Making of …
Die Tarnung war mäßig, um nicht zu sagen dilettantisch. Auf meinem Visumantrag stand als Berufsbezeichnung „selbstständiger Historiker“, was immerhin einen Funken Wahrheit enthielt, weil ich einst im Nebenfach „Neuere Geschichte“ studierte. Hätte ich den Chinesen reinen Wein eingeschenkt und mich als Journalist geoutet, hätte ich höchstwahrscheinlich kein Visum erhalten. Schließlich werden die DW-Internetseite und auch mein Blog in China blockiert, wovon ich mich in Kaschgar selbst überzeugen konnte. Auf ein Mikrofon hatte ich wohlweislich verzichtet, um Scherereien an der Grenze aus dem Weg zu gehen. Das DW-Logo auf dem Handy hatte ich überklebt, alle dienstlichen Telefon-, Mail- oder SMS-Kontakte gelöscht. Und doch hätten die Grenzposten nur meinen Namen in Verbindung etwa mit dem Stichwort „Tibet“ googeln müssen und schon wäre ich aufgeflogen. Entsprechend nervös war ich bei der Einreise aus Kirgistan. Das BGan-Satellitengerät hatten wir tief im Expeditionsgepäck versteckt. Sollte es beanstandet werden, wollten wir so tun, als gehöre es zur Solaranlage.
Aufpasser der Regierung
Dazu kam es nicht. Bei den Grenzkontrollen erregten unsere Eisschrauben mehr Aufmerksamkeit als mein Rucksack, prall gefüllt mit elektronischer Ausrüstung. Die nächste Hürde kam eher unerwartet. Bei der Fahrt zum Kokodak Dome gesellte sich ein junger Chinese zu uns, der angeblich mit dem Besitzer der Trekking-Partneragentur in Kaschgar befreundet war. Mir fiel auf, dass er eine sündhaft teure Spiegelreflexkamera samt Superteleobjektiv mit sich führte. Auf meine Frage, was er denn am Kokodak Dome wolle, antwortete er, er wolle zwei Tage lang testen, ob er die Höhenluft vertrage. Außerdem arbeite er für die Online-Seite von Kaschgar. Ich wollte wissen, ob er einen Artikel über unsere Expedition plane. Er wich aus. Bei mir klingelten die Alarmglocken. Ich warnte die anderen Teammitglieder. Edith schaffte es schließlich, die entscheidende Information aus dem Chinesen herauszukitzeln. Sie erzählte ihm, dass sie für die österreichische Regierung arbeite und überrumpelte ihn: „Du arbeitest doch auch für die Regierung, oder?“ „Ja“, räumte der junge Mann kleinlaut ein.
Schwerer, aber schneller
Solange er uns beobachtete, musste ich also vorsichtig arbeiten. Im Schutz der Dunkelheit holte ich mir das Satellitengerät und packte es in meine Expeditionstasche. Die Berichte schrieb ich erst, wenn sich alle zur Nachtruhe zurückgezogen hatten – im Zelt, von wo aus ich auch die Internetverbindung via Satellit aufbaute und Texte samt Fotos in den Blog setzte. Nach zwei Tagen hatte der Chinese genug von uns und der Höhenluft und stieg wieder ins Tal ab. Das Versteckspielen hatte endlich ein Ende. Dafür begannen unsere Aufstiege. Ich hatte mir fest vorgenommen, auch vom Berg aus zu täglich berichten. Also gehörten Kamera, Laptop, Kartenleser, Smartphone und Verbindungskabel zu meinem Standardgepäck. „Ich würde den Rechner unten lassen“, riet mir Expeditionsleiter Luis. „Du kannst doch mit dem Smartphone schreiben und auch Bilder schicken. Dann sparst du Gewicht.“ Ich entschied mich dennoch für den Laptop, da ich auf ihm schneller und bequemer schreiben kann und damit auch mehr Zeit zur Erholung hatte. Denn daran mangelte es mir. Wenn die anderen sich bereits ausruhten, musste ich noch in die Tasten hauen musste, um das Tagesgeschehen für den Blog aufzuarbeiten. Alltag eines Expeditionsreporters.
Netz bis zum Gipfel
Kurioserweise profitierte ich am Berg von den vielen Militärposten im Tal. Für diese haben die Chinesen leistungsstarke Sendemasten aufgestellt. Das führte dazu, dass ich in allen Hochlagern am Kokodak Dome und selbst 20 Meter unterhalb des Gipfels noch ein G3-Handynetz hatte. Ich musste also nicht das schwere BGan-Gerät hochschleppen. Selbst die kleine Lösung, das so genannte „Sat-Sleeve“, mit dem ich das Smartphone zum datenfähigen Satellitentelefon hätte machen können, benötigte ich nicht – auch wenn ich das Gerät zur Sicherheit beim erfolgreichen Gipfelversuch im Rucksack hatte. Ich verband schlicht meinen Laptop mit dem Smartphone und schickte per Email Text und Bilder an mein „Hometeam“. Meine Frau oder mein Sohn befüllten anschließend den Blog (vielen Dank an die beiden für ihre Unterstützung). Am Gipfeltag ließ ich den Laptop in Lager 2 auf 6300 Metern. Ich meldete den Gipfelerfolg telefonisch an meine Frau, die dann eine kurze Nachricht veröffentlichte. Den Tagesbericht verfasste ich später im Zelt in Lager 2.
Täglich gebloggt
Die meiste Arbeit machte ich meinem Hometeam am letzten Tag in Kaschgar. Wegen des Mords am Imam der Stadt war das gesamte Internet blockiert. Ich konnte meinen Bericht also nicht als Email schicken, wohl aber in mehreren Teilen als SMS. Meine Frau, die nur ein normales Handy besitzt, tippte die Fragmente ab und setzte sie zusammen. Am späten Abend, als die Internetsperre aufgehoben wurde, setzte ich auch noch zwei Bilder ab, die nachträglich eingefügt wurden.
So blieb die Bilanz ungetrübt: Jeden Tag gab es einen neuen Bericht mit Bildern. Auch aus China. Trotz China. Vielleicht versteht ihr jetzt noch besser, warum ich nach dem Grenzübertritt in Kirgistan erst einmal einen Jubelschrei ausstieß.
P.S. @Florian: Ich hoffe, deine Neugier ist jetzt befriedigt. 😉