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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Schnell und sicher hoch hinaus

„Heute war ich joggen, auf den Kala Patthar“, schreibt Ueli Steck. Joggen? Ich erinnere mich noch gut. 2002 war ich das erste Mal im Himalaya, auf Reportagereise zum Basislager des Mount Everest. Der 5675 Meter hohe Kala Patthar war der höchste Punkt, den ich damals erreichte. Der Berg ist eigentlich ein Schutthügel, sein Name bedeutet nicht umsonst „Schwarzer Stein“. Erst von dort oben eröffnet sich im Khumbu-Tal der Blick auf das Gipfeldreieck des höchsten Bergs der Erde. Mein Fortbewegungsstil damals war das Gegenteil von Joggen. Nach Luft japsend quälte ich mich hinauf. Als ich den höchsten Punkt erreichte, fühlte ich mich um zehn Jahre gealtert. Aber ich war und bin eben nicht Ueli Steck.


Ueli Steck

Rekordzeiten

Der Bergsteiger aus der Schweiz hat schließlich die drei großen Nordwände der Alpen in Rekordzeit durchklettert und das solo: Eigernordwand, Grandes Jorasses und Matterhorn. „Sehr schnell und trotzdem sicher hohe Schwierigkeitsgrade zu klettern, das ist die Innovation, die ich in den Alpinismus einbringe“, sagt der 34-Jährige. „Mit meinen Speedbegehungen in den Alpen habe ich gezeigt, dass mein System funktioniert. Jetzt will ich es an einem 8000er in einer schwierigen Route anwenden.“

Hammerhaft

Das Jogging auf den Kala Patthar war Training für sein neues Projekt. Ueli hat sich für dieses Frühjahr die Shisha Pangma in Tibet vorgenommen. Er will den mit 8027 Meter niedrigsten der 14 Achttausender auf einem neuen Weg durch die Südwand besteigen. Die Route führt über einen Pfeiler in der Wandmitte. „Sie sieht hammerhaft aus“, schwärmt Ueli. Eigentlich wollte Steck die Route mit dem Italiener Simone Moro angehen, der sie auch ausgemacht hatte. Doch Moro, dem vor einigen Wochen am Gasherbrum II die erste Winterbegehung eines Achttausenders in Pakistan gelang, sagte ab. Ob Ueli die Route allein oder mit einem Team versucht, hat er bisher noch offen gelassen.


Ueli auf dem Gipfelgrat des Tengkampoche

“Grenzen schaffen Freiheit“

Der Schweizer gilt als einer der derzeit besten Bergsteiger weltweit. 2009 wurde Steck gemeinsam mit seinem Landsmann Simon Anthamatten für die Erstbegehung der Tengkampoche Nordwand (6500 Meter) im Everest-Gebiet mit dem „Piolet d’Or“ ausgezeichnet, dem „Oscar des Alpinismus“. Erfahrung an Achttausendern hat er bereits gesammelt. 2008 versuchte sich Ueli an der Annapurna. Er brach das Projekt ab, um dem Spanier Iñaki Ochoa de Olza zu helfen, der in einem Lager auf 7400 Metern Höhe kollabiert war. Ueli war im Zelt, als Iñaki, der zuvor zwölf Achttausender ohne Atemmaske bestiegen hatte, starb. Im Sommer 2009 erreichte Steck mit dem Gasherbrum II seinen ersten, im Herbst desselben Jahres mit dem Makalu seinen zweiten Achttausender-Gipfel. Den Versuch, den Westpfeiler des Makalu zu besteigen, gab Ueli auf. Zu viel Schnee, zu gefährlich. „Es gibt viele natürliche Faktoren, die kann ich nicht beeinflussen, die kann ich nur akzeptieren“, sagt Steck. „Aber erst dadurch, dass klare Grenzen existieren, gibt es die totale Freiheit.“

Datum

23. März 2011 | 11:52

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