruch von der Kibo Hut den Gipfel des höchsten Bergs Afrikas. Thomas fuhr – wo immer es möglich war – hinterher mit dem Mountaimbike ab. Rund eine halbe Stunde nach uns stand auch eine große zweite Gruppe aus unserer Expedition auf dem Uhuru Peak: Ingrid, Max, Franzi, Ralf, Helmut, Ursula, Linus, Sigrid, Silvia, Sabine, Monika, Birgit, Rainer B. und Birgit B. (Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen.) Irene schaffte es bis auf den Gilman Point. Weitere Einzelheiten gibt es nach der Rückkehr aller zur Horombo Hut.
Tag der Entscheidung
Jetzt gilt es. Heute Abend um 23 Uhr werden wir aufbrechen. So wie es jetzt, wenige Stunden zuvor, aussieht, werden bis auf Gerd, unseren Ältesten mit 76 Jahren, wohl alle noch verbliebenen 20 Expeditionsteilnehmer einen Gipfelversuch machen. Zuvor nimmt Christian Kreisel aus dem Marburger Ärzteteam bei allen weitere Blutproben. Christian wird als möglicher Nothelfer in der Kibo Hut zurückbleiben.
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In der Ruhe liegt die Kraft
Frank wirkt fast ein wenig erschrocken über sich selbst. Während einer Trinkrast auf 4300 Metern hat er sich zwischen den Felsen ausgestreckt und ist eingenickt. „Ich habe tatsächlich geschlafen“, sagt der 47-Jährige. „Und als ich aufwachte, war mir richtig kalt.“ Heute stiegen wir von der Horombo Hut auf 3700 Metern bis zur Kibo Hut auf 4720 Metern auf, Ausgangspunkt des Gipfelversuchs. Auf dem breiten, meist sanft ansteigenden Weg – von den Einheimischen „Coca-Cola-Route“ genannt, erlebten wir ein weiteres Beispiel gefährlicher Unvernunft.
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Auf du und du mit dem zellulären Stress
„Wahrscheinlich hat es hier noch nie eine Expeditionsgruppe gegeben, die so viel medizinisches Fachpersonal und entsprechende Ausrüstung hatte“, sagt Harald Renz. Der Professor von der Philipps Universität Marburg erklärt den Bergsteigern verständlich, was im Körper geschieht, wenn jemand höhenkrank wird. „Der in dieser Höhe fehlende Sauerstoff sorgt für zellulären Stress. Die spannende Frage ist, wie der Körper mit diesem Stress umgeht. Welche rund 200 der zur Verfügung stehende 20.000 Gene die Zellen in Gang setzen.“ Aus diesem Grund hat das Ärzteteam uns mehrmals Blut abgezapft und in spezielle Röhrchen gefüllt. „So haben wir von jedem je einen Stoffwechsel-Fingerabbruch auf jeder Höhe,“, erklärt der Mediziner. Wenn wir morgen zur Kibo Hut auf 4700 Metern aufgestiegen sind, werden wir eine weitere Blutprobe abgeben, die letzte dann nach dem Gipfelgang am Samstag. Die ersten Ergebnisse der Analyse werden in etwa einem halben Jahr vorliegen. „Wir erhoffen uns Erkenntnisse über die genetischen Prozesse, die zur Höhenkrankheit führen“, sagt Harald Renz.
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Rolltragen und Sternschnuppen
„Der Kilimandscharo ist kein Berg für einen Wettkampf“, sagt Joachim. „Also lass‘ dir Zeit!“ Ich musste gerade mal hinter einem Stein verschwinden und hänge deswegen rund 100 Meter hinter der Gruppe zurück. Joachim ist einer unserer Guides und hat auf mich gewartet. Seit 1997 arbeitet er als Bergführer. Er hat sich hochgearbeitet. „Ich habe als Träger begonnen, dann als Küchenhelfer gearbeitet, ehe ich Bergführer geworden bin“, erzählt der Mittvierziger. „Heute bilde ich selbst Bergführer aus.“ Viele unterschätzten den Berg, sagt der Tansanier.
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Moutainbiken am Limit
„Er ist der Härtlinger.“ Monika bringt es auf den Punkt. Thomas hat bereits heute am Kilimandscharo seinen ersten Gipfel erreicht. Der 58-Jährige aus Münsingen lief am Morgen von der Mandara Hut auf 2700 Metern wieder hinunter, holte im Hotel sein Mountainbike ab, fuhr anschließend 14 Kilometer zum Kilema Gate und bewegte sein Rad dann die Jeep-Piste zur Horombo Hut hinauf. „Alles in allem waren es 2700 Höhenmeter auf dem Rad, ich bin durch“, sagt Thomas, als er am Ziel eintrifft. Der Schweiß tropft ihm von der Nase. „Ich habe das Mountainbike 70 Prozent der Strecke geschoben, das war einfach nicht fahrbar“, berichtet der Biker. „Auf 2500 Metern habe ich Krämpfe gehabt. Es war hart, ich war am Limit.“ Nach einer kalten Dusche und in trockenen Klamotten erzählt er weiter: „Der letzte Mountainbiker auf der Kilema Route vor mir war unten am Gate am 12. Januar notiert. Während der sechs Stunden hinauf zur Horombo Hut habe ich nur einen Jeep, einen Kleinlaster mit Bauarbeitern und einen Krankenwagen getroffen, sonst niemanden. Es war wirklich grenzwertig, dort alleine unterwegs zu sein.“
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Kili-Aufstieg mit medizinischer Begleitung
So habe ich noch nie einen Aufstieg auf einen hohen Berg begonnen. Gleich am Marangu Gate, dem Eingang zum Kilimandscharo-Nationalpark, nehmen uns Professor Harald Renz, Dr. Christian Kreisel und Dr. Tim Jäcker Blut ab. Zuvor haben wir bereits mehrere Fragebögen ausgefüllt, zu unserer körperlichen und mentalen Verfassung. Die 24 Expeditionsmitglieder haben sich bereiterklärt, als „Versuchskaninchen“ für eine Studie zur Höhenkrankheit zur Verfügung zu stehen. „Wir hoffen, mehr über die Zusammenhänge der Krankheit herauszufinden“, sagt Harald Renz, welche Faktoren dafür sorgen, dass sie ausbricht. Ob es auch genetische Faktoren gibt, die eine Rolle spielen. Und welchen Einfluss die Psyche hat.“
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Der verborgene Berg
Der Kilimandscharo spielte mit mir Verstecken. Nach der langen Reise von Köln via Frankfurt und Addis Abeba nach Tansania hatte ich mich schon darauf gefreut, vom Flugzeug aus einen Blick auf den höchsten Berg Afrikas werfen zu können. Blöderweise saß ich im Mittelgang. Als der Pilot verkündete, der Kilimandscharo läge nun links von uns, scheuchte ich meine Nachbarin auf und hastete zu einem Fenster am Notausgang, um einen Schnappschuss zu machen. Doch ich kam zu spät. Wer Glück hatte, konnte wenigstens einen kurzen Blick auf den Kili erhaschen. Ich sah nur noch Wolken.
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Vor Kibo-Expedition: Ab in die künstliche Höhe
Der Kilimandscharo ruft. In knapp drei Wochen werde ich zum höchsten Berg Afrikas aufbrechen. Natürlich möchte ich den Gipfel auf 5895 Meter Höhe erreichen. Aber nicht nur darum geht es bei der „Kilimanjaro Summit Challenge“. Die anderen 23 Teilnehmer der Expedition und ich werden auch an einem Forschungsprojekt der Philipps Universität Marburg zur Höhenkrankheit teilnehmen. Die Ärzte, die uns begleiten, werden täglich Blutproben nehmen und uns untersuchen. Auch psychologische Tests sind geplant. Das Risiko, am Kilimandscharo höhenkrank zu werden, ist ziemlich hoch. Schließlich überwinden die Gipfelaspiranten innerhalb weniger Tage gut 4000 Höhenmeter. Rund 70 Prozent der Kibo-Touristen berichten anschließend über Symptome der akuten Höhenkrankheit.
Zu Hause dünne Luft schnuppern
Ich lebe in Köln auf rund 50 Meter Meereshöhe, die Alpen sind rund 600 Kilometer fern. Damit fehlt mir die Möglichkeit, mal eben einen Berg zu besteigen, um Höhenluft zu schnuppern. Schon vor früheren Expeditionen habe ich gute Erfahrungen mit Hypoxietraining gemacht, damals noch in speziellen Studios. Jetzt steht bei mir zu Hause ein Generator, mit dem ich gezielt einen Teil des Sauerstoffs aus der Luft filtern kann. Über eine Maske atme ich die sauerstoffärmere Luft ein und simuliere so eine größere Höhe. So kann ich nicht nur beim Sporttreiben und im Ruhezustand dünne Luft atmen, sondern sogar in einem speziellen kleinen Zelt „auf Höhe“ schlafen.
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