So geht’s nicht!
In den nächsten Tagen wird es sicher eine Menge von Erfolgsmeldungen an den Achttausendern geben. Bevor wir in den Gratulationsmodus schalten, gilt es leider wieder einmal, den Finger in einige Wunden des kommerziellen Bergsteigens zu legen. Ich bin wirklich nicht der Moralapostel, aber einige Meldungen der letzten Tage haben mich aufgeschreckt – vor allem ein Tweet heute von Tim Mosedale. „Ronnie und Pemba habe das Lhotse-Hochlager entdeckt, um festzustellen, dass einige Drecksäcke den Flaschensauerstoff gestohlen haben. Absolut unakzeptabel“, schreibt der britische Expeditionsleiter, der am Mittwoch zum sechsten Mal den Mount Everest bestiegen hatte. Und er schickte noch gleich einen weiteren Tweet hinterher: „Sauerstoff zu stehlen, gefährdet das Leben anderer Bergsteiger. Wenn es einen Notfall gibt, lasst es uns wissen, und selbstverständlich werden wir helfen. Aber ihn einfach zu nehmen, ist eine absolute Schande.“ Dass der Egoismus am Berg so weit geht, dass sogar Sauerstoffflaschen gestohlen werden, ist wirklich erschreckend, absolut fahrlässig und unentschuldbar. Das wirft kein gutes Licht auf die Einstellung einiger (hoffentlich weniger) Bergsteiger an den höchsten Bergen der Erde. Das gilt auch für das, was sich beim gescheiterten Gipfelversuch am Kangchendzönga am vergangenen Dienstag abspielte.
Fehlinformation im letzten Lager
Die Australierin Chris Jensen Burke berichtet in ihrem Blog, ein Leiter einer anderen Gruppe habe ihnen im letzten Lager vor dem Gipfel versichert, dass die Fixseile am Vortag bis auf eine Höhe von 8100 Metern gelegt worden seien. Deshalb sei es nicht nötig, für den Gipfelversuch den gesamten Vorrat an Seilen mitzunehmen. Außerdem müssten auch keine Sherpas lange vor den Kunden der kommerziellen Expeditionen aufsteigen. Einen halben Tag später stellte sich heraus, dass die Angaben schlichtweg falsch waren. Die Folge: Es bildete sich auf gut 8000 Metern eine Schlange: an der Spitze die Sherpas, die doch noch die Route versichern mussten, dahinter die Gipfelanwärter. Dann gingen wegen der Fehlinformation aus dem letzten Hochlager die Fixseile aus. Der Gipfelversuch musste abgeblasen werden, alle stiegen ab.
Keine Spur von Wertschätzung
„Warum wurde uns eine falsche Information gegeben?“, fragt sich Chris. „Ich glaube, Unerfahrenheit spielte eine Schlüsselrolle. Und der Kerl hat sich wohl keine Gedanken über die Folgen gemacht.“ Von Teamwork keine Spur. Doch auch die von der Australierin zitierte Aussage eines Kunden ruft bei mir nur Kopfschütteln hervor: „Wenn die für die Route Zuständigen wissen, dass Bergsteiger hinter ihnen herkommen, müssen sie eben schneller aufsteigen.“ Diese Worte lassen jede Wertschätzung der Arbeit der Sherpas vermissen. Und die Frage muss erlaubt sein: Wo bleibt eigentlich die Eigenverantwortlichkeit der Kunden?
Unter denen, die umkehrten, waren auch die drei Nepalesinnen Maya Sherpa, Pasang Lhamu Sherpa Akita und Dawa Yangzum Sherpa. Sie beschlossen heute, wegen der eher schlechten Wetterprognosen die Expedition abzubrechen. „Es ist natürlich eine sehr enttäuschende Entscheidung. Selbstverständlich würden wir lieber mit einem Gipfelerfolg zurückkehren“, ließ das Sherpani-Trio auf Facebook wissen.