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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Herr Radfahrer!

Darum ist es am Main so schön

Fair ist schwer. Zumindest, wenn man 133 Fahrradkilometer von gestern in den Knochen und außerdem schlecht und zu kurz geschlafen hat. Und dann fährt in unmittelbarer Nähe zum Radweg alle zwanzig Minuten ein Regionalzug vorbei. Nein, ich mache es nicht wie einige Radprofis in den Gründerjahren der Tour de France, die ein Stück der Etappe mit dem Zug fuhren, um den Strapazen aus dem Weg zu gehen. Ich bleibe fair unterwegs, mit meinem Stein von der tiefsten Stelle Deutschlands in der Satteltasche. Der heutige Tag meint es aber auch gut mit mir. Am Main sind die Radwege wunderbar flach. Kein Lüftchen weht. Und so fahre ich Kilometer um Kilometer, ohne dafür ans Limit gehen zu müssen.

Auch Einkaufswagen rollen

In Würzburg habe ich zur Mittagszeit gut 50 Kilometer hinter mich gebracht. In einem Biergarten am Main mit Blick auf die Altstadt mache ich Brotzeit mit Salat. So heißt das hier in Bayern. Heute bin ich zum ersten Mal mit „Herr Radfahrer“ angeredet worden. Eine freundliche ältere Dame macht mich darauf aufmerksam, dass mein Einkaufswagen vor dem Supermarkt in Ochsenfurt – in dem ich mich für das Wochenende mit Proviant eingedeckt habe – quer über den abschüssigen Parkplatz rollt. „Kein Wunder! Das hören Sie unter ihrem Helm ja auch nicht“, sagt die Dame mit einem verschmitzten Grinsen.

War das Aldag?

Frisch ist anders

Der „Herr Radfahrer“ mit Schallschutzhelm muss kurz darauf doch wieder schieben. Der Anstieg heraus aus dem Maintal ist für mich nach einer anstrengenden Woche auf dem Rad schlicht zu steil. Bis zum Taubertal muss ich noch über einige solcher giftiger Anstiege. Wenn ich nicht mehr schneller als 6,5 Stundenkilometer fahren kann, schiebe ich lieber. Für meine Beine ist das ein willkommener Ausbruch aus dem Kurbel-Trott. Sie scheinen doch eher fürs Laufen gemacht.

Hinter dem Dorf Aub quäle ich mich einen weiteren Hügel hinauf, als ein Rennradfahrer über die Kuppe geschossen kommt und auf meiner Höhe freundlich grüßt. War das nicht Rolf Aldag, der alte Kämpe aus glorreichen Tagen des deutschen Radsports? Ehe ich meinen Gedanken gefasst habe, ist der Rennradler schon außer Sichtweite. Vielleicht war es ja Aldags Bruder. Oder ich habe halluziniert.

Aus Kanada zum Radfahren

Schattenspiel

Die letzten der 120 Tageskilometer führen mich durch das Taubertal. Bevor ich den Zeltplatz in Detwang erreiche, sehe ich das angestrahlte Stadttor von Rothenburg ob der Tauber. Immerhin ist es diesmal noch nicht stockdüster. Neben mir hat ein Ehepaar aus dem Osten Kanadas sein Zelt aufgebaut. Die beiden sind schon zum zweiten Mal über den großen Teich geflogen, nur um in Deutschland Rad zu fahren. „Hier gibt es so schöne Fahrradwege“, sagt der Kanadier.

P.S. Auf der rechten Seite des Blogs könnt ihr via Spot Messenger sehen, wo ich unterwegs bin.

Datum

15. September 2012 | 23:10

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