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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Es gibt ein paar untrügliche Zeichen, die mich daran erinnern, dass ich älter werde. Etwa, dass ich mich blind wie ein Maulwurf fühle, wenn ich meine Lesebrille verlegt habe. Oder dass ich mich dabei ertappe, von alten, besseren Zeiten zu schwärmen. Krzysztof Wielicki ist da schon viel weiter, sprich weiser. „Ich will nicht behaupten, dass es heute schlechter ist, nur anders“, sagt die lebende polnische Bergsteigerlegende.


Krzysztof Wielicki, Pionier des Extrembergsteigens im Himalaya

60 Jahre alt ist Wielicki. Vor gut 30 Jahren, im Februar 1980, gelang Krzysztof mit seinem Landsmann Leszek Cichy die erste Winterbesteigung des Mount Everest. 1984 am Broad Peak war er der erste Bergsteiger, der einen Achttausender an einem Tag bestieg. Und Wielicki setzte weitere Marken: 1986 bestieg er mit Jerzy Kukuczka erstmals den Kangchendzönga im Winter. 1988 ließ er die erste Solobesteigung des Lhotse folgen, und dann noch im Winter, auch das eine Premiere. 1990 bestieg Wielicki als Erster im Alleingang den Dhaulagiri. 1996 war der Pole der fünfte Mensch, der alle 14 Achttausender bestiegen hatte, lediglich am Everest hatte er Flaschen-Sauerstoff benutzt.

Exodus in den Himalaya

„Es war das goldene Zeitalter der polnischen Bergsteiger“, erzählt Krzysztof (Im Bild links mit Leszek Cichy nach der Winterbesteigung des Mount Everest). „Heute haben wir den Kapitalismus in Polen. Die Leute müssen arbeiten und haben einfach keine Zeit mehr für lange Expeditionen.“ Die wirtschaftliche Lage in seiner Heimat sei in den 1970er und 80er Jahren verheerend gewesen. Gleichzeitig seien die politischen Fesseln etwas gelockert worden, sodass vor allem Sportler ins Ausland reisen konnten. „Es war wie ein Exodus“, sagt Wielicki. „Wir flohen in den Himalaya.“ Bis zu 20 Expeditionen aus Polen waren Jahr für Jahr an den höchsten Bergen der Welt unterwegs. „Paradox ist, dass wir in der schlechtesten Zeit für Polen die größten Erfolge im Bergsteigen gefeiert haben.“

Eltern mussten Zeitung lesen

Und dann spricht Krzysztof doch von den alten als „besseren Zeiten“. Es habe keinen Druck gegeben, weder von Sponsoren, noch von den Medien. „Wir sind nur für uns selbst geklettert. Wir wollten unsere Träume verwirklichen.“ Als Wielicki und Co. zu ihren Expeditionen aufbrachen, war Internet noch ein Fremdwort. Erst wenn die Bergsteiger zurückkehrten, gaben sie Interviews. „Meine Eltern wussten gar nicht, dass ich im Himalaya unterwegs war. Sie haben es zwei Monate später in der Zeitung gelesen.“


Hoppe, hoppe, Bergsteiger: Wielicki mit Simone Moro (l.) und Denis Urubko (r.)

Schneller ein Star und unter der Erde

Die heutige Generation der Extrembergsteiger beneidet Krzysztof nicht: „Wenn du etwas Spektakuläres machen willst, musst du ein größeres Risiko eingehen. Und du musst ein Profi sein, kannst nicht noch einen normalen Job nebenher haben.“ Häufig bleibe dabei allerdings die Erfahrung auf der Strecke. Früher hätten sich die Bergsteiger erst über Touren in den Alpen oder im Kaukasus an die Achttausender herangetastet. „Die Erfahrung ist das Wichtigste. Sie vermittelt dir eine Idee davon, was und wie du es tun sollst. Heute haben die Menschen keine Geduld mehr. Sie wollen so schnell wie möglich Erfolge. Nach zwei, drei Jahren sind sie Stars. Und ein oder zwei Jahre später sterben sie in den Bergen.“

Süchtig nach den hohen Bergen

Auch mit 60 Jahren hat Krzysztof Wielicki die Bergschuhe noch nicht an den Nagel gehängt. „Ich habe noch kein Zeichen erhalten, dass ich damit aufhören sollte. Ich fühle mich immer noch gut.“ 2006 bestieg Krzysztof zum zweiten Mal den Achttausender Gasherbrum II in Pakistan. Im nächsten Jahr will er sich wieder am Broad Peak versuchen. „Ich kann nicht ohne das Bergsteigen im Himalaya sein. Das ist einfach mein Leben.“

P.S. Im unten stehenden Interview mit Krzysztof zum Hören mute euch wieder einmal mein lausiges Englisch zu. Dafür aber es ist unverfälscht und authentisch.

Interview mit dem polnischen Bergsteiger Krzysztof Wielicki

Datum

12. Dezember 2010 | 10:49

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