Der vergessene Konflikt
Tibet liegt nicht im Nahen, sondern im Fernen Osten. Liegt es an der großen Entfernung, dass wir in den täglichen Nachrichtensendungen so gut wie nichts von dem nach wie vor schwelenden Konflikt erfahren? Oder daran, dass die Himalaya-Region nun schon seit über 60 Jahren von China besetzt ist, wir uns also fast daran gewöhnt haben? Ich empfehle einen Blick auf die Internetseite der tibetischen Exilregierung in Indien. Dort finden sich derzeit fast täglich neue Meldungen über Selbstverbrennungen in Tibet. Seit Anfang des Monats haben sich bereits 16 Menschen in Brand gesetzt, um gegen die Besetzung ihrer Heimat zu protestieren. Gestern war es der 34 Jahre alte Tsering Dhondup aus Amchok im Nordosten Tibets. Der Vater zweier Kinder starb an seinen Verletzungen. Die chinesischen Behörden wollen keine Augenzeugen aus dem Westen. „Einreisegenehmigungen für Tibet (TAR Permit) werden derzeit und bis auf weiteres nicht erteilt“, heißt es beim Auswärtigen Amt in Berlin. Was das für geplante Expeditionen im Frühjahr 2013 bedeutet, ist noch unklar.
Permits für Frühjahrs-Expeditionen?
„Die Agenturen in Nepal gehen von einer Öffnung Tibets für die Frühjahrssaison aus“, informiert mich auf Anfrage Dominik Müller, Chef des Expeditionsveranstalters Amical alpin, der eine Expedition zur Shishapangma ausgeschrieben hat. In diesem Herbst hatte es weder Genehmigungen für diesen noch für den ebenfalls in Tibet gelegenen Achttausender Cho Oyu gegeben. Die kommerziellen Veranstalter wichen daraufhin – wie berichtet – auf den in Nepal gelegenen Manaslu aus.
Plädoyer für Gewaltlosigkeit
Vielleicht müssen sie im Frühjahr erneut umdisponieren. Wie sich die Lage in Tibet entwickelt, ist derzeit nämlich nicht absehbar. Die chinesische Regierung betrachtet Selbstverbrennungen als „terroristische Aktionen“, die vom Dalai Lama gesteuert seien. Das geistliche Oberhaupt der tibetischen Buddhisten weist dies zurück und fordert Peking immer wieder auf, die Gründe für die Protestaktionen ernsthaft zu untersuchen. „Die Lage in Tibet ist sehr ernst“, sagte der 77-Jährige vor einigen Tagen im indischen Exil in Dharamsala. „Es gibt ein Problem, das weder für die Tibeter noch die Chinesen gut ist. Der Einsatz von Gewalt wird dafür niemals eine befriedigende Lösung bringen.“