Bin ich Konfuzius?
Die meisten Windkraftanlagen stehen nicht umsonst im Norden. Eigentlich bläst es fast immer. Jedenfalls habe ich das Gefühl, ständig „auf (Wind-) Kante“ zu fahren. Das kostet Kraft und zermürbt auch mental. Ich weiß nicht, wie oft ich heute „Moor“ als Wortsilbe auf Schildern gelesen habe: Drochterser Moor, Stadermoor, Helmstermoor, Moordorf – um nur einige zu nennen. Moorboden ist fruchtbar. Dementsprechend viel Landwirtschaft gibt es in dieser Region. Vor allem Mais wird angebaut. Die zwei Meter hohen Pflanzen mit den fast reifen Kolben gehören neben den riesigen Windrädern zu den immer wiederkehrenden Bildern meines zweiten Tags auf dem Weg zur Zugspitze.
Schmerzender Hintern
Manchmal fahre ich eine halbe Stunde oder mehr, ohne einem einzigen Fußgänger oder Radfahrer zu begegnen. In den kleinen Ortschaften wird fleißig geradelt, aber auf den Landstraßen dazwischen bin ich meist allein auf weiter Moor-Flur – beschäftigt mit meinen übersäuerten Waden, dem schmerzenden Allerwertesten und meinem inneren Schweinehund. Ich weiß, der Weg ist das Ziel. Aber bin ich Konfuzius oder Lao Tse? Sind die beiden eigentlich Rad gefahren? Wenn ich es mit Gegenwind manchmal nur auf schlappe 14 Stundenkilometer bringe, frage ich mich schon, ob ich meinen Zeitplan einhalten kann.
Noch ein Kilometer mehr
Den Fast-Gau erlebe ich am Etappen-Ende. Als ich nach 120 Kilometern müde und erschöpft in Visselhövede einrolle und eine junge Frau mit Lippen-Piercing frage, wo ich den in der Karte eingezeichneten Campingplatz fände, antwortet sie erstaunt:“Ich wusste gar nicht, dass wir hier einen Zeltplatz haben.“ Der Tankwart reagiert ähnlich. Erst als mir wieder der Name des Platzes einfällt, den ich im Internet gelesen habe, fällt bei ihm der Groschen: „Ach, der Wüstenhof! Ja, den kenne ich.“ Er kramt eine alte Karte des Ortes aus und beschreibt mir den Weg. Noch einen Kilometer mehr! „ Es geht aber nur bergab“, tröstet mich der Tankwart. „Du brauchst nur rollen zu lassen.“
Guter Mann
Als ich den Hof erreiche, sehe ich zwar Stellplätze, die aber alle verwaist sind. Genauso wie die Anmeldung, die telefonische Rufanlage neben der Tür funktioniert nicht. Ich entdecke doch noch einen Camper, der vor seinem Wohnmobil steht. Er erzählt, dass der Platz geschlossen habe, weil die Besitzer pleite gegangen seien. „Aber der alte Platzwart hat sicher nichts dagegen, wenn Sie hier eine Nacht bleiben.“ Per Handy erreiche ich den Mann schließlich. Er öffnet mir sogar den eigentlich geschlossenen Waschraum und schenkt mir doppelt so viele Duschmarken, wie ich brauche, um den Schweiß des Tages wegzuspülen. Auch wenn wir oft das Gegenteil denken: Es gibt wirklich viele gute und freundliche Menschen.