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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Drama am Broad Peak bleibt unklar

Broad Peak

Wie ein Schatten liegt der Tod von Maciej Berbeka und Tomasz Kowalski über der polnischen Winterexpedition zum Broad Peak. Das sportliche Ziel hatte das Team unter Leitung der Himalaya-Legende Krzysztof Wielicki erreicht. Die erste Winterbesteigung des Achttausenders in Pakistan war geglückt. Doch dann kehrten zwei der vier Gipfelstürmer nicht zurück. Schweren Herzens musste Wielicki die beiden für tot erklären. Fragen waren offen geblieben. Nach der Rückkehr nach Polen haben die Bergsteiger zumindest versucht, das Drama am Broad Peak zu erklären.

Keine Anzeichen von Schwäche

Berbeka, Kowalski, Adam Bielecki und Artur Malek brachen am Gipfeltag um 5.15 Uhr Ortszeit von Lager 4 in 7400 Metern Höhe auf. Relativ spät. Sie hätten ausreichend Zeit gebraucht, so die Bergsteiger, um sich von den Strapazen des Vortags zu erholen, an dem sie 1200 Meter aufgestiegen seien. Außerdem hätten sie bei den ersten Vorstößen schlechte Erfahrungen damit gemacht, bei den extrem niedrigen Nachttemperaturen zu früh aufzubrechen. Richtig viel Zeit verlor das Quartett dann aber vor dem so genannten „Rocky Summit“, dem Vorgipfel auf 8027 Metern Höhe. Dort habe es „unvorhergesehene technische Schwierigkeiten“ gegeben, die bei Sommerbesteigungen nicht aufträten. 16 Uhr war es bereits, elf Stunden waren sie schon geklettert. Expeditionsleiter Wielicki fragte per Funk nach, ob es nicht schlauer sei, wegen der fortgeschrittenen Stunde umzukehren. Es war der erfahrene Berbeka, der antwortete, dass alle entschlossen seien, zum Gipfel weiterzusteigen. Niemand aus dem Gipfelteam habe zu diesem Zeitpunkt Anzeichen von Schwäche gezeigt, sagten die beiden Überlebenden.

Eigentlich perfekte Winterbedingungen

Broad Peak (mit Schatten des K 2)

Nachdem sie die letzte große Hürde überwunden hatten, stieg jeder so schnell er konnte Richtung Gipfel. Bielecki erreichte den höchsten Punkt um 17.20 Uhr, Malek, eine halbe Stunde später, Berbeka und Kowalski noch einmal zehn Minuten später. Wegen der großen Höhe und der Gefahr, sich Erfrierungen zuzuziehen, sei es nicht möglich gewesen, auf die langsameren Begleiter zu warten, sagten Bielecki und Malek. Offenkundig hielten alle die spätere dramatische Wendung nicht für möglich. Die Temperaturen seien bei Einbruch der Nacht auf minus 29 bis 35 Grad Celsius gefallen. Aber es habe kein Wind geweht, der Himmel sei klar gewesen. Eigentlich perfekte Bedingungen für Bergsteigen im Winter.

Funkstille mit Berbeka

Warum Kowalski später nur noch dahinschlich, ist unklar. Wahrscheinlich war er höhenkrank, in Verbindung mit der niedrigen Temperatur verließen ihn so schnell die Kräfte, dass er kaum mehr in der Lage war abzusteigen. Rätselhaft bleibt auch, ob Kowalski und Berbeka zusammenblieben. Berbeka funkte nicht mehr. Kowalski erwähnte lediglich, er habe den vor ihm absteigenden Maciej mehrmals gesehen. Möglich, dass Berbeka später in einer der zahlreichen Gletscherspalten verschwand oder abstürzte.

Am Ende ihrer Kräfte

Bielecki erreichte Lager 4 um 22.10 Uhr, Malek um 2 Uhr nachts. Beide waren völlig erschöpft. Bielecki wollte Malek entgegensteigen, kehrte aber um, nachdem er für 30 Höhenmeter 40 Minuten gebraucht hatte. Ähnlich erging es Malek, als er am nächsten Morgen nach den beiden Vermissten suchen wollte. Der pakistanische Bergsteiger Karim Hayat stieg noch einmal bis zu einer Höhe von 7700 Metern auf. Trotz guter Sicht fand er keine Spur von Berbeka und Kowalski.

Untersuchungskommission eingesetzt

Die meisten Todesfälle beim Himalaya-Bergsteigen sind Folge individueller Fehler. Doch wer will den ersten Stein werfen? Es war Berbekas und Kowalskis eigene Entscheidung, den Gipfelversuch fortzusetzen, obwohl klar war, dass sie im Schein ihrer Stirnlampen würden absteigen müssen. Auch über jene Passagen, die ihnen schon beim Aufstieg im Hellen Probleme bereitet hatten. Am Rocky Summit hätte die Option bestanden, nur den Fittesten oder die beiden Schnellsten zum Gipfel steigen zu lassen. Auch als Bielecki ihnen später bei seinem Abstieg entgegen kam und klar war, dass das Ziel der Expedition erreicht war, hätten Berbeka und Kowalski noch kehrtmachen können. Doch der Gipfel war so nah. Ignorierten sie womöglich Alarmsignale ihres Körpers? Was genau mit ihnen in den letzten Stunden ihres Lebens geschah, bleibt spekulativ. Daran wird auch die Kommission des polnischen Bergsteigerverbands, die das Drama am Broad Peak untersuchen soll, wohl kaum etwas ändern können.

Datum

24. März 2013 | 20:15

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