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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Lampenfieber

Dort wollen wir hinauf

Eigentlich ist heute Ruhetag, doch wirklich zur Ruhe kommt niemand. Die Spannung ist fast mit bloßen Händen zu greifen. Morgen brechen wir auf, um in vier Etappen den 7000er Putha Hiunchuli zu besteigen. Wenn alles perfekt läuft, könnten wir am Donnerstag den höchsten Punkt auf 7246 Metern erreichen. Doch geschenkt wird uns dieser Berg nicht. Wir werden uns quälen müssen. Und selbst wenn körperlich alles passt, ist der Erfolg nicht garantiert. „Natürlich kann es sein, dass ich am geplanten Gipfeltag das ganze Unternehmen abbrechen muss“, sagt Expeditionsleiter Herbert. „Wenn ich aus dem Zelt trete und fast weggeblasen werde, können wir die Sache vergessen.“

Expeditionsleiter Herbert ist optimistisch

Ein Tag als Puffer

Hochlagerkost wird verteilt

Der Wind bleibt die große Unbekannte. Bisher werden für Donnerstag moderate Windgeschwindigkeiten vorhergesagt, doch das kann sich ändern. Je näher wir an den Gipfeltag heranrücken, desto genauer werden die Prognosen. Von morgen an wird Herbert täglich per Satellitentelefon die neuesten Wettervorhersagen einholen. In unserem Zeitplan haben wir einen Puffer von einem Tag, den wir im Hochlager aussitzen könnten, um auf bessere Verhältnisse zu warten. Doch jeder Tag in der großen Höhe ist eigentlich einer zu viel.

1000 Höhenmeter in einem Rutsch

Auch über die Taktik am Berg wird im Basislager diskutiert. Die erfahrenen Bergsteiger Brigitte und Hans haben sich mit Einverständnis von Herbert dazu entschlossen, einen weiteren Tag hier unten auf 4940 Metern Kraft zu tanken. „Dann wollen wir an unserem geplanten Gipfeltag Lager 3 überspringen und direkt von Lager 2 aus den höchsten Punkt ansteuern. Wir sind in diesen Höhen schon mehr als 1000 Meter an einem Tag hochgestiegen“, sagt Brigitte „Das ist zwar hart, aber dafür sparen wir uns die wenig erholsame Nacht im höchsten Lager. Im Idealfall treffen wir uns dann am Donnerstag am Gipfel.“ Ich habe angeregt, dass Herbert, der im normalen Leben als Polizist arbeitet, ein Überholverbot für Brigitte und Hans verhängt, damit es für uns langsamere Bergsteiger nicht ganz so frustrierend wird. Aber wer weiß, wie hoch wir überhaupt kommen.

Umkehrzeit ohne Wenn und Aber

„Um 12 Uhr ist Umkehrzeit“, sagt Herbert und macht mit seinem Tonfall klar, dass er in diesem Punkt nicht zu Verhandlungen bereit ist. Um vier Uhr früh werden wir voraussichtlich von Lager 3 auf 6600 Metern aufbrechen. „Dann habt ihr pro 100 Höhenmeter eine Stunde Zeit. Das muss ausreichen. Wenn nicht, seid ihr zu langsam oder zu schwach, um den Gipfel zu erreichen. Denkt daran, ihr müsst auch wieder absteigen.“

Helmut: Es ist allerhöchste Zeit, dass es losgeht

Üben mit der Notfall-Sauerstoffflasche

Im wieder einmal von der Sonne verwöhnten Basislager erscheint mir das noch so weit entfernt. Doch so viel ist klar: Spätestens übermorgen, wenn ich im zweiten Anlauf erstmals Lager 2 auf 6100 Metern erreichen will, muss ich an meine Grenzen gehen. Dann werden sich die von außen vielleicht harmlos erscheinenden Höhenangaben in körperliche Quälerei verwandeln. Ein bisschen Lampenfieber ist also durchaus angebracht, Daumen drücken erwünscht. Ich nehme jedenfalls jede Hilfe an. Außer den Einsatz von Flaschensauerstoff. Der ist nur für den Notfall reserviert.

PS: Auf der rechten Seite findet ihr jetzt unter „Hier sind wir gerade“ einen Link, über den ihr sehen könnt, wo ich gerade bin.

Datum

16. Oktober 2011 | 13:55

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