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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Alexander Huber wird 50: „Geil, so einen Sport zu haben“

Alexander Huber am Choktoi Ri

Still crazy after all these years. Dieser Titel eines Songs von Paul Simon könnte auch über dem Leben vieler Bergsteiger und Kletterer stehen – wenn sie denn ihre tollkühnen Abenteuer bis ins hohe Alter überlebt haben. Ein bisschen verrückt sein – und ich meine das durchaus positiv – gehört einfach dazu, auch bei Alexander Huber. Der jüngere der beiden „Huberbuam“ feiert an diesem Sonntag seinen 50. Geburtstag.

Die Liste seiner Erfolge als Kletterer und Bergsteiger ist lang. So eröffnete Alexander mehrere Felskletterrouten im elften Grad, durchstieg (mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Thomas, Toni Gutsch und dem US-Amerikaner Conrad Anker) 1997 erstmals die Westwand des 7108 Meter hohen Latok I im Karakorum, stand ein Jahr später ohne Flaschensauerstoff auf dem Achttausender Cho Oyu oder bewältigte free solo – also im Alleingang und ohne Seilsicherung – schwierige Alpenrouten wie die „Hasse-Brandler-Diretissima“ durch die Nordwand der Großen Zinne (2002) oder die „Schweizerführe“ am 3838 Meter hohen Grand Capucin im Montblanc-Gebiet (2008). Im vergangenen Sommer eröffnete Huber mit seinem deutschen Kletterpartner Fabian Buhl am 6166 Meter hohen Choktoi Ri im Karakorum eine 2200 Meter lange neue Route über den Südpfeiler (s. Video unten).

Alexander lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern auf einem Bauernhof nahe Berchtesgaden. Ich habe ihn – einige Tage vor seinem Geburtstag – angerufen.

Alexander, du knackst die 50er Marke, ist das für dich ein Tag wie jeder andere?

Alexander auf der Messe „Outdoor“ 2017

Es ist sicher nicht ein Tag wie jeder andere, weil mir sehr wohl bewusst ist, dass wieder ein Jahrzehnt vergangen ist. Aber es wird für mich kein besonderer Geburtstag sein, das Gefühl kenne ich ja schon von meinen anderen runden Geburtstagen.

Wenn du dich selbst heute mit dem Alexander vergleichst, der 25 Jahre alt war – erkennst du dich dann noch wieder?

Ich erkenne mich noch absolut, wie ich damals war. Man geht seinen Weg im Leben. Es gibt vieles, das sich verändert, manches bleibt gleich. Ich wäre vielleicht noch mal gerne 25, aber mein Realitätssinn sagt mir, dass es so eben nicht kommen wird. Und es ist ja auch nicht so, dass mit 25 alles besser war. Es gibt auch Dinge, die mit 50 besser sind.

Haben sich für dich die Prioritäten verschoben?

Die Prioritäten verschieben sich ständig. Das ist ein ganz normaler Prozess im Leben. Es wäre auch ein Wunder, wenn es nicht so wäre.

Bist du vorsichtiger geworden?

Ja, in dem Sinne, dass ich nicht mehr die wilden Aktionen wie mit 25 oder 35 mache. Das hat auch viel mit meinem Realitätssinn zu tun. Ich weiß, dass ich die Sachen damals auf einem Niveau durchgezogen habe, das ich heute nicht mehr habe. Das heißt, ich kann die Dinge sowieso nicht mehr toppen, die ich schon realisiert habe. Und von daher lasse ich es einfach ruhiger angehen und mache die Dinge, die für mich möglich sind.

Im vergangenen Sommer hast du mit Fabian Buhl am Sechstausender Choktoi Ri eine neue Route über den Südpfeiler eröffnet. Wie gut hat dir der Erfolg getan – nach einigen gescheiterten Expeditionen im Karakorum?

So ein Erfolg tut immer gut. Es macht Spaß, wenn man auch den Gipfel erreicht. Das ist ja der Grund, warum man überhaupt aufbricht. Aber es ist ganz normal im Leben eines Bergsteigers, dass es auch immer wieder Aktionen gibt, die nicht zum Ziel führen. Ich habe ja gerade bei größeren Expeditionen eine Erfolgsquote, die deutlich unter 50 Prozent liegt. Wenn man damit nicht zurechtkommt, hat man an diesen Bergen mit ambitionierten Zielen auch nichts zu suchen. Wenn irgendjemand von sich behauptet, er sei „Mister 100 Percent Success“, kann ich nur sagen: Na ja, dann hat er es auch nie wirklich probiert, an die Grenze zu gehen. Ich ziehe es eher vor, immer wieder meine Grenzen auszuloten und auch hin und wieder einen Rückschlag einstecken zu müssen, anstatt Dinge zu versuchen, die letztendlich leicht zu holen sind.

Aber am Choktoi Ri ist es für euch richtig rund gelaufen.

Ja, obwohl wir von den meteorologischen Bedingungen her eine schwierige Saison hatten. Man merkt auch im Karakorum, dass die Klimaerwärmung zuschlägt. Es gab in diesem Jahr ziemlich viel schlechtes Wetter. Aber wir haben taktisch extrem gut agiert, sodass am Ende der Erfolg herausgekommen ist. Nur eine taktische Fehlentscheidung hätte dazu geführt, dass wir es nicht geschafft hätten. Wir haben es gut gemacht, aber auch das nötige Quäntchen Glück gehabt.

Fabian ist 28 Jahre alt, also über 20 Jahre alte jünger als du. Warst du schon ein bisschen in der Rolle des Mentors, der seine Erfahrung weitergibt?

Mit Fabian Buhl (r.) auf dem Gipfel des Choktoi Ri

Klar, das ist die Rolle, die man dann automatisch einnimmt. Ich bin natürlich ein Mentor Fabians. Aber letztendlich habe ich für meine Idee einen kompetenten Kletterpartner gesucht. Eine von Fabians Stärken ist, dass er unglaublich motiviert ist, einen unglaublichen Spaß am Bergsteigen hat und sich für nichts zu schade ist, jede Anstrengung wirklich mit Freude angeht. Genau so einen Partner brauchst du am Berg. Nur so kann es funktionieren.

War es für dich vielleicht auch ein Modell für die nächsten Jahre, nur zu zweit unterwegs zu sein?

Das habe ich früher auch schon mal gemacht, es ist also kein neues Modell für mich. Prinzipiell bin ich lieber in einem möglichst kleinen Team unterwegs. Aber es hängt auch vom Ziel ab. Einen Latok II zum Beispiel zu zweit anzugehen, wäre schon fast an der Gefahr des Bergs vorbeigedacht. Wenn irgendetwas passiert, ist man zu zweit nur noch mit einer minimalen Sicherheitsreserve ausgestattet.

Gibt es einen Höhepunkt in deiner Kletterer- und Bergsteigerkarriere, der hervorsticht, an den du dich besonders gerne erinnerst?

Ich freue mich darüber, dass ich in ganz verschiedenen Bereichen meine Highlights setzen konnte und mir dadurch den Alpinismus auch stets lebendig gehalten habe und interessant. Angefangen hat es bei mir ja im Spitzenbereich mit dem alpinen Sportklettern. Heute kann ich mir nicht vorstellen, noch einmal mit der gleichen Begeisterung Sportkletterer zu sein, da wäre es mir wahrscheinlich viel zu langweilig geworden. Aber wenn man sich anschaut, was im Alpinismus alles geht – sei es in der Antarktis, in Patagonien, im Yosemite Valley, in den Dolomiten, beim Speedklettern, Free-Solo-Klettern, auf schwierigen alpinen Routen, bei Expeditionen, Achttausender, Sportklettern im elften Grad – dann kann man nur sagen: Geil, so einen Sport zu haben, der auch nach dreißig Jahren im Spitzenbereich interessant sein kann.

Extrem unterwegs, hier am Mount Asgard auf Baffin Island

Schauen wir nach vorn, welche Ziele setzt du dir noch als Bergsteiger und Kletterer?

Ich setze mir nur mittelfristig Ziele. Langfristig kann ich nur sagen: Ich will mit dem, was ich mache, glücklich sein. Aber was genau das sein wird? Keine Ahnung. Es ergibt sich. Ich habe ja das Glück, fast verletzungsfrei durch mein Bergsteigen gekommen zu sein. Ich bin immer noch gesund, mir tut nichts weh, und deswegen gehe ich weiter in die Berge. Aber das kann natürlich von einem auf den anderen Tag ganz anders ausschauen.

Gibt es schon ein konkretes Projekt für 2019?

Das einzige, das ich sicher weiß, ist, dass ich nicht auf Expedition fahre. Ich will noch diverse Routen hier zu Hause in den Alpen klettern. Aber das konkrete Projekt für 2019 ist nicht, in den Himalaya oder ins Karakorum zu reisen.

Und wie wirst du deinen Geburtstag verbringen?

Wie jedes Jahr. Ich feiere ihn mit meinen Freunden.

Datum

28. Dezember 2018 | 12:24

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