Alexander Huber: “Hasardeure sind noch nie weit gekommen“
Die Huberbuam werden auch künftig gemeinsam auf Expedition gehen, aber wohl nicht mehr zusammen zum Latok I. Während mir Thomas Huber noch vor drei Wochen mit leuchtenden Augen von der Nordwand des 7145 Meter hohen Granitriesen vorschwärmte, scheint sein jüngerer Bruder Alexander das Projekt nach den Erlebnissen im vergangenen Sommer endgültig abgehakt zu haben. Ich sprach mit dem 46-Jährigen Spitzenkletterer Ende letzter Woche am Rande der Alpinmesse Innsbruck.
Alexander, bei der Akklimatisierung für die Latok I-Nordwand seid ihr am Latok III von einer Lawinen-Druckwelle fast aus der Wand geblasen worden. Dein Bruder meinte, es sei noch nie so knapp gewesen. Hast du es auch so empfunden?
Es war definitiv knapp. Wir hatten den Serac ja gesehen und unser Lager deshalb weit weg von ihm platziert. Wir hatten das Glück, dass wir eine kleine Plattform ausgeschaufelt hatten, um die Zelte perfekt zu positionieren. Und die kleine Kante, die dabei entstanden ist, hat uns das Leben gerettet. Sonst wären wir einfach weggeblasen worden. Insofern hat unser Risikomanagement zwar geklappt. Aber es war viel, viel knapper, als ich es mir jemals hätte erträumen lassen. Und das ist doch schockierend.
Alexander Huber: Es war sehr knapp
Hat dieses extreme Erlebnis eure Moral für euer eigentliches Vorhaben, die Latok I-Nordwand gebrochen?
Ja, es hat unser Moral gebrochen. Aber selbst wenn der Serac-Abbruch nicht passiert wäre, hätten wir am nächsten Tag die schlechten Bedingungen am Berg bemerkt. Sie hätten uns den weiteren Aufstieg nicht möglich gemacht. Wir wären zum gleichen Ergebnis gekommen, dass man unter solchen Bedingungen und bei solchen Temperaturen an so einem Berg nichts zu suchen hat.
Mit welchem Gefühl bist du von dieser Expedition zurückgekehrt?
Ich habe es sehr gut akzeptieren können, weil es nun einmal so war, wie es war. Mario (Walder), Dani (Arnold) und ich haben am Ende noch einen kleinen Sechstausender gemacht. Das war bergsportlich überhaupt nicht relevant, weil es eine Dimension unter der Schwierigkeit eines Latok I war. Aber für mich war es doch ein wunderschönes Erlebnis, das ich nun mit dieser Expedition verbinde. Sie hat damit für mich einen Namen bekommen: Erstbesteigung des Panmah Kangri, 6046 Meter, ein wunderschöner freistehender Berg. Auch wenn es nicht super extrem ist, muss man einfach damit zufrieden sein, dass letztendlich alles gut ausgegangen ist. Wir hätten ja ohnehin nicht mehr erreichen können. Wenn man damit ein Problem hat, hat man eigentlich am Berg nichts zu suchen. Wir machen einen Outdoor-Sport, wo die Bedingungen darüber entscheiden, ob wir hinaufsteigen können oder nicht. Wenn man das nicht will, muss man sich einen anderen Sport suchen.
Ihr hattet ja auch im letzten Jahr schon geplant, zum Latok I zu gehen, es dann aber wegen der unsicheren politischen Lage in Pakistan sein lassen. Wie habt ihr das Land diesmal erlebt?
In Baltistan war alles ruhig. In den Bergen herrschte aus meiner Sicht keine Gefahr. Man kann das auch nicht mit der Lage am Nanga Parbat vergleichen. Während dieser Achttausender von außen sehr leicht erreichbar ist, sind die Berge des Karakorum entlegen und im Schiiten-Gebiet, wo die Taliban gewöhnlich ein schlechteres Standing haben. Ich habe mich in Baltistan sehr sicher gefühlt. Den Weg dorthin über den Karakorum-Highway hätte ich mir allerdings sehr gerne gespart. Der Terrorismus ist eine kalte Gefahr, die man nicht spürt. Sie wird immer erst dann heiß, wenn es passiert. Man ist dort im Ungewissen unterwegs. Im Endeffekt war es eine sehr schöne Reise. Wir haben nichts von dieser Gefahr am Karakorum Highway wahrgenommen, wir haben nichts gesehen. Aber das heißt nicht, dass es wirklich sicher ist.
Alexander Huber: Den Karakorum Highway hätte ich mir gerne gespart
Bist du denn immer noch heiß auf den Latok I-Nordwand?
Für mich ist ganz klar: Die Nordwand des Latok I ist so unkalkulierbar gefährlich, dass ich keine Motivation verspüre, sie anzugehen. Ich suche mir lieber schwierige Ziele ohne dieses nicht kalkulierbare Risiko.
Spricht da aus dir auch der Familienvater?
Nein, das hat damit nichts zu tun. Ich liebe ja mein eigenes Leben und will es auch erleben. Es war ja auch schon in der Vergangenheit so, dass ich bei Zielen, die mir zu haarsträubend waren, lieber einen Rückzieher gemacht habe.
Alexander Huber: Hasardeure sind noch nie weit gekommen
Es spricht ja für Stärke, dazu in der Lage zu sein.
Ich denke, das ist unbedingt nötig. Hasardeure sind in der Welt der Berge noch nie weit gekommen. Es ist auch heute noch möglich, mit relativ geringem Können, aber hoher Risikobereitschaft sehr schnell bekannt zu werden. Aber man könnte einige Beispiele aufzählen, an denen man sieht, dass es nicht lange gut geht.